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Phil Collins offizieller Fanclub: Another Day In (A Fan’s) Paradise
Mit dem Album Going Back startete Phil Collins einen eigenen offiziellen Fanclub. In jedem Monat öffnente er sein Archiv und bot umfangreiches Audio, Video und Bildmaterial an. Steffen Gerlach zieht nach dem Ende des Angebots nun Bilanz.
Nach 16 Monaten war im Dezember 2011 dann Schluss – zwar nicht mit Phil Collins‘ offiziellem Fanclub, aber mit den monatlichen Updates des Online-Archives! Insofern bietet sich ein kleiner Rückblick an, was die kostenpflichtige Club-Mitgliedschaft den Fans gebracht hat beziehungsweise noch bringt.
Als die offizielle Webpräsenz von Phil Collins im Jahr 2006 ziemlich plötzlich verschwand, lautete damals die offizielle Begründung, dass die nicht geplanten Solo-Aktivitäten des Hauptdarstellers eine offizielle Webpräsenz mehr oder weniger überflüssig machte. Man konzentrierte sich lieber auf die damals noch aktive Genesis-Website, die – passend zur Reunion-Tour – zum ersten mal auch einen kostenpflichtigen Fanclub-Bereich anbot. Dummerweise lief das Ganze für solche, die schwach geworden waren und bezahlt hatten, alles andere als erfreulich. Viele Fans waren über das gebotene absolut enttäuscht. Mittlerweile existiert aber auch diese Webseite nicht mehr – nach Beendigung der Tour und der Veröffentlichung der Box-Sets sah man für eine Webpräsenz von Genesis keine weitere Notwendigkeit.
Aber siehe da, Phil Collins wollte es 2010 doch noch mal wissen! Pünktlich zum Promo-Start zu seinem Going Back-Album tauchte auch wieder eine offizielle Webpräsenz auf! Und es dauerte auch nicht lange, bis man mit einem kostenpflichtigem Fanclub-Abo warb. Vielen Fans, die das Debakel mit dem Genesis-Fanclub mitgemacht hatten, fehlte nun die Motivation, noch einmal in die Falle zu tappen. Demnach dürften es nicht all zu viele sein, die am Ende beurteilen können, ob sich der jährliche Mitgliedsbeitrag gelohnt hat.
Monatlich wurden drei „Archives“ mit Material gefüllt: Audio, Video, Gallery…
AUDIO-STREAMS/-DOWNLOADS
Die anfängliche Befürchtung, man würde mit bereits veröffentlichten B-Seiten und Video-Clips abgespeist hat sich dankenswerterweise nicht bewahrheitet. Die insgesamt 23 Demos, zwei frühen Rehearsals und 11 Live-Tracks waren allesamt bislang unveröffentlicht. Die Audio-Streams/-Downloads sind/waren als MP3s in 128kps-Qualität verfügbar, außer * (320kps) und ** (256kps).
Überrascht wurde man mit zwei Proberaum-Aufnahmen aus Phil Collins‘ Jugend. Zum einen ein über 8-minütiges Drum Solo (2 Takes)**, welches er angeblich als 13-jähriger 1964 selbst aufnahm, und zum anderen den Ron & Phil Jam**, einer über 11-minütigen Session aus dem Jahr 1970 mit Phil Collins am Schlagzeug und Ronnie Caryl an der E-Gitarre. Zusammen hatten sich ja später die beiden für die freigewordenen Jobs bei Genesis beworben.
Mit acht Demos wurden am üppigsten Fans der Face Value-Ära bedient. In The Air (Demo)* ist eigentlich die uneditierte Version der Drawing Board-B-Seite der If Leaving Me Is Easy-Single, nur in leicht anderem Mix. It Must Be Love (Demo) gibt es hier mit ziemlich fertigen Lyrics, allerdings nur begleitet von Drum-Machine, Rhodes Piano und Synth-Strings. Roof Is Leaking (Instrumental Demo) ist eine reine Piano-Version ohne Gesang. Sehr „stripped down“ kommt auch Latin Marimba (Hand In Hand Instrumental Demo) daher, also lediglich mit Drum-Machine, Piano und Synthie. Anders als das bereits veröffentlichte Drawing Board-Demo ist I Missed Again (Instrumental Demo) mit echten Drums schon näher an der Album-Fassung dran, aber hier komplett ohne Vocals.
Sehr interessant ist Don’t Break My Heart(I’m Not Moving/Me & Virgil Demo), was Teile von I’m Not Movingmit dem „Pa, you broke a heart“-Teil des späteren Genesis-Songs Me & Virgilkombiniert – instrumentiert mit Drum-Machine, Piano und unfertigem Gesang von Collins. If Leaving Me Is Easy (Instrumental Demo) ist im Gegensatz zum Drawing Board-Demo noch ohne Vocals und Eric Claptons Gitarren-Begleitung. Mit How Can You Sit There (Against All Odds Instrumental Demo) bekommen wir nun endlich eine frühe Fassung des Collins-Hits von 1984 zu hören, das hier lediglich mit Piano und Synthie-Sounds auskommt.
