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Event 2001: The Lamb Lies Down On Broadway – Bericht
Zum ersten Mal fand 2001 auf Grund des regen Interesses ein 2-tägiges Event statt. Objekt der Begierde war ein Event zum Kult-Album The Lamb Lies Down On Broadway.
Der diesjährige Clubtag in Eichenzell/Welkers am 2./3. Juni fand in etwas veränderter Form statt – wie schon 1996 war Serge Morissette von der kanadischen Coverband The Musical Box (TMB) eingeladen. Damals hatte er die originalgetreue Selling England-Show der Band per Video vorgestellt, und so war es nur konsequent, dass wir diesmal die daran anschließende Lamb-Show präsentiert bekamen, mit der die Band im Herbst 2000 und Frühjahr 2001 durch Quebec und Ontario getourt ist. Aufgrund der großen Nachfrage und der beschränkten Kapazität des zur Verfügung stehenden Saales hat die Präsentation einfach zweimal stattgefunden, mit identischen Programm an beiden Tagen.
Die konkrete Planung und Vorbereitung der Lamb-Tour von TMB hatte bereits 1998 begonnen, aber es erwies sich als nicht ganz so einfach, die nötige Genehmigung von Genesis selber dafür zu bekommen. Zunächst war die Zusage sogar mit der Begründung verweigert worden, dass Genesis selber noch etwas mit der Lamb-Show vorhabe! Das fand Serge aber so unglaubwürdig, dass er nicht lockerließ und dann endlich im Jahr 2000 das OK zu bekommen, unter anderem nachdem Peter Gabriel ein Video der Selling England-Show von TMB gesehen hatte. Allerdings beschränkte sich diese Lizenz nur auf Ontario und Quebec und nur auf ein Jahr. Serge meinte aber, es dürfte wohl kein Problem sein, dies zeitlich und geografisch auszuweiten – aber dazu fehlt es im Moment leider noch an den organisatorischen Vorasussetzungen; außerdem bereitet sich die Band jetzt langsam schon wieder auf eine Neuauflage ihrer Selling England-Show vor.
Das Faszinierendste an ihrer Lamb-Show war wohl die Tatsache, dass sie es geschafft haben, Zugriff auf die Original-Dias der Lamb-Show von 1974/75 zu bekommen! Diese wurden erst nach Anfrage von Serge auf der Fisherlane Farm wiederentdeckt und TMB unter drei Bedingungen zur Verfügung gestellt: sämtliche Original-Dias (über 1000 Stück) mussten in England verbleiben; Serge hatte selber für die Anfertigung von Kopien zu sorgen und er musste alle Dias in chronologischer Ordnung zurücklassen, denn sie waren teilweise unzureichend beschriftet und völlig ungeordnet gelagert gewesen! Man kann wirklich von Glück sagen, dass die Behälter nicht irgendwann vorher schon aus Versehen weggeschmissen wurden!
Bei der Rekonstruktion der Original-Abfolge der Dias waren unter anderem die über 1000 Fotos von Robert Ellis sehr hilfreich, die er damals bei mehreren Lamb-Shows gemacht hatte; dies übrigens als Reaktion darauf, dass Genesis ihm gesagt hatten, sie hätten nicht vor, das Ganze professionell filmen zu lassen. Dazu kamen natürlich noch die verschiedenen 8mm-Privataufnahmen von damals, die Serge im Laufe der Zeit gesammelt hat.
Somit war TMB in der Lage, eine Lamb-Show mit den kompletten Original-Dia-Sequenzen und sämtlichen originalgetreu nachgebauten Kostümen aufzuführen. Was wir nun an Pfingsten im Bürgerhaus Eichenzell zu sehen bekamen, war eine professionell mit mehreren Kameras gemachte Videoaufzeichnung einer kompletten TMB-Lamb-Show von einigen Wochen zuvor aus Quebec City, inklusive der beiden Zugaben Musical Box und Watcher Of The Skies. Dabei wurde deutlich, dass es zum Konzept der Band gehört, die Musik so zu spielen, wie sie auf dem Studio-Album zu hören ist und nicht so, wie sie von Genesis selber live aufgeführt wurde – TMB lässt die live-typischen Übergänge zwischen einigen Stücken weg und The Waiting Room ist auch nur 5 bis 6 Minuten lang und nicht bis zu 10 Minuten, wie Genesis das teilweise gegen Ende der Tournee geboten hat. Davon abgesehen, gibt es aber an der TMB-Version der Lamb-Show wirklich nichts zu meckern!
