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Interview mit Adam Kromelow (Genesis Piano Project), November 2021

Im Rahmen der Veröffentlichung des Albums Genesis Piano Project hatten wir Gelegenheit, mit Adam Kromelow ein ausführliches Interview zu führen.

Obwohl er auch aus New York kommt, lehnt es der Pianist Adam Kromelow rundheraus ab, Billy Joel als „The Piano Man“, den Mann am Klavier zu bezeichnen. „Er hat einige unglaublich gute Lieder geschrieben, und ich finde seine Gesangsstimme auch großartig, aber wenn wir hier von Klavierspielern reden, ziehe ich Elton John Billy Joel immer vor.“ Musikalisch sind Kromelows Interessen weit aufgefächert. Thelonious Monk, Erroll Garner, Duke Ellington und weitere klassische Jazzpianisten zählt er zu seinen größten Einflüssen.

Er schätzt Carole King, Kate Bush und Peter Gabriel solo für großartige Songs, die sie geschrieben haben. Für Stevie Wonder und Simon & Garfunkel hat er viel übrig, aber auch aktuellen Gruppen wie The 1975, manchen Coldplay-Stücken und einem amerikanischen Hiphop-Künstler namens Anderson Paak kann er viel abgewinnen. Seine Lieblingsband allerdings heißt Genesis. Wir sprachen mit ihm am 18. November, also an dem Tag, an dem Genesis auf ihrer The Last Domino? Tour in Washington D.C. auftraten.

it: Heute spielen Genesis in Washington D.C., aber ich nehme an, du wirst nicht dabei sein. Schaust du sie dir in New York an?

Adam: Ja! Und ich habe sie tatsächlich vor ein paar Tagen in Chicago spielen gesehen.

it: Und wie findest du sie?

Adam: Weißt du, es war mein allererstes Genesiskonzert, darum bin ich vor allem froh und dankbar, dass ich sie überhaupt noch mal live sehen konnte. Eine Zeitlang habe ich geglaubt, dass ich sie nie erleben können würde, und ich ärgere mich, dass ich sie nicht gesehen habe, als sie 2007 auf Tour waren. Ich fand das Konzert toll. Es ist etwas ganz Besonderes für mich, sie alle beim Musikmachen zu erleben, zu sehen, wie Tony seine Sachen spielt, wie Mike seine Sachen spielt. Ich fand auch, dass Phil alles in allem sehr gut klingt. Sein Gesang hat immer noch den natürlichen Strom, die Phrasierung und den schönen Klang. Was er nicht mehr hat, sind die „Glocken“, die hohen Noten, denn er ist ein alter Mann, der sich seit vierzig Jahren den Arsch absingt. Natürlich ist es dadurch ein bisschen anders, aber das hat mich nicht gestört. Es klang toll.

it: Warst du bei der ersten oder der zweiten Show in Chicago?

Adam: Bei der ersten.

it: Ich frage, weil Tonys Keyboards beim zweiten Konzert bei Mama einen bösen Aussetzer hatten. Als Keyboarder wäre es für mich ein echter Alptraum gewesen. Erst ist gar nichts zu hören, und dann kommt nur ein Piep-Piep-Piep.

Adam: [mitfühlend] Oh Gott, das ist ein Alptraum! Tony hat jetzt also auf Digitalsounds umgestellt. Er nutzt MIDI, das Musical Instrument Digital Interface. Das ist das moderne Verfahren, alle Sounds und Effekte zu erzeugen. Manchmal tritt dabei ein Computerfehler auf, und das kommt dann dabei heraus. Ich habe auf Popkonzerten solche Keyboards gespielt, also MIDI-Controller, und dabei ist mir genau dasselbe passiert. Ein Alptraum. Es tut mir leid, wenn das passiert. Sowas ist völlig frustrierend.

it: Es ist eben ein Livekonzert, da kann so etwas jederzeit geschehen.

Adam: Damals in den 70ern hätten sie die Show unterbrechen müssen, damit er das Mellotron nachstimmen konnte. Was ihm jetzt passiert ist, ist die moderne Version einer solchen Panne.

it: Kommen wir zu dir selbst. Wie bist du – um mal so einzusteigen – zur Musik gekommen, und was hat dich dazu gebracht, Pianist werden zu wollen?

Adam: Ehrlich gesagt hat Genesis viel damit zu tun. Mit dem Klavierspielen habe ich angefangen, da hatte ich noch nie von Genesis gehört. Sechs Jahre alt war ich da. Es kann natürlich sein, dass Genesis bei uns zuhause schon mal zu hören war, aber dass es einzelne Musiker gibt, war mir nicht so bewusst. Ich hatte einen Freund, der Klavier lernte, also wollte ich Klavier lernen, weil er es lernte. Ein paar Jahre später, da war ich vielleicht acht oder neun, fing mein Vater an, mit mir im Auto Genesis zu hören, während er mich zur Schule brachte. Er war ein großer Genesisfan. Mein Onkel war auch ein großer Genesisfan. Ich habe dann schnell Feuer gefangen. Und die Musik war auch der Grund, warum ich weiter Klavier spielen wollte. Damals habe ich mich ins Klavier verliebt, weil ich dort hörte, was das Klavier alles kann – ich hatte ja keine Ahnung!

