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Mike + The Mechanics – Dresden (Alter Schlachthof) – Konzertbericht
Am 12. Juli 2012 kamen Mike + The Mechanics im Rahmen ihrer HITS Tour 2012 auch nach Dresden. Im Rahmen der Clubshow fand auch ein ausführliches Interview statt – hier legen wir aber den Fokus auf die Live-Performance 2012 am Beispiel Dresden.
Nach der umjubelten Hit The Road Tour 2011, bei dem Mike Rutherford das Publikum mit einer exzellenten Wahl seiner beiden neuen Sänger überzeugte, kamen Mike + The Mechanics in zumeist unveränderter Besetzung 2012 wieder nach Deutschland. Dieses Mal heißt die Tour schlicht HITS und es wurden überwiegend andere Städte ausgewählt also noch 2011. Und wie schon im letzten Jahr stehen standen normalen Club-Shows auch Auftritte im Rahmen größerer Festivals und Stadtfeste auf dem Programm.
Am 12.Juli gastierten die Mechanics in Dresden. Es war das erste Konzert der Band in der sächsischen Landeshauptstadt – zuvor gab es hier schon Gastspiele von Ray Wilson, aber auch Peter Gabriel und The Musical Box. Andrew Roachford war zuvor auch schon in Dresden – im Alten Schlachthof. Der Alte Schlachthof wiederum ist ein Club im Ortsteil Leipziger Vorstadt/Pieschen in unmittelbarer Nähe zur Elbe, in dem reihenweise interessante Konzerte stattfinden. Ein großer Bonus ist das Fehlen von Sitzplätzen – es gibt ausschließlich Stehplätze. Für eine Show der Mechanics ist diese Location in jedem Fall eine gute Wahl!
Im Vorfeld der deutschen Shows spielte die Band in Großbritannien, doch ganz zu Beginn stand eine Show im Rahmen der Kieler Woche auf dem Programm. Unter den Fans gab es teilweise hitzige Diskussionen, was man vom Set der Band erwartet und was ggf geändert werden sollte. Eine der größten Forderungen erfüllte die Band – Silent Running ist endlich wieder zurück im Set. Doch die Band überraschte in Kiel unter anderem auch mit I Get The Feeling vom ersten Album und The Way You Look At Me von Word Of Mouth. Beide Songs hatte niemand auf der Rechnung, aber beide verschwanden auch relativ schnell wieder aus dem Set.
Während die Band in Kiel noch Nachholbedarf hatte, was das reibungslose Spielen des Sets angeht, war dies natürlich in Dresden kein Thema mehr. Die Band erschien allerdings relativ spät in der Halle, so dass der Soundcheck den Einlass etwas verzögerte. Gary Wallis war jedoch deutlich früher vor Ort, das wiederum lag an seinen Tourplänen. Er spielt quasi gleichzeitig für Tom Jones und die Mechanics und versucht, für beide möglichst alle Shows wahrzunehmen. Seine Vertretung ist Ben Scott und der wurde auch schon bei verschiedenen Mechanics-Shows gesichtet. Gary erklärt die Situation im Interview (hier klicken).
Der Soundcheck war eine Mischung aus Sound-Tests, Gesangaussteuerung und Feinabstimmung. Einen kompletten Song spielten sie nicht, aber Fragmente verschiedener Songs wurden getestet und die Band jammte auch ein wenig, ohne dass hier zunächst ein Ziel erkennbar wäre (siehe dazu auch das Interview mit Andrew Roachford). Zwischen Soundcheck und Show fanden die ersten Interviews mit Mike Rutherford, Anthony Drennan und Luke Juby statt, bevor die Band dann relativ pünktlich gg 20.15 die Bühne betrat. Im Publikum waren etliche Leser / Mitglieds des Fanclubs und des Online-Forums, was immer wieder einen familiären Touch in solche Konzerte bringt.