Vom zweiten Album Hello, I Must Be Going gibt es nun auch einige unveröffentlichte Demos zu hören. Through These Walls (Demo) hat zwar schon das Feeling der fertigen Version, aber ist nur mit Drum-Machine und Synthie instrumentiert, worüber Collins noch zum Teil unfertige Texte singt. Bis auf den Titel singt er auch bei Don’t Let Him Steal Your Heart Away (Demo) reine Dummy-Texte und begleitet sich mit Piano, Strings vom Synthie und in der zweiten Hälfte einem Beat aus der Drum-Machine. Selbige plus Piano und Synthie-Flächen und -Bass bilden auch die Basis von Westside (Demo), bei dem überraschenderweise Collins die spätere Saxophon-Melodie singt. Der (bereits schon früher als Single-B-Seite veröffentlichte) Track Oddball(Do You Know, Do You Care Demo)* kommt hier auch noch komplett ohne die wuchtigen Drums und fertigen Text aus.
Bislang keine veröffentlichten Demo-Versionen gab es zum dritten Album No Jacket Required. Doch jetzt gibt’s selbige von drei Klassikern des Albums: Sussudio (Demo)*, One More Night (Demo) und Take Me Home (Demo) haben schon die bekannten Beats des Drumcomputers und die auch später eingesetzten Keyboard-Arrangements, aber Collins‘ Lyrics sind bis auf ein paar Schlüsselzeilen noch unfertig.
Möglicherweise aus der …But Seriously-Phase stammt die bislang unbekannte Ballade Watch The Clock (Demo)*, die nur mit Piano begleitet wird. Der Mangel an Demos wird hier mit etlichen Live-Tracks der Seriously Live-Tour in Mischpult-Qualität kompensiert. Ob alle Tracks vom gleichen Konzert stammen, ist leider unklar. Veröffentlicht wurden: Against All Odds*, Doesn’t Anybody Stay Together Anymore, All Of My Life*, Do You Remember*, Something Happened On The Way To Heaven*, Another Day In Paradise*, Seperate Lives, I Wish It Would Rain Down*, The West Side, That’s Just The Way It Is* und Heat On The Street*.
Da bei dem anschließenden Album Both Sides viel von den ursprünglichen Demos-Versionen übernommen wurde, gibt es dazu keine allzu große Ausbeute. Bei Can’t Find My Way (Demo)* ist statt der echten Drums noch das Pattern der Drum-Machine zu hören. Let’s Go Out Tonight (Please Come Out Tonight Demo) unterscheidet von der späteren Version kaum. Ein weiterer Song hat es damals nicht auf’s Album geschafft, aber der Titel war bekannt: Deep Water Town(Demo). Es handelt sich um eine balladeske Piano-Nummer mit Synthie-Flächen und realtiv ausgereiftem Text.
Die jüngsten Demos stammen vom Dance Into The Light-Album. Das Arrangement von Dance Into The Light (Demo) ist in dieser Fassung schon ziemlich ausgereift, klingt allerdings als rein „synthetische“ Nummer noch nicht wirklich amtlich. Das gleiche gilt auch für Wear My Hat(Demo) und auch für das später als Non Album Track veröffentlichte It’s Everywhere(Demo).
VIDEOS
Im Video-Bereich des Online-Fanclubs kann man sich zahlreiche, teils unveröffentlichte Aufnahmen anschauen. Im Gegensatz zum Audio-Bereich werden die Videos allerdings nur gestreamt und können nicht heruntergeladen werden…
Neben einer kurzen Fanclub Welcome Message bekommt man hauptsächlich verschiedene Konzertmitschnitte und Interviews aus verschiedenen Perioden zu sehen. Interview & Stuff ist ein kurzes Interview anläßlich der Veröffentlichung von No Jacket Requiredaus dem Jahr 1985. Beim knapp 10-minütigen Eric Clapton Band Special Interviewvon 1986 geht’s um seine Beteiligung bei der Clapton-Band, aber auch um Genesis und seinen Solo-Aktivitäten. Mit dem fast 80 Minuten langen Live In Berlin Part1 gibt’s es die TV-Fassung des legenderen Konzerts von 1990, dass auch auf DVD erhältlich ist. Folgende Songs sind dabei: Hand In Hand, Hang In Long Enough, Against All Odds, Don’t Lose My Number, Inside Out, Do You Remember?, Who Said I Would?, Another Day In Paradise, Seperate Lifes, Saturday Night And Sunday Morning, The West Side, It’s Just The Way It Is, Something Happened On The Way To Heaven.
