- Artikel
- Lesezeit ca. 23 Minuten
Genesis – Interview auf der Pressekonferenz im Mayfair Hotel London, 7. November 2006
Das Genesis Management lud für den 7. November 2006 zur Pressekonferenz ins Mayfair Hotel in Zentral-London ein. Genesis wollten dort Details zu ihrer Turn It On Again Tour erläutern. Christian Gerhardts war vor Ort, hier findet ihr ein vollständiges Transkript der Pressekonferenz.
Gegen 11.15h wurde uns Einlass gewährt. Zunächst gab es zwei Promo-Sheets, dazu eine 5.1 Promo-DVD mit Auszügen der ersten Alben, die in 5.1 veröffentlicht werden. Es war zunächst genug Zeit für Small Talk, den Mario, Stuart, Alan und ich natürlich nutzten. Die Konferenz selber fand tief im inneren des Gebäudes statt – in dem Kino-Saal des Hotels. Die Konferenz begann mit etwas Verspätung und wurde von David Baddiell moderiert, der selbst Genesis-Fan und in England als Komiker sehr beliebt ist. Als David dann sagte, dass die Pressekonferenz als Webcast übertragen wird, welcher von „www.genesis-news.com“ präsentiert wird, fühlten wir uns gleich geehrt. Allerdings wurde der Webcast von www.genesis-music.com präsentiert, der offiziellen Seite, aber dennoch vielen Dank, David…
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Pressekonferenz von Genesis. Gerade eben konnten sie Turn It On Again in der neuen 5.1 Surround-Abmischung hören, einen kleinen Teil eines umfassenden Remastering-Projekts. EMI wird im Laufe des nächsten Jahres nach und nach alle Studioalben von Genesis in der neuen Abmischung veröffentlichen. Lassen Sie uns beginnen. Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie auf der Bühne – Herrn David Baddiell.
David Baddiell: Vielen Dank, meine Damen und Herren. Einen guten Tag Ihnen allen und guten Tag auch denen, die sich zu Tausenden, ja, wer weiß – zu Millionen für den Live-Webcast auf genesis-news.com angemeldet haben. Vielleicht sollte ich erst einmal erklären, was ich hier überhaupt mache. Begleiten Sie mich zurück ins Jahr 1977. Rauh waren die Sitten in London, es war die Zeit der Skinheads und des Punkrock. Es war auch das Jahr, in dem ich auf offener Straße in London zweimal zusammengeschlagen wurde, einmal, weil ich Jude bin, einmal, weil ich Pakistani bin. Das ist wirklich passiert! Ich habe versucht, dem Typen, der mich verprügelte, zu erklären, dass ich Jude bin, aber das war ihm ziemlich gleichgültig. Na ja. Wie wohl alle 14jährigen wollte ich der ganzen Welt zeigen, dass ich cool war und nicht einer von denen, die man zusammenschlagen sollte. Also interessierte ich mich für Punkrock, färbte mir die Haare, zerriss meine T-Shirts und dann spielte mir mein Kumpel Richard Gerald Blood On The Rooftops von Wind & Wuthering vor, und ich dachte: „Das ist eins der schönsten Lieder, die ich jemals gehört habe.“ Also zog ich los und kaufte mir das Album und Trick Of The Tail dazu, und dann alle früheren Alben, und so wurde ich tragikomischerweise genau zu der Zeit ein riesiger Genesis-Fan, als sie wahrscheinlich am stärksten aus der Mode waren. Also, ich meine, probiert mal, 1977 ein Mädchen mit Supper’s Ready herumzukriegen. Die waren doch noch vor „A Flower“ aus der Tür. Die Vorliebe für diese Band ist mir also in Fleisch und Blut übergegangen. Ich habe sogar zweimal die Genesis-Tributband The Musical Box gesehen – zweimal! Und habe dabei geweint, so schlecht waren sie [Gelächter] – die Wahrheit ist die: Ich bin immer noch ein Fan, sie sind immer noch aus der Mode – aber wen kümmert’s? Sie sind eine Gruppe, die mehr als dreißig Jahre lang einige der großartigsten Stücke der Popgeschichte geschrieben hat. Führen wir uns noch einmal vor Augen, wie gut Genesis sind.
>> Genesis Video Präsentation <<
Und nun zu dem Mann, der uns verrät, wo genau Genesis auf der
Turn It On Again Tour spielen werden. Bitte begrüßen Sie den Veranstalter der Europatournee, John Giddings.
