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Interview mit Susann Pasztor über ihr Genesis-Buch (2022)

Nach der Veröffentlichung des Buches Warum das Lamm am Broadway liegen blieb von Susann Pasztor führte Thomas Jesse ein Interview mit der Autorin.

Das Buch Genesis – oder warum das Lamm am Broadway liegen blieb der Autorin Susann Pásztor war schnell Thema unter Genesis-Fans und wir haben dazu auch eine kurze Rezension veröffentlicht. Die weiteren Diskussionen nahmen wir zum Anlass, mit der Autorin noch ein Interview zu führen. Thomas Jesse sprach am 25. April 2022 mit Susann Pasztor über die Hintergründe ihres Buches.

it: Hey Susann, zu Beginn möchte ich mich dafür bedanken, dass Du Dir Zeit nimmst, uns, dem Deutschen Genesis Fanclub it, für ein paar Fragen zur Verfügung zu stehen. Grund für unsere Zusammenkunft ist Dein Buch (Genesis oder Warum das Lamm am Broadway liegen blieb), welches vor kurzem in der Reihe KiWi Musikbibliothek des Verlages Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Eine kurzweilige Lektüre über die 13jährige Jugendliche Mimi, die Mitte der 70er-Jahre über ihren älteren Bruder zu unserer Lieblingsband Genesis stößt.

Biografisches:

it: Bevor wir auf den Inhalt des Buches zu sprechen kommen, möchte ich Dich bitten, uns ein wenig über Deinen Lebensweg wissen zu lassen. Der Klappentext Deines Genesis-Buches verrät zwar ein wenig über Dich, uns interessiert aber natürlich Dein Leben hinsichtlich Genesis. Welche Berührungspunkte hat Genesis in Deinem Leben? Wann und wie bist Du zu Ihnen gekommen?

Susann Pasztor: Ich habe tatsächlich beide Konzerte, die im Buch beschrieben werden, 1974 und 1975 selber erlebt, und genau wie bei Mimi war das erste so etwas wie eine Initiation und das zweite eine Art Abschied. Es gab allerdings keinen großen Bruder, der mich zu Genesis gebracht hat, sondern einen älteren Freund, der irgendwann im Herbst 73 Selling England By The Pound auflegte. Ich war auf der Stelle hin und weg.

it: Hörst Du regelmäßig ihre Musik? Verfolgst Du noch ihre Veröffentlichungen, auch das Solowerk? War für Dich nach dem Ausstieg von Peter Gabriel Schluss mit Genesis?

Susann: Für mich war nach Peters Ausstieg tatsächlich erstmal Schluss. Ich wollte Prog Rock und bekam ihn dann woanders. Aber natürlich habe ich die Weiterentwicklung von Genesis mitgekriegt, und teilweise gefiel mir ganz gut, was sie machten. Ich kaufte mir Invisible Touch und We Can’t Dance, und ich besaß Soloalben von Mike & The Mechanics, Steve Hackett und sogar eins von Phil Collins. Aber ach, es war halt Respekt und Sympathie und sicher auch eine Art Treue, aber die Liebe war weg. Die Liebe blieb bei Peter Gabriel, und da ist sie heute noch. Peters Solokarriere habe ich Album für Album mitverfolgt und höre seine Musik regelmäßig. Aber ich habe es auch wahnsinnig genossen, bei der Arbeit an meinem Buch noch einmal dermaßen tief in die Musik von Genesis einzutauchen. Wie jung sie waren und wie genial! Und ihre Musik ist fantastisch gealtert.

Zum Buch:

it: Wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Buch über Genesis zu schreiben – ich setze dabei voraus, dass Du die Musik und Geschichte der Band kennst? Ist der Verlag an Dich oder Deinen Agenten herangetreten? Wie läuft so eine Kontaktaufnahme? Gab es eine Vorgabe, ein Expose?

Susann: Mein Verlag hat mich gefragt, ob ich ein Buch für ihre Musikbibliothek schreiben möchte und wenn ja, über welche/n Musiker. Vorgaben hatte es keine (bis auf eine maximale Seitenzahl). Mir war sofort klar, dass ich über Genesis schreiben wollte, und dass es kein biografisches Sachbuch à la „Mein geiler Musikgeschmack und ich ich ich“ werden sollte, sondern eine fiktionale Geschichte, in der neben wissenswerten Dingen auch diese Wahnsinnsliebe rüberkommt, die Fans zu ihrer Band haben. Mein Ziel war also, die Leser mit einer guten Story zu unterhalten und ihnen nebenher eine Menge über Genesis in den frühen Siebzigerjahren beizubringen, und deswegen habe ich Mimi und die Mell-O-Trons erfunden.

it: Die Hauptfigur ist der Teenager Mimi, deren „Erwachsenwerden“ durch die Erlebnisse mit Genesis positiv beeinflusst wird. Zwei wichtige / entscheidende Erlebnisse sind m. E. dabei zum einen der Besuch eines Konzerts der Selling England By The Pound Tour und zum anderen das Auffinden der Batwings nach der Show auf dem Damen WC (eine skurrile Geschichte, die so auch Peter Gabriel hätte einfallen können), die Mimi anschließend sogar in der Schule trägt. Sind die Batwings ein Symbol der Freiheit, der Stärke, des Durchblickens (Watcher Of The Skies, Watcher Of All…) für Dich? Möchtest Du in den Erlebnissen die Wichtigkeit der (Musik-)Kultur im Leben für (junge) Menschen aufzeigen? Mimi wird ja unzweifelhaft selbstsicherer, aktiver (Fanclubgründung) und auch attraktiver (sie verliebt sich). Zusammenfassend gefragt: Wieviel Biografisches steckt in der Geschichte / ihren Figuren?

