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Tony Banks – Strictly Incomparable – im Interview, 5. September 1995
Anlässlich seines Albums Strictly Inc. sprachen wir mit Tony Banks in einem ausgedehnten Interview.
5. September 1995, per Telefon
it: Was hast Du zwischen dem Ende der We Can ‚t Dance-Tour und dem Beginn der Arbeiten am neuen Album gemacht?
Tony: Ich begann am Ende der We Can ‚t Dance-Tour, einiges Material zu schreiben, das auf dem neuen Album ist, und beendete die Arbeit an den Aufnahmen – alles was mit der Musik selbst zu tun hat – vor einigen Monaten. Ich habe viel speziell dafür geschrieben, aber auch eine Menge anderes Material, das nicht auf dem Album ist. In letzter Zeit war ich dann mit Videoaufnahmen beschäftigt und allem, was sonst noch so gemacht werden musste.
it: Die Arbeiten am Album begannen also während der We Can’t Dance-Tour?
Tony: Das nicht direkt, nein. Auf dem Strictly Inc-Album sind eine Menge Ideen enthalten, die noch von den We Can’t Dance-Sessions stammten und nie weiterverfolgt wurden. Eine davon wurde zu dem Stück Only Seventeen, und die andere endete als Teil des langen Stückes am Schluss.
it: Hast Du nach der We Can’t Dance-Tour an Projekten anderer Künstler mitgearbeitet?
Tony: Nein, ich habe mit niemandem sonst etwas gemacht.
it: Hast Du etwas anderes versucht, wie z. B. Filmmusik, …?
Tony: Nein, ich habe es allerdings versucht. Ich habe ein paar Filmscripts geschrieben, und ich war in Kontakt mit einigen Leuten. Aber das hat nicht geklappt. Ich bin immer noch daran interessiert, aber es ist sehr schwierig, solche Jobs zu bekommen.
it: Wie entstand das Album, und wie fing alles an?
Tony: Nun, es fing natürlich mit der Musik an. Ich spielte so vor mich hin, und dann begann ich, Dinge aufzunehmen. Das war zu Hause, und ich benutzte dazu den Computer. So kam es, dass ich den Großteil der Basis wirklich hier bei mir machte. Dann brachte ich alles ins Studio und übertrug es auf Mehrspurer. Dort fügten wir dann Dinge wie das Schlagzeug und ein wenig Gitarre hinzu. Dann schrieb ich die Texte, und zum Schluss nahmen wir den Gesang auf. Die Texte kamen somit also zuletzt. Einige davon schrieb Jack Hues von Wang Chung, mein „Mitarbeiter“ bei diesem Projekt.
it: Ist Strictly Inc. der Name der Band oder Titel des Albums?
Tony: Es ist wohl irgendwie beides. Momentan ist das Album Strictly Inc. betitelt. Man kann sagen, es ist wirklich eine Art Projekt, das weitergehen kann, wenn wir wollen, dass es weitergeht. Das hängt wirklich ein wenig davon ab, was passiert. Es ist der Albumtitel, und es ist der Name, den wir uns beiden, als eine Art Duo, gegeben haben.
it: Also ist es eine Art neue Band, ein zweiter Versuch nach Bankstatement?
Tony: Ja, es ist tatsächlich so. Es ist eine ähnliche Situation mit dem Sänger. Falls wir weitermachen, wird Jack eine etwas stärkere Rolle spielen, weil er ein sehr guter Musiker und ein guter Schreiber ist. Auf diesem Album macht er außer Singen und Gitarre-Spielen nicht viel. Aber er ist auch ein guter Schreiber.
it: Das Kürzel „Inc.“ für „Incognito“ klingt etwas wie ein Firmenname …
Tony: Es ist in der Tat die Abkürzung für „Incognito“. Wir beschlossen, uns nicht Strictly Incognito zu nennen, weil es bereits eine Band namens Incognito gibt, und das wäre etwas verwirrend gewesen. Aber es kann für alles stehen, was immer man will. Es kann für „incomprehensible“ oder „incomparable“ stehen. Es kommt ganz auf den jeweiligen Standpunkt an.
it: Wir haben gehört, der Grund dafür, dass das Album nicht Deinen Namen trägt, sei, dass in den letzten Jahren so viele Alben aus dem Genesis-Umfeld veröffentlicht wurden, dass es momentan klüger wäre, Strictly Inc.nicht so offensichtlich als ein neues Tony Banks-Album zu vermarkten.