Der Alte Schlachthof war relativ gut gefüllt, aber bei weitem nicht ausverkauft. Den Beginn macht in diesem Jahr A Beggar On A Beach Of Gold, das Tim Howar einmal mehr Paul Young widmet. Und gleich kommt es zu einer Panne, als Gary Wallis am Schlagzeug etwas hektisch zu winken anfing und die Band einige Zeit ohne Schlagzeug weiterspielte, wohl in dem Glauben, Gary könne relativ schnell wieder einsteigen. Das klappte aber nicht, also wurde das Problem fluchs behoben und der Song startete von vorn. Der Stimmung tat dies jedenfalls keinen Abbruch – im Gegenteil, dieser „menschliche“ Teil der Live-Show maximierte die ohnehin gute Stimmung in der Halle noch. Mit Get Up geht es weiter – dies ist einer von relativ wenigen „Nicht-Hits“ im Programm der Band. Zu Beginn des Sets ist dieser Song aber sehr gut platziert und sorgte für ein eifriges Gehüpfe im Publikum, angefeuert von den Vorhüpfern Roachford und Howar. Beide Sänger waren übrigens stimmlich in absoluter Topform – und das, obwohl beide eine Erkältung plagte.
Der nächste Song war dann Try To Save Me, das Roachford – wie immer – als „Try To Save“ ankündigte und Mike sich dann den Spaß erlaubte, ein „Me“ ins Mikro quasi hinterherzubrüllen. Der Song funktioniert wie schon 2011 mit dem langsameren Intro sehr gut und reiht sich nahtlos ein in die melodiösen Hits der Band. Wie bei vielen anderen Songs spielte Roachford auch hier Keyboards, wenngleich das manchmal etwas putzig aussieht, denn Roachfords Keyboard hat zuweilen den Charme eines Kinderinstruments (auf Grund er „Ausmaße“ des Gerätes).
Mit Another Cup Of Coffee folgte ein absoluter Hit-Klassiker, der auch entsprechend positiv aufgenommen wurde. Eine der Überraschungen des 2012er Sets, Throwing It All Away, wurde von Mike selbst angekündigt: „ich hatte mir am Anfang vorgenommen, gar keine Genesis-Songs zu spielen – und dann dachte ich ‚fuck it'“ und die Band spielte eine relaxte Version von Throwing It All Away – in etwa im gleichen Stil, wie der Song auch von Genesis immer gespielt wurde, „audience participation“ inklusive. Tim Howar singt diesen Song und er macht seine Sache gut.
Wie schon 2011 wurden auch zwei Songs von Roachford solo gespielt. Der erste, This Generation, ersetzt quasi Only To Be With You und folgte auf Throwing It All Away. This Generationpasst auch etwas besser in das Mechanics-Programm und fand großen Gefallen beim Publikum.
Acoustic Set
Danach gab es ein Novum, die Band setzte sich hin und spielte drei Songs in semi-akustischen Versionen. Das dürfte Erinnerungen wecken an die Calling All Stations Tour, als die Band es ähnlich machte und sitzenderweise ein paar Songs in flockigen Versionen spielte. Den Beginn macht The Road – den Titeltrack des neuen Albums hatten sie 2011 noch als Opener in einer elektrischen Version gespielt, aber auch semi-akustisch funktioniert der Song gut! Danach folgt eine Ballade – A Time And Placeist bei den Fans auf dem Papier sicher nicht erste Wahl, aber Roachford präsentiert diesen Song mit neuer frische bei reduzierter Instrumentierung – kein Vergleich zum etwas schnulzigen Sound der Album-Version. Das gilt auch und insbesondere für Everybody Gets A Second Chance, eine weitere überraschende Wahl. Interessanterweise singt diesen Carrack-Song nicht Roachford, sondern Howar, womit zum ersten mal die Roachford-singt-Carrack, Howar-singt-Young Regel aufgebrochen wird. Everybody Gets A Second Chance hat am meisten durch die neue Version gewonnen. Die zackige Spielweise macht Laune und Tim singt den Song absolut überzeugend.
