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Tony Banks – Interview zum 5.1-Release von A Curious Feeling – 30. September 2009
Am 30. September 2009 sprach Helmut Janisch mit Tony Banks über die Wiederveröffentlichung von A Curious Feeling und über aktuelle und zukünftige Solo- und Genesis-Projekte.
und aktuellen und kommenden Solo- und Genesis-Projekten
30.09.2009 (per Telefon)
it: Wer hatte die Idee, A Curious Feeling wieder zu veröffentlichen und einen 5.1-Mix zu erstellen?
Tony: Das war eigentlich meine Idee. Nachdem wir die ganzen Genesis-Alben überarbeitet hatten, fand ich, dass manche Alben sehr stark von den Neuabmischungen profitiert haben – vor allem und nicht überraschend die frühen Alben mit Peter. Aber auch einige aus der späteren Zeit, vor allem And Then There Were Three und Duke haben sich, wie ich finde, sehr verbessert. Weil A Curious Feeling ja aus derselben Zeit stammt, fand ich, es wäre toll, das Album auch zu überarbeiten. Vom Klang her ist A Curious Feeling allemal so gut wie die anderen. Also dachte ich: Probieren wir’s mal. Nick Davis war auch dafür. Er hat seinen Preis gesenkt [lacht leise] Im Ernst, er ist ein guter Freund und wollte das sehr gern machen. Wir haben uns die Originalbänder angehört und fanden, dass das, was auf den Masterbändern ist, sich schon wirklich gut anhörte und wir daraus wirklich etwas Tolles machen könnten. Und das haben wir dann auch beschlossen zu tun.
it: Wann hast du A Curious Feeling zum letzten Mal gehört, bevor die Idee aufkam, das Album neu zu mastern?
Tony: Das dürfte gar nicht so lange her sein. Ich hole das Album immer mal wieder hervor. Von allem, was ich so aufgenommen habe, ist das eines der Werke, mit denen ich in vielerlei Hinsicht am zufriedensten bin. Ich finde die Platte musikalisch interessant. Sie entstand ja mitten in den späten 70ern, die für mich eine sehr schöpferische Zeit waren. Ich habe sie ein oder zweimal – nicht regelmäßig natürlich, aber doch ein-, zweimal im Jahr angehört, weil sie ein interessantes Hörerlebnis ist. Seit wir die Genesis-Sachen gemacht haben, war ich der Meinung, es könnte Spaß machen, sich dieses Album vorzunehmen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Und das hat sie getan.
it: Das Album ist in den Polar Studios in Schweden entstanden. Warum gerade dort?
Tony: Nun, der Grund … wenn man seinerzeit ein Album im Ausland aufgenommen hat, war das steuerlich viel günstiger; das schien uns ein guter Grund zu sein. Der andere Grund ist der, dass ich es mag, dass man danach wieder weg ist und keinen Kontakt hat. Niemand kann einen anrufen und sagen: Dies und das muss jetzt passieren.
Wir hatten das Studio für zwei Wochen gebucht. Es war unser erstes Album dort, denn danach nahm Mike Smallcreep’s Day auf und wir haben dort natürlich das Album Duke aufgenommen; es gab uns die Gelegenheit, das Studio ein wenig zu testen. David Hentschel wollte es mal ausprobieren. Es machte den Eindruck, als hätte es alles, was wir wollten. Mir gefiel auch, dass es dort ein Live-Studio gab, ein Live-Schlagzeug-Studio; in so einem Raum hatte ich vorher noch nie gearbeitet. Ich wollte den Raum gerne sehr oft benutzen, aber David Hentschel war weniger begeistert, also haben wir dort weniger gearbeitet als wir es hätten tun können. Das eine Stück, das diesen Live-Schlagzeugsound wirklich zeigt – und wir haben diesmal einen viel größeren Sound herausgeholt, weil wir den Raum richtig genutzt haben -, war Somebody Else’s Dream. Der Song sollte immer einen großen Schlagzeugsound haben, ein richtig wuchtiges Stück, und ich glaube, wir haben das auf dieser Fassung viel besser hinbekommen.
it: Du hast uns im Interview einmal erklärt, dass From The Undertow eigentlich die Einleitung zu dem Stück Undertow [auf And Then There Were Three] sein sollte?
