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Phil Collins – Disneys Brother Bear – Soundtrack CD Rezension

2003 veröffentlicht Disney einen weiteren Soundtrack – dieses Mal war Phil Collins sowohl an den Songs, als auch an der Hintergrundmusik beteiligt.

Zum zweiten Mal nach Tarzan liefert Phil Collins mit einer Handvoll neuen Stücken den Soundtrack zu einem Disney-Film ab: Brother Bearheißt der Streifen im Original, der im März 2004 unter dem Titel Bärenbrüderin unseren Lichtspielhäusern zu sehen sein wird. Im Unterschied zum Tarzan-Soundtrack wirkte Phil Collins diesmal in Kooperation mit Mark Mancina auch kompositorisch am sogenannten „Score“ mit, also den filmmusikalischen Beiträgen neben den Songs.

Phil Collins hat für Brother Bear Songs geschrieben, die den Tarzan-Klassikern wie You’ll Be In My Heart oder Strangers Like Me in nichts nachstehen. Die Balladen Look Through My Eyes, No Way Outund Transformation wechseln sich ab mit dem fröhlich-melodiösen On My Way, dem pop-rockigen Great Spirits, und Welcome im Motown-Stil. Dem Album tut genau das gut, was dem Album-Vorgänger aus dem Hause Collins im Jahre 2002 mitunter abging: Testify erklang, wenn wohl auch mit Absicht, teilweise nach nicht ganz fertig überarbeiteten Home-Demos, Brother Bear hingegen ist wohltuend ausgereift. Sollte Collins dieses Projekt mit mehr Engagement und Liebe behandelt haben als sein Testify-Album? Dieser Eindruck beschleicht so manchen, der sich mit Collins‘ Musik befasst. Die Brother Bear-Musiker wirkten zum Teil bereits auf TESTIFY mit: Tim Pierce spielte dort diverse Gitarren, Paul Bushnell zupfte auf acht von zwölf Stücken den Bass und Jamie Muhoberac bediente die Tasteninstrumente bei THE LEAST YOU CAN DO und CAN’T STOP LOVING YOU. Gar nicht dabei ist diesmal Phils langjähriger gitarristischer Begleiter Daryl Stuermer.

Brothr Bear CoverDrums: Phil Collins

Bass: Paul Bushnell, Nathan East, Trey Henry, Jimmy Johnson, Kenny Wild

Keyboards: Jamie Muhoberac

Piano, Hammond B3 Organ: Tim Heintz

Guitars: Tim Pierce, George Doering, Tim May, Dean Parks

World Woodwinds: Pedro Eustache

Percussion: Luis Conte, Michael Fisher, Louis Molino III

Accordion: Frank Marocce

Bass Harmonica: Tommy Morgan

Programming: Carmen Rizzo, Dan Chase

Pro Tools-Computerprogramm: Doug McKean, Tal Herzberg

Im CD-Büchlein sind weitere, unzählige Namen von Menschen aufgezählt, die alle ihren kleinen oder großen Beitrag zum Gelingen des Projektes beitrugen. Stellvertretend für alle seien die wichtigsten genannt:

Executive Music Producer: Chris Montan

Orchestration: David Metzger

Vocal Arrangements: Phil Collins, Mark Mancina, David Metzger

Choral Arrangements: Eddie Jobson

Orchestra-Conductor: Don Harper, David Campbell

(LOOK THROUGH MY EYES)

Weitere Details finden sich in der Beschreibung der einzelnen Stücke.

1. Look Through My Eyes(4:01)

Produktion: Rob Cavallo

Arrangements: Rob Cavallo, Phil Collins

Der Brother Bear-Soundtrack beginnt mit einer melodiösen Ballade im 3/4-Takt, einer Taktart, die von Collins sehr selten eingesetzt wird (z.B. DANCE INTO THE LIGHT, COME WITH ME). Das an YOU’LL BE IN MY HEART erinnernde kompakte Gesamtklangbild entsteht durch David Campbells Orchesterarrangements. Campbell dirigiert auch das Orchester. In diesem ohnehin großartigen Song ragt noch die bombastische Passage von 2:26 – 2:44 mit der GENESIS-typischen Bordun-Bass-Kompositionstechnik heraus. Überhaupt „vermittelt der Song ein GENESIS-Feeling so Anfang der Neunziger“ (Zitat Bernd Zindler). Rob Cavallo prodizierte bereits das komplette TESTIFY-Album. Interessant ist auch der Name des Mixers: CHRIS Lord-Alge, nicht zu verwechseln mit TOM Lord-Alge, der auf TESTIFY den Song CAN’T STOP LOVING YOU abmischte.