Nachdem die Stühle wieder von der Bühne entfernt waren, hörte man die ersten Klänge von Silent Running, das die Band 2011 noch ausgelassen hatte. Die Version orientierte sich zwar stark an der Album-Version (besonders das Intro), aber vermutlich haben die Mechanics diesen Song nie so gut gespielt – Gänsehaut pur und ein (fast schon erwartbar) gut aufgelegter Roachford. Der machte gleich weiter – Cuddly Toy ist einer seiner Solo-Klassiker und wie im letzten Jahr gab es hier auch das Spielchen mit Gary Wallis, der eine von Roachford vorgegebene Anzahl von Snare-Schlägen spielen musste. Schließlich musste auch Howar mit seinem Tamburin ran – beste Stimmung auf und vor der Bühne inklusive. Zwei weitere Genesis-Songs folgte, beide wieder von Tim Howar gesungen und beide – wenig überraschend und wie auch Throwing It All Away– sind Rutherford-lastige Kompositionen. Follow You Follow Me und I Can’t Dance kamen beim Publikum sehr gut an, wenngleich so mancher Fan sich fragt, warum nicht einfach Mechanics-Songs statt dessen gespielt werden…
Roachford präsentiert dann wieder eine überzeugende, emotionale Version des größten Hits, den die Band je hatte – The Living Years. Es war einer dieser Momente, wo es in der Halle vergleichsweise still wurde. Die Ballade berührt immer noch, auch 25 Jahre danach, denn fast jeder kann sich gut in das Gesungene hineinversetzen. Der zu Recht frenetische Jubel nach dem Song geht nahtlos in All I Need Is A Miracle über, bei dem Tim Howar wieder seine „Rampensau“-Qualitäten unter Beweis stellen kann. Mehrfach wird das Publikum zum Mitsingen aufgefordert. Danach verließ die Band erst einmal die Bühne. ..
Bei den Zugaben Over My Shoulder und Word Of Mouth brachte die Band den Laden noch mal richtig zum Kochen. Pfeiffer Luke Juby bekam während Over My Shoulder einen Sonderapplaus, auch wenn er dieses Mal mit dem Pfeiffen leichte Probleme hat. Da weder Roachford, noch Howar vernünftig pfeiffen können, muss das eben Luke Juby übernehmen (der übrigens leicht angeschlagen war, aber trotzdem eine saubere Performance lieferte).
Den Abschluss bildete ein kraftvolles Word Of Mouth, das mit Bandvorstellung und Jams in die Länge gezogen wurde. Jeder wurde von Tim vorgestellt (wobei Tim von Andrew vorgestellt wurde) und jeder konnte an seinem Instrument etwas glänzen. Bei Mikes Jam konnte man Purple Haze heraushören – eine schöne Randnotiz. Nach gut 100 Minuten war die Show vorüber und die Band verabschiedete sich und hinterließ ein begeistertes Publikum.
Man kann darüber streiten, ob 100 Minuten für eine Band mit dem Repertoir zu wenig sind, der Set funktioniert in dieser Länge jedenfalls gut. Die Auswahl der Songs wird ohnehin nie alle zufriedenstellen, aber man kann an dieser Stelle auch nur davor warnen, den Konzertbesuch von der Setlist auf dem Papier abhängig zu machen. Gerade der akustische Teil mit A Time And Placeund Everybody Gets A Second Chancesieht auf dem Papier eher müde aus, am Ende war genau das eines der Highlights der Show. Daneben kann Silent Runningals Höhepunkt des 2012er Sets ohne Wenn und Aber bezeichnet werden. Hier hat Mike Rutherford (siehe Interview) vermutlich recht – der Song hat live noch nicht so gut geklungen. Throwing It All Awayist vermutlich verzichtbar, funkioniert aber auch sehr gut. Gelungen war definitiv der Tausch der Roachford-Songs (This Generationfür Only To Be With You). Etwas schade ist, dass nur noch 2 Songs des neuen Albums The Road gespielt werden – vor allem Tim singt nur altes Material. Mit If I Were You und Nobody Knows sind auch zwei lupenreine Duette aus dem Set verschwunden, wobei man zumindest bei Nobody Knowssicher sein kann, dass er im nächsten Jahr wieder im Set auftaucht, wenn die Band auf Living Years 25 Tour geht. Weiterhin unbeachtet bleibt das M6-Album. Dennoch präsentierten sich die Mechanics einmal mehr als exzellente Live-Band, die exzellente Popmusik spielt. man darf gespannt sein, was da noch folgt. Denn eines ist sicher – die Band brennt von Mike Rutherford bis Gary Wallis, das ganze fortzusetzen. Und wer die Band bisher noch nicht gesehen hat, sollte das schleunigst nachholen.
Autor: Christian Gerhardts
Fotos: Holger Lorenz