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Tony Banks – Strictly Inc – Rezension
1995 wagte Tony Banks einen weiteren Versuch, auch solo (kommerziell) erfolgreich zu sein. Zusammen mit Sänger Jack Hues formierte er Strictly Inc. und veröffentlichte ein Album, das Genesis-Fans verzückte.
Ein neues Album ohne irgendwelche Beeinflussungen wie beispielsweise die Medien oder ständig im Radio gespielte Singleauskoppelungen kennenzulernen, ist wirklich ein Privileg. Ein ähnlicher Kommentar befand sich im Rahmen der Gastkritiken zur aktuellen Mike & The Mechanics-LP bereits im letzten Heft. Ein weiteres Mal konnten wir uns nun dank eines Vorab-Tapes einen völlig unbelasteten ersten Eindruck – diesmal von Strictly Inc. – verschaffen, obwohl die „Befürchtung“ in Richtung der Beeinflussung durch Singles bei Tony Banks wohl nicht in dem Umfang wie bei seinen Bandkollegen zum Tragen kommt. Die Vergangenheit hat ganz einfach gezeigt, dass er (insbesondere, wenn er auf Solo-Pfaden wandert) nicht „der Macher“ von potentiellen Superhits ist. Wie auch immer, es war auf jeden Fall ein gutes Gefühl, nach über vier Jahren wieder den Klängen eines neuen Tony Banks-Albums zu lauschen.
Das Album wurde auf The Farm aufgenommen, und Tony spielte es wiederum in einer neuen Besetzung ein. Einziger „alter Bekannter“ von vorangegangenen Tony Banks-LPs ist Daryl Stuermer, der bei den Songs Walls Of Sound und An Island In The Darkness an der Gitarre vertreten ist. Außer Daryl musizierten noch Nathan East am Bass, John Robinson am Schlagzeug und der Sänger Jack Hues mit, der zudem auch Gitarre spielte. An der Produktion ist übrigens auch wieder Nick Davis beteiligt.
Das erste Stück auf Strictly Inc. ist Don’t Turn Your Back On Me. Ein gelungener Opener, der gleich zwei Eindrücke hinterlässt. Da ist zum einen die Stimme des ehemaligen Wang Chung-Sängers Jack Hues! Tonys jahrelange Suche nach dem idealen Sänger für seine Musik scheint ein Ende gefunden zu haben. Des weiteren wird bei diesem Track ein recht elektronischer Sound vermittelt, der auch im Verlauf dieses Albums keine Ausnahme bleibt. Die verwendeten echten Instrumente werden immer wieder in Synthesizer- und Keyboard-Klänge eingepackt und hinterlassen so ein zwar elektronisches, aber auch sehr ungewöhnliches Gesamtbild.
Der nächste Song ist Walls Of Sound. Er gehört zu den ruhigeren Titeln des Strictly Inc.-Albums und fällt gegenüber Don’t Turn Your Back On Me etwas ab. Only Seventeen ist wirklich wie geboren für die erste Single. Diese Impression entsteht nicht nur durch den unterlegten sehr discomäßigen Beat, sondern die gefällige Melodie erzeugt bereits beim zweiten Anhören den gewissen Wiederekennungseffekt. Ein absolutes Highlight dieser Scheibe folgt mit The Serpent Said. Dieser Song birgt wirklich sehr viele beeindruckende Elemente in sich. Die Art des Schlagzeugspiels erinnert an den einstigen Stil eines John Bonham von Led Zeppelin. The Serpent Said ist dramatisch und sehr rockig auf der einen Seite, aber auch sehr abwechslungsreich auf der anderen. Mit Never Let Me Know können wir wieder ruhigeren Tönen lauschen. Nach verhaltenem Anfang schafft es vor allem der tolle Instrumentalteil in der Mitte des Tracks, diese Ballade noch von Mattgold auf Hochglanz zu polieren.
