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Genesis – R-Kive – 3CD-Set Info und Rezension
Ende September erscheint eine neue Werkschau von Genesis. Während frühere Veröffentlichungen sich auf Genesis-Songs beschränkt hatten, enthält diese Veröffentlichung nun erstmals auch Solo-Songs. Hier erhaltet ihr alle Informationen.
Sommer 2014: Seit geraumer Zeit warteten die Fans auf irgendein Lebenszeichen der Band. Während Peter Gabriel, Mike + The Mechanics und vor allem Steve Hackett sehr umtriebig touren und Veröffentlichungen vorantreiben, wurde es still um Phil Collins und Tony Banks. Zumindest Phil wagte sich vor einem knappen Jahr aus der Deckung und kündigte ein Comeback an. Dann kam – etwas aus heiterem Himmel – die Ankündigung der BBC-Doku Together And Apart, Ende August schließlich wurde in einer „Exciting news“, die für Fans bei weitem nicht so exciting war, ein neues 3CD-Set angekündigt: R-Kive
R-Kive wirft eine Menge Fragen auf. Der Titel ist offensichtlich eine Art Kunstwort und spielt auf das Wort Archiv an. Das Coverdesign jedoch sorgte für weitaus mehr Irritationen und Diskussionen. Die Buchstaben liegen ziemlich durcheinander, den Bandnamen „Genesis“ kann man nur mit gutem Willen herauslesen. Viel wichtiger: Welches Gesicht sollen die Schatten der Buchstaben werfen?
Zum Inhalt: Werkschauen gab es von Genesis schon einige. Zu erwähnen sind Turn It On Again: The Hits (1999), Platinum Collection (2004) und Turn It On Again: The Hits Tour Edition (2007). Während The Hits logischerweise die kommerziellere Phase in den Fokus rückte, konnte das 3CD-Set Platinum Collection eine relativ komplette Werkschau vorweisen. Auch R-Kiveist ein 3CD-Set. Es gibt logischerweise viele Überschneidungen, aber R-Kive hat eine Besonderheit: Von allen Fünf Solokarrieren (Tony Banks, Phil Collins, Peter Gabriel, Steve hackett und Mike Rutherford) sind jeweils drei Songs im Set enthalten. Dies erscheint logisch, wenn man fortan die Band als „Familie“ vermarkten will. Nicht ganz zufällig erscheint kaum 6 Wochen später die BBC Dokumentation unter dem Titel Sum of The Parts auf DVD und Blu-ray (für Informationen dazu hier klicken).
Auf R-Kive gibt es 22 Genesis-Songs. Die Songauswahl
wartet dabei mit Überraschungen auf. Von Tony Banks gibt es
beispielsweise von seinem Album Still den Opener Red Day On Blue Street, Peter Gabriel hat neben Solsbury Hill und Biko nicht etwa seinen Über-Hit Sledgehammer am Start, sondern Signal To Noise des Albums UP ist dabei. Auch Phil Collins konnte aus dem Vollen schöpfen. Mit In The Air Tonight und Easy Lover sind zwei erwartbare Stücke vertreten, überraschend ist hier Wake-Up Call des Albums Testify. Während Genesis ihre erfolgreichsten Songs auf das Set packten, sind Gabriel und Collins mit ihren erfolgreichsten Alben No Jacket Required, …But Seriously sowie So und US nicht vertreten.
Mike Rutherfords Beiträge beschränken sich mit Silent Running, dem Welthit The Living Years und Over My Shoulder auf seine Zeit mit den Mechanics. Steve Hackett wiederum hat auf der chronologisch aufgebauten Compilation mit Ace Of Wands den ersten Solobeitrag (Voyage Of The Acolyte war auch das erste Soloalbum der klassischen 5er Besetzung) und mit Every Day ist ein weiterer Früh-Song seiner Solokarriere vertreten. Die Überraschung dürfte hier Nomads sein (aus dem Album Out Of The Tunnel’s Mouth). Anthony Phillips und Ray Wilson sind lediglich über ihre Beiträge auf Genesis-Alben (The Knife von Trespass und Calling All Stations des gleichnamigen Albums) vertreten.
Die komplette Tracklist:
Disc 1:
The Knife
The Musical Box
Supper’s Ready
The Cinema Show
I Know What I Like (In Your Wardrobe)
The Lamb Lies Down On Broadway
Back In N.Y.C.
The Carpet Crawlers
Ace Of Wands
Disc 2
Ripples
Afterglow
Solsbury Hill
Follow You Follow Me
For A While
Every Day
Biko
Turn It On Again
In The Air Tonight
Abacab
Mama
That’s All
Easy Lover
Silent Running
Disc 3
Invisible Touch
Land Of Confusion
Tonight Tonight Tonight
The Living Years
Red Day On Blue Street
I Can’t Dance
No Son Of Mine
Hold On My Heart
Over My Shoulder
Calling All Stations
Signal To Noise
Wake Up Call
Nomads
Siren
Es handelt sich nicht bei allen Songs um die aktuelle Remaster-Fassung von 2007. Tatsächlich wurden für die Songs Abacab, Mama, That’s All, Invisible Touch, Land Of Confusion und Tonight Tonight Tonight frühere Remaster Versionen genommen. Tonight Tonight Tonight ist zudem auf R-Kive der Album-Version vertreten. Auf Nachfrage bestätigte man uns, dass die Band selbst entschieden hat, welcher Mix jeweils für R-Kive verwendet wird. Die genannten Songs wurden alle von Hugh Padgham produziert, insofern kann man davon ausgehen, dass die Band schon mit den Original-Versionen sehr zufrieden war.