John Giddings
John Giddings: Hallo – ich bin mit der Musik von Genesis großgeworden. Ich war einer von Millionen, die ihre neue Platte am Erscheinungstag kauften, trug sie nach Hause in mein Zimmer und lernte jedes Wort von jedem Stück auswendig. Zusammen mit Pink Floyd schufen sie eine Tiefe und Emotionalität in der Musik, die alles, was die Drei-Minuten-Single leisten konnte, weit hinter sich ließ. Ich habe sie im Culham College gesehen, in Hemel Hempstead (die Vorgruppe damals hieß, glaube ich, Medicine Head), ich machte Werbung für ihre Foxtrot-Tour an der Uni. Ich habe sie fünf oder sechsmal im Wembley-Stadion gesehen, dann in Knebworth – und heute, fünfzehn Jahre danach, bin ich froh und stolz bekannt geben zu können, dass Genesis am 11. Juni eine Europatournee in Helsinki beginnen werden. Sie werden dann in Dänemark, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn und Polen spielen, zum allerersten Mal im Stadion in Monaco, und sie werden die Tour mit einem kostenlosen Konzert für 300000 Zuschauer vor dem Kolosseum in Rom beschließen. In England werden sie in Twickenham spielen und in Manchester für die Fans aus dem Norden. Es wird eine fantastische Tour werden – Turn It On Again. Vielen Dank, zurück zu dir, David.
David Baddiell: Vielen Dank, John. Bitte begrüßen Sie jetzt auf der Bühne – die Hauptpersonen, Mike Rutherford, Tony Banks und Phil Collins. Meine Damen und Herren: Genesis!
Q: Hallo, wie geht’s euch?
Mike: Ohjeh…
Q: Jungs, warum habt ihr 15 Jahre mit dieser Reunion gewartet? Was habt ihr in der Zwischenzeit gemacht?
Phil: Warum haben wir 15 Jahre gewartet? Wir hatten den Eindruck, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.
Q: Wie kam es denn dazu? Wann habt ihr zum ersten Mal davon gesprochen?
Phil: Naja, ich bin ’94 ausgestiegen und habe ein paar eigene Sachen gemacht, Genesis haben weitergemacht. Ich hab mir immer mal wieder dies und das zuhause angehört, auch ein bisschen die Kameraderie vermisst…. Jedenfalls war ich gerade auf einer Tournee, als das erste Boxset mit den Peter Gabriel-Sachen herauskam. Ich dachte damals, irgendwer würde uns bitten, etwas zu tun, aber niemand hat uns gefragt. So lief das, und ich sprach ab und zu mal davon. Dann erschien das nächste Boxset, und ich dachte, jetzt würde uns jemand fragen – und wieder hat uns niemand angesprochen. Wir sprachen ab und zu davon, denn wir haben einander ja sehr oft gesehen, seit ich ausgestiegen bin. Eigentlich kommt das Thema jedes Mal auf, wenn wir zusammensitzen. Manchmal sind wir wieder davon abgekommen. Und jetzt haben wir beschlossen, dass für uns jetzt die Zeit zum Handeln gekommen ist.
Q: Eine interessante Sache an Genesis ist, dass … Die Geschichte der Rockmusik ist voller Bands, deren Mitglieder sich hassen, aber bei euch ist das nicht so, oder? Bei euch geht es sehr ruhig und freundlich zu, obwohl ja über die Jahre der eine oder andere hinzugekommen oder ausgestiegen ist.
Mike: Ja, ich kann mir nicht vorstellen, mit jemandem auf Tour zu gehen, den ich nicht leiden kann. Und wenn wir Sachen aufgenommen oder geschrieben haben oder auf Tour waren, hatten wir immer eine Menge Spaß miteinander.
Q: Wir haben vorhin einige Aufnahmen von den Proben gesehen. Wie läuft’s auf den Proben, erinnert ihr euch noch an die Stücke?
Tony: Nun, wir haben uns noch an die Stücke erinnert…
Phil: [unterbricht] Da hat er aber jetzt den Falschen gefragt…
Tony: … aber wir waren uns nicht sicher, ob wir sie noch spielen können. Ein paar Sachen mussten erarbeitet werden, damit sich die Finger wieder bewegen und der Schlagzeuger endlich auf Zack ist und so. Aber nach ein paar Tagen… Die Stücke gehören so sehr zu unserem Leben, dass wir uns natürlich an alles erinnern. Wir werden ja Stücke ab 1973 spielen, nun, wenn man dem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hat, merkt man, dass die Hände ganz von selbst wieder dorthin rutschen, wo sie damals lagen.
