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David Rhodes – A Musical Retrospective – Überblick zu den Soloarbeiten 1979 – 2009

Ohne dass es viele Fans merkten, hat David Rhodes in den vergangenen dreißig Jahren immer wieder eigenes Material veröffentlicht. Diese Wissenlücke können wir schließen …

David Rhodes‘ Soloalbum Bittersweet ist frisch auf dem Markt. Aus Anlass dieser Veröffentlichung und weil möglicherweise nicht jeder vertraut mit dem bisherigen musikalische Werk des Gitarristen (und Sängers) ist, wird es Zeit, einmal über weitere interessante Projekte der letzten 30 Jahre zu berichtet, auf denen Davids eigenes Material enthalten ist.

Random Hold

Anfang 1978 wurde die Band Random Hold gegründet, bei der David die Musik (mit-)schrieb, Gitarre spielte und im Wechsel mit anderen Bandmitglieder sang. Peter Gabriel wurde auf die Gruppe aufmerksam und verpflichtete sie, bei seiner 1980er Tour im Vorprogramm zu spielen. So entstand der Kontakt zwischen David und Peter und deren inszwischen fast dreißigjährige Freundschaft und musikalische Zusammenarbeit, die ich hier wohl nicht näher umreißen muß. Die Geschichte der Random Hold-Album-Veröffentlichungen ist etwas verwirrend: 1979/1980 erschien im UK The View From Here und in den USA Etceteraville. Einige Songs sind auf beiden Alben, einige nur auf einem der beiden. Erst einige Jahre später wurde das Gesamtwerk als Doppel-LP mit dem Titel Avalanche wiederveröffentlicht. 2001 kamen zwei CDs von Random Hold heraus: Over View (mit verschiedenen Demos von 1977 bis 1980) und The View From Here (Doppel-CD mit dem kompletten Avalanche-Album plus neun Stücken live 1980 als Support von Peter Gabriel). Die Musik von Random Hold war eine Mischung aus Punk, New Wave und Early-80’s-Pop. Die teilweise ziemlich schrägen Stücke lassen nachvollziehen, warum Peter Gabriel sich für die Band interessierte.

Head, Hands And Feet

Das erste Soloprojekt nach Random Hold lieferte David 1989 in Zusammenarbeit mit dem japanischen Multiinstrumentalisten und Sänger Akira Inoue ab, deren gemeinsames Album Head, Hands And Feet nur in Japan herauskam. Es wurde in den Real World Studios aufgenommen und u. a. wirkten Tony Levin und Pino Palladino bei einigen Stücken mit. Stilistisch ist das Album gar nicht so weit entfernt von den ruhigeren Sachen auf Bittersweet – ein wenig Rock, ein wenig Ballade, allerdings öfters auch mal japanische Einflüße (Koto, japanische Texte). Die Leadvocals sang größtenteils David ein, oft aber unterstützt von bzw. im Wechsel mit Akira. Wer die einzelnen Stücke schrieb, wird in den Credits nicht aufgeführt – dort stehen Akira und David gleichermäßen als Autoren von Musik und Text. Schade, dass diese interessante CD nie erneut veröffentlicht wurde und heute praktisch nicht mehr zu bekommen ist.

Down By The River

1992 nahm David den Song Down By The River auf, der ein Jahr später als Teil der Compilation-CD Plus From Us veröffentlicht wurde, auf der diverse Künstler, die an Peter Gabriels Album Us mitgewirkt hatten, mit eigenen Stücken verteten waren. Die Ur-Fassung des Songs, der 2009 dann auf Bittersweet landete, nahm David mit Richard Evans, Richard Blair und Alex Gifford auf. Im Vergleich zu der aktuellen Version ist die 1992er Aufnahme wesentlich herkömmlicher instrumentiert und produziert. Die sehr eingängige Melodie zieht sich durch den ganzen Song, und insbesondere der Einsatz von Flöte und Davids Hintergrundgesang verleihen dieser Version eine völlig andere Stimmung, etwas beinahe „Folkloristisches“. Warum es an diesem Punkt nicht schon zu dem geplanten Soloalbum von David kam (Peter Gabriel erwähnt das im Booklet von Plus From Us), ist unklar.

