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Ray Wilson – Er, wie wir – Interview zu The Weight Of Man 2021
Nach Brexit, Lockdowns und der Crowdfunding-Kampagne zu seinem neuen Album The Weight Of Man fanden wir Gelegenheit, ein ausführliches Gespräch mit Ray Wilson zu führen. Das Interview fand am 20.07.2021 via ZOOM statt.
I, Like You – so heißt einer seiner stärksten Titel auf dem neuen Album The Weight Of Man. So weit uns die COVID-Krise auch voneinander entfernt hat, in vielen Dingen waren wir gleich. Er, wie wir, war beschränkt auf wenig Kontakte, ganz wenig Kultur und viel Unsicherheit. In dieser Zeit hat Ray Wilson ein neues Album geschrieben, das mittlerweile bei den ersten Fans auch angekommen ist. Ende August folgt die Veröffentlichung im Handel. The Weight Of Man, aber auch der Brexit, seine Situation in der Covid-Krise – Themen gab es genug und so führte Christian Gerhardts am 20.07.2021 ein ausführliches Interview mit Ray Wilson – via ZOOM.
it: Hi Ray – schön dich zu sehen, es ist ja ne Weile her …
Ray Wilson: Das letzte Mal war vor Jahren in der Kirche in Dresden vor dem Soundcheck, oder?
it: Wir haben danach noch ein Interview gemacht – in Leipzig im Jahr 2016.
Ray: Ah ok, das war das letzte Mal. OK – schieß los!
it: Vor zwei Jahren hast du die Compilation Upon My Life gemacht, und kurz davor hast du mir gesagt, dass du kein neues Album machen willst, bevor der Brexit über die Bühne gegangen ist. Dann hat sich der Brexit natürlich verzögert, die Compilation mit zwei neuen Tracks wurde trotzdem veröffentlicht und dann kam die COVID-Krise und wie alle Musiker warst du plötzlich daheim und konntest nicht mehr live spielen – was du ja immer intensiv getan hast. Wie hat sich das auf dich ausgewirkt, als Musiker, der buchstäblich auf der Bühne lebt?
Ray: Um ehrlich zu sein, war es in gewisser Weise eine Erleichterung. Es war schön, für eine Weile aufzuhören. Natürlich wollte ich nicht, dass eine Pandemie ausbricht, aber eigentlich habe ich die freie Zeit zu Hause genossen. Ich war froh, nicht die ganze Zeit auf Tournee zu sein. Wie jeder in einem normalen Job gerät man manchmal ein bisschen in eine Achterbahn und manchmal ist es schwer, aufzuhören. Und als COVID passierte, waren wir gezwungen, aufzuhören – alle. Es hat mir nichts ausgemacht, muss ich sagen. Ich fühlte mich gut dabei. Nach dem ersten Lockdown haben wir ein paar Konzerte im Sommer gespielt, was schön war – es ist immer schön, im Sommer zu spielen, draußen zu sein. Es ist eine schöne Erfahrung für alle, wenn man draußen spielen kann und das Wetter in Ordnung ist. Wir haben diese Shows also gemacht und sind dann für ein paar Konzerte in Dresden, Leipzig und auch Karpacz in Polen wieder in eine Halle gegangen. Ich muss sagen, dass es sich irgendwie ungemütlich anfühlte. Wir wussten, dass die Covid-Fälle immer mehr wurden, und ich war froh, wieder aufzuhören. Es ist nicht nur das Risiko, selbst COVID zu bekommen, sondern auch, es an andere Menschen weiterzugeben, die man liebt. Es geht nicht nur um einen selbst, sondern auch um andere Menschen.
Außerdem hatte ich eine Periode von fünf Monaten, etwa nach dem Sommer letzten Jahres, in der ich überhaupt nicht Gitarre gespielt habe – ich habe komplett damit aufgehört. Ich hatte ein paar Jahre lang eine Verletzung an meinem rechten Arm und das ist nie richtig ausgeheilt. Es lag einfach daran, dass ich so viele Jahre lang gespielt habe und ich eine Verletzung durch wiederholte Belastung in meinem Arm entwickelt habe und es wurde nie wirklich besser. Mein Osteopath sagte immer wieder zu mir, du musst aufhören, Gitarre zu spielen, und ich sagte, ich kann nicht aufhören, es ist ja mein Job. Also gab mir das die Möglichkeit, eine Weile aufzuhören. Natürlich war das Singen kein Problem, aber ich musste eine Zeit lang keine Gitarre spielen. Auf dem neuen Album spiele ich überhaupt keine Gitarre mehr. Ich war nicht am Spielen beteiligt, ich hab nur gesungen. So konnte ich meinen Körper sich etwas erholen lassen.
