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Phil Collins – …But Seriously – Rezension
Zum Ende der 80er Jahre vollzog Phil Collins einen thematischen Kurswechsel. Mit dem Album …But Seriously thematisierte Collins verstärkt sozialkritische Themen – mit großem Erfolg.
…But Seriously erschien im November 1989. Als Phil Collins einige Monate zuvor mit den Aufnahmen für das Album begonnen hatte, sah die Welt noch ganz anders aus. Er hatte sich nach seinen ersten drei Alben, deren Songs zumeist von Liebe oder Liebeskummer handelten, zu einem eher unerwarteten Kurswechsel entschieden. Wie der Titel bereits andeutet sollte es diesmal um ernstere Themen gehen. Für manche Collins-Fans der vorangegangenen Jahre war dies überraschend. Fakt ist jedoch, dass dieses Album gemessen an den Verkaufszahlen nach No Jacket Required das zweiterfolgreichste seiner Karriere werden sollte. Ablesbar war dies auch daran, dass …But Seriously unter anderem in den USA, Großbritannien und Deutschland jeweils über Wochen die Charts anführte.
Auch musikalisch hatte sich gegenüber No Jacket Required einiges geändert. Phil Collins verzichtete bewusst weitgehend auf drum machines und wandte sich wieder mehr einer Live-Instrumentierung zu. Interessant ist hierbei auch das Line-Up der Musiker. Am Bass gibt bei Hang In Long Enough Nathan East ein erstes Gastspiel bei einem Solowerk, hatte er doch bis dato nur bei Eric Clapton und Philip Bailey mit Phil Collins zusammengearbeitet. Bei einigen Songs wurde Phil zudem von namhaften Musikern unterstützt wie Stephen Bishop (Do You Remember? – Gesang), David Crosby (That’s Just The Way It Is & Another Day In Paradise –Gesang), Steve Winwood (All Of My Life –Hammond-Orgel) und Eric Clapton (I Wish It Would Rain Down –Gitarre). Gleich bei mehreren Liedern taucht als Background-Sängerin übrigens eine damals eher unbekannte Lynn Fiddmont auf. Seit sie 2004/05 in gleicher Rolle zur Phil Collins-Tourband gehörte, dürfte sie vielen Fans jedoch inzwischen ein Begriff sein.
Anders als vielleicht zu erwarten beginnt das Album nicht mit einem ernsthaften, eher ruhigen Titel sondern mit den markigen snare drum-Schlägen als Auftakt zu Hang In Long Enough. Der Song an sich hat im Kern jedoch eine durchaus ernste Aussage, nämlich dass man es schaffen kann, wenn man nur hartnäckig genug am Ball bleibt. Ein Motto, das Phil Collins während der Promotion zu …But Seriously und in den Jahren danach immer wieder gern herausstellte. Zum damaligen Zeitpunkt hatte er das Gefühl, dass ihn diverse gesellschaftliche Probleme stören. Er wollte darauf aufmerksam machen und einfach sehen, ob er damit etwas erreicht. Das dürfte ihm in mancher Hinsicht durchaus gelungen sein.
Der erste echte „serious song“ des Albums ist That’s Just The Way It Is. Phil Collins schrieb diesen Titel nach eigener Aussage nachdem er den deutschen Antikriegsfilm „Im Westen Nichts Neues“ gesehen hatte. Der Film handelt von der Sinnlosigkeit des Ersten Weltkriegs, in dem rivalisierende Soldaten während des Waffenstillstandes z.B. an Weihnachten friedlich zusammen Fußball spielten, obwohl sie sich tags zuvor noch bekämpft hatten und dies bald darauf wieder tun würden.
Ob Do You Remember? auf eine persönliche Erfahrung von Phil Collins aufbaut, ist leider nicht bekannt. Aber es reiht sich dennoch in die Liste der Lieder ein, die von Trennung und ihren Folgen bzw. Ursachen handeln. Auf dem gesamten Album ist es neben I Wish It Would Rain Down das einzige klassische Collins-Liebeslied, das eher von Trennungsschmerz als Schmetterlingen im Bauch handelt.
Something Happened On The Way To Heaven war ursprünglich gar nicht für …But Seriouslyvorgesehen sondern wurde als Schlusslied für die schwarze Komödie „Der Rosenkrieg“ mit Danny DeVito, Michael Douglas und Kathleen Turner geschrieben. Schließlich entschieden sich die Produzenten jedoch gegen Collins‘ Vorschlag und damit erschien der Song auf Phils nächstem Solowerk. Vor diesem Hintergrund kann man aber nur jedem empfehlen, sich den Film einmal anzusehen und sich dann Something Happened On The Way To Heaven als Hintergrundsong vorzustellen nachdem das Noch-Ehepaar Rose vom Kronleuchter gestürzt ist. Da passt der Text wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Geschrieben wurde der Titel übrigens in Zusammenarbeit mit Daryl Stuermer.