Tony: Nun, ich denke, ich habe in der Vergangenheit einige Soloalben auf die eine oder andere Art gemacht. Um ehrlich zu sein, keines war in der Lage, mehr zu sein, als etwas für die treuen Fans der Gruppe. Manchmal glaube ich, die Leute haben Vorurteile gegenüber Soloalben von jemandem, und es ist recht schwer, daraus auszubrechen. Dem Ganzen einen Bandnamen zugeben, hilft irgendwie, etwas anders darüber zu denken. Ganz offensichtlich war Mike & The Mechanics da gut gewählt. Aber es ist die Art von Sachen, die man ausprobiert und abwartet, was passiert.
it: Hältst Du den Namen für eine gute Idee?
Tony: Ich glaube, es ist eine gute Idee, aber ich denke deswegen nicht unbedingt, dass es funktioniert. Wir sagen, es ist Strictly Inc., aber natürlich stehen unsere Namen drauf. Wir machen kein Geheimnis daraus, wer in der Band ist: Das bin ich, und es ist Jack Hues. Ich glaube wirklich nicht, dass es einen großen Unterschied macht. Da ich nicht der Sänger auf dem Album bin, kann man es wirklich nicht „Tony Banks“ nennen, und „Tony Banks & Jack Hues“ erscheint mir etwas plump.
it:Wieviele Stücke wurden insgesamt aufgenommen?
Tony: Zehn Songs sind auf dem Album, und an einem weiteren arbeitete ich bis zur Vervollständigung. Ich habe noch andere Sachen, die aber nicht fertig gestellt wurden.
it: Also ist nicht viel übrig, was eine „Single-B-Seite“ werden könnte?
Tony: Da ist dieses Stück, das ich mit Nik Kershaw geschrieben habe. Er schrieb den Text. Es ist ein vernünftiger Song, aber wir dachten, es ist eher etwas, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, und so ließen wir ihn weg. Es ist wahrscheinlich aus manchem Grund kein so gutes Stück, aber es klingt ganz gut. Es steht also für eine B-Seite zur Verfügung. Dann habe ich einige Instrumentals geschrieben. Eines davon ist wohl zu gut, um es für eine B-Seite zu verwenden. Es hat mehr Potential. Das andere Instrumental ist nicht so gut bzw. ich bin nicht so begeistert davon. Das könnte also auch als B-Seite enden.
it: Kannst Du ein wenig über die einzelnen Songs erzählen, wie z. B. deren Arbeitstitel lauteten und wie sie entstanden …?
Tony: Ja sicher. Das Stück Don ‚t Turn Your Back On Me eröffnet das Album. Es ist eine der einfacheren Nummern – eine Art direkter Opener. Ursprünglich hieß es Quelle – das französische Wort für „was“. Ich nannte es Quelle, weil ich diesen Drum-Rhythmus hatte, der ursprünglich Quehieß, was in Spanisch „was“ bedeutet. Es ist etwas kompliziert, ich weiß! Ich hatte also diesen Rhythmus Que, aus dem nichts wurde und auf dem ich übrigens zwei oder drei andere Teile schrieb. Eines davon war Que, was dieses Stück ist, und ein anderes war Quandobetitelt, was auf Italienisch „wann“ heißt und als Never Let Me Know auf dem Album endete. Wenn man sich beide Stücke anhört, merkt man, dass sie exakt dasselbe Tempo haben – denselben Rhythmus.
Das zweite Stück ist Walls Of Sound: Der Arbeitstitel davon war Rope. Es gab da einen anderen Song namens Rope, der aber in der Versenkung verschwand. Ich verwendete nur einen kleinen Teil davon, und daraus wurde das eigentliche Stück. In mancher Hinsicht ist das mein Lieblingslied auf dem Album. Es ist etwas ruhiger und geht recht schnell durch die Akkorde, was wohl traditionelle Tony Banks-Art ist. Da ist eine Art Drum-Rhythmus, der zügig durch das Ganze hindurchgeht. Ich mag diese Kombination sehr. Ich versuchte, etwas zu machen, das an den Crowded Hause-Song Private Universeerinnert, den ich mag.