2. Great Spirits (3:24)

Produktion, Arrangements: Phil Collins, Mark Mancina

Die „große alte Dame“ Tina Turner vermag auch im zarten Alter von 63 Jahren bei dem pop-rockigen GREAT SPIRITS noch gesanglich zu überzeugen. Bei diesem Song erklingt zum ersten Mal auf Brother Bear ein akkustische Westerngitarre, die häufiger als auf früheren Collins-Produktionen eingesetzt wird (siege auch ON MY WAY). Der kurze, leicht asiatisches Flair verbreitende instrumentale Mittelteil (2:31 – 2:42) lässt Gedanken an Tony Banks aufkommen (Hör mal rein in die Instrumentalpassagen von TURN IT ON AGAIN oder CUL-DE-SAC vom DUKE-Album). Von GREAT SPIRITS existiert übrigens auch eine von Phil Collins selbst gesungene Version, zu finden auf der amerikanischen „Best-Buy“-Version des Soundtracks – ein MUSS für jeden Collins-Fan!

3. Welcome (3:38)

Produktion, Arrangements: Phil Collins

Das gospelige WELCOME beginnt mit afrikanischen Drums und gemeinsam mit dem Gesang einsetzenden Pizzicato-Streichern. Die Melodie der Refrain-Textzeile „Welcome to our family time“ erinnert an den Kehrreim des Songs TELL ME WHY vom letzten „Mit Collins“-GENESIS-Studio-Album WE CAN’T DANCE aus dem Jahre 1991. Überraschend taucht inmitten dieses Songs ein sehr stiller, chromatischer Teil asuf (2:23 – 2:55), der einen interessanten Kontrast zu den anderen Songteilen darstellt.

4. No Way Out (Single Version) (4:19)

Produktion, Arrangements: Phil Collins, Chris Montan

Die kraftvolle Ballade NO WAY OUT weckt Erinnerungen an frühere Collins-Stücke: Von 1:29 – 2:28 fühlt man sich in Song-Tempo, harmonischen Aufbau und durch die weiblichen Backing-Vocals zurückerinnert an den …BUT SERIOUSLY-Klassiker WISH IT WOULD RAIN DOWN. Auch in der Schklusspassage bleibt dieses Song-Feeling erhalten. Manch einem mag NO WAY OUT zu dicht produziert sein, manch einem anderen zaubert genau dies eine wohlige Gänsehaut auf den Rücken.

5. Transformation (2:30)

Produktion, Arrangements: Phil Collins, Mark Mancina

Chor-Arrangements: Eddie Jobson

Chor-Koordination: Tanja Andreeva

Bis 0:56 versetzt uns karge, Peter Gabriel-artige Percussion in eine meditative Stimmung, bis uns THE BULGARIAN WOMEN’S CHOIR mit ungewöhnlichen Inuktitut-Textzeilen (Inuit-Sprache) in den Bann zieht. Es ist atemberaubend, in welche Höhen die Damen ihre Kopfstimmen schrauben. „Inuit“ (= Mensch) nennen sich übrigens die nordostkanadischen Eskimos. Die Text-Übersetzung stammt von Lorena Williams. ZU alledem bearbeitet Collins seine Schlagzeug-Toms stil- und wirkungsvoll in einer früher häufigen, in letzter Zeit aber eher selten gewordenen Wucht, die in Phils Version (siehe Song Nr. 9) noch prägnanter in den Vordergrund tritt.