Colours ist mit fast 9 Minuten Länge der längste Solosong, den Phil Collins je geschrieben hat. Seine Zweiteilung in einen langsameren Anfangsteil und einen schnelleren Schlussteil verbunden durch einen kurzen Instrumentalpart erinnert dabei vom Aufbau her ein bisschen an klassische Genesis-Stücke. In diesem Lied geht es um die Apartheid in Südafrika, ein damals noch hochaktuelles Thema. Bezeichnend ist hierbei, dass wenige Monate nach Erscheinen des Albums Nelson Mandela vom damaligen südafrikanischen Präsidenten de Klerk aus dem Gefängnis entlassen wurde. Damit war der endgültige Untergang der Apartheid besiegelt und das Lied aktueller denn je.
I Wish It Would Rain Down ist wie bereits erwähnt der zweite Song, der von Trennung handelt und geht dabei ein wenig in die Richtung von One More Night. In musikalischer Hinsicht verleihen Eric Clapton’s Gitarrenspiel sowie der Background-Gesang eines Chores dem Song eine ganz eigene und für Phil Collins unbekannte Note.
Jeder, der Another Day In Paradisegehört hat, wird sich vermutlich gefragt haben, ob man nicht selbst schon einmal einem Obdachlosen oder Bettler gegenüber ähnlich reagiert hat wie im Song beschrieben. Dieses Lied wurde vielleicht auch deshalb zur erfolgreichsten Single des Albums weil es ein unbequemes Thema behandelt, das in der Gesellschaft vielfach ein Tabu ist. Nicht ohne Grund bekam Phil Collins 1991 für Another Day In Paradise als erfolgreichste Single den Grammy. Der Erfolg des Liedes und die damit verbundene Aufmerksamkeit, die Themen wie der Obdachlosigkeit oder Armut geschenkt wurde, nutzte Collins fortan auf seinen Touren, um für lokale Hilfsorganisationen Spenden zu sammeln – notfalls auch anstelle des Kaufs eines Tour-T-Shirts.
Es folgt unmittelbar ein weiterer „serious song“. Heat On The Street setzt sich mit dem Problem der Straßenkinder auseinander. In Grundzügen beinhaltet es zudem eine ähnliche Aussage wie Hang In Long Enough. Anstatt wegzusehen soll auf die Probleme aufmerksam gemacht und gehandelt werden.
All Of My Life und Father To Son gehören ohne Zweifel zu den persönlichsten Liedern, die Phil Collins je geschrieben hat. In All Of My Life setzt er sich mit dem Verhältnis zu seinem Vater auseinander. Ihn beschäftigt dabei besonders, dass ihm erst nach dessen Tod richtig bewusst wurde zu wenig Zeit mit ihm verbracht zu haben. Father To Sonist dagegen ein Lied, das Phil für seinen Sohn Simon geschrieben hat. Auch in diesem Fall hat er durch die damalige Scheidung und weil Simon bei seiner Mutter in Kanada aufwuchs nicht so viel Zeit für ihn gehabt wie er es sich vielleicht gewünscht hätte. Dieses Lied ist daher so etwas wie eine Sammlung guter Ratschläge fürs Leben.
Getrennt werden diese beiden Songs auf dem Album vom Instrumentalstück Saturday Night And Sunday Morning. Anders als auf den ersten beiden Soloalben hatte auf No Jacket Required ein reines Instrumentalstück gefehlt. Nun gab es diesmal wenigstens diese eher kurze dafür aber sehr temperamentvolle Komposition. Der erste Teil beschreibt Feierstimmung wie eben an einem Samstagabend und der zweite so etwas wie den schweren Kopf am Morgen danach.
Den Abschluss von …But Seriously bildet ein weiterer Lovesong: Find A Way To My Heart. Dies ist bemerkenswerterweise der von Text und Grundstimmung her einzige gänzlich positive Titel des Albums. Auch wenn es nie als Single veröffentlicht geschweige denn ein Hit wurde, so fehlte es doch bis 1997 auf fast keinem Konzert.
…But Seriouslyist – gemessen an den allgemein beliebten bzw. kommerziell erfolgreichen Songs – vielleicht das beste Collins-Soloalbum. Auf jeden Fall ist es ein Album „wie aus einem Guss“. Die Mischung der Songs ist sehr ausgewogen. Das einzige Lied aus dieser Zeit, das dem Album vielleicht fehlt, ist die Coverversion der Elton John-Komposition Burn Down The Mission. Aber wie bereits auf No Jacket Required hatte Collins hier gänzlich auf Coversongs verzichtet. Nach eben jenem Album, das an Erfolg schon fast nicht mehr zu überbieten war, hatte er es mit …But Seriously aber dennoch geschafft, einen würdigen Nachfolger zu präsentieren.
Autor: Ulrich Klemt