Niemand wollte eine Pandemie, aber es gab einige positive Dinge, die dabei herauskamen – eine Denkpause, der Körper erholt sich usw.
it: Wann hast du mit dem Schreiben der neuen Songs begonnen?
Ray: Almost Famous wurde schon vor einer ganzen Weile geschrieben. Das ist die neue Single, dieser akustische Song. Das wurde vielleicht vor drei oder vier Jahren geschrieben. Abgesehen davon wurde bis zum ersten COVID-Lockdown nichts geschrieben. Ich hatte ein paar atmosphärische Playbacks von Jethro Bodean auf meinem Computer und habe versucht, daran zu arbeiten, was schwierig und ein bisschen anders für mich war, da es einfach Ambient-Musik war. Weißt du, nachdem damals der Trance-Remix für Another Day fertig war, haben mich viele Trance-Musiker gefragt: „Kann ich dir Musik schicken, zu der du schreiben kannst?“ und ich sagte: „Ja, klar“. Aber ich konnte nie dazu schreiben. Ich merkte, dass ich musikalisch nichts davon hatte. Es hat mich überhaupt nicht berührt oder bewegt. Aber natürlich, wenn jemand wie Armin Van Buuren meinen Song nahm und ihn remixte, ist das eine andere Geschichte. Der Prozess ist genau andersherum.
Jedenfalls hatte ich bei diesem Album einen Haufen Ideen auf dem Computer und diesmal war es anders. Ich wusste nicht wirklich, ob das, was ich da kreierte, gut war oder nicht. Ich sang einen Haufen Melodien zu dieser Ambient-Musik, um zu sehen, was passiert. Als sich die Songs entwickelten, schickte ich meine Ideen zuerst an Ali Ferguson. Er hat ein tolles Gespür für diese Art von Musik. Die Art, wie er spielt, passt sehr gut zu diesem Genre. Er spielte zu den Ambient-Tracks und dem, was ich darauf kreiert hatte, und da begannen die Songs lebendig zu werden. Als er seine Ideen hinzufügte, war es wie ‚ah, jetzt höre ich es‘. .
In der Vergangenheit, wenn ich mit Musikern gearbeitet habe, habe ich oft Ideen aus einem Track und einige aus anderen Tracks bearbeitet und neu arrangiert. Das habe ich dieses Mal nicht gemacht. Ich dachte – lassen wir es einfach so, wie es ist. Lass Ali sein Ding machen und lass es so, wie es ist. Er hat ein paar tolle Ideen entwickelt. Ich mag seine Arbeit an diesem Album wirklich.
Dann war Nir Z an der Reihe und Nir versucht immer, eine Weile mit der Musik zu leben, bevor er dazu spielt. Er schickte mir für jeden Song fünf oder sechs verschiedene Drum-Takes, und ich hörte sie mir an und dachte immer, jeder einzelne ist gut. Ich hätte jeden davon nehmen können. Es war also sehr wenig Bearbeitung nötig. Das Album begann mit Ambient-Playbacks, die mir anfangs nicht viel sagten. Dann kamen Ali und Nir ins Spiel und Lawrie spielte Bass und alles kam zusammen. Jetzt höre ich mir die Ambient-Parts an und finde sie toll.
Ich beschloss auch, mir die Songs während der Aufnahme nicht zu oft anzuhören. Das half mir, der Versuchung zu widerstehen, zu viel zu bearbeiten. Ich wollte nicht die ganze Zeit mit Editieren und Einfügen etc. verbringen. Ich hatte einen schönen Abstand zu den Songs auf diesem Album. Manchmal lagen etwa zwei Monate zwischen der Arbeit an einzelnen Songs. So liegt der Song manchmal eine Weile da und ich habe ihn nie angehört. Das hielt meine Begeisterung für den Song am Leben und erlaubte auch jedem, sein Ding zu machen, ohne dass ich mich einmischte. Und jetzt höre ich mir das Album an und es klingt großartig – es ist wie – „wow, das ist ja cool“. Jeder hat das zu etwas Besonderem gemacht. Und alles, was ich getan habe, war, Melodien und Texte zu kreieren und zu singen.
it: Ich bin ja ein großer Fan von SHE, aber ich muss sagen, das neue Album ist wohl dein bestes bisher.
Ray: Ja, SHE war auch ein tolles Album.
it: Du hast gesagt, dass fast alle Tracks während der COVID-Zeit aufgenommen wurden. Du hast diese Un-Tour-Tracks gemacht und auch hier sagtest du, die würden nicht auf dem neuen Album landen. Mit einer Ausnahme natürlich, Almost Famous. Wurden diese anderen Tracks auch während der Lockdown-Zeit geschrieben?