Für mich eindeutig noch faszinierender war allerdings der andere große Programmpunkt des Events, nämlich ein 90-minütiges Video von Serge, das die Original-Show so detailliert wie möglich darstellte, und zwar mittels einer Aneinanderreihung unzähliger Fotos von damals, in die sämtliche Dias an der entsprechenden Stelle eingeblendet waren, so dass man die komplette Diashow sehr gut verfolgen konnte. Dazu kam der Soundtrack von den Soundboard-Aufnahmen aus Lakeland und Wembley und es waren sämtliche verfügbaren 8mm-Film-Schnipsel an der jeweils genau passenden Stelle eingefügt – und das war eben das wirklich fast unglaubliche daran: bei allen Szenen, wo man Gabriels Mundbewegungen zumindest erahnen konnte oder auch nur bestimmte Gesten sah, passten die Musik und der Text haargenau dazu! So konnte man die mehr oder weniger bekannten Ausschnitte von L.A., Grand Rapids, Hamburg und Liverpool zum ersten Mal so sehen, dass man wirklich wusste, was genau das eigentlich war! Serge hat fünf Monate für diese extrem aufwendige Synchronisationsarbeit benötigt!
Für viele Anwesenden die größte Überraschung war sicherlich das bisher unbekannte Kostüm, das Gabriel am Anfang von Waiting Room anhatte und das man ganz kurz auf dem Liverpool-Film sehen kann (und natürlich in voller Länge bei jeder Lamb-Show von TMB): es ist eine Art Dracula-Verkleidung, ganz in schwarz und mit grotesk langen Fingern, mit denen Gabriel hinten auf der Bühne wild herumfuchtelte und sich dabei so bestrahlen ließ, dass er nur als Schatten auf dem Bühnenhintergrund zu sehen war.
Zusätzlich gab es von Serge noch eine 15-minütige Dokumentation über die Entstehungsgeschichte von Lamb-Album und der Bühnenproduktion sowie einige Einzeldias mit weiteren Originalfotos, darunter auch ein Schwarzweißbild der übermäßigen Explosion vor it in Oslo, wegen der die Band vor Schreck zu spielen aufgehört hatte und einige Bilder aus Hamburg vor Beginn der Show, wo man die Bühne von schräg oben bei Saalbeleuchtung sehen konnte.
Anschließend stand Serge dann noch für unsere Fragen zur Verfügung, die natürlich zahlreich und auch manchmal sehr detailliert waren (unter anderem wurde heftig über die Zeit diskutiert, die man beim Slipperman-Kostüm für das Aufblasen der beiden Ballons in der Körpermitte braucht…); auch gab es immer wieder spontanen Applaus für Serge und einige Teilnehmer haben sich auch noch mal einzeln und ausdrücklich für Serges Leistungen bedankt.
Es waren auch einige Gäste aus dem Ausland da, insbesondere aus Italien, und einige aus den USA und der Schweiz. Einige kannte ich schon von den englischen Fan-Conventions G99 und G2, und es war natürlich ein zusätzlicher Reiz dieses Events, sich mit solchen Ober-Freaks mal wieder ausführlich austauschen zu können.
Übrigens gab es auch diesmal wieder eine beeindruckende Ausstellung der verschiedensten Memorabilia, die natürlich alle mit The Lamb zu tun hatten, unter anderem zahlreiche Originale von Konzertpostern, Original-Eintrittskarten, und Konzertberichte aus Musikzeitschriften von damals. Einige Plattenhändler hatten auch wieder eine große Auswahl an seltenen CDs und LPs dabei.
Leider ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, dass die von Serge gezeigten und produzierten Videos jemals irgendwie verbreitet oder verkauft werden könnten; er selber begründet das mit den komplizierten Copyrights, die auf Musik, Text, Dias und sonstiger Bühnenproduktion bestünden. So galt denn auch ein strenges Verbot für jegliche Ton- und Videoaufnahmen während der Präsentation.
Umso wichtiger und richtiger war es natürlich, sich diese einmalige Veranstaltung nicht entgehen zu lassen – und dafür gebührt mein herzlicher Dank nicht nur Serge Morissette sondern mindestens genauso sehr unseren unermüdlichen Helden Helmut, Peter und Bernd!
Autor: Volker Warncke