Q: Es wird ja eine große Tournee durch Europa. Wird es im nächsten Jahr auch eine Tournee durch die Vereinigten Staaten geben?
Phil: Ja, wir haben Pläne, eher für eine Auswahl von Shows als für eine Tour. So sehe ich das jedenfalls. Ich habe aufgehört, auf Tour zu gehen, also nenne ich es nicht „Tournee“, sondern eine Auswahl von Shows, die wir in ganz Europa bestreiten werden, und danach eine weitere Auswahl von Shows in Nordamerika. Es sind nur 20 hier und 20 in den USA, das fühlt sich nicht wie eine Tournee an, eher wie eine Auswahl von Shows. Soll ich das noch mal sagen? [auf den Einwurf von Baddiell:] Ja, ein Ansammlung von Shows.
Q: Mögt ihr Rugby? Ihr spielt ja in Twickenham, nicht wahr? Mögt ihr Rugby lieber oder Fußball? Denn anderntags spielt ihr dann ja in Old Trafford. Wie ist das, wenn man in so einem Stadion spielt?
Mike: Ich glaube, das wird sehr gut werden, niemand ist zu weit entfernt – wenn ich da an das alte Wembleystadion denke mit den Leuten ganz am anderen Ende.
Phil: Als ich zur Schule ging, fanden die Wettrennen immer in Twickenham statt. Ich habe in Hounslow gewohnt und bin ganz in der Nähe von Twickenham zur Schule gegangen. In Twickenham habe ich damals so manches Rennen verloren.
Q: Man hat mir gesagt, dass ich das fragen muss. Nehmt es mir also nicht übel – habt ihr Peter Gabriels Telefonnummer? Habt ihr ihn gefragt, ob er mitmachen möchte?
Tony: Ja. Als wir zum ersten Mal darüber geredet haben, war die ursprüngliche Idee, The Lamb Lies Down On Broadway mit Peter und Steve wieder auf die Bühne zu bringen. Wir haben lang und breit darüber gesprochen. Dann kam endlich das Treffen, an dem ich dachte, jetzt machen wir es – aber Peter sagte, das sei ein Treffen, bei dem man darüber nachdächte, was man für die Zukunft mal ansprechen könnte. Da war dann klar, dass es sehr lange dauern würde, 2, 3, 4, 5, vielleicht 10 Jahre; nach Peters Maßstab 25 Jahre. Und weil wir schon mal zusammen in demselben Zimmer saßen, sagten wir uns: Warum machen wir nicht diese Tour, wir drei mit Chester am Schlagzeug und Daryl an der Gitarre. Und deshalb sind wir jetzt hier.
Q: Glaubt ihr denn, dass es eine Chance gibt, dass ihr etwas mit Peter gemeinsam tut?
Mike: Die Vorstellung, The Lamb zu bringen, gefällt mir; das könnte Spaß machen. Aber Peter wird nächstes Jahr ein Album veröffentlichen und könnte zur selben Zeit wie wir auf Tour sein.
Phil: Manchmal liest man, er hätte wohl Lust dazu, manchmal liest man das Gegenteil. Ich glaube, er ist sehr viel empfindlicher als wir gegenüber dem, was das bedeuten würde. Es geht um Musik, darum, daß wir zusammenkommen und ein paar Stücke spielen. Ich für mein Teil habe immer so viel es geht gemacht und dabei viel Spaß gehabt. Peter dagegen hat, seit er ausgestiegen ist, im wesentlichen sein eigenes Ding gemacht – obwohl unter diesem Oberbegriff viele verschiedene Dinge zusammengefasst sind. Ich denke, er ist manchmal ein wenig übervorsichtig, wenn es darum geht, etwas zu tun, was eigentlich, im Grunde genommen, nur Spaß ist.
Q. Könnt ihr uns ein paar Tipps geben, welche Stücke ihr spielt? Ich würde mich zum Beispiel sehr über
More Fool Me von dem Album
Selling England By The Pound freuen; das hast du ja gesungen, und ich liebe dieses Stück, nur du und die akustische Gitarre. Werdet ihr das spielen?