Adam Kromelow

Und dann bin ich drangeblieben. Und fing an, Jazzpiano zu spielen. Meine zweite Liebe jenseits von Genesis und progressiver Musik richtete sich auf Improvisationen und Jazz. Das hat mein Gehör geschult; an dieser Musik habe ich gelernt, komplexere Akkordfortschreibungen herauszuhören und zu verstehen, was da gerade passiert. Wegen des Jazz habe ich auch die Theorie und die Harmonien schnell verstanden. Deswegen habe ich Genesis dann noch höher geschätzt. Jetzt konnte ich auch hingehen und einen Song wie Seven Stones anhören. Den fand ich vielleicht ein bisschen öde, als ich noch kleiner war – aber jetzt konnte ich verstehen, wie brillant es ist. Oder sowas wie Mad Man Moon und andere Stücke, die zwar raffinierter sind, das aber nicht so zur Schau stellen und weniger aufregend wirken wie vielleicht [The Fountain Of] Salmacis oder The Musical Box.

Diese beiden Dinge ließen sich nicht voneinander trennen. Dank Genesis liebte ich das Klavier. Und Jazzpiano zu spielen vertiefte meine Zuneigung zu Genesis. Ich ging dann an die Manhattan School of Music, um einen Abschluss in Jazz Piano Performance zu machen, aber mir war immer klar, dass ich weiter Pop und Rock spielen wollte, und das habe ich dann auch gemacht. Dort habe ich auch Angelo kennengelernt. Genesis sagte ihm nichts, aber wir haben jeden Abend in seinem Zimmer im Studentenwohnheim gesessen und ich habe ihm eine Reihe von Genesis-Stücken vorgespielt. Er wurde dann schnell ein Fan, und wir haben damals – ungefähr 2010 – dort auch unser Projekt aus der Taufe gehoben.

it: Darf ich fragen, wie alt du bist?

Adam: Ich bin 32.

it: Ich überlegte gerade, welche Tourneen du gesehen haben könntest. Mein erstes Genesis-Konzert war 1992, und ich halte mich für einen spät Hinzugekommenen.

Adam: Bei der Tour 1992 war ich ungefähr drei Jahre alt. Ich hätte mir die Tour 2007 ansehen sollen und habe es nicht gemacht. Das bereue ich.

it: Roger King, der Keyboarder in Steve Hacketts Band hat mir mal verraten, dass er großen Respekt vor der Einleitung zu Firth Of Fifth hat. Wie alt warst du, als du das zum ersten Mal gut spielen konntest?

Adam: Vermutlich dreizehn oder vierzehn. Es ist schon komisch: Das Intro ist für mich nicht die größte Herausforderung. Ich habe mir aber sagen lassen, dass die Hände und ihre Muskulatur bei jedem Menschen etwas anders sind. Deshalb fallen manche Dinge dem einen sehr leicht, die ein anderer sehr schwierig findet. Für mich sind schnelle Linkshandpartien die schwierigsten, wenn ich also mit der linken Hand sehr schnell spielen muss. Solche Passagen muss ich am längsten üben. Mit der Rechten schnell zu spielen war nie ein Problem. Auch Sprünge sind mir schon immer leicht gefallen.

Die Sprünge darin machen das Intro zu Firth Of Fifth schwierig. Für manche Leute, und vielleicht gehört Roger King dazu – also, was mich angeht, ist er in allem gut, ich mag sein Spiel – aber vielleicht fällt es ihm leichter, mit der linken Hand schnell zu spielen, und er fühlt sich weniger wohl, wenn die linke Hand Sprünge machen muss, so dass er das Firth Of Fifth-Intro als anstrengend empfindet. Dieser Moment bereitet mir gewöhnlich keine Sorgen. Andere Passagen wiederum sind eine größere Herausforderung für mich.

it: The Lamb Lies Down On Broadway vielleicht?

Adam: Ja! Die Einleitung! Angelo und ich haben das Stück nie gespielt. Ich weiß nicht, ob ich es allein spielen könnte – da passiert einfach so viel. Aber das Intro habe ich gelernt, und es ist sehr schwierig. Diese Überhandsache, die Tony immer macht – für ihn ist das eine ganz natürliche Spielweise, dass die Hände über Kreuz laufen – er macht das schon immer so. Und er neigt zu dieser Technik. Ich würde es nie freiwillig tun, es ist so unbequem für mich. Ich muss Tonys Überhand-Technik anwenden, wenn ich den mittleren Teil von One For The Vine spiele. Vor diesem Augenblick habe ich im Konzert Respekt. So hat eben jeder seine eigene Spieltechnik. The Lambfinde ich schwierig, und am schwierigsten fand ich auf unserem Album den Mittelteil von The Fountain Of Salmacis, wenn die Band aufhört und die Gitarre und die Keyboards spielen [er ahmt die Melodie nach]. Das spiele ich beidhändig. Und meine linke Hand war immer ein bisschen langsamer als die rechte, und im Konzert habe ich mir immer Sorgen gemacht, dass mir das Stück an dieser Stelle in die Brüche geht.

it: Du hast Angelo also an der Musikhochschule kennengelernt, und er kannte nichts von Genesis.

Adam: Die Hits hat er gekannt, er kannte Invisible Touch und Hold On My Heart.

it: Wann habt ihr beschlossen, gemeinsam dieses Projekt aus der Taufe zu heben?