Tony: Ja, das stimmt.
it: Warum hast das Stück nicht auf And Then There Were Three gebracht, sondern bearbeitet und für den Film The Shout [deutscher Titel: Der Todesschrei] und später für A Curious Feeling verwendet?
Tony: Das Original war vollkommen anders. Das Stück, das heute der Hauptteil ist, der Einstieg also, war nur ein kleines Zwischenstück und wurde nur einmal gespielt. Erst als ich Musik für The Shout schrieb … als ich gebeten wurde, ein Stück für The Shout zu schreiben, dachte ich: Dieses Stückchen ist wirklich gut. Drehen wir es einfach mal um und schauen, was passiert. Das habe ich dann gemacht.
Auf And Then There Were Three ist es nicht gelandet, weil Mike und Phil, glaube ich, fanden, dass ich schon genug Zeit auf dem Album hatte, [lacht] und sie auch keinen großen Bedarf nach einer zweiminütigen Einleitung zu dem Stück sahen. Es würde sehr gut dazu passen. Ich war dann aber froh, dass ich es dort nicht benutzt hatte, denn es bedeutete, dass ich es später nochmal verwenden könnte. Es bescherte dem ganzen Project A Curious Feeling einen guten Anfang. Man kann sich auch musikalisch ein- oder zweimal darauf beziehen; ich mache das auf dem Album ein paarmal. Es war also für das Album ein ziemlich wichtiges Stück, und ich glaube, es ist sowieso besser, dass es dort gelandet ist.
it: Die Version von From The Undertow, die in The Shout verwendet wurde, unterscheidet sich ja recht deutlich von der Albumfassung. Besteht die Aussicht, dass die Soundtrack-Fassung veröffentlicht wird … als Bonustrack vielleicht oder zum Herunterladen?
Tony: Ich weiß nicht. Möglich. So anders ist sie ja auch nicht. Die Version für The Shout war gewissermaßen eher ein Demo. Mike hat ein wenig darauf gespielt, aber nicht viel. Es bestand trotzdem vor allem aus Keyboards. Ich glaube, es ist ziemlich dasselbe Stück Musik. Als ich es für A Curious Feeling aufnahm, habe ich das allerdings um einiges besser gemacht. In The Shout wurde es, ehrlich gesagt, zu wenig eingesetzt, und auch deshalb wollte ich es noch einmal aufnehmen. Das Lustige an The Shout war … die paar Male, die ich es gespielt habe, habe ich einen kleinen Teil in der Mitte auf der Kirchenorgel gespielt. Das war sehr amüsant. Das Hauptthema klingt auf A Curious Feeling besser. Ich weiß eigentlich gar nicht, ob wir die Masterbänder von The Shout noch haben. Wir werden sie wohl irgendwo liegen haben.
it: Gibt es Material auf A Curious Feeling, dass du vorher für Genesis nicht verwendet hast?
Tony: Nein, das einzige Stück, das es vorher schon gab, war von Undertow. Alles andere habe ich extra für das Projekt geschrieben. Für And Then There Were Three hatte ich alle Stücke verbraucht, die mir am besten schienen. Ich sehe auch Parallelen zwischen einigen Stücken darauf und auf A Curious Feeling … vor allem Burning Rope. Die Einleitung zu Burning Rope hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Stück Forever Morning. Es gibt da einige musikalische Anknüpfungspunkte. Aber auf meinem Album gibt es kurioserweise nichts, was ich nicht speziell dafür geschrieben hätte. Ich hatte ja Zeit, weil Phil unterwegs war, um sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen. Ich hatte also Gelegenheit zum Schreiben. Damals merkte ich, dass sich ziemlich viel Material wie von selbst ergab – das war eine meiner kreativsten Perioden, glaube ich.