Snowflake

Das nächste Projekt zu dem David eigenes Material beisteuerte, war die Doppel-CD Snowflake, ebenfalls von 1993. Dahinter verbirgt sich ein mit Musik angereichertes Hörbuch der gleichnamigen Kurzgeschichte von Paul Gallico. Auf CD 1 spricht Akiko Yano die japanische Übersetzung, aber für CD 2 wurde kein geringerer als Peter Gabriel als Sprecher verpflichtet. Schon allein dadurch wäre der Kauf für jeden Gabriel-Fan ein Muß, sofern man sie denn bekommen würde. Wie Head, Hands And Feetwurde sie nämlich nur in Japan veröffentlicht, zwar 1998 wiederveröffentlicht, ist aber dennoch sehr schwer zu bekommen. Es gibt auch noch weitere Parallelen zwischen den beiden Werken, denn die Musik, die zwischen den einzelnen Kapiteln für eine akustische Bereicherung der Story sorgt, stammt erneut von Akira Inoue und David Rhodes und wurde in den Real World Studios aufgenommen. Insgesamt acht Stücke sind auf den beiden CDs – fünf Instrumentals und drei Songs bei denen David singt. Dabei unterscheiden sich die beiden CDs aber sowohl vom Inhalt als auch der Reihenfolge etwas: So sind u. a. ein Song und ein Instrumental nur auf CD 1 enthalten, ein weiterer Song, den David auf CD 2 in Englisch singt wird auf CD 1 von Sumiko Yamagata in Japanisch gesungen. Die Musik ähnelt der auf Head, Hands And Feet und ist insbesondere bei den Instrumentals noch „japanischer“. Aber unabhängig von den anderen Faktoren sind allein die drei von David gesungenen Songs es schon Wert, sich nach Snowflake umzusehen.

Between The Lines

Für die nächste Veröffentlichung mit David Rhodes-Material bleiben wir erneut in Japan. Auf der 1996 nur in Japan erschienenen CD Between The Lines der Koto-Spielerin Masako Kawamura sind zwei instrumentale Stücke enthalten, die von David stammen: An Innocent Question und Hang It All. David spielt auf dem Album leider nicht selbst, dafür ist sein Weggefährte Akira Inoue mit dabei. Verglichen mit den beiden vorherigen Projekten sind die zwei Titel (wie auch der Rest des Album) eher mäßiger Durchschnitt und daher nur eine Kaufempfehlung für wirklich hartgesottene Rhodes-Fans oder Freunde der Koto-Klänge.

La Gabbianella e il Gatto

Zwei Jahre später, 1998, kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen David und dem Musiker und Regisseur Enzo D’Alò, für dessen Zeichentrickfilm La Gabbianella e il Gatto David die komplette Filmmusik schrieb und auch mehr oder weniger alleine einspielte (mit ein wenig Unterstützung von Richard Evans, Graham Henderson, John Giblin und Dave Power). Der Soundtrack kam in Italien und Deutschland als CD heraus, wobei die sechs Songs (der insgesamt 28 Tracks) jeweils in der Landessprache gesungen wurden – allerdings nicht von David Rhodes sondern von italienischen oder deutschen Künstlern (vermutlich die Synchronsprecher der Tiere in dem Film). Auf der deutschen Version, Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte, singen u. a. Barbi Schiller und Uwe Ochsenknecht.