Adam: Das hat sich in mehreren Stufen einfach ergeben. Zuerst waren wir befreundet, verbrachten Zeit zusammen und zeigten einander unsere Lieblingsmusik, wie es an einer Musikhochschule sehr verbreitet ist: „Hey, hast du das schon mal gehört, hast du jenes schon mal gehört?“ und machen den anderen auf Musik aufmerksam, die der übersehen haben mag. Das war auch mein ganzer Plan: Zeit verbringen und Angelo zum Genesisfan zu machen. Ich weiß nicht mehr, welches Stück wir gerade hörten, es könnte The Cinema Show gewesen sein, als er plötzlich sagte: „Das Stück macht bestimmt richtig viel Spaß zu spielen. Los, wir probieren es.“ An der Hochschule gab es viele Probenräume mit zwei Flügeln. So einen suchten wir uns. Die Flügel waren nicht gut aufeinander abgestimmt, es klang auch nicht besonders schön, aber wir wollten ja auch einfach nur miteinander Musik machen und Spaß haben. Manchmal packt einen als Musiker ein Stück so sehr, dass es dich nicht mehr hält: „Ich muss gehen. Ich muss gehen und versuchen, dieses Stück zu spielen.“

Wir haben bei dieser Gelegenheit eine Art Arrangement für The Cinema Showentwickelt. Später haben wir daran gefeilt und es deutlich besser gemacht. [zögert] Es könnte auch Dance On A Volcano sein. Einer der beiden Songs. Vielleicht haben wir beide am selben Tag probiert. Ich wünschte, ich hätte das noch genau im Kopf. Jedenfalls war es eine der epischen Prognummern.

Als wir unser Arrangement fertig hatten und das ein paarmal durchgespielt hatten, fanden wir: „Das macht richtig Spaß! Lass uns mal sieben oder acht Stücke zusammenstellen und einen Liederabend in der Hochschule machen.“ Man war nämlich immer herzlich eingeladen, einen kleinen Konzertsaal zu reservieren und einen Liederabend zu veranstalten. Und das haben wir dann auch gemacht. Wir haben gespielt und glaubten, das wäre nur dieses eine Mal, einfach nur zum Spaß, dass wir Musik von Genesis spielten. Es hat uns aber so viel Spaß gemacht und klang wirklich gut – wir merkten, dass sich da etwas mit Potenzial entwickelte. Als nächstes versuchten wir dann ein paar Konzerte zu buchen und uns als Genesis-Tribute zu etablieren.

it: Wusstest du, dass es ähnliche Projekte gab, beispielsweise Genesis For Two Grand Pianos oder die Einspielungen von David Myers?

Adam: David Myers kannte ich. Ich kannte ihn sogar persönlich über gemeinsame Freunde, die Musical Box-Fans waren, und hatte ihn kennengelernt, bevor das Genesis Piano Project anfing. Seine Alben fand ich toll. Von den beiden Norwegern, die die Genesis For Two Grand Piano-Alben gemacht haben – wie heißen sie noch gleich? [Guddal & Matte], wusste ich nichts. Das war schon merkwürdig. Ich durchstöberte Youtube auf der Suche nach Videos, wo Genesis auf dem Klavier gespielt wurde, um zu sehen, was es da so alles gibt, bevor wir unsere Shows buchen – da habe ich sie dann entdeckt: „Ach du liebes bisschen, das gibt es schon!“ [lacht] Aber ihre Alben gab es schon so lange, dass sie nichts mehr davon spielten, also dachte ich, es sei dann ja okay. Als wir unser Projekt gegründet haben, wusste ich nichts von ihnen.

it: Ihr habt ein Album in Charterhouse aufgenommen. Wie kam es denn dazu?

Adam: Das war die Idee unseres Produzenten Giovanni. 2010, 2011, 2012 sind wir in den USA aufgetreten. Wir haben auch ein paar Videos bei Youtube hochgeladen. Dann hat unser Freund, der jetzt auch unser Produzent ist und die meisten unserer Shows in Italien auf die Beine gestellt hat, sie entdeckt. Er hat übrigens schon für eine Reihe von Plattenfirmen als Produzent gearbeitet, unter anderem für RealWorld. Und er hat uns dann für ein paar Konzerte nach Italien geholt. So ist das gewachsen.

Als wir fanden, dass die Zeit gekommen sei, ein Album aufzunehmen, meinte er, wir sollten es nicht im Studio einspielen, sondern wie ein Album mit klassischer Kammermusik behandeln: Die werden oft an einem Ort mit besonderer Bedeutung eingespielt. Bedeutsam aufgrund ihrer Geschichte und aufgrund ihres Klangs. Vielleicht möchte man mit seinem Streichquartett in einer berühmten Kathedrale aufnehmen, weil die Kirche für ihren schönen Klang bekannt ist und sie eine lange Verbindung zu klassischer Musik hat. Statt der perfekten Studioaufnahme geht es dort um den Live-Klang. Giovanni überlegte: „Wo könnten wir hingehen, welcher Ort hat eine besondere Bedeutung für Genesis?“

Wir dachten an The Farm und an die RealWorld-Studios, aber dann beschlossen wir: „Lasst uns eine Live-Umgebung nehmen.“ Dann schlug er Charterhouse vor. Er kannte über die Musik jemanden in England, einen Mann namens Nigel Sanders – ein sehr netter Mensch und ein toller Musiker. Er war unser Verbindungsmann, stellte den Kontakt nach Charterhouse her und wir mieteten dort eine Halle. Ich glaube, die Schule vermietet gerne ihre Räumlichkeiten, wenn sie nicht für den Schulbetrieb benötigt werden. Wir waren während der Sommerferien dort, mieteten zwei Flügel und brachten sie in die Aula. Das war cool.

Interview with Adam Kromelow

it: Ihr habt euer Album also im Großen und Ganzen da und dort aufgenommen?

Adam: Ja, das war 2018.

it: Aber erschienen ist es erst in diesem Jahr. Ich glaube, es gab eine Vorabveröffentlichung oder so vor zwei Jahren in kleinem Rahmen. Wie kam es zu dieser Lücke?