it: Ist denn etwas von A Curious Feeling übrig geblieben, das auf deinen späteren Soloalben oder bei Genesis verwendet wurde? 1995 hast du im Interview Turn It On Again erwähnt …
Tony: Ja, der zweite Teil von Turn It On Again, der „I can show you“-Teil. Mike hat das zentrale Riff auf Turn It On Again geschrieben, und das ist auch wirklich das Beste an dem Song. Wir haben gewissermaßen den Songschnipsel, den er kurioserweise auf Smallcreep’s Day nicht verwendet hatte, zu dem Songschnipsel gepackt, den ich auf A Curious Feeling nicht verwendet hatte, und haben beides zusammengebracht. Wir haben es viel rockiger gemacht, beide Teile wurden rockiger. Mein Stück war episch breiter, und Mike’s Passage langsamer und etwas mehr in Richtung Heavy Metal. Und dann legte Phil einen viel geradlinigeren Schlagzeugteil darüber, von dem vermutlich keiner von uns gedacht hätte, dass wir den jeweils zu unserem Musikschnipsel haben wollen würden. Und dadurch wurde es zu etwas viel besserem, finde ich. Wir haben noch ein oder zwei Sachen verwendet, die von dort kamen, ich weiß aber nicht mehr welche. Die Einleitung von Duke könnte etwas sein, das von mir stammte, und vielleicht auch noch Behind The Lines. Das war, glaube ich, etwas, an dem ich zu der Zeit arbeitete, als A Curious Feeling abgeschlossen war. Da gab es etwas, das ich damals geschrieben habe und das sich später zu Behind The Lines entwickelte. Es gibt wohl ein oder zwei Verbindungen. Es gab aber [auf A Curious Feeling] nichts weiter, was von vorherigen Genesisalben übrig geblieben wäre. Das ist zwar ein bißchen seltsam, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das so ist.
it: A Curious Feeling sollte ursprünglich auf der Erzählung Flowers For Algernon basieren, bevor du es leicht verändert hast, um es aus diesem Kontext zu entfernen. Hätte das Album sonst weiterhin Flowers For Algernon gehießen? Wieviel ist von den Songtexten nach den Änderungen noch übrig geblieben, und bei welchen Songs insbesondere?
Tony: Ursprünglich wollte ich den Titel Flowers For Algernon verwenden. Es wurde ja zu der Zeit auch ein Film namens Charly gedreht, der auf derselben Geschichte beruht. Aber ich fand den Namen Flowers For Algernon attraktiver. Als Albumtitel ist es uneindeutiger, solange man nicht die Erzählung liest und entdeckt, dass Algernon der Name der Labormaus ist – was ja auch seltsam ist. Es ist eine anrührende Geschichte … Was hat sich geändert? Ich hätte es gerne so gelassen. Ich hätte in vielerlei Hinsicht dabei bleiben sollen, dazu stehen und es durchziehen. Die Tracks, die sich vor allem verändert haben, sind, wie ich auch in der Einleitung zu dem Album sage, The Lie und After The Lie. Das sind die beiden Stücke, die sehr die Handlung festlegen, wenn man so will. Manche Stücke haben sich gar nicht verändert. Ich glaube, You ist ziemlich dasselbe geblieben, und wahrscheinlich auch For A While und In The Dark. Somebody Else’s Dream musste geändert werden, damit es zu der neuen Handlung passt, so weit ich mich erinnere. Mir hatte gefallen, was ich geschrieben hatte, und mir gefiel auch diese Idee, dass der Protagonist den Verstand verliert und sich dessen bewußt ist. Und ich brauchte jetzt einen Mechanismus, der ihn in diese Lage versetzt. Also habe ich diese Idee eines … [überlegt] beinahe eines Aberglaubens verwendet – dass er an etwas glaubt, was doch eigentlich nur Zufall ist, eine Art Spiel, das aber glaubwürdigerweise passieren könnte. Es hat dann ein eigenes Leben angenommen.
Ich bin ganz zufrieden damit, wie die neuen Songtexte geworden sind. Von daher bin ich nicht so sehr enttäuscht, aber der große Vorteil hätte darin gelegen, dass die Leute die Erzählung hätten lesen können und dann das Album verstanden hätten. So wie es jetzt ist, gibt es keine Geschichte, und man muss alle Informationen aus den Stücken herausholen. Das bedeutete, dass ich auch etwas mehr Handlung in dem Stück The Lie unterbringen musste als ich eigentlich wollte. Man muss eben Dinge mitteilen, die man in der ursprünglichen Fassung nicht hätte mitteilen müssen. Da lag es dann in der Geschichte, und man hätte es vertiefen können, indem man die Erzählung liest.
it: Wie kam es, dass Kim Beacon für das Album als Sänger ausgewählt wurde?