Es folgt Charity Balls. Jack Hues verleiht diesem Stück durch seinen vielseitigen Gesang ein gewisses Etwas. Sicherlich gehört Charity Balls zu den leichter verdaulichen Songs des Albums. Weiter geht es mit Something To Live For. Dieses Stück vermittelt trotz einiger rockiger Elemente einen eher duchschnittlichen Eindruck, der auch durch das eingefügte „Gitarrensolo“ nicht erheblich verbessert wird. Wahrscheinlich kann man diesen Track mit Walls Of Sound auf eine Stufe stellen. Wesentlich überzeugender ist da A Piece Of You, die wohl schönste Ballade auf Strictly Inc. Eine sehr angenehme Melodie in Verbindung mit einer tollen Instrumentierung verleiht diesem Song ein sehr harmonisches Gefühl, welches zudem irgendwie eine bleibende Wirkung hinterlässt. Danach folgt mit Strictly Incognito das Titelstück dieses Albums. Typisch Bankssche Töne begleiten diesen abwechslungsreichen interessanten Up-Tempo Song. Die Käufer von Strictly Inc. werden an dieser Stelle ganz beiläufig darüber aufgeklärt, dass das „Inc.“ im Bandnamen für „Incognito“ und nicht etwa (wie bei einer Firmenbezeichnung) für „Incorporated“ steht.
In einem Gespräch mit Carol Willis-Impey (Hit & Run/ England) wurde uns der Gedanke, der hinter dem Konzept von Strictly Inc. steht, erläutert. Man hatte seitens der Plattenfirma wohl gewisse Bedenken, dass die Radiostationen beim Lesen des Namens Banks die aktuelle Single sofort beiseite legen würden, da „schon wieder“ ein Mitglied von Genesis mit einer Veröffentlichung auf dem Markt erscheint. Nach der großen Präsenz von Phil Collins und Mike & The Mechanics in den Charts ist dies durchaus nachvollziehbar.
Auf Grund seiner Länge wird der abschließende Track dieses Albums wahrscheinlich nie irgendeine Ausstrahlung bei den Radiosendern finden. Mit über siebzehn Minuten stellte Tony dabei den längsten Song seiner bisherigen Solo-Karriere auf die Beine! Mit An Island In The Darkness scheint eine ganz andere Seite von Strictly Inc. offenbart zu werden. Ein Piano-Intro im hundertprozentigen A Curious Feeling-Stil eröffnet dieses Stück, welches in eine verhältnismäßig ruhige Sequenz mit schönem Gesang übergeht. Nach dieser Passage folgt ein schneller rockiger, rein instrumentaler Teil, der in einem Pianospiel endet, welches dem Intro ähnelt. Dieser wieder ruhige Abschnitt dient als Übergang zum Finale von An Island In The Darkness. Zum Abschluss wird „nochmal alles gegeben“, und die Musiker laufen regelrecht zu Höchstformen auf. Man wundert sich, wie schnell doch mehr als eine Viertelstunde vergehen kann. Damit wird diesem fulminanten Werk ein würdiges Ende bereitet.
Was gibt es abschließend über Strictly Inc. zu sagen? Es wäre wohl ungerechtfertigt, zu behaupten, dass diese CD ohne An Island In the Darkness nur ein durchschnittliches Album geworden wäre. Dazu gibt es einfach zu viele andere wirklich gute Momente, die absolut begeistern können. Jack Hues vermag auf ganzer Linie zu überzeugen. Seine Stimme passt hervorragend zur Musik, und man kann sich gut vorstellen, dass dies der Beginn einer fruchtbaren Partnerschaft gewesen ist. Die anderen Gastmusiker meistern ihre Rolle zwar ebenfalls gut, aber gleichzeitig auch recht unauffällig. Der von Tony beabsichtigte Gesamteindruck hat etwas ganz Eigenes und Dunkles an sich. Deswegen unterscheidet sich Strictly Inc. auch erheblich von Bankstatement oder Still(um nur die zeitnahesten Vorgänger zu nennen) und ist mit diesen beiden Alben nur schwer zu vergleichen. Während diese beiden Platten eher durch saubere Pop/Rock-Songs überzeugten, hinterlässt Strictly Inc. einen ganz anderen, schrägeren Eindruck. Wenn diese Scheibe den Leuten gefällt, so wird es laut Tony auch ein weiteres Album von Strictly Inc. geben. Wünschen wir ihm also mit diesem Projekt den Erfolg, den er schon lange verdient hat.
Autor: Bernd Zindler
zuerst veröffentlicht in itNr.16 (September 1995)