Ray: Die Un-Tour Tracks … Look What You Made Us Be war eine relativ alte Idee. Scott Spence schickt immer wieder Ideen. Er schickt fünf Tracks, vier sind so lala und dann ist einer wunderbar. Dieser Track ist eine seiner älteren Ideen. I’m Going Home wurde auch während der COVID-Zeit geschrieben und der andere, Something I Hold On To mit Filip Walcerz ist auch sehr schön. Aber diese Tracks passten nicht auf dieses Album, sie gehören da nicht hin. Bei Almost Famous war ich mir auch nicht so sicher, bis Uwe Metzler ein paar nette Gitarrensachen gespielt hat und Nir seine Magie hinzugefügt hat. Aber es gehört wahrscheinlich trotzdem nicht auf das Album. Es war aber ein schöner Song, also ist er dort gelandet. Ich bin jetzt aber froh, dass er auf dem Album ist.
it: Wenn man sich das Album anhört – es beginnt mit drei Tracks, die bereits als Singles erhältlich sind und dann hat man einen sehr starken Mittelteil, der teilweise fast proggig ist – Amelia ist sehr proggig, und dann kam man mit Almost Famous wieder zu einem leichteren Sound und dann hat man gegen Ende zwei Tracks im Song For A Friend-Stil.
Ray: Ja, wir hatten im Grunde die ersten sieben Songs, die den wahren Sound des Albums ausmachen sollten. Ich hatte noch einen weiteren Song, der mit Jethro entstand, namens Cry Wolf, das war auch ein großartiger Track, aber er wurde nie fertiggestellt. Der war auch im gleichen Stil, wie die ersten sieben Songs. Aber wir konnten ihn nicht richtig hinbekommen. Um ehrlich zu sein, gingen mir die Ideen und der Antrieb für diese Art von Musikstil aus. Aber ich konnte kein Album mit nur sieben Songs darauf veröffentlichen. So kamen weitere Tracks hinzu. Der Beatles-Song am Ende ist dann wirklich nur durch Zufall entstanden
it: Also gab es zwölf Tracks und keine weiteren Überbleibsel?
Ray: Nur Cry Wolf, das potenziell fantastisch ist, aber ich konnte das Stück nie richtig hinbekommen, irgendetwas fehlte immer. Ich wollte, dass es ein bisschen so wird wie … wie heißt der Track auf Peter Gabriel IV – The Rhythm Of The Heat, wenn es am Ende richtig „tribal“ wird. Genau so! Es ist ein bisschen wie das, das gleiche Gefühl. Aber egal, Cry Wolf ist nicht fertig. Nir spielte eine Menge Drum-Takes, auch einige Tribal-Ideen. Es war einfach einer dieser Songs, die wir nicht richtig hinbekommen haben. Na ja – egal.
Wie auch immer, ich hatte sieben Tracks, hatte nicht die Energie, diese Art von Stil fortzusetzen, also fügten wir Almost Famous und Symptomatic hinzu, die beide großartige Tracks sind. Dann kam Cold Like Stone dazu. Den Song habe ich auf der Akustikgitarre in Thailand geschrieben. Das wurde kurz vor dem ersten Covid-Lockdown geschrieben. Er wurde quasi am Strand geschrieben. Dann habe ich Uwe Metzler gebeten, sich der Sache anzunehmen und etwas Gitarre zu spielen, damit es besser klingt als das, was ich spielen kann. Also hat Uwe den Song dahin gebracht, wo er hin musste. Und dann schließlich der Beatles-Song. Vor fünf oder sechs Jahren machte ein Freund von Uwe ein Beatles-Cover-Album und er bat mich, einen der Songs zu singen. Er hatte nach Golden Slumbers gefragt und ich weiß, dass Phil Collins das auch gemacht hat, auf dem In My Life Projekt von George Martin. Wie auch immer, sie schickten mir den Song und ich sang ihn. Sechs Jahre später sagte Uwe, warum nehmen wir nicht diesen Beatles-Song und setzen ihn an das Ende des Albums, so wie wir es mit dem Floyd-Song High Hopes auf dem Song For A Friend-Album gemacht haben. Dann sagte Luca Biondi, der für mich die Online-Sachen und das Album-Artwork macht, dass es ziemlich sinnvoll sei, Golden Slumbers an das Ende zu setzen. Ich hatte ihn gefragt – was denkst du, soll ich das ans Ende des Albums setzen oder nicht, und er hielt es für eine gute Idee. Und er sagte, dass auf dem Abbey-Road-Album, von dem dieser Track ist, er übergeht in …
it: … Carry That Weight!
Ray: Genau – Carry That Weight – und mein Album heißt The Weight Of Man …
it: Das kam mir auch sofort in den Sinn und ich hatte gedacht, das habt ihr mit Absicht gemacht.