Tony: Ich hatte gar keine Idee, wen ich als Sänger haben wollte. Ich meine, es gab ein oder zwei Leute, die mir ganz gut gefielen. Ich habe ein paar Leute angesprochen, aber daraus ist dann nichts geworden. Ich habe mir dann schließlich eine Menge Kassetten angehört, und ich tat mich ziemlich schwer damit, jemanden zu finden. Kim war dann auf einer das Kassetten, die ich von Charisma bekommen hatte. Ich wußte nicht, dass er damals gerade mit String Driven Thing arbeitete, die bei Charisma unter Vertrag standen. Seine Stimme gefiel mir. Ich fand, sie hatte das Potential, gut zu dem zu passen, was ich vorhatte. Sie hatte eine attraktive Qualität. Ich lud ihn ein, wir haben geprobt und ich fand, es klang toll. Er wurde der richtige Mann für den Job. Nachdem wir das Projekt abgeschlossen und noch ein Video gedreht hatten, habe ich ihn nie wieder gesehen. Erst viel später, als ich mich wieder mit dem Projekt zu beschäftigen anfing, habe ich beschlossen, Kontakt zu ihm aufzunehmen, und herausgefunden, dass er traurigerweise schon vor einigen Jahren gestorben ist. Aber in gewisser Hinsicht gibt es ihn für immer. Für mich ist er die Figur in den Songs. Das ist ein bißchen merkwürdige, aber so sehe ich ihn jetzt.
it: Hast du überlegt, das Album selbst einzusingen?
Tony: Nicht besonders lange. Ich wollte niemals Sänger werden. Ich weiß, dass ich es später mal probiert habe, aber zu dieser Zeit habe ich gar nicht geglaubt, dass ich das könnte. Jedesmal wenn ich gesungen habe, habe ich es nicht richtig hinbekommen – die Tonlage und die Stimmfarbe und all das waren einfach furchtbar. Ich hatte Demos von allen Songs für Kim gesungen, und er sagte, sie hätten ziemlich scheußlich geklungen. Er konnte so gerade eben die Melodie erkennen, [lacht] und das war dann okay. Als ich das Album gemacht habe, hatten wir ein Problem mit der Identität. Es steht eben mein Name auf dem Album, aber ich habe nicht gesungen; heute kommt das wahrscheinlich häufiger vor als damals. Zu jener Zeit hatte das noch keiner richtig ausprobiert, und es ließ sich nur sehr schwierig bewerben. Ich habe sogar Briefe bekommen, in denen stand „Deine Stimme ist toll“ – und ich hatte ja gar nicht gesungen. Deshalb habe ich auf meinem nächsten Album, The Fugitive, versucht zu singen, damit es dieses Identitätsproblem nicht gibt. Aber Singen war wirklich nichts, was ich jemals gewollt hätte. Ich wollte, dass das Album so viel wie möglich von mir hat. Daher beschloss ich, alles auf dem Album selbst zu machen, was ich mir zutraute, also alle Keyboardsachen, Gitarren und so. Mit Chester habe ich einen Schlagzeuger dazu geholt, dem ich vertraue und den ich sehr mag. Und ich habe einen Sänger gesucht, der einfach nur der Sänger auf dem Album ist, damit alles andere von mir ist.
it: Wer kam darauf, dieses Bild für das Cover zu nehmen, und welche Idee steckt dahinter?
Tony: Meine Schwester hat meinen Eltern mal zu Weihnachten einen Bildband von einem australischen Künstler namens Ainslie Roberts geschenkt. Es ist eigentlich eine Reihe von Bänden, sie heißen The Dream Time und … ich erinnere mich gerade nicht an die anderen Titel. Der Stil dieser Bilder hat mir sehr gefallen. Obwohl sie von einem weißen Australier sind, beruhen sie auf Mythen und Legenden der Aborigines. Das Gemälde auf dem Cover heißt Wuluwait, Boatman of the Dead [Wuluwait, Fährmann der Toten]; das entspricht ungefähr dem Charon der klassisch-antiken Mythologie, der die Toten über den Styx fährt. Für mich verbindet sich das Bild aber mehr mit dem zweiten Fluss in der Unterwelt, mit den Wassern der Lethe, wie ich ja auch eines der Stücke auf dem Album genannt habe. Lethe ist der Fluss, den man nach dem Styx überqueren muss; dort läßt man seine irdischen Erinnerungen zurück, und darum geht es ja offensichtlich auch auf dem Album: dass da jemand sein Gedächtnis und alles verliert. Das Bild von dem Fährmann, von dem man eigentlich nur seinen Schatten sieht und nicht ihn selbst, weil er nicht dort ist, ist ein mächtiges Bild dafür, dass man seine Erinnerungen verliert. Und ich fand, dass das Bild an sich schon wirklich stark ist. Ich wollte es auf jeden Fall benutzen, also habe ich mir die Erlaubnis des Künstlers besorgt. Das Bild wird inzwischen mit dem Album assoziiert, was ich schön finde. Es hat eine sehr starke Wirkung.
it: Wer besitzt das Original-Gemälde? Ich las, dass es in der Art Gallery von Südaustralien ausgestellt ist.