Susann: Wie gesagt, ich war auf beiden Konzerten, meine Begeisterung war genauso groß wie die von Mimi, und ich habe mit den Songtexten von Genesis versucht, besser Englisch zu lernen. Und ich komme aus der Provinz! Aber ich hatte keinen Fanclub. Das mit dem Fanclub war wichtig, um Informationen ins Buch zu kriegen, an die man damals sonst nie rangekommen wäre. Was 1974 über Genesis in den deutschen Medien stand, war mehr als dürftig, also musste ein Alan aus Ormskirk her, der Mimi und ihren Fanclub mit Informationen versorgte. Die Batwings (ich hatte tatsächlich eine Weile mit der Blume geliebäugelt, aber die war einfach zu groß und zu sperrig, um irgendwo liegenzubleiben) sind ein Symbol für die Macht, die es Mimi ermöglicht, von den Jungs überhaupt mal ernst genommen zu werden. Sie besitzt plötzlich etwas, das die anderen auch begehren. Was Mimi und ich auch gemeinsam haben: Wir wollen was von Musik verstehen. In meiner Teenagerzeit war das vor allem Jungssache. Ich wollte unbedingt eine sein, die da mithalten kann.

it: Ich finde übrigens die Verknüpfung von Musik und Lebensentwicklung wunderbar gelungen. Als Genesis The Lamb Lies Down On Broadway (mein Lieblingsalbum) herausbringen und damit auf Tour gehen, kommt es zum Bruch. Mimi verliert ihre Leidenschaft, gibt sogar die Batwings weg (wieder auf dem Damen WC nach dem Konzert. Es schließt sich ein Kreis.) und bricht mit der Band als sie von Peter Gabriels Ausstieg erfährt. Jedoch verweist der letzte Satz des Buches (kannst Du uns verraten, welchen Song sie hörten?) darauf, dass es kein Wegwerfen / keine Aufgabe auf Dauer ist (für pubertierende Teenager durchaus üblich). Man könnte meinen, Du planst eine Fortsetzung?

Susann: Es gibt, glaube ich, nur einen einzigen Song der frühen Genesis, der gut zum Liebemachen passt, und das ist Fountain Of Salmacis. Und nein, ich plane keine Fortsetzung, das würde auch gar nicht zum Konzept der KiWi-Musikbibliothek passen. Ich schreib ja weiter meine Romane, da kann ich auch einfach mal so was zum Thema „Als Peter Gabriel mir mit der Passion den Stecker zog“ unterbringen, falls ich das möchte.

Weiteres:

it: Ich hatte leider nicht das Vergnügen, Genesis zu Peter Gabriels Zeit live zu sehen, da ich erstmalig 1977 mit der Band in Berührung kam. Die Magie der damaligen Shows wurde mir viel später durch Konzerte der kanadischen Cover-Band The Musical Box bewusst. Kennst Du sie? Warst Du bei einem ihrer Konzerte? Was hältst Du von Cover-Bands?

Susann: Ich war noch nie auf dem Konzert einer Cover-Band, aber The Musical Box haben mich mit der YouTube-Aufnahme ihrer Performance von The Lamb Lies Down On Broadway gerettet. Von der Original-Lamb-Tour 1975 gibt es nur ein paar unscharfe Amateuraufnahmen, und angesichts meiner doch sehr unpräzisen Erinnerungen hätte ich sonst nie so viel über das Konzert schreiben können. In meinem Tagebuch steht nur: „Bei Genesis im CCH gewesen. Peter Gabriel am Ende total heiser.“ Meinen allergrößten Dank also an The Musical Box !

it: Abschließend noch die Frage, die sich weiter oben vielleicht schon selbst beantwortet hat: Hast Du eine Show der The Last Domino Tour? gesehen? Ist die Band damit für Dich weise gealtert und hat würdevoll ihre Geschichte beendet?

Susann: Nein, ich war nicht dort, aber ich habe die Berichte über die Tour verfolgt, und besonders Phil Collins ist mir sehr nahegegangen. Was habe ich mich über das Backstagefoto mit ihm, Peter und Richard McPhail gefreut! Ich denke, sie sind gut gealtert und haben zum richtigen Zeitpunkt aufgehört, nur Tony Banks hätte ich mehr Solo-Erfolge gegönnt, ein very underrated man.

it: Wie sieht Deine künftige Planung aus? Können die Leserinnen und Leser mit einem neuen Buch von Dir rechnen?

Susann: Ja! Ich habe gerade ein neues angefangen und freue mich auf die Zeit, die ich mit meinen Figuren verbringen werde. Allerdings wird die Musik diesmal keine so große Rolle spielen wie in den letzten beiden Büchern.

it: Vielen Dank, liebe Susann für die ausführlichen Antworten und natürlich Dein schönes Buch, das den Genesis-Kosmos bereichert. Alles Gute für die Zukunft!

Das Interview führte Thomas Jesse
Foto: Steffi Rossdeutscher