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Tony Banks – The Fugitive – Rezension

1983 erschien das zweite Soloalbum von Tony Banks. The Fugitive war direkter als sein Vorgänger und Tony Banks sang alle Songs selbst. Tommy Ender hat genauer hingehört.

Im Juni 1983, kurz bevor Genesis ihr gleichnamiges Album veröffentlichen sollten, erschien das zweite Soloalbum des Keyboarders und kreativen Kopfes von Genesis, Tony Banks.

Im Gegensatz zu seinem Debütalbum A Curious Feeling, finden sich auf The Fugitive viel eingängigere Stücke. Die große Besonderheit: Tony singt Songs selbst. Beim vorigem Konzeptalbum, sang ein gewisser Kim Beacon alle Songs. Da A Curious Feeling in Tonys Augen aber nicht besonders erfolgreich war, schien es für ihn auch sinnlos, dieses Projekt fortzusetzen.

the-fugitiveWarum sang nun Tony alle Songs selbst? Zum einem wollte er sich mit seinen Songs identifizieren, zum anderen wollte er es selbst einmal erfahren, was es heißt, ein Sänger zu sein. Wie sein Bandkollege Phil Collins, nahm er zu Hause Demos auf. Die Stücke wurden von Tony im 8-Spur-Verfahren aufgenommen und anschließend im hauseigenem Studio „The Farm“ durch Gasteinspielungen erweitert und schließlich dort abgemischt.

Auf dem Album wirkten verschiedene Gastmusiker mit. Daryl Stuermer, der (Live-)Gitarrist von Genesis und Phil Collins, ist an der Gitarre vertreten. Weitere Musiker sind Mo Foster (E-Bass), sowie Tony Beard, Steve Gadd und Andy Duncan bei verschiedenen Stücken – jeweils am Schlagzeug. Produziert wurde das Album von Tony Banks selbst. Co-Produzent war Stephen Short, der auch schon am Produktionsprozess von Wind & Wuthering beteiligt war. The Fugitive ist ein fast reines Pop- und Soft-Rock Album. Fast deshalb, weil auf dem Album zwei interessante Instrumentalstücke mit durchaus leichten progressiven Einflüssen vorhanden sind.

Die Analyse der einzelnen Songs

This is Love

This is Love wurde zur ersten Single. Der Text wurde absichtlich einfach gehalten, um Tony die Arbeit zu erleichtern. Der Song geht sofort ins Ohr. Zu dem Song gab es sogar ein Musikvideo, welches aber leider das einzige aus dieser Phase ist. Was man noch wissen sollte: Auf der 12″-Single gab es eine Extended-Version, welche aber nie auf CD erschien. Gleiches gilt auch für die zweite Single And The Wheels Keep Turning.

Man of Spells

Nachdem wir mit This is Love einen starken Opener hatten, folgt nun ein mystisches Lied über die Welt der Zauberer. Der Song ist textlich interessant, die Gesangsleistung zufriedenstellend. Für so manchem wurde dieses kleine Liedchen zum Geheimtipp.

And The Wheels Keep Turning

Mit And The Wheels Keep Turning haben wir auch gleich die zweite Single. Dieser Song mit einem kleinen Instrumentalteil in der Mitte, ist durchaus radiotauglich und sorgt für gute Laune. Die Gesangsleistung ist durchaus hörenswert.

Say You’ll Never Leave MeTony 1982

Say You’ll Never Leave Me ist eine waschechte Herzschmerz-Ballade à la Tony Banks mit Ohrwurm-Potential. This is Love hat es ja schon etwas angedeutet, wenn aber auch etwas poppiger. Hier bewegt man sich knapp an der Kitsch-Grenze und auf Dauer kann einem der Song etwas auf die Nerven gehen. Zugegeben, der Song fällt qualitativ etwas zurück. Man hätte auch drauf verzichten können.

Thirty Three’s

Thirty Three’s ist das erste der zwei Instrumentalstücke des Albums. Hier wimmelt es nur so von Keyboard-Sounds und verschiedenen Rhythmen. Dieses Instrumental erinnert manch einem an das Stück From the Undertow aus A Curious Feeling, was in gewisser Weise diesem Stück sehr ähnelt. Thirty Three’s ist sicherlich nicht der beste Track des Albums, aber man sollte es sich zumindest einmal anhören und in diese Klangwelten eintauchen. Wie es noch besser laufen kann, zeigt das dann zweite Instrumentalstück Charm.