Der Film kam übrigens auch in einigen anderen Ländern in die Kinos und es entstanden Versionen der Songs in weiteren Sprachen. Allerdings sind davon, soweit ich weiß, die Soundtracks nicht auf CD erschienen. Die Musik selbst ist natürlich weniger als reguläres Album zu sehen, sondern als Begleitung/Untermalung zum Film. Man sollte also keine hochklassigen Meisterwerke erwarten. Aber man bekommt dennoch einen guten Einblick in das Repertoire des David Rhodes. Einige Sachen klingen ähnlich wie auf den „japanischen“ CDs. Aber Vieles ist auch rockiger, peppiger, verrückter … und doch irgendwie im typischen Stil von David. Oft ertappt man sich, beim Überlegen, bei welchem Gabriel-Stück dieser oder jener Sound schon mal vertreten war oder Davids Gitarre ähnlich klang. Die Songs sind in puncto Texte und Sänger völlig auf die Handlung im Film abgestimmt, was natürlich Sinn der Sache ist, aber auf der CD teilweise etwas merkwürdig rüber kommt. Interessant wäre eine Soundtrack-CD der englischen Version (Lucky And Zorba) gewesen, da hier u. a. Peter Hammill und Midge Ure verteten sind. Aber leider ist diese nie erschienen.

Atlantis III

Ebenfalls nicht als Musik-CD erhältlich ist Davids Soundtrack, den er für das Computerspiel Atlantis III – The New World komponierte und einspielte. Das Spiel kam 2001 auf den Markt, und es sind dreizehn verschiedene Stücke (insgesamt eine knappe Stunde Musik) als Untermalung des Ablaufs eingebaut. Wie schon beim La Gabianella e il Gatto-Soundtrack ist das Material natürlich als akustische Begleitung einer Handlung gedacht, nicht mehr und nicht weniger. Aber so bekommt man auch hier zumindest einen Eindruck, womit sich David nebenbei beschäftigt.

L’Uomo Perfetto

Etwas interessanter wird es da schon mit Davids Filmmusik für die italienische Komödie L’Uomo Perfetto, die 2005 in die Kinos kam. Auch hier gibts es keinen Soundtrack auf CD und Informationen über den Film (den es nur in der italienischen Fassung gibt) sind ebenfalls sehr spärlich. Die Musik entstand in Zusammenarbeit mit Ged Lynch, John Giblin und Richard Evans und ist wohl hauptsächlich als Untermalung gedacht. Lediglich ein Songs war auf Davids Website damals zu hören. Er heißt Love Can Make You Do Some Really Horrible Things, und ist für Davids Verhältnisse recht einfach gestrickt, mit ein wenig Gitarre, Bass, Drums und netten Gesangsparts von David. Ob der Rest der Filmmusik instrumental ist, oder ob es noch weitere Songs gibt, ist nicht bekannt.

The Footnote

Von Ende 2005 an arbeiteten David Rhodes und Richard Evans unter dem „Bandnamen“ The Footnote an Filmusiken zu einzelnen Folgen der Atlas-Dokumentationsreihe des Discovery Channel HD. Ihr erstes Projekt war der Soundtrack für eine Folge über China (Atlas: China Revealed). Es folgten weitere Arbeiten für Dokus über Australien, Südafrika und Indien. Die beiden verschafften sich offenbar in diesem Bereich der Filmmusik-Branche einen Namen, denn 2007 bekamen sie den Auftrag, die Musik für den National Geographic-Film Sea Monsters: A Prehistoric Adventure zu machen. 2009 wurden die beiden engagiert, den Soundtrack zu einer National Geographic-Serie über Haie zu machen. All diese Musik ist zwar nicht käuflich zu erwerben, aber es zeigt, dass David fleißig am Komponieren, Musizieren und Produzieren ist – und dies auch mit einigem Erfolg.

Parallel dazu arbeitete David immer wieder auch für andere Künstler, vor allem natürlich live und auf Tour für Peter Gabriel. Wen mag es da noch wundern, dass es sechzehn Jahre dauerte, bevor sein erstes wirklich eigenes Soloalbum Bittersweet herauskam …

Autor: Helmut Janisch


Links
David Rhodes – Bittersweet CD Rezension
David Rhodes – Interview 2002