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Genesis – 1973 – 2007 LIVE CD+DVD Boxset – Rezension
Informationen zum Inhalt, Bonusmaterial und (Vor-) Bestelloptionen zum CD/DVD Boxset der LIVE-Alben von 1972-2009 findet ihr nun hier.
Boxset IV
Genesis live – nicht nur die Band, auch viele Kritiker und die meisten Fans sahen die Stärken der Band eher auf der Bühne als im Studio. Das hat sich im Laufe der Bandentwicklung wohlmöglich leicht gedreht, dennoch kann man sagen, dass Genesis zu jedem Zeitpunkt eine sehr gute Live-Band waren – ganz egal, ob sie in Clubs, Theatern, Hallen, Stadien oder solch unfassbaren Äckern wie dem Hockenheimring oder dem Circus Maximus auftraten. Das Set mit den Live-Alben deutete sich schon an, als das erste Boxset 1976-1982 ein Erfolg wurde. Nun ist es erschienen und bietet genug Diskussionsstoff – der Inhalt, die Technik, die Optik, der Sound, Das Bonusmaterial.
Richtet euch auf einen langen Text ein zu einer Geschichte, die vielleicht so kommen musste, aber bei der viel Potenzial liegen gelassen wurde.
Der Inhalt
Im Boxset 1973-2007 LIVE befinden sich folgende Disks:
Genesis Live (CD/DVD):
Watcher Of The Skies
Get ‚Em Out By Friday
The Return Of The Giant Hogweed
The Musical Box
The Knife
Back in N.Y.C.*
Fly on a Windshield*
Broadway Melody of 1974*
Anyway*
The Chamber of 32 Doors*
* Bonus The Shrine Auditorium, Los Angeles – 24/01/75:
Seconds Out (2CD/DVD):
Squonk
Carpet Crawlers
Robbery, Assault & Battery
Afterglow
Firth Of Fifth
I Know What I Like (In Your Wardrobe)
The Lamb Lies Down On Broadway
The Musical Box (closing section)
Supper’s Ready
The Cinema Show
Dance On A Volcano
Los Endos
Three Sides Live (2CD)
Turn It On Again
Dodo
Abacab
Behind The Lines
Duchess
Me And Sarah Jane
Follow You Follow Me
Misunderstanding
In The Cage (Medley: Cinema Show / The Colony of Slippermen)
Afterglow
One For The Vine
Fountain Of Salmacis
It / Watcher Of The Skies
The Way We Walk (2CD)
Land Of Confusion
No Son Of Mine
Driving the Last Spike
Old Medley (Dance on a Volcano/The Lamb Lies Down On Broadway/The Musical Box/Firth of Fifth/I Know What I Like)
Throwing It All Away
Fading Lights
Jesus He Knows Me
Home By The Sea / Second Home By The Sea
Hold On My Heart
Domino
The Drum Thing
I Can’t Dance
Tonight, Tonight, Tonight
Invisible Touch
Turn It On Again
Mama
That’s All
In Too Deep
Live At The Rainbow 1973 (CD/DVD)
Watcher of the Skies*
Dancing with the Moonlit Knight
The Cinema Show
I Know What I Like(In Your Wardrobe)
Firth of Fifth
The Musical Box*
More Fool Me
The Battle of Epping Forest
Supper’s Ready
* nur auf DVD
Für das Live-Album Live Over Europe (2CD) gibt es einen Platzhalter.
Die Technik
Seit 2004 heißt das Zauberwort für den ultimativen Sound im Genesis-Lager „Super-Audio CD“. Peter Gabriel fing 2003 damit an, Genesis wollten bald folgen – doch es dauerte bis 2007, ehe das erste Set mit SACD-Hybrid/DVD Doppeldisks erschien. Danach erschienen such die beiden folgenden Boxsets in dem Format – rein technisch üppig ausgestattet mit SACD Stereo, SACD Surround, CD Stereo, Dolby Digital 5.1 und dts 5.1 Sound. Viel mehr konnte man diesbezüglich nicht machen.