Der dritte Song ist Only Seventeen, die erste Single. Dieser hieß ursprünglich Dot Echo. Wir hatten während der Genesis We Can ‚t Dance-Sessions diese kleine Idee, die nicht von mir kam. Es war allerdings nur eine Art Echo, und es war etwas, was ich verwenden wollte. Wir versuchten ein paar Dinge damit, aber nichts klappte einigermaßen. Aber als ich solo arbeitete, verwendete ich diesen Rhythmus und machte einen Song daraus – bzw. eine etwa 20-minütige Improvisation, die ich zusammenkürzte und aus der ich dann einen Song machte, und das ist, was man auf dem Album findet. Ich bin nicht sehr zufrieden, was dabei herausgekommen ist. Ich dachte, es sei eine recht gute Single, aber es scheint hier nicht viel Aufsehen zu erregen. Mal sehen, was damit noch passiert.
Das nächste Stück heißt The Serpent Said. Es ist komisch mit diesen Arbeitstiteln. Ich habe Probleme, mich nach all den Monaten an sie zu erinnern. Es ist ein düsteres Stück. Ich vermute, es erinnert an manche Momente in Kashmir oder Squonk. Ich mag diese schweren Sachen. Einige Leute sagen, es ist eher traditionell, beinahe Genesis-ähnlich. Es erinnert auch an Lion Of Symmetry, das ich mit Toyah gemacht habe. Es hat wohl einen Hauch davon.
Nächstes Stück ist Never Let Me Know, das, wie ich schon erwähnte, Quando hieß. Es ist wahrscheinlich, obwohl anders als das Schlussstück, das andere etwas musikalisch komplexere Stück. Es geht im Mittelteil durch einige Wechsel. Die Idee war, ein Stück aufzubauen, das auf einen gewissen Höhepunkt zuläuft, um es dann wieder dorthin zurückzuführen, wo es begann.
Mit Charity Balls geht es weiter, glaube ich. Der Arbeitstitel davon war Newt. Der Grund dafür ist, dass es mich ein wenig an das Genesis-Stück Do The Neurotic erinnerte. Das Riff darauf ist dem etwas ähnlich. Es ist ein Stück, das erst richtig anfing zu leben, als wir es aufnahmen. In mancher Beziehung ist es der andere sehr einfache Song auf dem Album und möglicherweise die nächste Single. Es ist ziemlich simpel und hat nur zwei Teile – was für mich den Unterschied macht. Normalerweise habe ich einen dritten, vierten oder sogar fünften Teil, was es für manche Hörer schwierig macht. Der Text ist recht humorvoll. Es geht um politische Unüberlegtheiten – oder nicht unbedingt um politische – es kann jede Art von Paranoia sein, denke ich.
Danach folgt Something To Live For. Das Stück ist im 7/4-Takt, was ich seit einer Weile nicht mehr gemacht habe, weil man gerade bei Drum-Maschinen dazu neigt, mit einem 4/4-, 3/4- oder 6/8-Takt zu arbeiten. Ich habe das eines Tages ausprobiert, um ein Riff aufzubauen, und habe ein wenig herumimprovisiert. Ich hatte drei unterschiedliche Ideen und sprang von einer zur anderen, um einen Song daraus zu machen. Ich bin recht zufrieden, was dabei herausgekommen ist, weil es sehr natürlich klingt, und das Schlagzeug ist ebenfalls wirklich gut. Schlagzeuger bei diesem Album ist John Robinson, ein amerikanischer Session-Drummer. Er ist am besten bekannt durch seine Arbeit auf Steve Winwoods Album Back To The Highlife, aber er hat schon bei Unmengen von Alben mitgewirkt.
A Piece Of You ist das nächste Stück. Es ist eines der beiden, für die Jack den Text geschrieben hat. Der Song erzählt von einem Fotografen. Ich versuche mich zu erinnern, wie das Stück hieß… ich komme nicht drauf. Das ist schon merkwürdig. Ich kann mich nicht mehr an die Arbeitstitel erinnern. Es ist ein ruhiges Stück – ein Werk, basierend auf Piano als Ansatz für den Song. Ich glaube, es erinnert etwas an ruhigere Genesis-Songs – ein Hauch von Hold On My Heart oder auch etwas älterem.
Das nächste Stück ist der Titelsong, Strictly Incognito. Der witzige Text stammt wiederum von Jack. Er handelt von einem Mädchen in Amerika mit einer gespaltenen Persönlichkeit und einem Kerl, der beschuldigt wird, Sex mit einer Minderjährigen gehabt zuhaben, weil eine der Persönlichkeiten des Mädchens eine Minderjährige ist. Sie ist allerdings 28 Jahre alt. Es ist eine wahre Geschichte, und der Typ musste tatsächlich ins Gefängnis. So etwas konnte wohl nur in Kalifornien passieren, wo dieses Geschichte spielt. Ursprünglich hieß das Stück Be My Girl, weil sich das Haupt-Riff im Hintergrund irgendwie wie „Be my girl, be my girl, … “ [Tony singt diese Passage] anhört. Es ist nicht sehr originell, ich weiß, aber so hieß das Stück. Auf dem Stück ist keine Gitarre enthalten. Was man hört, ist in Wirklichkeit Keyboard. Das trifft übrigens auch für einige Gitarren-Passagen auf anderen Titeln zu.
it:Warum dieses?