Phil: Nein. Aber wenn du mitmachen willst, wird dich Mike sicherlich gerne auf der Gitarre begleiten. Wir haben angefangen, die Stücke durchzugehen. Wir haben ja schon zwei Wochen geprobt, das war ja ein Rest von der Sache mit Peter, denn… Wir wollten
The Lamb machen. Wir sprachen darüber,
The Lamb Lies Down aufzuführen, und nachdem ich ebenfalls The Musical Box gesehen hatte, merkte ich, dass ich das meiste davon vergessen hatte, und hatte Angst davor, diese Sachen spielen zu müssen. Und die beiden, glaube ich, meinten …
Q. Ist es denn so schwer zu spielen?
Phil: Aber ja. Der Mensch, der du vor 32 Jahren warst, spielte ganz anders als du heute. Das geht uns allen so. Aber diese zwei Wochen in New York waren im wesentlichen geplant, um uns mit dem Material warmzuspielen, und das war dann ja erledigt, als Peter uns absagte. Also haben wir die Zeit genutzt, die Stücke durchzugehen, die wir spielen könnten.
Q. Es wird also eine große Bandbreite an Stücken geben, die, wie du eben sagtest, Mike, von 1973 bis zu eurer letzten Veröffentlichung reicht?
Mike: Ganz genau. Wir haben zu viel geprobt, wie immer, aber wir werden wieder mit Daryl und Chester spielen. Wir werden eine gute Portion längere Instrumentalsachen spielen, und auch die Sachen mit zwei Schlagzeugern; das hat mir richtig gefehlt. Dieser Klang, den man mit zwei Schlagzeugern hat, das Getöse von den beiden.
Q. Nun, das waren meine Fragen, aber Sie [gemeint: die Presse] haben sicherlich noch einige Fragen. Ich darf mich nun verabschieden, aber ich glaube, Claire wird nun übernehmen und die Fragerunde leiten.
Q. [französischer Journalist] Ich wüsste gerne, ob sich die Dynamik zwischen euch dreien in den letzten Jahren geändert hat, wie es ist, wieder zusammen zu sein, und außerdem noch, ob ihr neues Material probt?
Tony: Das ist schon komisch: Wenn man wieder zusammen ist, dann ist das genauso, als wäre man nie getrennt gewesen. Man rutscht einfach wieder in dasselbe Verhalten hinein. Das ist ja auch das Ansprechende daran. Wie bei alten Schulfreunden: Man trifft sich 20 Jahre später und wundert sich, wie schnell man wieder wie damals ist. Ich glaube daher nicht, daß sich die Dynamik zwischen uns dreien verändert hat. Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, so gibt es derzeit keinerlei Pläne, irgendetwas Neues zu machen.
Phil: Wir treffen uns ja recht häufig, wissen Sie, zu den verschiedensten Anlässen. Als die beiden Boxsets erschienen, zu Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und so weiter. Wir sehen uns oft, es ist nicht so, als hätten wir einander aus den Augen verloren. Wir haben nur nicht zusammen gespielt. Naja, wir haben schon zu meinem 50. Geburtstag und auf meiner Hochzeit gespielt. Aber sehen tun wir uns ziemlich regelmäßig. Wir haben auch auf Peters Hochzeit gespielt, nicht wahr? Für uns ist es also gar nichts so besonderes, dass wir wieder zusammenkommen. Wir haben nur sozusagen eine Weile nicht im selben Büro gearbeitet.
Q [dpa]: Ihr gebt acht Konzerte in Deutschland, mehr als in jedem anderen Land. Gibt es dafür einen Grund? Liebt ihr Deutschland so sehr oder?
Phil: [lacht] War klar, dass wir das gefragt werden. Deutschland ist ein großes Land, und wenn man von A nach C will, muß man über B fahren. Aus einer ganzen Reihe von Gründen spielen wir dort, wo wir, historisch gesehen, viel Erfolg hatten, und auch dort, wo wir noch nie vorher aufgetreten sind. Wir suchen da eine gewisse Balance.
Tony: Deutschland zieht auch Zuschauer aus den Nachbarländern an. Wir treten nicht in Dänemark auf und auch nicht in vielen anderen Ländern. Es [Deutschland] ist sozusagen der zentrale Anlaufpunkt für die Leute. Und es ist nur fair zu sagen, dass Deutschland von allen Ländern wahrscheinlich dasjenige war, das uns am meisten sehen wollte. Darum verbringen wir dort etwas mehr Zeit.
Q [The Times, UK]: Phil, du hast von dem Hörsturz in deinem linken Ohr gesprochen. Welchen ärztlichen Rat hast du für die Tour bekommen? Wirst du jeden Abend Schlagzeug spielen? Wirst du dich vor weiteren Hörschäden auf dieser Tour schützen können?
