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Nad Sylvan – Spiritus Mundi – Rezension
Nach der Vampirate-Trilogie geht Nad Sylvan mit Spiritus Mundi musikalisch neue Wege. Ole Uhtenwoldt hat sich mit dem Album beschäftigt.
Zwei Jahre nach seinem letzten Solo-Album veröffentlichte Nad Sylvan, unter anderem Sänger der Band von Steve Hackett, im April 2021 ein weiteres. Während er auf den drei Alben der Vampirate-Trilogie jedoch eher die Prog-Richtung einschlägt, beschreitet er mit dem nun erschienenen Spiritus Mundi neue Wege.
Mit The Regal Bastard hat Nad ein für den Vampirate versöhnliches Ende gefunden; als diese Story abgeschlossen war, stellte sich die Frage, was Nad wohl als nächstes veröffentlichen würde.
Spiritus Mundi, was man frei übersetzen kann mit „Spirit of the world“ oder „Zeitgeist“, hebt sich vom Stil her deutlich von den Vampirate-Alben ab und ist somit vergleichsweise weit von dem entfernt, was man gemeinhin als Progressive Rock versteht – die neue Ausrichtung ist eher akustisch, ruhig und folkig. Das kann zwar heißen, dass das Album an Komplexität und Vielfalt einbüßt; gleichzeitig aber eröffnet es für die Gradlinigkeit und Einheit des Albums neue Möglichkeiten.
Dieser neue Stil hängt maßgeblich mit der Thematik zusammen: als Konzeptalbum angelegt vertont Spiritus MundiGedichte des irischen Dichters William Butler Yeats. Diesmal also handelt es sich nicht um eine von Nad selbst angedachte Story, sondern um die musikalische Umsetzung von lyrisch bereits vorhandenem Material. Da viele der Gedichte der Romantik zuzuordnen sind, bietet sich ein eher ruhiger und harmonischer Gesamtsound also an.
Das Projekt begann, als der in Amerika lebende Songwriter Andrew Laitres auf Nad zukam. Dieser arbeitete an der Vertonung des Yeats-Gedichts The Lake Isle Of Innisfree und bat Nad, diesen zu singen. Schließlich landete der Song als Bonustrack auf The Regal Bastard und kann in seiner Art und Weise durchaus einen Eindruck davon vermitteln, wie Spiritus Mundials ganzes klingt. Obwohl als Solo-Album von Nad deklariert, ist es vielleicht eher eine Kooperation von Nad und Laitres, die den überwiegenden Teil des Albums zusammen geschrieben haben – außerdem übernimmt Laitres an ein paar Stellen den Lead-Gesang. Man hört dem Album an, dass es auf Nads Gesang zugeschnitten wurde.
Wie bereits auf den Vorgängern hat Nad einige Gastmusiker um sich geschart: Während er selbst und Laitres einen großen Teil der Instrumente übernehmen, sind auch wieder Tony Levin für vier Songs und Jonas Reingold für einen am Bass dabei. Die Drums übernimmt diesmal nicht Nick D’Virgillio, sondern Mirkko de Maio, Schlagzeuger der „Flower Kings“. Steve Hackett taucht lediglich bei einem der beiden Bonustracks an der 12-String-Gitarre auf; er wird dieses Mal also für kein Solo eingeladen, von denen ohnehin wenige auf dem Album vorhanden sind. Diese sind entsprechend auch weniger elektrisch, sondern werden etwa durch die Gastauftritte von Kiwi Te Kanna an der Oboe oder der chinesischen Flöte gezeigt.
Auf dem Album sind neun vertonte Gedichte bei einer Laufzeit von unter 45 Minuten zu hören.
The Second Coming(7:00)
Der Opener beginnt mit einer Sound-Collage aus Streichern, Marimba / Xylophon, Chor und gesprochenem Text – ein interessanter Einstieg, der schon mal aufhorchen lässt. Dieses Intro mündet schließlich in den eigentlichen Song, der sich als ziemlich gradlinig erweist. Der Rhythmus baut auf der Akustik-Gitarre auf und prägt den längsten Track des Albums. Bereits hier wird deutlich, dass der Gesang im Vordergrund steht. Ein starker Einstieg, der die Richtung vorgibt!
Sailing to Byzantium (6:41)
Ein locker plätscherndes Piano leitet den nächsten Song ein. Wieder wird in einen akustischen Gitarren-Rhythmus übergegangen, ehe sich Sailing to Byzantium langsam auf über mehrstimmigen Gesang mit viel Hall aufbaut, dabei geheimnisvoll und leicht ethnisch wirkt. Hier zeigt sich zum ersten Mal, wie gut der Gesang von Nad mit dem von Laitres harmoniert, der einen Teil des Lead-Gesangs übernimmt.
Cap and Bells (4:47)
… beginnt mit Natur-Geräuschen und einer A-Cappella-Einlage von Nad. Zu der sich dann einblendenden gezupften Gitarre gesellen sich schnell weitere Layer aus Streichern, Akkordeon und Background-Vocals hinzu, eher der Song spätestens mit Einsatz des Basses nach etwa der Hälfte rhythmischer wird. Passend ist auch die Verwendung des Cembalos, was dem ganzen einen leicht mittelalterlichen Eindruck verleiht. Ein etwas leichterer Track als die beiden vorigen.