Tony: Bei den Demos benutzte ich das Keyboard für die Gitarrenparts, und als wir ins Studio gingen, waren wir der Meinung, es würde sich gut anhören, und darum blieb es dabei. Das gilt auch für andere Songs, die ähnliche Gitarren-Teile haben. Einige klingen etwas mehr nach Keyboard als andere. Eines ist auf Something To Live For. Das Solo darauf klingt etwas nach Gitarre, aber ist ebenfalls Keyboard. Das einzige echte Gitarrensolo auf dem Album ist das auf Charity Ball, welches Jack spielt, und natürlich das im letzten Song, wo wir einen Gastauftritt von Daryl Stuermer als Gitarrist hatten.
Dieses letzte Stück ist An Island In The Darkness, das 18-minütige Werk. Ich glaube, ich nannte es Long John, was im Englischen die Bezeichnung für eine lange Unterhose ist. Ich schrieb das Ganze auf dem Piano, und als ich es ursprünglich aufnahm, legte ich das Piano unter alles – was darüberliegt, sind quasi Overdubs. Es ist das erste Mal seit langem, dass ich ein echtes Piano als Basis für einen Song wie diesen benutzt habe. Das ergibt wohl einen eher altmodischen Beigeschmack, irgendwie mehr wie frühe Genesis. Es erinnert vielleicht an Firth Of Fifth und ein paar andere Dinge. Ich bin zufrieden mit dem Endergebnis. Zum Ende hin enthält es ein großes Gitarrensolo, das Daryl spielt. Diese Spielweise ist etwas außerhalb von Jacks Repertoire. Das andere Stück, bei dem Daryl Gitarre spielte, ist Walls Of Sound. Der Rest wurde von Jack gespielt. Ein weiterer Musiker auf dem Album ist Nathan East, der bei einigen Songs Bass spielte. Er kam zusammen mit Daryl von London hierher. Die beiden waren mit Phil auf Tour, und da es Nathan wohl etwas langweilig war, kam er mit, um zu sehen, was hier vor sich ging. Letztendlich kam Nathan dann mehr zum Einsatz als Daryl, allerdings nur, weil ich mit Jack bereits einen Gitarristen hatte. Nathan spielte bei vier Stücken Bass. Es war ein schönes Erlebnis. Er ist eine treue Seele und auch ein sehr guter Bassist. Er fügte bei einigen Stücken einen etwas anderen Stil hinzu.
it: Du hast eben schon ein wenig über die neue Band gesagt, die in der Tat komplett neu ist, mit Ausnahme von Daryl. Wie kamst Du zu John Robinson?
Tony: Ursprünglich wollte ich Vinnie Colaiuta nehmen, der auch auf dem letzten Album spielte. Wir verstanden uns gut, und ich mochte seine Arbeit. Aber zu der Zeit, als ich das Album machte, war er mit Sting unterwegs, und obwohl es vorgesehen war, ihn zu nehmen, schien es immer schwieriger zu werden. Zu guter Letzt sagte ich: „Vergessen wir’s.“ John wurde mir als jemand empfohlen, der den Job machen könnte. Ursprünglich beabsichtigten wir, ihn nur für ein paar Songs zu nehmen, und Vinnie sollte später hinzukommen. Aber dann beschlossen wir, John alles spielen zu lassen, weil er so gut war. Er spielt eher gerader heraus als Vinnie, aber er hat ein wirklich gutes Feeling, und das schien absolut richtig für dieses Album zu sein.
it: Und wie kamst Du zu Jack? In einer Virgin-Biographie stand, dass Du eine Aufnahme von Jacks eigenem Material bekamst.