Phil: Oh, ich hab’s nicht so mit Verhütung. [Gelächter] Mein Gehör ist nicht besser und nicht schlechter als vor sechs Jahren, als das passiert ist. Ich habe einmal den Rat bekommen, keine Liveshows mehr zu machen – warum das Risiko eingehen, auch das andere Ohr kaputtzumachen? Aber die Ursache war ja nicht Musik, sondern eine Virusinfektion, die jedem hätte zustoßen könne und eben unglücklicherweise mir passiert ist. Ich habe mich zu meiner letzten Tournee entschlossen, weil ich merkte, dass mein Gehör nicht leiden würde, dass ich spielen konnte, ohne dass es Schaden nahm. Also, ja, ich werde Schlagzeug spielen, oh Gott ja, das werde ich. Aber als ich geprobt habe, habe ich schon gemerkt in diesen zwei Wochen in New York, dass ich wohl mehr üben muß. Es wird jede Menge Schlagzeugmomente geben. Das Gehör ist dabei kein Problem. In einer lauten Umgebung wie etwa einem lauten Restaurant fällt es mir schwer zu hören, aber normalerweise ist es ganz okay. Es ist eben ein wenig schlechter, mein Gehirn hat sich angepasst, und das ist okay für’s Schlagzeug spielen.
Q [Hit Radio, Austria]:
Turn It On Again – The Tour. War das ein langfristiger Plan, dass ihr wieder auf Tour geht oder kam das einfach so zustande?
Mike: Das ist einfach so passiert. Wir sind nicht so besonders gut im langfristigen Planen. Manchmal macht man diese großen weitgreifenden Pläne und dann fällt alles ins Wasser und die Leute ärgern sich dann ziemlich. Wir tun einfach, was uns vor die Füße fällt. Wie schon gesagt, das ist jetzt der richtige Moment für uns, und danach sehen wir mal weiter. Jahrelang, wenn mich jemand gefragt hat, ob wir wieder touren würden, habe ich gesagt „niemals“ – und jetzt sind wir hier. Geplant ist nichts, aber wer weiß?
Q [Hit Radio, Austria]: Wie wichtig ist der Spaß bei der Sache?
Mike: Spaß? Oh Gott, ja, der ist wirklich wichtig! Wenn wir keine Freude daran hätten, das hier zu tun, warum sollten wir dann? Wir kommen sehr gut miteinander aus und ich glaub, es wird eine tolle Sache. Ich freue mich schon sehr darauf.
Phil: Ich weiß, dass das in diesem Moment schwer zu glauben ist, aber einen Großteil der Zeit lachen wir miteinander. Das hier [die Pressekonferenz; d. Übers.] ist nicht unbedingt die natürlichste Umgebung für uns, aber wir kommen blendend klar miteinander. Die zwei Wochen in New York, die bestanden zu 50 Prozent, na, sagen wir, zu 25% aus Gelächter, 25% Musikmachen und 50% einfach nur Rumhängen. Hat richtig Laune gemacht.
Q [De Telegraaf, Niederlande]: Vor zwei Jahren haben wir uns auf der Farm über das Boxset und das Material von Wind & Wutheringund A Trick Of The Tail unterhalten. Werdet ihr auch Material davon spielen, denn das ist doch wohl am schönsten zu spielen, glaube ich. Werdet ihr die alten Sachen spielen?
Tony: Wir haben sechzehn Alben oder so und wir werden von allem ein bisschen spielen. Was
A Trick Of The Tail angeht, davon werden wir sicherlich einiges spielen, ganz sicher
Los Endos. Wir haben noch nicht gänzlich genau festgelegt, was wir spielen werden. Aber es wird etwas aus jeder Ära sein. Von
Wind & Wuthering werden wir sicherlich Afterglow spielen und… Man kann einfach nicht zuviel aus einer Ära spielen. Ich vermute mal, dass wir etwas mehr von den letzten paar Alben spielen werden, also den letzten paar mit Phil, jedenfalls
We Can’t Dance und
Invisible Touch, weil die beiden Alben viele Hits hervorgebracht haben, und wer zu unseren Shows kommt, wird sicher einiges davon hören wollen. So ungefähr entscheiden wir das.
Q [Christian, Deutscher Genesis Fanclub]: Werdet ihr Liveaufnahmen der Shows veröffentlichen, wie es Peter Gabriel in der Encore Series getan hat? Wie steht es mit der Veröffentlichung von Soundboard-Aufnahmen von früheren Touren und dem Jackson-Tape und all diesen Dingen?
Phil: Hä?
Mike: Oha, ich weiß nicht. Hab noch nicht drüber nachgedacht.