Interessant ist die Titelauswahl an sich nur auf Grund der Solosongs. Während bei Mike Rutherford komplett auf Sicherheit gespielt wird, haben sowohl Phil als auch Peter aus ihrem schier endlosen Fundus nicht unbedingt das Erwartbare gewählt. Bei Phil kann man noch sagen, dass dies vermutlich mit jeder Auswahl passiert wäre, denn irgendwas würde man immer vermissen. Wake Up Call des nicht gerade beliebten Albums Testify aber ist sicher eine persönliche Entscheidung, die den Fokus auf sein Spätwerk lenken soll. Die anderen beiden waren Riesen-Hits. Bei Gabriel gilt das nur für Solsbury Hill. Dass hier weder Games Without Frontiers, noch Shock The Monkey oder eben die Hits Sledgehammer oder Steam nicht vertreten sind, spricht Bände. statt dessen eben das unverwüstliche Biko und Signal To Noise von UP – beides politische Statements und letzteres wohl unter dem gleichen Gesichtspunkt wie bei Phil – das Spätwerk pushen.
Bei genauerem Hinsehen könnte man auch auf die Idee kommen, dass man das Set nicht mit Calling All Stations enden lassen wollte. Auch Tonys letzter Beitrag, Siren, lässt das vermuten (auch wenn es löblich ist, einen Repräsentaten seiner Klassik-Arbeit zu integrieren). Gleiches gilt auch für Steve, wobei ein Song von Darktown oder Beyond The Shrouded Horizon unter Umständen besser gepasst hätte als Nomads. Aber sei’s drum, es wird immer irgendetwas fehlen oder merkwürdig erscheinen bei einer solchen Compilation. Ray Wilson und Anthony Phillips ist mit ihren Solosachen gar nicht vertreten.
Die Pressemitteilung sagt weiterhin: Der Veröffentlichung von R-Kive folgt Anfang Oktober die Reunion-Dokumentation Genesis: Together And Apart, dazu wird es eine DVD geben, die Sum Of The Parts
heißt und Mitte November erscheinen soll. Details zu Sum Of The Parts könnt ihr der Infoseite zur Veröffentlichung entnehmen (hier klicken).
Artwork
Anders als die Platinum Collection, die seinerzeit in den mittlerweile größtenteils ausgemusterten „dicken“ CD-Boxen für zwei bis vier CDs erschien, kommt R-Kive in einem mehrfach ausklappbaren Digipak. Innen sieht man ein Bandfoto aus der Lamb-Zeit links und rechts ein aktuelles Bild (ein bereits bekanntes Bild aus der „Treppensession“, das Foto rechts ist ein ähnliches Bild). Die Discs selbst sind schlicht bedruckt und das Booklet enthält einen langen Intro-Text von Craig McLean. Der Text selbst enthüllt ein paar interessante Dinge: Phil Collins wird zitiert, immer der zu sein, der „gegen ständige Neuverpackungen“ sei.
Doch auch er sieht den Sinn in R-Kive, die Leute mehr auf die weniger bekannten Songs aufmerksam zu machen, die es nicht verdienen, vergessen zu werden. Hackett wiederum bringt mit einem charmant sarkastischen Statement auf den Punkt, warum Ace Of Wands eigentlich ein Genesis-Song ist. Es sei eben eine andere Variante von „And Then There Were Three“, da auf dem Stück auch Mike und Phil mitwirkten.
Und während Ray Wilson auf der Dokumentation Sum Of The Parts völlig ignoriert wird, sagt Tony Banks im Vorwort von R-Kive: „Eine Phase der Band, die leicht übersehen wird, aber die es wert ist, noch mal betrachtet zu werden“. Collins wiederum verteidigt sein letztes Album mit eigenen Songs, Testify, dass es besser sei, als man damals dachte. Deshalb wählte er Wake Up Call aus. Das Vorwort liest sich gut, ist kurzweilig und kreist um den Gedanken der Genesis-Familie, die endlich einmal zeigt, was alles aus ihr hervorgegangen ist. Dazu ist im Booklet jedes Albumover abgebildet, aus dem die Songs für R-Kive entnommen wurden. Ein wenig merkwürdig ist allerdings, dass für Easy Lover das …HITS Cover verwendet wurde.
Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch das neue Design zu vielen kontroversen Meinungen führte, wobei „unglücklich“ noch eine freundliche Umschreibung ist. Einen hohen Wiedererkennungswert hat das Logo nur bedingt, da man den Bandnamen „GENESIS“ nicht unbedingt auf den ersten Blick herauslesen würde. Auf der anderen Seite gab es bei Genesis auch noch nie eine internet-öffentliche Diskussion um ein neues Logo oder dergleichen, dafür liegen die letzten Entscheidungen dazu einfach schon zu lange zurück
Fazit
R-Kive unternimmt den Versuch, neue Hörerschichten zu gewinnen und die Band mit ihren beeindruckenden Solokarrieren als Ganzes neu zu vermarkten. Entsprechend ist R-Kive keine Veröffentlichung für Fans, sondern vielmehr ein guter Einstieg für Neulinge in den Genesis-Kosmos.
Eine kritische Betrachung zum Marketingkonzept und zum Stand der Dinge rund um R-Kivehaben wir in einem separaten Artikel unter diesem Link veröffentlicht.
R-Kive erschien am 03.10.2014 und kann bei amazon und JPC bestellt werden.
Autor: Christian Gerhardts