Adam: Die Abmischung und das Mastering zogen sich ein bisschen hin. Das lag wohl in erster Linie daran, dass unser Toningenieur ein paar andere Projekte hatte, die er vor unserem aufgenommen hatte und deshalb auch vor unseren abmischen musste. Außerdem gab es viel Hin und Her, bis alles überall genau passte. Wenn man mit zwei Flügeln arbeitet, ist es sehr herausfordernd. Man will natürlich, dass bestimmte Elemente sich immer von den anderen absetzen, dass man immer die Melodie hören kann, aber dann möchte man auch, dass Rutherfords Basslinie gut zu hören ist oder – was auch immer es gerade ist. Das Abmischen hat sich hingezogen. Und wir wollten das Album so veröffentlichen, dass wir dann gleich auf Tour gehen konnten.

Die Abmischung war erst nach einem Jahr fertig, im Spätsommer 2019. Im Herbst konnten wir nicht auf Tour gehen. Also beschlossen wir zu warten. Wir wollten zudem nicht im Winter auf Tournee gehen, denn Schnee und Eis und Kälte erschweren das Reisen. Darum sagten wir uns: „Wir warten bis zum Frühjahr 2020. Dann bringen wir das Album heraus und gehen auf Tour.“ Und dann kam natürlich Covid, sodass wir es nochmal verschieben mussten. Als neuen Termin hatten wir den Herbst 2020 angepeilt. Covid hätte uns natürlich auch da einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber dann ist Angelo im Oktober 2020 gestorben. Eine ganze Zeitlang habe ich nicht über Genesis-Klavierprojekte nachgedacht. Ich wusste gar nicht, was ich jetzt tun sollte. Nach einer Weile habe ich dann beschlossen, das Projekt fortzuführen, das Album zu veröffentlichen und eine schnelle kurze Mini-Tournee in Europa zu spielen. Das war jetzt im Oktober [2021].

it: Dabei hast du dann aber allein gespielt?

Adam: Ja.

it: Angelo ist ziemlich überraschend gestorben, sagtest du, und dass du dann eine ganze Weile nicht über Genesis Klavier-Projekte nachgedacht hast. Ganz abgesehen davon, dass du einen guten Freund verloren hast, war euer Projekt aber auch eines für zwei Flügel, das eng mit euch beiden verknüpft war. Wie gehst du damit um?

Adam: Ja, Angelo starb sehr plötzlich. Er hatte eine Herzkrankheit, von der niemand wusste, nicht mal er selbst. Ich habe nicht aktiv beschlossen, über das Projekt nicht weiter nachzudenken, sondern… Er war einer meiner besten Freunde. Die Trauer darüber, ihn verloren zu haben, übernahm einfach alles. Es hat mich Monate gekostet, damit zurechtzukommen, dass Angelo einfach nicht mehr da ist.

Als ich nach ein paar Monaten wieder ein bisschen aus der Trauer auftauchte, fing ich an zu überlegen: Was mache ich mit dem Album? Was mache ich mit dem Genesis Piano Project? Und mir wurde klar: Die Musik von Genesis zu spielen – das will ich nicht auch noch verlieren, denn es gehört zu meinen liebsten Beschäftigungen überhaupt. Ich wollte weitermachen, das Projekt am Leben erhalten, aber ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken, Angelo durch einen anderen Pianisten zu ersetzen. Dabei fühle ich mich heute noch nicht wohl.

Dann habe ich auch überlegt: Vielleicht andere Instrumente hinzubringen? Kann ich Klavier und Gitarre oder Klavier und Schlagzeug zusammenbringen? Und dann merkte ich: Ich möchte niemanden dazuholen. Naja, Gäste vielleicht schon – ich habe gerne einen Gastmusiker auf einem oder zwei Stücken, das macht Spaß. Also sah der Weg so aus, dass ich Soloversionen von Genesis-Stücken spiele, wie David Myers.

Ich hatte keine Ahnung, ob das gut klingen würde oder nicht. Das Besondere an dem Genesis Piano Project besteht darin, dass es zwei Flügel sind. Aber aktuell kann ich nur allein spielen. Ich habe sehr hart daran gearbeitet, viele unserer Arrangements für ein einzelnes Klavier umzuarbeiten. IAlso neue Arrangements lernen und die alten Sachen verlernen. Ich habe auch neue Arrangements für andere Stücke entwickelt, und etwas mehr Gesang hinzugebracht. Auf der Tour haben wir immer More Fool Megespielt. Wir haben nie Videos davon veröffentlicht. Als Sänger waren wir ganz okay, es war ein witziger Moment in unserer Show, eine Pause von all dem Klavier, aber ich würde uns nie als professionelle Sänger bezeichnen. Ich habe daran gearbeitet, dass zwei oder drei Stücke mit Gesang auf dem Album sind.

Ich habe fünf Konzerte in Italien gegeben, um zu prüfen, wie das Publikum reagiert. Es gefiel ihnen! So funktioniert das auf jeden Fall erstmal. Ich bin auch stolz auf die Solo-Arrangements. Ich spiele sie gerne. Vielleicht werde ich später mal wieder einen zweiten Pianisten hinzunehmen, aber fürs Erste mache ich die Solonummer. Ich werde wohl auch ein Album mit den Solo-Arrangements aufnehmen, bevor ich jemanden hinzuhole – falls ich das jemals tue.

it: Ich habe mir das ganze Album heute nochmal angehört. Dabei hatte ich den Eindruck, dass einer von euch offensichtlich die Melodie spielt und der anderen die begleitende Musik. Das jetzt alles auf einem Klavier zusammenzuführen stelle ich mir ziemlich schwierig vor, weil du ja zwangsläufig etwas weglassen musst. Wie hat sich das darauf ausgewirkt, wie du das Material spielst?