Tony:Wir haben darüber gesprochen, jedenfalls für die aktuelle Tour. Es gibt sicherlich kein technisches Hindernis dafür.
Mike: Was meinst du?
Tony: Das unbearbeitete Material, wenn das gewünscht wird. Was die alten Soundboard-Aufnahmen angeht – die haben wir stapelweise. Viele davon dürften allerdings für andere Zwecke überspielt worden sein, sollte ich sagen. Es gibt eine ganz schöne Menge davon, und wir haben oft davon gesprochen, das zu machen. Aber es müsste jemand eine Menge Arbeit hineinstecken, um die Aufnahmen in einen Zustand zu bringen, in dem man sie interessierten Leuten zukommen lassen kann. Falls irgend jemand das haben möchte – d.h. ich weiß dass die Leute das möchten, aber wir haben darüber schon eine ganze Weile gesprochen und nichts getan, also würde ich besser nicht darauf warten.
Phil: Ich hätte erwartet, dass es eine gewisse Kraft gibt, die dafür wirkt, dass das passiert. Wir werden ja Bildschirme haben, weil wir auch draußen spielen, und wenn man jeden Abend filmt, dann kann man das Ganze auch für eine Liveaufnahme aufzeichnen. Das ist wohl unvermeidlich. Wir haben aber noch nicht weiter darüber gesprochen..
Q. In gewisser Hinsicht leugnest du die Tour, weil du immer von Shows sprichst, obwohl dort oben auf dem Bildschirm „the tour“ steht. [allgemeines Gelächter; Phil dreht sich um und mustert die Leinwand] Macht ihr euch Sorgen um die körperliche Belastung…
Phil: [tut überrascht, als würde er die Worte auf der Leinwand zum ersten Mal bemerken] Das ist falsch, es ist eine Auswahl von Shows.
Q. Wie bereitet ihr euch physisch auf die ‚Auswahl von Shows’ vor?
Phil: Ich persönlich gar nicht. Tony hat da einen sehr strikten Trainingsplan, wenn er die ganze Nacht… [macht Klavierspielgesten mit der Hand]. Mir genügen die Proben. Ich war noch nie dafür die ganze Zeit auf einem Fahrrad immer auf derselben Stelle zu fahren. Ich werde gesünder und fitter, wenn ich in der Bühnensituation bin, also gebe ich in den Proben mein Bestes. Für mich ist es nicht so wichtig, daß ich fit werde, sondern viel mehr, daß ich nicht krank werde. Eine Erkältung oder so würde das ganze Unternehmen über den Haufen werfen. Das ist mein Hauptbemühen. Aber eine Auswahl von Shows ist ja nicht so anstrengend.
Q. [The Express, UK] Wie bedeutend ist die finanzielle Seite der Tour? Oder ist es eine rein künstlerische Unternehmung?
Mike: Die Frage schon wieder.…
Tony: Wir machen es, weil wir Lust dazu haben, und außerdem hoffe ich … Das einzige, was mich sonst noch bekümmert ist: Wenn Genesis heute überhaupt einmal im Radio gespielt wird, dann meistens (wenigstens in England) etwas wie
Follow You Follow Me oder
I Can’t Dance oder so. Genesis hat aber auch noch eine andere Seite. Das zeichnet uns aus und ist wahrscheinlich der Grund, warum es uns schon so lange gibt. Diese andere Seite ist eine komplexere Art der Musik. Die Band ist da etwas schizophren. Manchmal bekommt einer dieser Bereiche mehr Aufmerksamkeit als der andere. Deshalb bin ich sehr glücklich, daß wir Sachen wie Los Endos, Domino und In The Cage spielen werden und andere Sachen, die auch diese Seite von uns herausarbeiten. Das ist eben auch ein Motiv für mich, diese Sache hier zu tun, nämlich die Leute auch damit wieder bekannt zu machen. Genesis ist keine von den Gruppen, die heutzutage in der Zeitung steht, jedenfalls nicht in den Blättern, die ich lese. Ich möchte also die Leute daran erinnern, dass wir eine Menge verschiedener Sachen gemacht haben.
Phil: Wenn es ums Geld ginge, würden wir mehr als 20 Shows machen. Wenn wir nur die Nachfrage befriedigen wollten, die ich dort vermute, würden wir im Fernen Osten spielen, in Südamerika, Asien, mehr Shows in Europa als angekündigt und mehr Shows in Amerika als angekündigt. Ich glaube, wir sind alle so stinkreich [Gelächter], dass wir uns keine Gedanken machen müssen, wo die nächsten ein, zwei Millionen herkommen. Im Ernst, in dem Fall hätten wir Mehrfachauftritte in vielen Stadien geplant. Wir haben einfach deshalb einen Deckel obendrauf gemacht, weil wir das eben auch für uns tun.