Ray: Das war absolut unbeabsichtigt. Luca sagte, wisst ihr was? Carry That Weight soll angeblich davon handeln, dass Paul das Gewicht der Beatles trägt, zu der Zeit von Abbey Road. Und dann haben wir diesen Song auf unserem Album, The Weight Of Man, das Gewicht der Welt, das man schultern muss. Es ist also ein großer Zufall, dass das Thema dieses Albums durch diesen speziellen Beatles-Song, Golden Slumbers, logisch abgerundet wird. Ich habe keine Minute darüber nachgedacht, aber nun ist es so.
it: Ich fand auch, dass es ein netter Schachzug war, dies an das Ende zu setzen. Jeder, der die Beatles kennt, würde diese Verbindung sehen … die Andeutung von Carry That Weight ist ein logischer Abschluss für das Album…
Ray: Das würde ich gerne für mich in Anspruch nehmen – ja, ich bin cool und wusste, was ich tue (lacht) – aber es war ein kompletter Zufall. Trotzdem ist es eine tolle Geschichte.
it: Wann hast du dich entschieden, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, anstatt einfach ein Album aufzunehmen und zu veröffentlichen?
Ray: Ich dachte … zu der Zeit war alles ungewiss. Ich entschied mich dafür und habe es irgendwie bereut. Zu der Zeit hatte ich mein Büro hier, Kasia und Basia arbeiteten beide für mich. Es war eine gute Geschäftsstruktur. Dann ging Basia für einen anderen Job und dann ging Kasia und ich hatte niemanden mehr, der mir bei der Arbeit helfen konnte. Und ich dachte, oh Gott, ich habe all diese Aufträge zu bearbeiten. Ich habe eine polnische und eine deutsche Firma. Ich spreche kein Deutsch und ich spreche kein Polnisch und ich dachte, wie zum Teufel soll ich da weitermachen? CDs zu verschicken ist zeitaufwendig, die Adresse muss auch auf Polnisch sein, egal wohin man sie schickt, in der Welt – und ich dachte „oh das ist ein Albtraum“.
Ich dachte daran, sie nach Großbritannien zu schicken, um von dort aus verschickt zu werden, und ich ging zum Postamt und sie wollten, dass ich Zollformulare ausfülle, um die Sachen nach Großbritannien zu schicken. Das wurde ein Alptraum. Am Ende war es okay, wir haben einen Weg gefunden, es zu tun, mit der Hilfe von Gosias Mutter. Manche Leute haben sie sogar zweimal bekommen (lacht), also war es für sie sogar besser. Aber die Sache mit dem Crowdfunding … Ich war mir da überhaupt nicht sicher, aber es ist, wie es ist. Die positive Seite davon: Es deckt die Kosten, wenn ich das Album mache. Es ist keine so schlechte Idee, für ein bestimmtes Projekt etwas Geld zur Verfügung zu haben, um die Ausgaben zu decken. Abgesehen von den Tantiemen, der GEMA oder was auch immer, kam nur wenig Geld herein, aber es ist nicht genug, um ein gutes Leben zu haben, das ist sicher. Es sei denn, man ist Brit … oh, ich wollte Britney Spears sagen (lacht) – das wäre merkwürdig gewesen.
it: Warst du zufrieden mit der Resonanz auf dein Crowdfunding?
Ray: Ich muss sagen, als wir die Un-Tour-Gigs gemacht haben, am Anfang von Covid, das war alles online und die Leute haben der Band gespendet. Es war interessant herauszufinden, was für eine Fanbase man wirklich hat. Das weiß man nie wirklich. Es war eigentlich ziemlich atemberaubend, was einige Leute gespendet haben, um den Jungs zu helfen. Wow – viele Leute waren wirklich großzügig und nett. Und ich weiß, dass viele Leute selbst Angst hatten, ihren eigenen Job zu verlieren, andere können sich so etwas gar nicht leisten. Es war aber auch nie eine Verpflichtung, mit Geld mitzumachen. Es war ziemlich interessant, die Beteiligung zu sehen. Wir bekamen eine Menge Unterstützung und das war wirklich herzerwärmend. Ich weiß, dass das für viele Künstler zutrifft. Jeder wusste, dass wir nicht arbeiten konnten. Selbst jetzt ist es schwierig. Wenn man versucht, Tickets zu verkaufen, ist es schwer. Die Leute sind nervös usw. Es ist hart da draußen. Es ist okay, aber es ist nicht einfach. Und dann schaut man sich den Herbst an und denkt – werden wir wieder auf das Niveau zurückfallen, wo wir waren? Werden wir Abstand-Konzerte haben? Das würde das Touren unmöglich machen, man kann die Kosten nicht mit der Hälfte des Publikums decken.