Ob und wie ein Surround-Sound für Live-Alben Sinn macht, kann jeder für sich selbst entscheiden. Doch bevor es überhaupt um die Frage geht – Surround oder Stereo oder beides? – ist festzustellen, dass es keine SACDs in diesem Set mehr gibt. Die Super Audio CD starb in den letzten Jahren ähnlich ab wie die deutsche Sozialdemokratie und es ist ungewiss, ob sie überhaupt eine Zukunft hat. Die Super Audio CD, natürlich …
Somit wird die Linie hier unterbrochen. Kein hochauflösender SACD Sound, aber wenigstens dts auf den Bonus-DVDs – womit wir beim nächsten Thema wäre. Die Bonus-DVDs liegen gar nicht für alle Alben vor. The Way We Walk und Three Sides Live gibt es nur in Stereo und Live Over Europe entsprechend auch, da es sich um die ohnehin schon erhältliche 2CD handelt, die man noch im Set platzieren kann. Nur Seconds Out und Genesis Live kommen in den Bonus-DVD Genuss und sind somit auch in Surround zu genießen – wie auch die Bonus CD Live At The Rainbow 1973.
Optik
Man kann sich ja bekanntermaßen über alles aufregen und mit nichts zufrieden sein. Das trifft auch auf die Optik des Live-Box-Sets zu. Nachdem man mit den bisherigen Genesis-Box-Sets das zur Verfügung stehende EMI-Farbspektrum (Grün, Blau und Rot) offenbar komplett ausgereizt hat, wählte man als „Anstrich“ für den vierten Karton eine Auswahl an dunklen Grautönen. Soweit, okay. Aber man setzte dem noch eins drauf und wollte, dass sich die Box noch weiter von den anderen unterscheidet. Und so hat man diesmal darauf verzichtet, Motive der jeweiligen Albumcover durch die Genesis-Logos „scheinen“ zu lassen – es ist schlicht weiß mit schwarzem Rand. Nun gut, eine besondere Box muß dann halt auch nicht besonders zu dem Rest der Serie passen, dachten sich die Verantwortlichen wohl. Also Deckel auf und mal sehen, ob die Drucksachen der einzelnen CDs mit ähnlicher Leidenschaft produziert wurden …
Genesis Live enthält das Original-Artwork in regulärer CD-Box aus Kunststoff. Im Booklet sind Peters abgedrehte Story von der LP-Rückseite und die Infos zu den Tracks abgedruckt – das ist relativ minimalistisch, aber das war das Original 1973 auch. Man hätte das Booklet statt 4-seitig auch 8-seitig machen können und ein paar Bilder von damals und ein paar Worte eines Bandmitglieds als Bonus abdrucken können. Aber okay, Schwamm drüber … Die CD und DVD sind im Look des Charisma-„Pink scroll“-Labels, was immer wieder sehr gut aussieht.
Seconds Out kommt in einer Buch-Hülle mit Einschubplätzen für die CDs/DVD daher … mit einem kleine Fauxpas: Das „G“ von Genesis liegt genau auf dem Buchdeckel-Knick, weil der Schriftzug und das Covermotiv nicht mittig sitzt sondern zu weit links. Das sieht beim Öffnen schlecht aus und wäre leicht vermeidbar gewesen, lieber Herr Peyton bei EMI! Das 28-seitige Büchlein enthält alle Fotos, die auch im LP-Cover enthalten waren und alle Infos zu den Tracks. Zusätzlich ist ein Vorwort von Al Murray abgedruckt, einem britischen Komiker, der ein wenig über seine Liebe zu Genesis und insbesondere dieses Album schreibt. Das ist recht unterhaltend, aber da hier wie im ganzen Set die Interviews mit Bandmitgliedern auf DVD fehlen, wäre doch das eine oder andere (neue) Statement von Banks + Co. eventuell noch netter gewesen. CDs und DVD sind im Look der Erstveröffentlichung, also mit einem Livefoto-Label. Wen das Rein-und-raus-Gefriemel mit den CDs bei Seconds Out (und übrigens auch bei The Lamb Lies Down On Broadway im 70-75-Set) nervt, ein Tipp: Der gut sortierte Fachhandel führt normalbreite 3-CD-Hüllen, die in die Aussparung passen, das Handling erleichtern und vor Verkratzen schützen!