Tony: Das stimmt. Nick Davis, der mit uns – Genesis und mir – zusammen arbeitete, hatte ein oder zwei Jahre zuvor ein Album mit Jack gemacht, das allerdings nicht herauskam. Als ich über mögliche Sänger nachdachte, sagte Nick zu mir, ich solle mir einmal etwas von Jack anhören, weil er ihn für sehr gut hielt. Also hörte ich mir das Tape an, und seine Stimme klang sehr vielversprechend für mich. Ich ließ ihn, neben einigen anderen, vorsingen, und er war zweifelsohne der Beste. Die Sänger waren alle gut, aber er war derjenige, bei dem ich das Gefühl hatte, er könne den Job machen. Er war Mitglied der Band Wang Chung, die Mitte der ’80er für ein oder zwei Jahre in Amerika recht erfolgreich waren. Ich weiß nicht, wie das in Deutschland war, aber in England hatten sie mit Dance Hall Dayseinen großen Hit. Er war Sänger und Autor dieses Songs neben anderen. Er hat also einen guten „Stammbaum“. Auf dem Album hört er sich wirklich gut an. Seine Stimme klingt irgendwie wie die von mir, aber er kann sie besser kontrollieren – es ist eine sehr viel bessere Stimme als meine. Das bedeutet auch, dass alles, was ich bei den Demoaufnahmen selbst gesungen hatte, sich sofort richtig anhörte, als er es sang. Das ist der Vorteil einer solchen Situation.
it: Die Stimme passt wirklich gut zu der Musik.
Tony: Ja, ich bin zufrieden damit, wie sich das alles ergeben hat.
it: Nathan spielte also auf ein paar Stücken des Albums und Daryl gar nur auf zwei …
Tony: Nun, anfänglich schien es, er würde mehr auf dem Album vertreten sein, aber er war andauernd mit Phil unterwegs. Dementsprechend schwer war es, ihn zu bekommen, und Jack ist ja auch Gitarrist. Zuerst war ich nicht sicher, ein wie guter Gitarrist Jack ist. Aber ich mag das, was er macht, weil er eine sehr gute Ergänzung ist und seine Arbeit Hand und Fuß hat. Er ist auch ein exzellenter Rhythmusgitarrist, was wohl seine Hauptaufgabe auf dem Album war, abgesehen vom Singen natürlich.
it:Wann hast Du beschlossen, nur einen Sänger für dieses Album zu verpflichten?
Tony: Das war während der Proben. Nick war anfangs erpicht darauf, mehr als einen Sänger zu nehmen und ich dachte: „Na gut.“ Aber beim Still-Album hatte das einige Identitätsprobleme nach sich gezogen. Darum dachte ich, dass es großartig wäre, wenn wir jemand finden würden, der alles singt. Ich weiß, dass Tony Smith, unser Manager, nach Möglichkeit auch nur einen Sänger wollte. Die anderen Sänger klangen bei ein oder zwei Sachen gut, aber als ich Jacks Stimme hörte, dachte ich, dass er der einzige ist, der alle Songs machen kann. Ich wollte diesmal einfach einen anderen Weg gehen. Nik Kershaw war eigentlich nie im Gespräch. Mit Jayney Klimek habe ich ein paar Alben gemacht und viel Freude dabei gehabt. Ich dachte einfach, dass auch das sich totgelaufen hatte. Es erschien mir logisch, mich weiterzubewegen und auszuprobieren, was geht. Jack war da, und er schien so geeignet zu sein. Das ist es, warum ich beschloss, nur ihn singen zu lassen.
it: Da ist also eine leichte Ähnlichkeit mit A Curious Feeling…
Tony: Das ist witzig. Ich mag die Alben, auf denen nur ein Sänger ist, mehr als die anderen. Das ist A Curious Feeling und bis zu einem gewissen Grad The Fugitive, obwohl ich darauf selbst singe. Ich war wohl aus einigen Gründen am wenigsten über Bankstatement erfreut, und als Schreiber liebte ich einige Songs von Still, insbesondere den Opener, Red Day On Blue Street, das eines meiner Lieblingslieder von mir ist. Ich mag Lion Of Symmetry sehr, das ich zusammen mit Toyah machte. Aber bei einem ganzen Album gibt es dem Ganzen so etwas wie einen Charakter, wenn alle Stücke von ein und demselben Sänger gesungen werden.
it: Das Cover des neuen Albums sieht recht witzig aus …
Tony: Als wir uns den Namen Strictly Incognito für uns ausdachten, entstand die Idee dieser zwei Charaktere. Sie sehen zwar etwas verunstaltet aus, haben aber doch leichte Ähnlichkeiten mit uns – der eine hat ein sehr breites Gesicht, der andere ein schmales – total maskiert und in keinster Weise wiedererkennbar. Wir behielten das auch mit der Strictly Inc.-Idee bei. Ich denke, sie sind sehr treffend. Ursprünglich stammen sievon einem Typen, der mehrere dieser Figuren für das Video zu Only Seventeen geschaffen hat. Das Video ist sehr gut, aber leider wird man es wohl nicht zeigen, bevor der Song ein Hit ist, und der Song wiederum würde ein wenig Hilfe durch das Video brauchen.
it: Planst Du, live zu spielen?
