- Artikel
- Lesezeit ca. 3 Minuten
Tony Levin – From The Caves Of The Iron Mountain (feat. Jerry Marotta und Steve Gorn) – Album Rezension
Dieses 1997 veröffentlichte Album wurde komplett in einer alten Zement-Mine aufgenommen, der Widow Jane Mine in den Catskill Mountains. Harald Köhncke nähert sich diesem Werk.
Bei Tony Levin muss durch sein erstes Soloalbum World Diary irgendwie der Knoten geplatzt sein, denn seitdem hat er sowohl solo als auch mit anderen eigenen Projekten zahlreiche weitere Platten herausgebracht.
Dieses 1997 veröffentlichte Album wurde komplett in einer alten Zement-Mine aufgenommen, der Widow Jane Mine in den Catskill Mountains. Levin hatte gehört, dass in der Mine manchmal Konzerte stattfinden und sah sich bei einer Besichtigung vom Sound und Ambiente inspiriert. Und er suchte nach einer Gelegenheit, wieder mit Jerry Marotta zusammen zu spielen, mit dem er sieben Jahre lang in Peter Gabriels Band gewesen war (bis Marotta durch Manu Katché ersetzt wurde).
Da die Höhle lediglich eine halbe Autostunde von Levins Wohnort im Bundesstaat New York entfernt liegt und Jerry Marotta ebenfalls aus der Gegend kam, war die Gelegenheit gekommen. Auch der dritte im Bunde, Steve Gorn, hatte es nicht weit. Gorn spielt auf dieser CD Bansuriflöte, Okarina (Gefäßflöte), Saxophon und Klarinette. Marotta hat die (indianischen) Taos-Trommeln und die Perkussion im Griff und Levin ist wie immer am Stick und an elektrischem und akustischem Bass zu hören. Produzent war Tchad Blake (Peter Gabriel und viele, viele mehr), der den besonderen Klang der Instrumente „im Berg“ durch eine binaurale Aufnahme einzufangen versuchte – d.h. mit einem Doppelmikrofon, das einem menschlichen Kopf ähnelt. Aus diesem Grund ist auf dem Digipak der Tipp zu lesen, die CD am besten per Kopfhörer zu hören.
Alle Songs wurden zunächst in Zweierteams komponiert (wenn man das so nennen will) und arrangiert, die Livedarbietung in der Höhle wurde dann an zwei Tagen aufgenommen und mit spontanen Improvisationen angereichert. Anschließend wurde das Material für die CD aus den Aufnahmen ausgewählt.
Die entstandene Musik ist ungewöhnlich und deutlich entfernt von herkömmlichen Songs. Einzelne Stücke herauszunehmen erscheint nicht sinnvoll.
Grundsätzlich wurde unter der Devise „less is more“ musiziert und so ist manchmal nur ein einziges Instrument zu hören oder die Töne folgen gemächlich aufeinander. Jedenfalls keine Musik zum Aufputschen.
Der Höreindruck ist eher der einer tribalistischen Beschwörungsmusik mit Einflüssen von Klassik. Das mag auch ein wenig unter den sehr übergreifenden Begriff „Weltmusik“ fallen, aber tatsächlich werden hier zwar traditionelle Instrumente eingesetzt (von Gorn und Marotta), jedoch wird keine traditionelle Musik gespielt.
Jerry Marotta bezeichnete seine Taos-Drums scherzhaft als „Familie Feuerstein-Schlagzeug“ und zusammen mit der Darbietung in einer Höhle erweckt das die Assoziation: Steinzeitmusik. Nun weiß niemand wie sich Steinzeitmusik anhörte, aber Sound und spärliche Instrumentierung haben tatsächlich etwas archaisches.
Das binaurale Aufnahmeverfahren ermöglicht im Stereokopfhörer eine Art Raumklang und dieser kann die Aufmerksamkeit des Hörers binden, ist aber nicht mit 5.1 Surround o.ä. vergleichbar.
Abschließend muss man sagen, dass solche Musik wie auf dieser CD sicher nicht jedem gefällt. Gut eignet sie sich eindeutig zum Abschalten vom Alltag und (so man denn will) zum genauen Zuhören. Es mag hilfreich sein die eingesetzten Instrumente zu mögen und einem freien, hier fast avangardistischen, Ansatz gegenüber aufgeschlossen zu sein. Hervorzuheben ist auch, dass die Musik keinerlei kommerzielle Absichten verfolgt und Einblicke in die Kreativität der beteiligten Musiker ermöglicht.
Details am Rande: Glass Beads nutzt die exakt selben Stick-Figuren wie L’Abito Della Sposa, das Tony Levin mit Ivano Fossati für dessen LP Macramé 1996 komponiert hatte (auch enthalten auf Double Espresso, dem Livealbum der Tony Levin Band).
Shepherd’s Song ist in einer gekürzten Version auf der Kompilation Sometimes God Smiles: The Young Persons‘ Guide To Discipline Volume IIzu hören, die vielleicht King Crimson Fans bekannt sein dürfte.
Die CD ist in den USA bei Levins Label Papa Bear Records erschienen und im UK bei Discipline Global Mobile. Die DGM CD enthält als Bonus noch ca. 17min Videomaterial über die Aufnahmen (in für heutige Verhältnisse sehr bescheidener Qualität). Laut Info auf der Papa Bear CD konnte man früher auch ein 35 minütiges „Making-of“-Video auf der Homepage herunterladen (das es auch als VHS gab).
Autor: Harald Köhncke (Mai 2019)