Mike: Dadurch wird das Ganze auch etwas Besonderes, eher als die Ganzjahrestouren, die wir früher unternommen haben. Es bekommt einen anderen Anstrich, weil es nur die zwanzig Shows hier und in Amerika sind. So dürfte es eben etwas Besonderes werden.
Q [ARD, Deutschland]: Gibt es ein visuelles Konzept für eure Reihe von Auftritten?
Phil: Ein visuelles Konzept … Daran arbeiten wir gerade; wir haben mehrere Besprechungen zu dem Thema abgehalten. Wir schulden es uns selbst, dass es gut aussieht. Wenn wir in manchen Stadien spielen, gibt es Leute weiter hinten, die nichts sehen, also wird es auch eine visuelle Darbietung geben. Größer ist da nicht unbedingt besser. Zu dem Thema kratzen wir uns gerade nachdenklich am Kopf. Andererseits geht es um nächsten Juni. Wir haben also noch eine Menge Zeit, trotzdem denken wir schon darüber nach.
Q [Classic Rock Magazin]: Ich bin ein wenig überrascht, dass der Name Steve Hackett noch nicht gefallen ist. Immerhin hat er sich doch sehr für die Reunion starkgemacht, wie ich höre. Wie steht’s mit ihm?
Mike: Das war eine von zwei Kombinationen. Die eine war die Fünferbesetzung mit Peter und Steve, dann hätten wir etwas aus der Zeit gemacht, und die andere war natürlich die Dreierbesetzung. Mit Daryl und Chester allerdings.
Q. Ist er nicht enttäuscht, daß er nicht dabei ist?
Tony: Ich denke, er wäre gerne dabei gewesen, vor allem wenn wir auch mit Peter gearbeitet hätten. Und diese Ära, die Vierer-Besetzung, wenn man so will, umfasst ja nur einen kurzen Zeitraum. [Der folgende Satz ist in der Videoaufzeichnung kaum verständlich; der Übersetzer paraphrasiert hier] + Es ist nicht wirklich gangbar, dass wir ihn nach all den Jahren mit Daryl wieder für die Tour holen würden. + So sehe ich das. Es würde zu einer unangenehmen Vermischung führen
Q. [fährt fort] Die Leser von Classic Rock würden mich hassen, wenn ich das jetzt nicht frage: Plant ihr eventuell,
Supper’s Ready zu spielen?
Tony: Nein, wir planen nicht,
Supper’s Ready zu spielen. Naja … du fragtest, was wir planen!
Q. [Mario Giammetti, Jam & DUSK Magazin, Italien] Ich wüsste gerne, ob ihr eventuell auch Stücke von
Calling All Stations spielen werdet?
Mike: Nein. Wir haben jetzt schon viele Stücke, viel zu viele Stücke geprobt. Wir freuen uns darauf, sie zu spielen. Im Moment haben wir viel zu viel Material zur Auswahl, da hat nichts ein Vorrecht.
Q.
[The Sun, UK] [bezieht sich akustisch kaum verständlich auf frühere Bemerkungen zum Üben müssen] … also, habt ihr’s vielleicht gar nicht mehr drauf?
Mike: Was glaubst du?
Tony: Komm und urteile selbst, wenn wir spielen. Das ist meine Antwort darauf. Ich habe eine ganze Menge gespielt, um meine Finger zu testen, hatte vor drei Jahren ein klassisches Projekt. Es geht nur darum, wieder diese Musik zu spielen, es geht nur um diese Partien. Das sollte eigentlich kein Problem sein.
Q. Abgesehen von euch hat sich gerade noch eine andere Band, All Saints, wieder zusammengefunden. Was sagt ihr dazu?
Tony: Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie sich getrennt hatten. Da fragen Sie den Falschen. Ich habe seit etwa 1968 nicht mehr viel andere Musik gehört.
Q [Alan Hewitt, The Waiting Room, UK] Ihr sagtet vorhin, dass ihr diesmal ganze Stücke spielen werdet. Bedeutet das, dass wir dieses Mal ganze Stücke bekommen anstelle von zusammengewürfelten Medleys?