Adam: Wir haben es sogar noch ein bisschen mehr aufgeteilt. Der eine spielt die Melodie und auch die Kontermelodie auf der Gitarre mit der linken Hand, und der andere spielt Tonys Orgelakkorde und mit der linken Hand das Schlagzeug. Aber unabhängig davon kann ich nicht alles spielen, was wir zwei zusammen abgedeckt haben. Ich muss den Momenten einen höheren Stellenwert einräumen, auf die ein wirklicher Genesishörer in den Stücken achten wird. Wenn ich nicht alle diese Momente in einem Stück wiedergeben kann, dann kann ich das Stück nicht spielen.

In The Cage ist ein solcher Fall, und es tut mir sehr leid, dass wir es nicht aufs Album gepackt haben. Dabei geht es gar nicht um das Keyboardsolo, sondern um die Strophen. Tonys Orgel muss beidhändig gespielt werden. Es ist einfach unmöglich, die Orgelakkorde und die Melodie und das Schlagzeug zu spielen. Wir müssen die Schlagzeugteile immer mit der linken Hand spielen und da einen Rhythmus hineinlegen, denn wie ich immer sage: Wir spielen Rockversionen der Stücke und keine klassischen. Also, das Schlagzeug, die rhythmischen Anschläge in der linken Hand sind wichtig, um die Schlagzeugrhythmen nachzuahmen. Das ging alles nicht zusammen, und deshalb konnte ich In The Cage nicht mehr spielen.

Ich habe die Konzerte auf dieser Tour mit Watcher Of The Skies eröffnet. Das war ein Stück, dass Angelo und ich viel gespielt haben, obwohl es nicht auf dem Album ist. Es gibt da einen Weg, dass man die Gesangslinie und gleichzeitig auch die Akkorde mit der Rechten spielt, und mit der Linken Bass und obendrein noch den berühmten Rhythmus von Watcher Of The Skies in Gang hält. Wenn ich solche Momente mit meinen beiden Händen spielen kann, kann ich das Stück hinbekommen.

Das gilt genauso für die zweite Hälfte von The Cinema Show. Ich kann das Schlagzeug und die Rhythmusgitarre mit der Linken spielen, und mit der Rechten dann Tonys Solo. Immer wenn es nötig ist, wenn die Akkorde von der Rhythmusgitarre oder der Orgel nötig sind, kann ich sie einfügen, und so habe ich dann alles, was ich brauche. Zusätzlich verwende ich eine Technik, die ich vom Jazz übernommen habe und sich Stride nennt.

Bei den alten Ragtime-Pianopartien hört man das: Bassnote – Akkord – Bassnote – Akkord. Etwas ähnliches mache ich auch. Es klingt nicht nach Jazz, aber es ist dieselbe Methode. Ich spiele eine kleine tiefe Note, der dann ein Akkord in der Mitte der Klaviatur folgt. Das alles spiele ich mit der linken Hand, und die rechte spielt ein Solo oder die Melodie. Ich wechsele hin und her, und damit decke ich links dann den Bass ab, die Harmonien und die Akkorde, und rechts die Melodie. Aber ich spiele Bass und Akkorde auch links im Rhythmus des Schlagzeugs, damit ich auch wirklich alles habe.

Ich habe gerade ein Video von The Colony Of Slippermenbei Youtube hochgeladen. Es stammt von der Tour vor ein paar Wochen und ist ein gutes Beispiel für diese Methode. In Kürze lade ich auch Firth Of Fifth und The Cinema Show hoch; und Mad Man Moon. Man kann mir auf die Finger schauen, das Video zeigt nur einen Blickwinkel. Ich hatte keine Videocrew da, sondern nur eine Kamera auf einem Stativ auf der Bühne. Da könnt ihr meine Methoden sehen. Ich bin ziemlich anspruchsvoll – ich spiele ein Stück nur, wenn ich das Gefühl habe, ihm wirklich gerecht zu werden. In der Folge habe ich eine Menge meiner Lieblingsstücke streichen müssen, aber es gibt immer noch eine Menge guter Songs, die ich spielen kann.

it: Die Songs auf deinem Album hören ja bei Wind & Wutheringauf. Das legt die Vermutung nahe, dass die Auswahl mehr mit Steve Hackett als mit Tony Banks zu tun hatte.

Adam: [lacht] Es liegt nicht an Steve! Ich mag alles von Genesis bis hin zu We Can’t Dance. Auf den späteren Alben gibt es mehr Stücke, die ich überspringe, wenn ich sie höre. Bis einschließlich Wind & Wuthering überspringe ich kein einziges Stück. Ich mag unheimlich viele Stücke von all ihren Platten. Bei den Popsongs – es gibt, glaube ich, keinen guten Grund, sie als Klavierfassung zu hören. Also, manche Stücke könnte ich nicht spielen, weil sie so stark auf dem Schlagzeug und der Produktion aufbauen. Mama kann man auf dem Klavier nicht ohne Drumcomputer spielen.

Aber nimm einen anderen coolen Song vom selben Album, Home By The Sea. Der besteht nur aus Strophen und Refrains. Wenn die Worte nicht unterschiedlich wären, würde jede Strophe gleich klingen. Dann klingen auch noch alle Refrains gleich, und ich wüsste nicht, wie ich das vier Minuten lang auf dem Klavier spannend gestalten könnte. Die frühen Stücke bis hin zu Wind & Wuthering haben mehr Bewegung, mehr verschiedene Abschnitte. Sie wirken strukturierter, wie ein klassischer Song, ein Prog-Song. Das Klavier hebt diese verschiedenen Abschnitte und Nuancen hervor. Meine Fassung von Throwing It All Away aber wäre nur eine schlechtere Version der Genesis-Fassung. Doch meine Version von One For The Vine ist hoffentlich eine interessante Ergänzung zu der, die auf Wind & Wuthering erschienen ist.

it: Ich dachte gerade mehr an Duke’s Travels oder den Mittelteil von Fading Lights. Was hältst du von denen?

