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Genesis – Robin Platts: Inside & Out – Buch Rezension

Robin Platts veröffentlichte 2001 eine kompakte Biografie über Genesis. Volker Stöckemann hat sie sich durchgelesen…

Es gibt viele Möglichkeiten, ein Buch über GENESIS zu schreiben:

Man kann die ultimative Fan-Bibel produzieren (Armando Gallo); man kann Sachen schreiben, die dann in deutscher Übersetzung als Heyne- oder Goldmann-Taschenbuch erscheinen; man kann enorm ambitioniert und mit beeindruckender Fachkenntnis an’s Werk gehen und sich dann dabei doch etwas verzetteln (Alan Hewitt); man kann es sich natürlich auch ganz leicht machen und einfach nur alle Album-Tracks mit teils zutreffenden und teils abs trusen Kommentaren versehen (Chris Welch).

Oder man kann ein Buch schreiben, das vielleicht nicht spektakulär, aber dafür grundsolide und angenehm zu lesen ist – und genau das hat Robin Platts mit Inside and out recht gut geschafft.

Grundsätzlich neue Erkenntnisse standen dem Autor ebensowenig zur Verfügung wie eigene Interviews mit Mike, Tony, Phil und Peter. Er macht aus der Situation jedoch das Beste und geht auf Nummer Sicher, indem er eine schön chronologische, sauber gegliederte Bandgeschichte abliefert.

Leider stellen sich beim Lesen anfangs doch gewisse „Déjà vu“-Gefühle ein und ich habe mich zunächst mehrmals dabei ertappt, wie ich auf’s Cover schauen musste, um mich zu vergewissern, dass dort nicht Armando Gallo steht.

cover

Robin Platts bringt viele gut ausgewählte, interessante, aufschlussreiche Zitate und auch einige recht amüsante Anekdoten. Wie z.B. die Geschichte, wonach Wind and Wuthering beinahe nach einem China-Restaurant in New York – The House of the Four Winds – benannt worden wäre. (… that’s what happens to you when you grow up – you realize that maybe you shouldn’t go around naming albums after restaurants! – Steve Hackett). Oder die Sache mit Phil Collins‘ 10-Sekunden-Fassung von Supper’s ready auf seiner 1982er Solo-Tour (A flower ? – Six-six-six – Jerusalem).

Die einzelnen Epochen und Alben werden ausgewogen dargestellt, Solokarrieren nur kurz angerissen (Anthony Phillips wird dabei durchaus wohlwollend gewürdigt, ohne ihm – wie bei Hewitt – mehr Platz einzuräumen, als ihm zusteht) und an der Beschreibung von Songs und Tourneen gibt es nichts auszusetzen.

Ebenso wenig wie an der Auswahl der Photos (schwarz-weiß im Text, acht farbige Seiten im Innenteil): bekannte Aufnahmen werden kombiniert mit recht seltenen Bildern von z.B. Bootlegs, raren Albumcovern, Tourprogrammen und sonstigen Memorabilia. Und wer immer schon mal wissen wollte, wie Mick Barnard eigentlich ausgesehen hat, erfährt es (samt einiger netter Erinnerungen desselben) auf Seite 35.

Seite

Der Diskographieanhang ist ebenfalls nicht zu beanstanden: UK-Albums, UK / US-Singles, dazu eine kleine Auswahl von interessanten ausländischen Samplern und Bootlegs. Alles jeweils mit Tracklisting. Wer es hier gerne etwas ausführlicher hätte, der sei auf das Buch von Alan Hewitt bzw. die nahezu vollständige Singles-Diskographie Counting out Time von Max Demont verwiesen.

Nennenswerte inhaltliche Fehler konnte ich nur sehr wenige finden: ELP und Rick Wakeman waren (zumindest meines Wissens nach) nie auf Charisma, das Vorspielen von Phil Collins fand im Garten von Familie Gabriel statt und nicht bei Rutherfords – und dass es 1998 kein East Berlin mehr gab, scheint noch nicht bis nach Burlington (Heimat der gleichnamigen Socke ?) vorgedrungen zu sein …

Ein erheblich grösseres Manko des Buches ist es allerdings, dass auf Quellenangaben bei Zitaten und Bildern fast völlig verzichtet wird – eine Nachlässigkeit, die jeder professionelle Kritiker wohl als absolute Todsünde werten würde.

Ich bin zwar wirklich kein Freund von Fußnoten, seitenlangen Anhängen oder pseudowissenschaftlichen Apparaten, aber ein wenig mehr Sorgfalt hätte ich mir hier schon gewünscht.

Nun denn, Platts versöhnt mich wieder durch seine ausgesprochen einfühlsame Schilderung der Trennung der Band.

Habe mich bislang mit dem (vorläufigen ? – Hoffnung nie aufgeben ) Ende von Genesis immer sehr schwer abfinden können. Aber die letzten beiden Seiten des Buches und die Worte von Tony Banks (If we got together, even for those who liked us, it would be a major disappointment. Most revivals are. And that’s one good reason for avoiding them.) machen es mir etwas leichter.

Alles in allem: nicht das Mega-Standardwerk für den Genesis-Fan, aber gute Lektüre; kein Pflichtkauf, aber bestimmt auch keine Fehlinvestition.

I know what I like – und mir hat es gefallen!

Autor: Volker Stöckemann