Tony:Momentan habe ich keine Pläne. Wenn sich alles sehr gut entwickelt, werden wir darüber nachdenken. Mal sehen, wie sich die Platte macht.
it: Also ist die Situation jetzt etwas anders, oder hast Du bei den letzten Alben auch darüber nachgedacht, live zu spielen?
Tony: Als ich damals Bankstatement machte, habe ich gesagt, dass, wenn sich eine Gelegenheit ergebe, ich es mir überlegen würde. Ich denke, es ist sehr schwierig zu touren, wenn man nichts hat, keine Form von Erfolg. Wenn Du ein wenig Erfolg hast, bekommst Du auch ein Publikum zusammen. Es ist nicht so, als wäre ich 18. Dann würde ich eine Band zusammenstellen und so weiter. Genesis brauchte etwa zehn Jahre, um einen Hit zu landen, und ich möchte nicht noch einmal zehn Jahre auf so etwas Ähnliches hinarbeiten. Du musst schon etwas in petto haben, so sehe ich das. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es keine Überlegung, aber ich weiß, dass Jack es auch gerne tun würde.
it:Wer könnte dann in Deiner Liveband sein, falls es dazu kommt?
Tony:Ich weiß es wirklich nicht. Neben Jack und mir ist niemand auf dem Album so wichtig dafür. Die Position, die nicht ganz so klar ist, wäre die des Drummers, denn mit Jack an Gitarre und Mikro und mir an den Keyboards bräuchten wir nur noch einen Schlagzeuger und einen Bassisten, oder einen weiteren Gitarristen für die Leadgitarren-Teile. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, aber es wäre sicher recht lustig. Was mich am Live-Spielen sehr reizen würde, wäre die Möglichkeit, einige der älteren Songs wieder auszuprobieren, insbesondere mit einem anderen Sänger. Das könnte sehr interessant sein. Viele davon klangen gut. Aber das spielt sich alles in ferner Zukunft ab, wenn überhaupt.
it:Wirst Du im Fernsehen oder Radio Werbung für die neue CD machen?
Tony: Man denkt über verschiedene Möglichkeiten nach, je nachdem, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Im Rundfunk wird das Stück nicht gespielt, bevor es ein Hit ist. Die Plattenläden zögern, solange es nicht im Radio läuft, und das Video wird auch nicht vorher gezeigt. Die Wahrheit ist wohl, dass man nur einen Grund dafür sucht, es nicht zu spielen. Es existiert soviel Zeug, und es ist sehr schwer, einen Überblick über all die Leute zu behalten, die auf dem Markt sind. Aber man weiß ja nie. Man braucht nur ein oder zwei glückliche Zufälle, die zusammentreffen, und alles sieht anders aus. Aber im Moment denke ich, dass es genauso enden wird wie bei allen anderen Alben der Vergangenheit. Das heißt, es wird alle Leute erreichen, die es wirklich hören wollen, aber nicht darüber hinaus gehen. Das würde auch bedeuten, dass es so etwas wie Fernsehauftritte usw. nicht geben wird. Aber wer weiß, die Dinge können sich ändern.
it: Das Album hat sicher einige denkbare Hitsingles, wie Only Seventeen, Strictly Incognito und Charity Balls.
Tony: Nun, man wird sehen. Wir werden alles probieren und abwarten, was geschieht. Ich weiß nicht, warum das so schwierig ist, aber es ist es. Wir versuchen, alles zu tun, was in unserer Macht steht, denke ich.
it: Wie sieht Deine Planung für die nächsten Monate aus?
Tony: Es hängt ein wenig davon ab, was passiert. Es wird wohl ein paar Interviews geben – ein paar mehr, wenn die Sache gut anläuft – ein paar weniger, wenn nichts passiert. Das Album erscheint in einer Woche. Danach wird sich hoffentlich etwas bewegen. Es wird eine zweite Single geben, unabhängig davon, was bis dahin aus der ersten geworden ist, und das wird mich durch die nächsten Monate hindurch beschäftigen, glaube ich.
Vielen Dank nochmals an Tony, der sich so viel Zeit für uns nahm, und an Carol, die das alles erst ermöglichte!
Interview, Transkription und Übersetzung: Helmut Janisch