Adam: Die würde ich gerne spielen! Ich habe sie auf der Agenda. Burning Rope ist auch ein Stück, das ich bald in Angriff nehmen möchte. Duke’s Travelskönnte ich vermutlich hinkriegen. Das Stück ist ziemlich schlagzeuglastig; einige Passagen müsste ich erstmal ausprobieren. Ich glaube, ich könnte einen Teil mit der Linken spielen. Das Stück muss aber so grooven wie auf Duke. Bei The Colony Of Slippermen habe ich das hinbekommen, es ist derselbe Takt, ein 6/8-Takt, das sollte ich hinkriegen. Möchte ich gerne machen. Domino könnte auch cool werden. Es gibt ganz entschieden spätere Genesis-Stücke, die funktionieren könnten. Ich habe mich nur noch nicht drum gekümmert. Es kommt allerdings noch etwas hinzu, das mir auch sehr bewusst ist: Es gibt ein paar Fans, die diese Ära mit Inbrunst hassen. Darum möchte ich davon nicht zu viel machen – aber ein paar Stücke einzustreuen wäre schön.

it: Ich glaube, angesichts der Songauswahl für dein Album würde den Leuten ein Burning Ropeoder Duke’s Travels oder ein Second Home By The Sea nichts ausmachen. Das sind typische Songs der späteren Zeit, und Domino und Fading Lights werden auch von den Fans der frühen Jahre sehr geschätzt. Da du aber den Graben zwischen, sagen wir, den Fans der Hackett-Ära und der Zeit danach ansprichst – ich bin schon seit Jahren für diesen Fanclub tätig, und mir persönlich hängt diese Debatte zum Halse heraus.

Adam: Mir auch! Ich beteilige mich da nicht.

it: Ich wollte eigentlich fragen, ob spätere Songs gar nicht zur Debatte stünden, aber die Antwort hast du ja eben schon gegeben. Hast du auch mal über Material von den Solo-Alben nachgedacht?

Adam: Ja und nein. Ich will mich nicht zu sehr mit den Solosachen befassen, denn ich möchte, dass es ein Genesis-Projekt ist und bleibt – so gefällt es mir. – Aber so ab und zu mal, warum nicht? Auf der letzten Tournee habe ich Washing Of The Water als Zugabe gespielt, das ja auf Peter Gabriels Soloalbum US erschienen ist. Da habe ich auch mal gesungen. Das Stück habe ich ausgesucht, weil wir ja alle gerade aus dieser Corona-Starre kamen und ich eine neue Phase des Genesis Piano Projects angefangen habe – ohne Angelo.

In Washing Of The Water geht es um Wiedergeburt und um Heilung. Oberflächlich betrachtet ist es auch ein Trennungslied, aber im Kern geht es um Neuanfänge. Das Thema passte gut zu meiner Show, fand ich. Es gefällt dem Publikum auch. Ja, ich kann mir schon vorstellen, etwas mehr von den Solo-Veröffentlichungen zu machen, aber bei einem Album wäre das dann der Bonustrack und im Konzert die Zugabe. Es wird niemals der Hauptteil sein.

it: Warum erscheint das Album nicht in greifbarer Form, auf CD oder Vinyl?

Cover

Adam: Das habe ich mit unserem Produzenten Giovanni durchgesprochen, und er meinte: „Die meisten Leute kaufen heute keine CDs mehr. Rein vom Standpunkt der Musikindustrie spricht nichts dafür, welche zu pressen. Neue Autos haben keine CD-Spieler mehr, neue Computer haben keine CD-Spieler mehr. Man muss heute suchen, um eine CD abspielen zu können, und deshalb veröffentlichen die meisten neuen Künstler keine Alben mehr auf CD.“ Was wir nicht bedacht hatten, war der Umstand, dass viele Leute aus der Generation der Genesisfans immer noch gerne das Album in greifbarer Form haben möchten. Auch wenn sie sich die CD nicht mehr anhören, möchten sie sie immer noch gerne haben.

Darum werden wir wahrscheinlich doch CDs pressen, in einer begrenzten Auflage. Es war ja auch wichtig, die Nachfrage abzuschätzen. Das wäre eine böse Geldverschwendung gewesen, wenn wir tausend CDs gepresst hätten und niemand sie haben will. Aber es gibt genügend Leute, die eine CD möchten – und ich werde wohl noch etwas Besonderes machen müssen, einen Bonustrack oder so, damit es anders ist als das aktuelle Angebot. Entscheidungen sind hier noch lange nicht gefallen – aber wir reden darüber.

it: Viele Genesisfans haben ja auch noch was übrig für Vinyl.

Adam: Das haben wir auch diskutiert. Ich weiß noch nicht, ob wir beides machen werden oder nur eins. Das müssen wir mal abwarten.

it: Ich bin ja nun kein Musiker und kann hier nicht in die Tiefe gehen, aber lass uns doch mal über die Musik selbst sprechen. Wenn man das Album anhört, erkennt man die Melodie sehr schnell. Und dann merkt man, dass da Sachen auf dem Klavier gespielt werden, die vorher vom Bass, dem Schlagzeug oder der Gitarre kamen. Wann entscheidest du dich: „Okay, die Basslinie lässt sich spielen, aber das Schlagzeug muss draußen bleiben.“ Oder: „Wir behalten die Gitarre und werfen den Bass raus.“ Wie arrangiert man das? An irgendeiner Stelle musst man ja offensichtlich eine Entscheidung treffen, weil nicht alles zu haben ist. Immerhin habt ihr nur vier Hände, nicht sechzehn.

