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Rewiring Genesís: A Tribute To The Lamb Lies Down On Broadway – Nick D’Virgilio + Mark Hornsby – Rezension
Nick D’Virgilio trommelte einst auf dem Genesis-Album Calling All Stations. Elf Jahre später legt er ein Tribute Album zu Genesis vor – und wagt sich an den Klassiker The Lamb Lies Down On Broadway.
(Nick d’Virgilio & Mark Hornsby)
Auf die Darstellung der Hintergründe wird hier verzichtet mit Verweis an dieser Stelle auf das Interview mit Nick d’Virgilio.
Ebenso spielen die Komposition selbst hier keine Rollen, da diese im Prinzip identisch mit dem Original sind.
Es gehört schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein dazu, ein solches Projekt zu realisieren. Man muss zum einen entsprechende handwerkliche Fertigkeiten besitzen, und zum anderen sollte man nicht den Vergleich mit einem renomierten Original scheuen.
Denn obwohl keine offizielle Notation des Originalwerkes existiert, wissen Liebhaber sehr genau wie, The Lamb Lies Down On Bradway zu klingen hat!
Rewiring Genesis ist äußerst gelungen, soweit kann man sich aus dem Fenster lehnen. Diese Aufnahme hebt den Widerspruch zwischen Werkstreue und Neuinterpretation auf: Die Musiker reproduzieren präzise und schaffen es dennoch vollkommen anders zu klingen.
Das liegt wohl vor allem an der Instrumentierung und dem daraus resultierenden Arrangement. Verallgemeinernd könnte man sagen, dass Rewiring Genesis auf Orgel und Synthesizer verzichtet und stattdessen eine dirbrn-köpfige Bläsergruppe und ein Streicherquintett einsetzt. Dadurch erhält The Lamb natürlich einen akustischen, erdigen Klang. Ansonsten hat die Platte einen frischen, direkten Sound.
Stets zeigen sich die Fertigkeiten aller beteiligten Musiker. Das gilt für die Produzenten ebenso wie für die ausführenden Berufsmusiker. Das Arrangement ist brilliant auf die eingesetzten Instrumente zugeschnitten worden. Die gefühlvolle Interpretation der Musiker ist ganz großes Theater. Man muß sich dabei immer vergegenwärtigen, dass alle Streicher und Bläser vorher niemals mit dem Original in Berührung kamen, sondern im Bereich Jazz, Blues und Klassik aktiv waren.
Man hört die amerikanische Herkunft der beteiligten Musiker deutlich heraus. Das passt natürlich hervorragend zum Titel der Originalplatte. Andererseits stellt man auch fest, dass gerade die verregnete Stimmung des britischen Originals einen großen Reiz ausmacht. Die ursprünglich vorhandene Melancholie bekommt hier eine bluesige Note. Die orchestrale Breite klassischer Prägung wird auf Rewiring Genesis zum prachtvollen BigBand Essemble.
Doch trotz aller „Neuerungen“ wird deutlich mit welcher Kraft die eigentliche Komposition wirkt, die ja unangetastet blieb. Nach wie vor erzeugt Fly On A Windshieldeine Gänsehaut und man wird überwältigt von der unruhigen Wucht von In The Cage. Von daher beweist gerade die Neuinterpretation die Genialität des Originals.
Zu den einzelnen Songs:
The Lamb Lies Down On Broadway
Der klassische Pianoeinstieg macht dem Liebhaber klar, wie nah Rewiring Genesis am Original ist. Doch schon mit dem Einsatz der Band muss man schmunzeln ob der frechen Big-Band, die da fröhlich mitmusiziert. Dabei wird die Bass/ Gitarrenbegleitung von Bläsern übernommen. Dieses Stück tut das was es soll: Es entführt einen auf den Broadway Boulevard. Wunderbar!
Fly On A Windshield / Broadway Melody Of 1974
Sehr nah am Original fehlt natürlich auch nicht die Explosivität der bekannten Szene. Man muß aber feststellen dass Nicks Stimme nicht die emotionale Tiefe eines Peter Gabriels hergibt. Schade. Dafür verdient sein Drumming allerhöchstes Lob. Es ist einfach nur begeisternd wie er Phils Stilistik nicht nur kopiert sondern diese noch bereichert. Auf Bläser wird verzichtet, die Streicher schaffen eine sehr stimmige Atmosphäre.
Cuckoo Cocoon
Eine Stahlsaiten-Akustikgitarre und eine Querflöte. Mehr braucht es nicht, um Cuckoo Cocoon umzusetzen. Zusammen mit Nicks Gesang wirkt das ganze wie ein Singer/Songwriter Stück. Schade das man auf das Metallophon verzichtet hat.
In The Cage
Hier trifft das zu was ich schon weiter oben geschrieben habe. In the cage bewegt sich nah am Original, lediglich die Keyboards und stellenweise die Gitarre werden komplett von Bläsern und Streichern übernommen.
The Grand Parade Of Lifeless Packaging
Im Prinzip handelt es sich um eine A Capella Nummer. Alle Instrumente werden vom Gesang übernommen, begleitet von Drums und Percussions.