The Realists (2:18)
Noch etwas verhaltener geht es mit dem kurzen The Realists weiter, dessen düstere Streicher am Anfang etwas an die letzten Alben von Steve Hackett erinnern. Ohne lange Einleitung entwickelt sich jedoch ein verspielter Track, wiederum geprägt von Akustik-Gitarre und Cembalo. Auffällig sind hier die sehr klaren Lead-Vocals von Laitres, der – wie Nad erwähnte – eine Roger Hodgson nicht unähnliche Klangfarbe präsentiert. Nach dessen Gesangspart geht der Song über in …
The Stolen Child(4:58)
Dieser Song wurde als Single ausgekoppelt und ist insgesamt relativ eingängig und munter. Gleichmäßiger Bass und Schlagzeug / Percussion stehen hier im Vordergrund. The Stolen Child fügt sich ins Gesamtkonzept des Albums gut ein, bleibt jedoch insgesamt etwas unauffälliger, auch wenn es mit dem Akkordeon im Mittelteil und den gezupften Akustik-Gitarren, die versuchen, sich gegen den wummernden Bass zu stemmen, durchaus spannend instrumentiert ist.
To An Isle In The Water (4:36)
Wie der Titel andeutet, ist dieser Song noch etwas verträumter als der Großteil des Albums. Nads mehrstimmiger Gesang wird sehr passend mit Gitarre, Xylophon und Streichern kombiniert. Vor allem aber trägt die im Hintergrund solierende Oboe zur träumerischen Soundlandschaft bei. Der sehr ruhige Song wird ausgeblendet, ehe er für einen Solo-Teil mit chinesischer Flöte kurz noch einmal eingeblendet wird.
The Hawk (4:09)
Auch The Hawk wurde als Single mit einem Video ausgekoppelt und ist deutlich lebhafter als der vorige. Auffällig ist vor allem das nervöse Schlagzeug im Hintergrund und auch der Bass wird im Verlauf immer galoppierender. Hier setzt Nad neben den Textpassagen seine Stimme als zusätzliches Instrument ein. Ein gelungener Song, der im Kontext zum Rest des Albums etwas rasanter ist.
The Witch and The Mermaid (1:57)
Obwohl er der kürzeste Track ist, büßt The Witch and The Mermaidnicht an Eigenständigkeit ein, sondern fügt sich als vollwertiger Song ins Album ein. Dabei bleibt er zwar weitgehend unauffällig, bietet aber zwischen den Gesangsteilen einen instrumentalen Abschnitt mit Gitarre, Flöte und Chor.
The Fisherman (5:28)
Der letzte Song hebt sich durchaus etwas vom Rest des Albums ab: der Rhythmus wird durch lebhaftes Schlagzeug und Keyboards vorgegeben, ehe auch hier ein auffälliger Bass den Song mitträgt. In der Mitte erklingt ein seltenes Gitarrensolo, ehe es ruhiger wird und Laitres noch einmal den Gesang übernimmt. Leicht hymnisch und ohne zu viel Pathos beschließt The Fisherman das Album.
So endet ein bemerkenswertes und auch mutiges Album. Mutig vor allem, weil Nad einen Stil für das Konzept gefunden hat und diesen auch konsequent über Albumlänge durchzieht. Dazu hebt es sich von seinen Vorgängern ab und wird bestimmt einige Fans, die die proggige Seite von Nad mochten, etwas fragend stehen lassen. Daher kann man Nad auch nicht vorwerfen, sich als Künstler nicht weiterzuentwickeln oder zu stagnieren. Dass er sich auf musikalisch neues Terrain wagt, sollte man ihm anrechnen.
Durch die Thematik ist das Album lyrisch natürlich weit vorne, musikalisch bleibt es auf einer ähnlichen Ebene: kompositorisch nicht allzu komplex, dafür aber lebhaft instrumentiert. Auch wenn sich viele Tracks relativ ähnlich sind, vor allem durch den Aufbau mit Akustik-Gitarre, wird es nicht langweilig und wenn man sich auf den ruhigen Gesamtsound eingelassen hat, fehlen auch keine hektischen Passagen. Ein wenig erinnert es auch an Steve Hacketts aktuelles Under a Mediterranean Sky, das ebenso durch eine eher schwelgerische Kulisse besticht.
Somit bildet das Album einen logischen Schritt von Nad, weg vom Vampirate und hin zu einer weiteren Facette seiner musikalischen Identität. Ein Vergleich mit der Vampirate-Trilogie bietet sich jedoch auch nur bedingt an; dafür ist Spiritus Mundi musikalisch zu eigensinnig, bietet aber ein stilvolles, schlüssiges und zum Thema passendes Klangbild, das nicht zuletzt durch die lupenreine Produktion optimal unterstützt wird.