Adam: Über diese Frage freue ich mich – es ist eine sehr gute Frage. Diese Entscheidung war immer ein mehr oder weniger systematisches Ausprobieren. Was haben wir Spaß gehabt beim Arrangieren! Ich habe sehr frohe Erinnerungen an diese Werkstatt-Momente, wenn Angelo und ich ein neues Stück in Angriff genommen haben und versuchten, herauszufinden, wie wir es angehen könnten. Manche Stücken waren leichter zu arrangieren. Entangledhat nicht so viele Instrumente, da wussten wir schnell, wie wir es gestalten wollten.

Aber bei, sagen wir, The Fountain Of Salmacis – erst schaut man mal, was möglich ist. Was brauchen wir? Okay, wir brauchen die Gesangsmelodie, die muss immer da sein. Dann sind da noch Mikes Basslinie, Phils Groove auf der Basstrommel (als würde er mit dem Fuß aufstampen), und Tonys kontrapunktische Orgelmelodie. Also haben wir gesagt: Einer spielt ganz unten, die tiefsten Klaviernoten im Bass, und mit der anderen Hand spielt er den Bassteil. Der andere spielt Tonys Orgelpart mit der Linken und die Melodie mit der Rechten. Wir haben uns das angehört – es war völlig vollgestopft, total überfüllt. Einfach zu viel. Mit verschiedenen Instrumenten funktioniert es, aber wenn alles auf dem Flügel gespielt wird, hat alles dasselbe Timbre – blankes Chaos.

Also überlegten wir: Was können wir rausschmeißen? Lass uns den Bass weglassen. Der Bass überdeckt den Beat, auch die Melodie hält sich einigermaßen an den Rhythmus, also machten wir es dann so: Ich spielte nur die Melodie, Angelo spielte Tonys Orgelpart und Mikes Bassmelodie. Und wir merkten: Das ist zu viel. Vielleicht können wir das nach und nach aufbauen, dass wir dieses Arrangement in der dritten Strophe bringen, aber erstmal müssen wir noch lockerer bleiben. Also beschlossen wir: In der ersten Strophe spiele ich die Melodie ohne Akkorde, nur einzelne Noten in jeder Hand als oktavierte Melodie. Angelo spielte einfach drüber, nur Bassnoten, aber nicht Mikes Basslinie, und dazu dann Akkorde, als ob Tony seine Akkorde immer nur komplett anschlagen würde, statt sie beweglich aufzubauen. So haben wir dann die erste Strophe gestaltet.

Bei der zweiten Strophe sollte dann ein Element hinzukommen. Wir tauschten die Rollen, sodass Angelo jetzt die Melodie spielte. Ich spielte eine leicht vereinfachte Version von Mikes Basslinie und mit der Rechten dann noch Tonys Orgelpart. Das wirkte energiegeladener und für die zweite Strophe richtig schön.

In der dritten Strophe wollten wir dann richtig loslegen, also spielten wir Mikes Basslinie so wie im Original. Das klang mächtig und richtig gut, aber wenn Tonys Orgel dazukam, war es überfüllt. Also haben wir zurückgetauscht. Ich habe die Melodie gespielt, diesmal mit vollen Akkorden in beiden Händen, also nicht nur einzelnen Noten. Angelo spielte Mikes genaue Basslinie und dazu mit der rechten Hand Akkorde, aber eben nicht Tonys Orgel, sondern einfache Akkorde.

Adam Kromelow

Wir mussten es immer anhören und entscheiden, ob es funktioniert oder nicht. An manchen Stellen passiert so viel, dass man eine Auswahl treffen muss. An anderen Stellen ist es ziemlich einfach. Beim Orgelsolo in Stagnationzum Beispiel (um mal ein Stück vom Album zu nehmen): Es war offensichtlich, dass einer von uns das Orgelsolo spielt. Das war Angelo.

Wir beschlossen, dass er es beidhändig spielt, damit es auch nach Orgel klingt, mit mehr Obertönen und durchdringender, größer wirkt. Alles andere, was wir brauchten, habe ich dann gespielt. Also habe ich – ich weiß gar nicht, wer an der Stelle Rhythmusgitarre spielt; wahrscheinlich Anthony Phillips, aber vielleicht auch Mike und sie spielen gemeinsam; ich weiß es nicht – ich habe also den Rhythmusgitarrenpart übernommen und mit der rechten Hand gespielt. In der linken Hand bewegt sich alles über diesen zwei Akkorden, also habe ich die Basstöne dieser beiden Akkorde gespielt, als wären sie ein Schlagzeugrhythmus. Mehr Musik gibt es an der Stelle nicht, darum war es recht einfach. Wir brauchen einen Rhythmus, wir brauchen die Rhythmusgitarre, wir brauchen die Orgel – fertig. Manchmal war es einfach, manchmal auch eine ganz schöne Herausforderung.

it: Als Berufsmusiker habt ihr vermutlich auch keine Problem mit all diesen seltsamen und schwierigen Taktarten.

Adam: Nein, als Jazzmusiker sind wir daran gewöhnt. Wir können im 7/8-Takt oder im 9/8-Takt improvisieren, wenn es nötig ist, und wir haben auch eigene Musik in diesen Takten geschrieben. Es gab immer ein paar Momente, in denen es technisch knifflig wurde, die wir bei unseren Arrangements üben mussten, aber vom Rhythmus her hatten wir größtenteils keine Probleme.

it: Wenn du dir die alten Genesisalben anhörst, wer ist dann deiner Meinung nach der beste Musiker in der Band?