Die ganze Crowdfunding-Idee, für das Album … Ich mag es nicht besonders, ich fühlte mich unwohl, aber abgesehen davon denke ich, dass wir ein gutes Produkt haben. Das Booklet war nicht die billigste Art zu produzieren, denn es kostet mehr Geld, das Artwork so zu machen. Ich habe versucht, es schön zu machen, so wie ich es bei Song For A Friend und Makes Me Think Of Home gemacht habe. Ich fühle mich also gut, jetzt wo das Produkt da draußen ist. Es ist viel Mühe und Geld in dieses Album geflossen, also war es am Ende eine gute Entscheidung, auch wenn ich mich dabei ein bisschen unwohl gefühlt habe.
it: Reden wir über das Album. Ich habe gesehen, dass Ali kein Co-Autor ist. Basierend auf dem, was du vorhin über seinen Beitrag sagtest, scheint das ein bisschen seltsam zu sein.
Ray: Darüber lässt sich streiten, ja. Es gibt ein paar Tracks, wo er erstaunliche Sachen gemacht hat. Aber es ist immer ein schmaler Grat, ob man zum Schreiben beiträgt oder nicht. Ich habe die Musik für diese Stücke auch nicht geschrieben, also habe ich nicht das Recht, diese Entscheidung zu treffen. Ich habe die Texte und Melodielinien geschrieben, abgesehen von dem Song Cold Like Stone – und da habe ich Uwe Metzler als Co-Autor genannt, weil er etwas dazu beigetragen hat, aber für den Rest des Albums konnte ich diese Entscheidung nicht treffen, weil ich die Musik nicht geschrieben habe.
it: Ein Name ist interessant – Jethro Bodean…
Ray: Ja, Jethro – das ist ein Kollege von Peter Hoff.
it: Also kennst du ihn durch Peter…
Ray: Ich kenne ihn überhaupt nicht, ich bin ihm nie begegnet. Es ist ein Social-Distance-Kontakt. Er brachte Ideen ein und Peter sagte, du solltest dir das Zeug anhören und das habe ich getan, aber ich habe ihn nie getroffen.
it: Er ist der Co-Autor einiger Tracks. Was war seine Rolle auf dem Album?
Ray: Er hat die Grundmusik für sechs Tracks erstellt. Sie beginnen mit dem Ambient-Soundtrack. Sechs der ersten sieben Songs begannen so, abgesehen von We Knew The Truth Once. Manchmal hatten sie etwas Rhythmus und Schlagzeug und einige Gitarrensounds, sie hatten also eine gute Substanz. Aber diese Playbacks entwickelten sich wirklich erst, als wir die anderen Musiker hinzufügten.
it: Lass uns über die Songs sprechen. I, Like You ist der erste „neue“ Track, wenn man sich das Album anhört. Was hat es damit auf sich? Jemand schrieb in unserem Forum, dass dein neues Album so klingt, als hättet ihr die Qualität des Tracks Makes Me Think Of Home auf die Länge eines ganzen Albums gebracht und I, Like You scheint dafür ein gutes Beispiel zu sein …
Ray: Das könnte stimmen. Ironischerweise begann auch Makes Me Think Of Home mit einem Ambient-Playback, damals von Peter Hoff. Es war ein sehr ähnlicher Prozess, aber ich habe den Song ein wenig umarrangiert. Wie bei I, Like You. Das war der einzige Track, den ich auf dem neuen Album neu arrangiert habe. Ich musste etwas finden, zu dem ich schreiben konnte. Also habe ich ihn umgestellt, bis die Songidee auftauchte. Es war ein ähnlicher Prozess mit Makes Me Think Of Home. Und I, Like You hat ein fabelhaftes Schlagzeugspiel von Nir. Gesanglich war die Zeile „be as a friend“ eine Idee, die sich in meinem Kopf festsetzte, sie wurde fast lästig. Das erste Mal, als ich es sang, habe ich es auf eine eher opernhafte Art und Weise gemacht (singt es), aber dann dachte ich, das ist zu viel, also musste ich es neu machen, es sollte einfacher klingen. Aber es fing wirklich an wie ein Pavarotti oder Freddie Mercury Ding. Es ist einer meiner Lieblingssongs geworden. Es ist nicht so ein offensichtlicher Song, wie etwa Almost Famous, das ist ein offensichtlicher Song und ein offensichtliches Arrangement. I, Like You ist nicht so, man weiß nicht, was als nächstes kommen wird. Ich bin sehr glücklich damit.
it: Amelia ist auch ein Stil, den du vorher noch nicht hattest.
