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Genesis – We Can’t Dance Tour 1992 – Tourreport

1992 gingen Genesis einmal mehr auf Tournee und einmal mehr wurde alles größer und gigantischer als auf früheren Tourneen. Rund 60 Shows spielten sie in Stadien, dann folgte im Herbst eine Theater-Tour in England.

Wie nach jeder LP-Veröffentlichung von Genesis, so wurde auch nach Erscheinen des We Can’t Dance-Albums wieder kräftig darüber spekuliert, was wohl von der neuen Live-Show zu erwarten sein würde. Ähnlich wie bei Pink Floyd hat auch Genesis bei musikbegeisterten Konzertgängern das Image, immer wieder etwas bahnbrechend Neues zu bringen. So verwunderte es auch nicht, dass vier Wochen nach dem Kartenvorverkaufsbeginn im November 1991 bereits 400.000 Karten für die Konzerte auf deutschem Boden verkauft waren. Gesponsert wurde die Tour diesmal von Volkswagen, die anlässlich dieses Konzerthighlights ’92 auch zwei VW-Sondermodelle auf den Markt brachten. Wie eigentlich bei fast jeder Genesis-Tour wollte man auch diesmal neue Maßstäbe, was die technische Seite der Show betrifft, setzen.

Die Vorplanungen für das neue Konzept liefen bereits im Juli 1991 an, und der Probeaufbau der neuen Bühne begann im Dezember 1991. Die Konstrukteure verzichteten bei der 40 Meter breiten Bühne auf die übliche Verdachung in Form der bekannten „Black Box“. Stattdessen beschränkte man sich auf eine bogenförmige Stahlkonstruktion direkt über den Köpfen der Musiker, auf die bei schlechtem Wetter eine Art Plexiglasdach geschoben werden konnte. Inzwischen Standard bei derart gigantischen Produktionen ist die Verwendung von Großbildschirmen, auf denen das Bühnengeschehen auch für Zuschauer der hinteren Reihen nachvollziehbar wird. Neu war aber der erstmalige Einsatz von drei 6 x 8 Meter großen Jumbotron-Screens, die auf Rollen hinten über der Bü̈hne angebracht waren und in Kombination als eine Riesenleinwand benutzt werden konnten.

Neben den von neun Kameras eingefangenen Bildern von der Bühne wurden auch, passend zu den jeweiligen Songs, Videoanimationen gezeigt. Auch die altbekannten Varilites durften diesmal nicht fehlen. Einigen derselben wurde sogar die Ehre zuteil, an über der Bühne kreuzweise aufgespannten Drahtseilen auf- und abgefahren zu werden. Ein Sounderlebnis der dritten Art bescherten uns die zwei 53.000-Watt-Lautsprechertürme, die fast 50 Meter auseinander standen (besseres Stereo) und deren Position, je nach akustischen Verhältnissen, mittels einer hydraulischen Vorrichtung variiert werden konnte.

Zur Platzverteilung auf der Bühne lässt sich eigentlich nichts außergewöhnliches berichten: wie bei den meisten Genesis-Tourneen saß Chester Thompson hinten links, Phil Collins (wenn er mal trommelte) hinten rechts und davor (v.l.n.r.) Daryl Stuermer, Mike Rutherford, Phil, und Tony Banks. Nach zwei Warm Up-Gigs startete die Tour offiziell am 16. Mai 1992 in Miami. Nach eineinhalb Monaten USA und Kanada spielte die Band erstmals am 28. Juni im belgischen Werchter wieder auf europäischem und am 3. Juli in Gelsenkirchen auf deutschem Boden. Das vorläufige Finale der Tour fand am 2. August auf dem riesigen Gelände des britischen Knebworth-Parks statt. Dieses Ereignis wurde europaweit von einigen TV-Sendern übertragen.

Für die englischen Fans war die Freude groß, als die frohe Botschaft verkündet wurde, dass Genesis ihre Anhängerschaft im eigenen Lande doch noch etwas mehr beglücken wollte. Rechtzeitig zur Veröffentlichung des ersten Teils des neuen Live Albums The Way We Walk ging es dann am 23. Oktober in Southampton auch wirklich noch mal richtig los. Die große Besonderheit dabei war, dass neben sechs geplanten Gigs im großen Londoner Earl’s Court, von denen die Aufnahmen für das ’93 erschienene The Way We Walk-Live-Video stammen, ausschließlich kleine Theater mit einem durchschnittlichen Fassungsvermögen von 2000 Zuschauern als Auftrittsorte gewählt wurden. Aufgrund der persönlicheren Atmosphäre verzichtete man hier auf die Screens, die dann durch weitere Varilites gewissermaßen ersetzt wurden. Die Show dagegen blieb nahezu unverändert. Das echte Finale der Tour ging am 17. November 1992 in Wolverhampton über die Bühne.