Three Sides Live bekommen wir wie Genesis Live in regulärer CD-Box aus Kunststoff mit Original-Artwork und 4-seitigem Booklet mit den Original-Bildern. Die Infos zu den Songs sind etwas holperig: So sagt die Auflistung, dass Bill Bruford im Cage-Medley bei Slipperman die Drums gespielt habe. Dafür wird Steve Hackett gar nicht als Gitarrist bei it/Watcher … genannt, obwohl die Aufnahme von 1976 stammt. Hm, vielleicht ist Steve ja – was bisher niemand wußte – bei diesem Gig schon vor den Zugaben nach Hause gegangen. Mußte auch dieses Booklet so minimalistisch ausfallen? Fehlte die Zeit für Kommentare oder gibt es keine Bilder von der Tour? Die CDs (DVD gibts ja keine!) sind auch hier in der Optik der englischen LP-Erstveröffentlichung. „Three Sides Live“ in Druckbuchstaben statt in Schreibschrift sieht zwar komisch aus, ist aber authentisch. Ach noch was – Three Sides Live erschien ja nur im UK mit vier LP-Seiten Livemusik, so wie diese Version auch. Auf eingen Export-Exemplaren war das Wort „Three“ überklebt mit einem neonorangen Sticker auf dem „Four“ stand. Wer es hundertprozentig originalgetreu mag, sollte sich das unbedingt noch selbst herstellen und auf das Booklet kleben …
Bei The Way We Walk durfte Chris Peyton bei der Artwork-Adaption etwas kreativer werden, denn aus zwei einzelnen Veröffentlichungen mit leicht unterschiedlichen Coverdesigns sollte ein gemeinsames neues werden. Die schwarzweißen Männchen von The Shorts schafften es auf die Vorderseite des neuen Produkts, während ihre bunten Mitbewerber von The Longs sich nur für die Rückseite qualifizierten. Da EMI neuerdings ja offenbar gerne auf Farbe verzichtet ist das Genesis-Logo nun weder gold noch lila, sondern grau. Im 8-seitigen Booklet (na also, geht doch!) sind nicht alle Bilder der beiden Original-Booklets zu finden. Dann hätte es 12-seitig sein müssen, was vermutlich den Etat gesprengt hätte – also erneut nur Minimal-Infos ohne irgendwelche Extras. Selbst die Angaben zu den drei Bonus-Tracks beschränken sich darauf, dass sie nicht während der We Can’t Dance-Tour aufgenommen wurden. Es interessiert ja auch keinen Fan, ob die nun von 1983, 1986 oder 1987 stammen. Oder sind es vielleicht gar Aufnahmen von der Calling All Stations-Tour 1998 (als Trost dafür, dass diese Tour ansonsten gar nicht in diesem ja so definitiven Genesis-Live-Set berücksichtigt wurde)? Aber es ist gut, dass man uns nicht alles vorsetzt, sondern auch mal dazu motiviert, aktiv am Leben teil zu nehmen und über Internet-Suchmaschinen und auf Fan-Websites nach diesen Informationen zu suchen. CD-Label-Design: Ja, das kann man so machen – das Original war auch kein Brüller.
Für Live Over Europe ist der Platzhalter in der Box breit genug, so dass die vor zwei Jahren veröffentlichte Doppel-CD bequem hinein paßt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Aber die Idee ist genial. Warum hat man dass nicht auch bei Three Sides Liveund The Way We Walk gemacht. Um wieviel billiger hätte man diese Box anbieten können … bei gleichem Sammlerwert für die Fans.