Ray: Ja! Weißt du, Peter Gabriel IV war immer eines meiner Lieblingsalben. Ich glaube, das spielte eine ziemlich große Rolle in meiner Denkweise, als ich ein oder zwei dieser Songs machte. Ich konnte Elemente hören … Ich meine, in meinem Kopf fühlt es sich wie ein ähnliches Konzept an, obwohl ich natürlich keine Ahnung habe, was Peter durch den Kopf ging, als er das Album machte. Ich habe einige dieser Songs mit diesem Stil im Hinterkopf kreiert. Amelia ist einer von ihnen und I, Like You ist sicher ein weiterer. Und auch Cry Wolf. Diese Songs ließen mich an Peter Gabriel IV denken. Was ein großartiges Album ist.
it: Worum geht es in diesen beiden Songs?
Ray: Um nichts Bestimmtes. Amelia meint eigentlich nichts Konkretes. Am Anfang habe ich „Himalaya“ gesungen. Ich fing an, es so zu singen. Ich dachte über den Geist der Berge nach. Es gibt eigentlich keine starke Storyline. Es geht mehr um Atmosphären. Und in I, Like You geht es um verschiedene Dinge: Ehrlichkeit und auch den Mangel daran, in der Gesellschaft. Es hat auch sarkastische Elemente. Und ‚Be as a friend‘ … das hatte viel mit dieser Zeit zu tun und dem Bedürfnis, wieder ein Publikum zu haben. Das Gefühl, wenn man auftritt – bekannte Gesichter zu sehen und zu sehen, wie die Leute deine Songs singen. Wenn du im Raum bist und dieses Gefühl erlebst, als eine Einheit. Die Magie dahinter steckt in dem Song. Es geht darum, dass ich die Menschen brauche, die mir dieses Gefühl von Kraft und Energie geben.
it: Du hast dich früh entschieden, dass Album The Weight Of Man zu nennen. Gab es den Titelsong da bereits oder ist dieser danach entstanden?
Ray: Ich kann mich nicht wirklich erinnern. Aber ich denke, es ist der richtige Titel für das Album. Der Song ist mein Lieblingssong. Als ich die Melodie gesungen habe, war ich mir nicht sicher, ob sie gut genug ist, und jetzt, wo ich sie mir anhöre, liebe ich sie. Es ist der eine Song, den ich immer und immer wieder spielen möchte. Und natürlich die Botschaft über das, was in der Welt vor sich geht und viele Anspielungen auf die heutige Welt, The Weight Of Man gibt wirklich einiges von dem wieder, was ich sagen wollte. Und dann das Albumcover, das von Luca Biondi gemacht wurde und eigentlich eine Fotografie ist, sieht für mich aus wie ein Mann aus Wasser, der im Himmel schwebt. Das ist es, wie ich es sehe. Andere Leute werden andere Dinge sehen, aber das ist es, was ich sehe. Es passt zum Albumtitel und Luca hat mir gesagt, dass es eigentlich ein Wassertropfen ist. Aber ich sehe den Körper eines Mannes.
it: Das ist ein guter Zeitpunkt, um über das Albumcover zu sprechen. Helmut Janisch und ich diskutierten darüber, was das sein könnte und wir sahen nichts Besonderes. Du weißt ja, dass Helmut es mag, Artworks irgendwie zu zerlegen und für unsere Website kreativ wieder zusammenzusetzen, um Rezensionen etc. zu illustrieren, aber dieses Mal ist er gescheitert und er fragte: „Was zur Hölle ging in deren Köpfen vor, als sie dieses Cover gemacht haben“?
Ray: Das ist uns also gelungen (lacht). Habe Helmut schon lange nicht mehr gesehen … Es ist wirklich ein Foto und ich liebe es absolut. Es sagt einfach alles, was ich sagen wollte. Und das ist die Sache mit der Kunst. Sie ist subjektiv. Man muss es nicht mögen. Aber ich tue es!
it: The Last Laugh …. das ist mein Favorit im Moment. Es fängt mit einer klassischen starken Struktur an, aber dann fügst du mehr hinzu, es gibt mindestens zwei weitere starke Melodielinien. Was war die Idee, das auf diese Weise zu machen?
Ray: Daran habe ich nicht gedacht, es ist einfach so passiert. Ich versuche immer, etwas zu suchen, das nicht in irgendeiner Weise offensichtlich ist. Wenn ich mit Uwe schreibe, ist es anders, weil es eine Songstruktur gibt, an der man arbeiten kann. Bei diesen Ambient-Tracks ist es schwieriger, sie zu greifen und mit Ideen zu kommen. Es ist vielleicht nicht so vorhersehbar. Man hat Ideen und weiß nicht, ob sie gut oder schlecht sind. Es war ein harter und herausfordernder Prozess. Es ist ein bisschen wie das, was ich in einer Dokumentation auf YouTube über Bowie gesehen habe. Er sagte so etwas wie: „Wenn ich mich mit dem, was ich tue, wohlfühle, dann tue ich das Falsche“. Er brauchte das Gefühl, dass er sich in Bereiche begibt, in denen er sich nicht wohlfühlt. Das ging mir die ganze Zeit durch den Kopf. Ich bin offensichtlich ein großer Bowie-Fan. Also habe ich oft gesagt, dass ich mich dabei nicht wohl fühle, aber ich werde es ausprobieren und die Ideen entwickeln lassen. Das war auch spannend, vor allem, wenn man die Ergebnisse hört.