Die Band enschloss sich für einen ausgewogenen Set, der sowohl die meisten Hits der letzten Jahre als auch „schwerer verdauliches“ Material beinhaltete. Die Zweieinhalb-Stunden-Show setzte sich in der Regel aus den folgenden Songs zusammen:

Land Of Confusion

No Son Of Mine

Driving The Last Spike

Old Medley: Dance On A Volcano(nur die ersten zwei Strophen) / The Lamb Lies Down On Broadway (nur die ersten zwei Strophen) / The Musical Box (closing section)/ Firth Of Fifth(instrumentalsection) / I Know What I Like (inklusive kurzer Passagen aus Illegal Alien, That’s All, Your Own Special Waybzw. Misunderstanding, Follow You Follow Me und Stagnation)

Throwing It All Away

Fading Lights

Jesus He Knows Me

Home ByThe Sea / Second Home By The Sea

Hold On My Heart

Domino

Drum Duet

I Can ‚t Dance

Zugaben:

Tonight Tonight Tonight (short version) / Invisible Touch

Turn It On Again

Im Laufe der Tour wurden nur geringfügige Änderungen vorgenommen. Angeblich soll in einige Old Medleys in den USA Apocalypse in 9/8 mit eingebaut gewesen sein. Der „Stimmenkiller“ Mama wurde nach einigen Konzerten aus dem Programm genommen, ebenso wie Dreaming While You Sleep, das erst während der England-Tour im Herbst wieder des öfteren auftauchte. Throwing It All Away, das anfangs zu den Zugaben gehörte, rutschte in das reguläre Programm. Als große Überraschung wurde am 23. Oktober in Southampton The Carpet Crawlers gespielt.

Auch bei der Darbietung der Songs gab es einige Überraschungen. So ließ sich z. B. Phil bei Domino mittels einer hydraulischen Plattform vor die drei Jumbotron-Screens hieven, um in die Computer-Animationsreise „integriert“ zu werden. Interessant ist auch die Tatsache, dass bei Fading Lights Tony, Phil und Mike erstmals in der Geschichte von Genesis alleine auf der Bühne agierten. Erstmalig wurde auch das (neu arrangierte) Drum Duet nicht mehr mit einem anderen Song verknüpft und Turn It On Again spielte man ohne das „Sixties-Medley“ der vergangenen Tourneen.

Während der Tour gab es aber auch immer wieder Ereignisse, die den ansonsten positiven Tourverlauf trübten. Es begann damit, dass Phil bereits in Tampa seine Stimme verlor und das Konzert deshalb abgebrochen werden musste. Während der ganzen Tour wurden immer mal wieder einzelne Stücke aus dem Programm genommen oder Konzerte abgesagt/verlegt, weil Phils Stimme geschont werden musste. Probleme gab es auch beim Rücktransport der ganzen Ausrüstung von Amerika nach Europa, da nicht genügend Großraumflugzeuge zur Verfügung standen. In Europa dann kam der Trucker- und Bauernstreik in Frankreich dazwischen, mit der Auswirkung, dass man um eine Zwangsverlegung zweier Konzerte nicht herumkam. Durch Ausschreitungen im Zuge der Streiks wurden auch Teile des Bühnenaufbaus beschädigt, was wiederum zur Folge hatte, dass kurzfristig neue Teile angefertigt werden mussten. Tragischer Unglückshöhepunkt neben einigen mehr oder weniger schwer verletzten Bühnenarbeitern und einem Stage-Manager mit Nervenzusammenbruch war der Tod von Dixie Swanson, einem weiteren Stage-Manager, der den Folgen eines Herzinfarktes erlag. Die Show in Knebworth wurde ihm gewidmet.

Der Vollständigkeit halber muss noch erwähnt werden, dass die Band zwischenzeitlich, nach Abschluss der We Can ‚t Dance / The Way We Walk-Tour, ein weiteres mal gemeinsam auf der Bühne stand. Anlässlich der Benefizveranstaltung „Cowdray Ruins Concert 1993“ am 18. September 1993 nahe dem südenglischen Midhurst kreuzten sich die Wege von Banks, Collins und Rutherford erneut, um gemeinsam mit Tim Renwick (Bass) und Gary Wallis (Drums) einen kurzen Set zu spielen.

Mal sehen, wieviel Zeit nach diesem letzten Genesis-„Lebenszeichen“ noch vergehen wird, bis es wieder heißt: They are back again!

Autor: Steffen Gerlach