Phil: Oh, da ist jemand wählerisch! – Wir sind uns sehr bewusst, dass man es meistens niemandem recht macht, wenn man es allen recht machen will. Wir haben früher diese Medleys zusammengestellt, weil sie den Bezug zu einem Zeitabschnitt herstellten. Manche davon, haben wir gemerkt, waren dann nichts Halbes und nichts Ganzes und haben niemanden zufriedengestellt, weil es immer nur kleine Stückchen sind. Wir kümmern uns um das Problem und haben ein Komitee eingesetzt. Nein, wir haben das Problem gelöst. Und werden mehr Medleys spielen. Es wird einige geben.
Tony: Instrumentalmedleys jedenfalls.
Q [The Guardian, UK] Phil, vor ein paar Jahren wurde ein ziemlich überraschendes Hiphop-Tributalbum von einem Haufen amerikanischer Hiphopper und R’n B-Künstler veröffentlicht. Hiphopper haben eine starke Tradition, Gastauftritte bei den Konzerten der anderen zu machen. Wenn ihr dann in Amerika tourt, glaubt ihr, dass 50Cent und die Gang einen Gastauftritt bei eurer Show machen werden?
Phil: [zunächst sprachlos] Wenn sie singen und Schlagzeug spielen können, können sie sicherlich meine Stelle einnehmen…. Wir sind hipper als man gemeinhin glauben könnte. Es gibt in anderen Bands ein gewisses Interesse dafür, Sachen wieder aufzugreifen und zu sampeln. Ein Beispiel dafür ist
Land Of Confusion von Disturbed; das war ein ziemlicher Hit in den Staaten. Wenn man mit richtigen Musikern spricht, gibt es da eine Menge Respekt für Bands wie uns. Ich glaube nicht, dass sie zu uns auf die Bühne kommen würden, weil wir einfach nicht die Sorte Band sind. Wir spielen keine zwölf Takte und dann kommen alle heraus und singen mit. Es ist allerdings sehr schmeichelhaft. Da gab es Versionen von meinen Stücken und auch von That’s All. Das Stück habe ich den Jungs letztens vorgespielt – ich halte ein wenig Ausschau nach solchen Stücken, besorge mir Kopien… ich habe ihnen das Stück vorgespielt, weil ich es sehr erhellend fand. Es zeigt nämlich, dass wir nicht in den 80ern steckengeblieben sind, wie manche Leute glauben. Es gibt Musiker, die gehen zurück, schauen sich das Material an und bringen es in die heutige Zeit hinein. Und es ist wirklich schmeichelhaft, wenn man diese Anerkennung aus einem anderen Bereich der Musik bekommt.
Q [AB, Italy] Eine Frage zu der letzten Show in Rom. Es ist ja die einzige Show außerhalb eines Stadions und findet auf einem öffentlichen Platz statt. Bereitet ihr etwas Besonderes für diese Gelegenheit vor?
Phil: Das Ereignis selbst sollte schon etwas Besonderes werden. Eine Menge Leute werden kommen, also müssen wir dafür schon ein paar Änderungen vornehmen. Wir müssen ja sicherstellen, daß alles funktioniert, wenn so viele Leute dort sind. Für Details ist es aber noch zu früh. Es wird jedenfalls eine fantastische Gelegenheit, vor einer Riesenmenge verrückter Italiener zu spielen. Einfach perfekt.
Die Pressekonferenz – Kommentar des Korrespondenten
Obwohl man vergaß, uns mitzuteilen, dass es ein Extra-Fotoshooting mit der Band gibt, war die Pressekonferenz ein besonderes Erlebnis. Besonders deshalb, weil man in den „Randgesprächen“ bemerkte, dass Genesis sich nun offenbar mehr um ihre Fans kümmern wollen. Die bevorstehenden 5.1 Veröffentlichungen sollten – in bezug auf das Format, Songauswahl und die Verpackung – jeden zufrieden stellen. Auch die bevorstehende Tour ist in vielerlei Hinsicht eine gute Sache – denn selbst wenn man nur Fan der frühen Genesis ist, so lassen die Kommentare der Protagonisten doch auf mehr hoffen. Man kann ihnen nur wünschen, dass die Tour Spaß machen wird und die Band dann Blut geleckt hat, um sich für weitere Projekte zusammen zu finden. Das Foto unten zeigt die Vertreter der Fanclubs, aufgenommen nach der Pressekonferenz beim Einnehmen von Getränken und Snacks. Und vielleicht gelingt es uns, die ein oder andere Überraschung zu organisieren…
Stuart Barnes, Alan Hewitt, Christian Gerhardts and Mario Giametti