Was The Last Laugh angeht, das ist ironischerweise mein unbeliebtester Song auf dem Album – aber das ist wiederum Kunst und subjektiv. Es war der Song, bei dem ich dachte, …. Ich bin mir nicht sicher. Textlich war ich nicht so überzeugt … aber was du über die Struktur gesagt hast – darüber habe ich nie so nachgedacht. Es ist ein bisschen wie ‚Back To Front‘ und das macht vielleicht den Charme aus, aber ich mag die Art und Weise, wie die Musik in diesem Song hervorkommt. Ich habe über Politik und Religion geschrieben. Eine unbequeme Mischung. Wenn man sich Trump ansieht oder die Welt, in der ich lebe … es ist wirklich eine unangenehme Mischung. Ich weiß nicht, wer das letzte Lachen haben wird, aber vielleicht ist es Mutter Erde..
it: Bisher hast du noch keinen der neuen Songs live gespielt …
Ray: Das stimmt nicht, wir haben zwei davon letztes Wochenende in Wilhelmshaven gespielt. Wir haben You Could Have Been Someone und Almost Famous akustisch gespielt.
it: Ok, aber natürlich willst du die mit der ganzen Band spielen. Wie viel wollt ihr denn live davon spielen?
Ray: Ich würde wirklich gerne viel davon spielen. Es ist offensichtlich, dass ich Ali und Lawrie dafür brauche. Wer weiß, wann wir die Jungs rüberholen und die Dinge richtig machen können. Ich würde auf jeden Fall gerne ziemlich viel von dem Album spielen, es ist zu gut, um es nicht zu spielen. Mit meinem kleineren Line-Up kann ich auch abgespeckte Versionen spielen. Wenn das britische Experiment, jeden anstecken zu lassen, funktioniert, können wir vielleicht im Herbst Konzerte geben und die Räume mit Leuten füllen, vielleicht mit Covid-Pässen usw. Wenn wir es diesen Herbst nicht schaffen, werden wir wohl das nächste Jahr ins Auge fassen.
it: Was erwartest du? Wie werden sich die Dinge in Bezug auf COVID und Konzerte entwickeln?
Ray: Diese Situation hat die Menschen wirklich sehr belastet, aber ich sehe bei meinen Musikern eine echte Niedergeschlagenheit. Mein ganzes Leben lang war ich immer derjenige, der die Motivation und den Antrieb hatte. Das ist mein Charakter. Manchmal habe ich es gegen eine Wand gefahren, in die falsche Richtung oder was auch immer, aber ich habe immer gepusht und nie aufgehört. Ich habe versucht, die Kontrolle zu behalten, damit niemand die Reise beschädigen konnte. Ich wollte es immer in Bewegung halten. Ich fühle jetzt diese Niedergeschlagenheit, als wir vom zweiten Lockdown zurück auf die Bühne kamen. Es war wirklich hart. Ich sehe die Jungs und ich sehe eine Leere in ihren Augen. Natürlich wollen sie wieder spielen. Aber da ist Angst, da ist Nervosität und das ist nicht schön. Das Gleiche bei den Veranstaltern. Sie bieten Konzerte an, können keine Tickets verkaufen, können keine britischen Künstler rüberbringen usw. Ich weiß, dass nicht nur mein Beruf darunter leidet und dass es auch andere Berufe gibt, denen es gut geht. Ich möchte nicht so wirken, als würde ich mich selbst bemitleiden, denn das tue ich nicht. Aber ich mache mir Sorgen über den Schaden, den das für die Branche bedeutet. Es ist nicht schön da draußen. Du hast diese Regeln, sei geimpft, getestet oder genesen. Und dann gibt es Leute, die sich überhaupt nicht impfen lassen wollen. Die Jungs in meiner Live-Band sind eigentlich alle geimpft. Wir haben also alle unseren Impfpass. Und manche Leute wollen das nicht, und dann denkt man, was für ein Chaos.