Back In N.Y.C.
Auf dieser Platte gibt es Stücke die atmosphärisch nah am Original sind, und andere die aufgrund der neuen Instrumentierung fast schon exzentrisch wirken. Dies ist bei Back In N.Y.C.der Fall. Wieder übernehmen Bläser die Keyboardlinie, wodurch ein Big Band-artiger Charakter entsteht. Die abgedämpften Trompeten in der Bridge. as i cuddled…“) erinnern fast schon an die West-Side Story. Vollkommen abgedreht wirkt „Off we go“, da hier volksmusikartige Bläser in den schrägen Takt gezwungen werden.
Hairless Heart
Eine vollkommene Neuinterpretation. Hairless Heartwird im typischen Barjazz präsentiert, wobei das Piano die Gitarrenlinie übernimmt. Auf Bläser wurde verzichtet, dafür agieren Streicher in der Begleitung.
Counting Out Time
… beginnt mit den typischen Big Band-Bläsern und eskaliert dann beschwingt im New Orleans Jazz! Nicks Gesang erinnert dabei stellenweise an David Lee Roth.
Carpet Crawlers
Zum Glück wurde hier auf die schon erwähnte Exzentrik verzichtet. Carpet Crawlers ist geschmackvoll umgesetzt. Durch das Piano und die Streicher wird ein sehr warmer, natürlicher Klang erzeugt. Erstaunlich ist die stimmliche Nähe zu Peter im Intro.
The Chamber Of 32 Doors
Hier darf Don Carr das erste mal seine souveräne Leadgitarre unter Beweis stellen. Auch dieses Stück ist nah am Original. Der natürliche Klang wird über weite Strecken vom trockenen Bass getragen.
Lillywhite Lilith
Wieder sehr originalgetreu. Auf Bläser wurde ganz verzichtet und die Streicher erscheinen nur am Ende.
The Waiting Room
Die Vielzahl der verwendeten Instrumente ist für Twr ideal. Trotzdem wählte man für die „katzenartig“ jaulenden Töne einen Envelop Filter (Hüllkurven). Das ist auffällig, da dieses Album ja auf Synthesizer verzichtet.
Anyway
Erneut schaffen es die Streicher eine wunderbar natürliche Atmosphäre zu schaffen.
Here Comes The Supernatural Anaesthetist
Hier kommt der super souveräne Leadgitarrist! Der wechselnde Gitarrensound wird bei 1’38 auf die Spitze getrieben. Ein Pitch Transposer doppelt die Leadgitarre mit einer Quint, was einen Brian May artigen Klang ergibt. Insgesamt gilt das was weiter oben thematisiert wurde. Die gut gespielte, akzentuierte Gitarre zeigt, wie genial die Original-Kompositionen sind.
The Lamia
Eine Stahlsaiten Akustikgitarre, ein E-Piano und ein imposanter Frauenchor tragen dieses Werk. The Lamiawird stimmig von einer Frau gesungen. Auf Bläser und Streicher wurde verzichtet.
Silent Sorrow In Empty Boats / intro zu The Colony Of Slippermen/ Ravine
Der Einsatz von natürlichen Instrumenten (Streicher, Flöte) fällt insbesondere bei diesen musikalischen Versatzstücken äußerst positiv auf.
The Colony Of Slippermen
Wieder eines jener Stücke die durch die neue Instrumentierung eine außergewöhnliche, bizarre Note erhalten haben. In den Strophen dominiert der Pianogroove. Punktuell gesellen sich die Bläser hinzu. Die Bridge wird vom Akkordion übernommen. In der Mitte entwickelt sich ein Big Band Groove der maßgeblich vom walking-Bass erzeugt wird. Das prägnante Moogsolo spielt ebenfalls das Akkordion.
The Light Dies Down On Broadway
Das Intro spielt wieder das Akkordion und das Mellotron wurde mit einer Querflöte interpretiert. Insgesamt lebt der Song von den Streichern und Chören.
Riding The Scree
Ein äußerst spielfreudiges Schlagzeug, mitreißende Bläser und eine virtuos geblasene Klarinette stellen die Fertigkeiten der beteiligten Musiker in den Mittelpunkt.
In The Rapids
Das Original lebt von Gabriels Stimme. In der Neuinterpretation kann Nick die Gesangsmelodie nur auf seine ganz eigene, amerikanische Art reproduzieren.
it
Die Platte endet wie sie begonnen hat. Einmal mehr hat man den Eindruck ein Musical auf dem Broadway verfolgt zu haben. It wirkt wie das Ende einer großen Revue mit prächtigen Bläser-Fanfaren und einem extrovertiertem, amerikanischen Entertainment.
Fazit
Man mag von der Neuinterpretation halten was man will, letzten Endes überzeugt doch der ambitionierte, souveräne Vortrag aller beteiligten Musiker. Die verregnete Stimmung des Originals fehlt zwar ebenso wie die Tristesse des Gesamtsounds.
Insgesamt haben Nick und Mark jedoch bewiesen, welch kompositorische Qualität das Original besitzt.
Autor: Robert Krauskopf