Adam: Meinst du, wer am besten spielt? Ich finde, dass Tony und Mike besser spielten, je älter sie wurden. Auf den frühen Alben spielen sie manchmal etwas nachlässig, was auch okay ist. Ich glaube aber, dass sie zu den besten Komponisten gehören, die ich je gehört habe. Das macht sie für mich zur hervorragenden Musikern, aber vielleicht nicht zu den besten Instrumentalisten – obwohl sie im Laufe der Zeit sehr gut wurden. Ich denke: Phil. Phil war von Anfang an ein erstaunlicher Schlagzeuger. – Was die Qualität des Musikmachens angeht, hat er das Niveau gehoben, würde ich sagen.

Peter hatte keine Gesangsausbildung und er hat die Noten nicht immer genau getroffen, aber seine Energie, seine Phrasierung, sein ganzes Wesen, das Theatralische in seinem Wesen – darin war er auch sehr stark. Vielleicht haben Peter und Phil die Band auf eine neue Ebene gehoben, was die Darbietung anging, so wie Mike und Tony beim Komponieren. Das hat sich mit der Zeit angeglichen. Phil wurde ein sehr guter Stückeschreiber, finde ich und Mike und Tony wurden starke Instrumentalisten.

it: Peter hat mal zu Phil gesagt: „Du singst meine Stücke zwar besser als ich, aber du kannst sie niemals singen wie ich.“

Adam: Ha! Das sehe ich auch so. Ich glaube, Phil würde dem auch zustimmen.

it: Kommen wir auf deine Auftritte in letzter Zeit zu sprechen. Ich möchte nicht pedantisch sein, aber sie fanden schon ziemlich weit weg von Deutschland statt. Wie kamen sie zustande, hast du eine besondere Verbindung nach Sizilien?

Adam: Das passierte alles in sehr kurzer Zeit. Wir wollten das Album herausbringen, ein paar Konzerte spielen, Konzertberichte in der Presse bekommen. Das Genesis Piano Project war in Portugal und in Italien eine feste Größe geworden. Also haben wir ein paar Konzertveranstalter angerufen, mit denen wir schon mal gearbeitet hatten. Und die konnten, quasi auf Zuruf, ein paar Konzerte für uns – für mich auf die Beine stellen. Ich habe die beiden, Manuel und Pedro de Mello Breyner, auch für Portugal eingesetzt. Sie buchen auch andere Bands aus dem Genesis-Umfeld, Steve Hackett zum Beispiel und The Musical Box. Sie waren mir gerne behilflich und fanden zwei oder drei Monate vor den Konzerten noch eine Halle.

Auf Sizilien habe ich früher schon mal in demselben Theater in Catania gespielt. Giovanni, unser Produzent, stellte gerade ein Musikfestival in Parma zusammen, also habe ich auch dort gespielt. Und das war alles. Eine Mini-Tournee. Die Konzerte in Lissabon waren nur auf Einladung, da wurden also gar keine Karten verkauft. Ich möchte eine längere Tournee durch Europa machen, hoffentlich im kommenden Sommer. Wir wollen nach Deutschland und Frankreich kommen, womöglich auch nach England und mit etwas Glück auch nach Spanien. Ich versuche dann im Sommer eine große Tour zur Albumveröffentlichung zu machen, hoffentlich die längste, auf der ich je war.

it: Aber du bringst nicht dein eigenes Klavier aus New York mit, oder?

Adam: Wir mieten an jedem Veranstaltungsort einen Flügel. Wir mieten also nicht einen Flügel und fahren den mit uns herum. Vielleicht irgendwann mal, wenn ich das Geld dafür habe. Das wäre schon schön. Im Moment bin ich auf Gedeih und Verderb dem Flügel ausgeliefert, den ich für das Konzert bekomme. Es ist natürlich einfacher, nur einen Flügel zu mieten und statt zweier, denn es müsste zweimal derselbe Flügel sein; das schränkt einen schon ein. Es ist aber nicht schwer für mich, einen Flügel zu finden, auf dem ich das Konzert spielen kann.

it: Fühlst du dich wohl damit, einen Flügel zu spielen, der dein eigener ist?

Adam: Ja. Mit sehr seltenen Ausnahmen: Ja. In meiner Wohnung habe ich keinen besonders tollen Flügel, sondern ein upright piano, ein Klavier. Die beiden Bauformen unterscheiden sich im Anschlag: Wenn ich eine Note spiele und sie danach wieder anschlagen möchte, muss ich den Finger ganz heben, bevor ich sie wieder anspielen kann. Das ist schwierig, wenn ich sehr schnell spielen muss; auf Konzertflügeln muss man die Taste nur halbwegs loslassen, bevor man sie wieder anschlagen und denselben Klang bekommen kann.

Aber weil das Klavier, das ich zuhause und am meisten spiele, so ein schwieriges Instrument ist, weil ich die Tasten sorgfältig loslassen muss und keine so gleichmäßigen Bewegungen habe, fühle ich mich auf einem Konzertflügel befreit wie ein Baseballspieler, der die Gewichte von seinem Schläger abgenommen hat. Verstehst du, was ich meine? Mein Handicap ist dann weg, sozusagen. Auch auf einem Stutzflügel ist es noch einfacher als auf meinem Klavier zuhause.

it: Hast du irgendwas von den Jungs in der Band gehört? Vielleicht von Tony?

Adam: Schön wär’s! Nein. Ich würde mich freuen, aber nein. Steve Hackett habe ich mal getroffen, aber das war noch bevor ich das Projekt gestartet habe. Da habe ich ihn auch in einem anderen Zusammenhang getroffen. Immernoch Musik, aber ein anderer Zusammenhang. Ich habe nichts von ihnen gehört. Aber ich versuche, Wege zu finden, auf denen ich ihnen mein Album präsentieren und mich für die Inspiration bedanken kann und für die Musik.

Interview: Christian Gerhardts (via ZOOM)
Transkription und Übersetzung: Martin Klinkhardt
Fotos: Zoom-Intervew & Piano Project Website