Die Bonus-CD/DVD Live At The Rainbow 1973kommt wie von den anderen Boxen gewohnt in einem dicken Büchlein daher, dass in der Optik des Sets gehalten ist … in diesem Fall also Grau in Grau. Aber kaum schlägt man das Booklet auf, schon hat man die Antwort auf die Frage, warum alles zuvor so grau sein mußte: Die ganze Farbe ist hier gelandet. Auf den Doppelseiten, die die CD bzw. DVD halten, sind unzählige Genesis-Konzerttickets, -Tourpässe und -plakate abgebildet. Mit Hilfe einer Lupe kann man die eine oder andere Rarität darauf ausfindig machen. Die Discs erkennt man kaum, weil sie das selbe Design als Labelaufdruck haben. Hier gibt es mal nichts zu meckern. Danke Chris! Die zahlreichen Fotos im Booklet liefern einen kleinen Abriß dessen, was Genesis von den frühen 70ern bis 2007 auf den Bühnen dieser Welt so alles veranstalten haben. Für den Umfang eines Booklets ist das okay. Auf 18 der 60 Seiten berichtet Philip Dodd (Google weiß wer das ist – ich bis vor fünf Minuten nicht) von seinem Besuch auf The Farm als die Arbeiten an diesem Box-Set dem Ende entgegen gingen und über die verschiedenen Livealben von Genesis bzw. die Tourneen, bei denen sie aufgenommen wurden. Zwischdurch zitiert er des öfteren Tony, Mike, Steve, Phil und Nick Davis, die weitere, oft sehr interessante Anmerkungen zu Live-Songs oder -Shows geben. Dabei wird auch ansatzweise versucht, dem Fan zu vermitteln, weshalb man bei diesem Set einige sehnlichst erwartete Aufnahmen weggelassen hat oder andere hinzu gefügt hat. Das Résumé dessen ist jedoch eine Enttäuschung, denn Tony und Nick gehen davon aus, dass alles „Veröffentlichungswürdige“ mit dieser Box nun veröffentlicht sei und die Fans damit glücklich sein werden. Dabei übersehen sie aber die enorme Diskrepanz sowohl zwischen dem, was an Material vorhanden ist und dem was tatsächlich die Mauern der Farm jemals verlassen hat und in die Läden kam, wie auch zwischen dem was für die Bandmitglieder gute Aufnahmen bedeuten und dem, was die Fans zusätzlich hören möchten. Die Infos zu den Tracks der CD und DVD ergänzen das Booklet um die mindestnotwendigen Informationen. Wann genau das Konzert im Rainbow 1973 stattfand ist ja auch nicht so wichtig bzw. dies herauszufinden, eine von EMI und Tony Smith Personal Management bewußt eingebaute Aufgabe an die Fans, damit diese nicht nur regungslos vor den Lautsprechern verharren und sich von Genesis „live“ unterhalten lassen …
Man kann den Machern nicht vorwerfen, dass sie bei der optischen Gestaltung gepfuscht haben oder ihnen grobe Fehler unterlaufen sind. Aber neben dem Lob für gute Umsetzung der Artworks muß einfach auch die Frage gestattet sein, warum Manches etwas lieblos designt wurde. Unter einer Box für Fans die ansonsten schon alles haben und sich mit allem Bestens auskennen, was eine Band je gemacht hat, stellt man sich ein wenig mehr vor. Es gab einmal einen Werbeslogan, der die passende Botschaft dazu enthielt: „Vielleicht hätten Sie jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt!“
Der Sound
Eine Rezension des neuen Sounds der Live-Alben folgt später.
Autoren: Helmut Janisch (Optik) / Christian Gerhardts (Rest)
Das Set ist am 18.09.2009 inDeutschland erschienen (21.09.2009 (Europa), 29.09.2009 (Nordamerika))
Format: CD/DVD (nur teilweise zusätzlich als DVD) – keine SACD!