Andererseits, in Weert, wo wir kürzlich gespielt haben, wollten sie es im Club machen und ich schlug vor: warum machen wir es nicht draußen im Garten? Sie waren damit einverstanden, was großartig war. Als wir dort spielten, hatte der niederländische Premierminister gerade wieder eine ganze Reihe neuer Regeln eingeführt, weil die Zahlen dort verrückt spielten. Alle, die dort waren, waren also entweder geimpft oder wurden an diesem Tag getestet und es war ein schönes Gefühl, in einer Umgebung zu sein, in der man sich ziemlich sicher fühlt. Ich weiß nicht, wie das alles enden wird. Es ist eine unsichere Zeit in meinem Geschäft. Es ist schwierig und macht nicht immer Spaß. Es ist nicht mehr so, wie es einmal war. Einige der Jungs haben angefangen, bei amazon, in Supermärkten oder in Musikgeschäften zu arbeiten – daran ist nichts falsch, ich habe vor Jahren in einem Fish’n’Chips-Laden gearbeitet, wie du weißt. Diese Jobs sind nicht schlecht. Es ist nur so eine Schande für talentierte Musiker, damit konfrontiert zu werden. Und dann kommt noch der BREXIT dazu, der einfach verdammt schrecklich ist, und was Großbritannien (nicht Schottland) getan hat, ist eine Schande. Ich schäme mich. Man kann nicht einmal nach Großbritannien fahren, als Nicht-Brite, ohne zu riskieren, dass man eine Stunde lang über seine Beweggründe, dort zu sein, befragt wird. Das ist nicht das, worum es uns geht. Ich schäme mich zutiefst für das, was in Großbritannien passiert ist. Und dann haben wir Leute aus dem Business wie Bruce Dickinson und Roger Daltrey, die sogar für den Austritt gestimmt haben. Unglaublich. Es ist peinlich.
Und sowas kommt dann noch dazu … Als ob man noch mehr Probleme bräuchte. Man kann keine Tickets verkaufen, dann werden Konzerte gebucht, dann wieder abgesagt und dann Impfpass usw. Wo soll das enden? Ich habe ein neues Album und kann es nicht mal richtig live spielen. Es ist frustrierend. Auf der positiven Seite hat man Fans, die ihre Künstler unterstützen und das ist wirklich herzerwärmend. Und wird gebraucht. Was für verrückte Zeiten …
it: Und dann lebst du als britischer Staatsbürger in Polen …
Ray: Ich habe die Staatsbürgerschaft in Polen beantragt – aber das braucht Zeit. Bevor ich eine Daueraufenthaltsgenehmigung bekam, konnte ich nicht in Deutschland arbeiten, obwohl ich dort eine Firma habe. Also hat mir die Botschaft gesagt, dass ich in Deutschland arbeiten darf, wenn ich eine ständige Aufenthaltsgenehmigung in Polen habe, dann für 90 Tage. Mein Bruder wiederum wohnt in Deutschland und hat einen ständigen Wohnsitz in Deutschland, er darf 30 Tage in Polen arbeiten. Einige andere Länder sind wirklich kompliziert. Frankreich ist dagegen überrascchenderweise ziemlich einfach. Wenn man das aber alles zusammenzählt plus Covid etc…
Zum Glück habe ich eine Fanbase und die kommen zu den Shows. Es ist also in Ordnung. Es gibt genug Leute, die das im Moment für mich funktionieren lassen.
it: Verfolgst du, was in Großbitannien derzeit los ist? Steve und Genesis wollen ihre Tourneen im Herbst ja durchziehen.
Ray: Das ist ziemlich ehrgeizig für Genesis, im September zu starten. Ich meine, diese Herdenimmunität, die sie in Großbritannien zu erreichen versuchen, ist ein Glücksspiel. Ich verstehe die Logik. Und wenn das funktioniert, kann ich mir vorstellen, dass alle anderen ihnen folgen werden. Das Vereinigte Königreich ist wahrscheinlich 4-6 Wochen voraus in dieser Covid-Krise. Es wird also interessant sein, zu sehen, was dort passiert, und dann können wir in Europa auf dieser Grundlage Entscheidungen treffen. Ich hoffe für Großbritannien, dass sich dieses Glücksspiel auszahlt und nicht noch mehr Varianten und Long-Covid hervorbringt.
Für mich gilt: Wenn jemand sagt, er will sich nicht impfen lassen, denke ich immer, was ist mit ihm los? Wir sind alle nicht begeistert davon, aber seien wir mal ehrlich: Die Realität, mit der wir konfrontiert sind, ist – welche Wahl haben wir schon? Wir bekommen alle möglichen Impfungen, wenn wir an verschiedene Orte der Welt reisen. Man tut es einfach, weil man es tun muss, und das ist jetzt die Situation. Also tun wir es und dann lasst uns mit unserem Leben weitermachen.
it: Ok, wir sind dann durch – danke für das Gespräch und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder im Konzert. Viel Erfolg mit dem neuen Album!
Ray: Danke, es ist mir immer ein Vergnügen, mach’s gut!
Interview, Transkription, Übersetzung: Christian Gerhardts