By You

Dieses Stück basiert auf einem sich wiederholenden Keyboard-Bass, der einen etwas an den DX 7-Bass bei Land of Confusion erinnert. Chorähnliche und an Stimmen erinnernde Sounds werden hier verwendet und miteinander vermischt. Die hohe Stimme Banks mag nicht jedem gefallen und sicher kann einem dieser Song auch auf Dauer etwas auf die Nerven gehen, trotzdem sollte man sich den mal Track anhören.

At the Edge of Night

Hier darf es mal etwas rockiger zugehen. Positiv: Daryl Stuermer bekommt ein kleines Gitarren-Solo. Dadurch entsteht nicht der Eindruck, dass man nicht nur von Keyboard-Sounds umschwirrt wird, was bei so manchen Banks-Solokompositionen häufig der Fall ist. So entsteht ein insgesamt sehr homogener Song. Mit über 6 Minuten haben wir hiermit auch den längsten Track der LP/CD. Die Gesangsleistung ist beachtlich und verdient somit Respekt. At the Edge of Night sorgt für gute Laune und wäre in verkürzter Form als Single sicher nicht schlecht gewesen.

TonyCharm

Mit diesem „charmigen“ Instrumentalstück haben wir eine ganz besondere Perle des Albums. Basierend auf einem Drumcomputer werden verschiedene Keyboard-Sounds gespielt und auch Daryl Stuermer lässt sich hören.

Charm ist eines der besten Stücke des Albums und absolut hörenswert. Man hört hier auch sofort heraus, wer der kreative Kopf von Genesis ist. Banks kann es eben doch nicht ganz lassen und liefert uns ein richtig gutes Instrumentalstück.

Moving Under

Mit Moving Under haben wir den letzten Track der LP. Mit 6 Minuten haben wir auch den zweitlängsten Song des Albums. Wieder einmal leistet die Gitarre einen nicht unerheblichen Beitrag und man hört auch einige echte Schlagzeugsounds heraus. Das Fadeout ist sehr gelungen. Moving Under ist eine der Perlen des Albums und meiner Meinung nach sehr ausgewogen, was die Instrumentierung angeht. Auch dieses Stück hätte man in einer verkürzten Variante als Single herausbringen können. Schade!

K2 und Sometime Never

Diese beiden Songs erschienen damals als Bonustracks der CD-Variante. Auf der LP waren diese nicht vorhanden. Sie erschienen 1986 als B-Seiten-Tracks der Single Shortcut to Somewhere welches Tony Banks damals mit dem Marillion-Sänger Fish herausbrachte. Die Songs sind allesamt belanglos, tun nicht weh, fallen aber qualitativ hinter den meisten Songs des Albums ab.

TonyFazit – was bleibt?

Mit The Fugitive erschien das zweite Soloalbum des Genesis-Keyboarders (Das Instrumental-Album The Wicked Lady ausgeschlossen). Mit At the Edge of Night, Charm, Moving Under und der Erstsingle This is Love befinden sich sehr gute Track auf dem Album. Soundtechnisch klingt das Album typisch nach den 1980er Jahren. Manche Songs wie z.B. der Opener klingen typisch nach den Sachen Nik Kershaws. Es ist zwar größtenteils Popmusik, die uns hier präsentiert wird, dafür aber teilweise auf hohem Niveau. Und die Instrumentaltracks sprechen für sich.

Das Album war ähnlich wie die späteren Soloalben nicht sehr erfolgreich, obwohl das Potential sehr groß war. Leider erschien das Album seiner Zeit nicht in den Charts. Auch die Single-Auskopplungen waren nicht in diesen vertreten. Das Problem ist, wie eben bei vielen Soloprojekten Tonys, dass sie einfach zu „verkrampft“ sind. Er hätte lieber Kompositionen für die alten Genesis-Fans machen sollen, dem Massengeschmack Beachtung zu schenken?

Die meisten Songs sind meiner Meinung nach schlecht gealtert. Ich mag zwar Tonys Stimme, sie passt aber eben nicht immer zu den Songs. Das Album ist trotzdem hörenswert und ähnlich, wie auch das spätere Album Still bestens geeignet, um in das Soloschaffen Tony Banks‘ einzutauchen.

Autor: Tommy Ender

Quellenangaben:
Discogs.com: Tony Banks ? The Fugitive, abgerufen am 12.02.2012.
Informationen zum Album auf den Babybalue-Seiten.de