6. On My Way (3:41)

Produktion, Arrangements: Phil Collins, Mark Mancina

Dieser tolle Song, dessen Groove an Don’t Get Me Started oder die …But Seriously-Tour-Live-Version von THE ROOF IS LEAKING erinnert, ist so interessant aufgebaut und überraschend instrumentiert, dass er im Folgenden detailliert analysiert sei:
0:00 – 0:19: Intro Westerngitarre
0:19 – 0:57: 1. Refrain, Schlagzeugeinsatz inkl. Akkordeon (!)
ab 0:370:57 – 1:15: 1. Strophe (im Stile des BEATLES-Songs Lady Madonna)
1:15 – 1:34: 2. Refrain
1:34 – 1:53: 2. Strophe (die Lady Madonna-Assoziation verstärkt sich durch die Bass-Mundharmonika im Hintergrund)
1:53 – 2:09: Mittelteil A, leichter Hauch von STYX‘ Boat On A River
2:09 – 2:38: Mittelteil B, fröhliches Pfeifen
2:38 – 2:50: Mittelteil C, orchestrale Umsetzung des Intro-Themas
2:50 – 3:41: 3. Refrain inkl. Banjo (Assoziation: The Roof Is Leaking, We’re Sons Of Our Fathers)

Schon erstaunlich, was in einem knapp vierminütigen Song so alles passieren kann …Anmerkung: Der BEATLES-Klassiker Lady Madonnawurde von Phil Collins einst bei seinen legendären, aber leider nur sehr unvollständig veröffentlichten mtv-Unplugged-Sessions als Intro zu Sussudio in einer Kurzversion dargeboten.

7. Welcome (3:14)

Produktion, Arrangements: Phil Collins, Mark Mancina

Zusätzliche Gesangsproduktion: Chris Goldsmith

Das Stück Welcome erklingt hier in einer zweiten um 24 Sekunden kürzeren Version (siehe Stück Nr. 3), da hier die erste Strophe (mit verändertem Text) nur von halber Dauer ist. Auch das Percussion-Intro weicht von der reinen Collins-Version ab. Den souligen Gesang steuern die von Peter Gabriel bekannten THE BLIND BOYS OF ALABAMA featuring Oren Waters bei. Lediglich die ruhige, mit Phils Version identische Passage singt Collins selbst

8. No Way Out (2:38)

Produktion, Arrangements: Phil Collins, Mark Mancina

Auch das Stück Nr. 4, No Way Out, wird uns hier in einer zweiten, wesentlich kürzeren und sparsamer arrangierten Version dargeboten. Der Refrain setzt erst nach zwei Strophen ein. Im Strophen-Text wurden hierfür zwischen Anfang und Ende der ersten Version weitere Zeilen eingeschoben. Ab 1:30 erklingt ein sehr zurückhaltendes Song-Outro mit verhalten gespielten Melodien (Oboe?, Fagott?, Flöte? Harfe?)

9. Transformation (2:26)

Produktion, Arrangements: Phil Collins

Die dritte Alternativ-Version beschert uns Transformationohne den bulgarischen Chor. Diese Version ist nicht nur vier Sekunden kürzer, sie hat auch ein anderes Intro, andere Percussions, Backing Vocals Marke The Lion Kingund wuchtigere, dominantere Drums. Bei de Versionen haben ihren Reiz und ihren Platz auf diesem Soundtrack-Album verdient.

10. Three Borthers (6:46)

11. Awakes As A Bear (6:48)

12. Wilderness Of Danger And Beauty(5:29)

Komposition: Mark Mancina, Phil Collins

Produktion: Mark Mancina

Mit diese drei Stücken werden uns eingie Ausschnitte aus dem Score vorgestellt. Sie klingen so wie man/frau sich Musik für einen Disney-Film vorstellt: vielfältig, dynamisch, melodienreich und lautmalerisch. Erstmals hat Phil Collins in Koproduktion mit Mark Mancina Filmmusik für ein Orchester komponiert. Hie und da wurden Passagen aus den Songs mitverwoben (Look Through My Eyes, Transformation).

Autor: Bernd Vormwald (with a little help from my friends)