Weiter geht es mit Konzertausschnitten der Both Sides-Tour. Die Tracks von Live In Bankok stammen vom 27.03.1995 aus dem Thai Army Stadium, einem Konzert, dass interessanterweise ohne den Gitarristen Daryl Stuermer stattfand: Don’t Lose My Number, I Wish It Would Rain Down, A Groovy Kind Of Love, Both Sides Of The Story, Hang In Long Enough, Easy Lover, Something Happened On The Way To Heaven, Knockin‘ On Heaven’s Door, Two Hearts, Against All Odds. Mit Live In Perugibt es weitere Tracks vom Konzert im Estadio Nacional in Lima am 25.04.1995: I Don’t Care Anymore, Everyday, Another Day In Paradise, One More Night, We Wait And We Wonder, In The Air Tonight, Find A Way To My Heart, Only You Know And I Know, Sussudio, You Can’t Hurry Love, Take Me Home.
13 Minuten Interview bietet US Tour Int, welches vor dem Start der Dance Into The Light-Tour Anfang 1997 geführt wurde. Von den Proben selbiger Tour kann man sich Wear My Hat Rehearsal Part1und Drum Solo (Wear My Hat Rehearsal) anschauen. Mit einem kurzen Big Band Interview und Big Band Rehearsal wird auch 1998 berücksichtigt. Auch NYC True Colours Rehearsal Footage dürfte aus diesem Jahr stammen. Mit den ungekürzten Testify Interview Part1, Part2, Part3 mit insgesamt über 100 Minuten ist man dann im neuen Jahrtausend angelangt. Ebenfalls aus dem Jahr 2002 stammt das über halbstündige Making Of „I Can’t Stop Loving You“, einer Doku über den Video-Dreh. Schließlich gibt es noch mit Heatwave Lyric Video den offiziellen Clip von 2010 mit Texteinblendung.
FOTOS & SCANS
Der Galerie-Bereich des Online-Fanclubs bietet ein breites Sammelsurium an teils ungesehenen Bildern und Dokumenten. Von privaten Schnappschüssen aus seiner Kindheit über Fotos zusammen mit VIPs und Promis bis hin zu visuellen Eindrücken aus seinen privaten vier Wänden und Sammlungen gibt’s hier einiges zu sehen. Interessant sind auch einige Scans von handschriftlichen Text-/Song-Entwürfen einiger seiner Werke, die es zum Teil auch als hochaufgelöste Versionen zum Runterladen gibt: Please Don’t Ask, In The Air Tonight (4x), It Must Be Love, I Missed Again, Slow Zawinul/You Know What I Mean, Leaving Me Is Easy(2x), Face Value Label-Entwurf, Face Value Tracklist-Entwurf, Lonely Man/Man On The Corner, Sussudio und I Wish It Would Rain(2x).
SONSTIGES
Als weitere „Exclusives“ gab es ein Fanclub-Interview mit den gesammelten Antworten als pdf-Download, diverse Gewinnspiele, dauerhaften Rabatt auf Bestellungen aus dem offiziellen Online-Shop, das Begrüßungs-Set (Anschreiben, Aufnäher und Mitgliedsausweis) und seit Oktober 2011 auch das bislang öffentliche (aber nicht wirklich hoch frequentierte) Online-Forum.
FAZIT
Die meisten Fanclub-Members dürften mit der Gegenleistung für die 30 Euro Jahresbeitrag (20 Euro für’s zweite Jahr) durchaus zufrieden (gewesen) sein. Scheinbar hat das Management aus den desaströsen Erfahrungen mit dem Genesis-Fanclub gelernt und geizt nicht mit Angebot und Material. Natürlich gibt es auch hier einige verbesserungswürdige Knackpunkte: die personelle „Fanbetreuung“ ist sehr anonym und mehr als dürftig. Bei Fragen und Fehlerbeseitigungen im Downloadbereich muss man schon einige Tage für eine Reaktion einkalkulieren. Auf bestimmte Wünsche, wie beispielsweise die Downloads in besserer Qualität anzubieten, wird gar nicht reagiert. Auch ist davon auszugehen, dass der/die Seitenbetreuer nicht wirklich vom „Fach“ ist/sind, wenn begleitende Infos zu Bildern, Audio- und Video-Streams sehr ungenau und teils auch einfach falsch sind.
Wer so naiv war, zu glauben, dass Phil Collins sich via Blog oder Forum öfter mal persönlich einklinken würde, war wohl mehr als enttäuscht. Wem es nicht unbedingt darum ging, hatte sicherlich mit den monatlichen Updates seinen Spaß. Natürlich dürfte mitlerweile einiges an „exklusivem“ Material auch nach draußen gedrungen sein, aber der Luxus einer Mitgliedschaft bestand natürlich auch darin, als erste das Material präsentiert zu bekommen und nicht viel Zeit damit zu verbringen, sich die Schnipsel mühsam in den Weiten des World Wide Web zusammensuchen zu müssen. Auch wenn ab sofort das Archiv nicht weiter aufgefüllt wird, hat man als aktueller Neueinsteiger immer noch Zugriff auf den kompletten Inhalt. Allerdings ist fraglich, ob im Rest des zweiten Jahres noch irgendetwas an Aktionen zu erwarten ist.
Autor: Steffen Gerlach