Tony: Das ist möglich. Ich habe das Original nie gesehen. Jemand hat mir einmal Drucke davon geschickt. Aber es wäre schön, das Original einmal zu sehen.
it: Hast du überlegt, mit dem Album auf Tour zu gehen, als es fertig war, oder war es nur als Studioalbum angelegt?
Tony: Ich wollte eigentlich nie mit irgendetwas von dem, was ich gemacht habe, auf Tournee gehen. Vielleicht war das ein Fehler. Als Mike eine Tour mit Mike + The Mechanics machte, war ich beeindruckt, weil ich dachte, dass er das nicht machen würde. Aber er hatte zwei Sänger mit Live-Erfahrung auf dem Album, darum war das für ihn wohl der nächste logische Schritt. Ich habe später mal daran gedacht. Als Bankstatement herauskam, habe ich mir das ein bisschen intensiver überlegt, aber nie bei A Curious Feeling. Es gibt keinen Grund, warum man das Album nicht auf die Konzertbühne hätte bringen sollen. Ich habe es nur einfach nie gemacht. Ich fühle mich möglicherweise nicht so selbstbewusst, auf die Bühne zu gehen und da etwas zu machen, wobei ich dann in gewisser Hinsicht der Frontmann wäre – was ich in der Situation ja sein müsste. Daran habe ich nicht so viel Freude. Rein aus musikalischer Sicht könnte ich das wohl. Ich würde auch nie sagen, dass ich es ganz bestimmt niemals machen werde, aber ich denke da nicht allzuviel drüber nach. Daryl hat mich nach der letzten Tour versucht zu ermuntern, dass ich ein paar Liveauftritte mit Solomaterial mache, aber ich habe ihm gesagt: Eher nicht. Er bot an, dann Gitarre zu spielen, also, wer weiß …?
it: Was war anders als bei Genesis, als du dieses Album geschrieben und aufgenommen hast – was wurde da möglich, was mit den anderen nicht gegangen wäre?
Tony: Wenn man Sachen für ein Genesis-Album schreibt, müssen sie manchmal einen gewissen Prozess durchlaufen. Es müssen alle zufrieden damit sein, was da passiert. Manchmal kann man das ein wenig durchboxen. Ich habe das damals in der Zeit von One For The Vine und ein, zwei anderen Stücken gemacht. Da hat man dann seine Ideen einfach durchgesetzt, und die anderen haben das auch ein paarmal durchgehen lassen. Auf meinem eigenen Soloalbum aber konnte ich genau das machen, was ich wollte. Ich konnte ein paar Akkordwechsel verwenden, die die anderen immer meine „schäbigen Akkordwechsel“ nannten. Ich mag eine Reihe von verminderten Akkorden und ein paar erweiterte Elemente – etwas exotischere Akkorde, die ich ab und an auch bei Genesis hineingemogelt habe. Hoffentlich fällt’s ihnen nicht auf. Bei diesem Album konnte ich davon eine Menge verwenden, vor allem zum Beispiel bei den langen Instrumentalteilen. Forever Morning und Waters Of Lethe haben eine Menge von diesen Akkorden. Auch Halbton-Akkordwechsel und anderes, was mir gut gefällt. Diese Dinge geben dem Ganze etwas Sehnsüchtiges, finde ich, und das mag ich. Es spricht mich sehr an, wahrscheinlich mehr als die anderen beiden, aber das ist ja auch in Ordnung. Ich könnte mehr davon machen.
it: Wie lange hat es gedauert, die neuen Abmischungen zu erstellen, und wer war daran beteiligt?
Tony: Eigentlich nur Nick Davis und ich. Nick war ja bekanntlich zuständig für die Neuabmischungen all unserer Platten, und ich habe dabei sehr eng mit ihm zusammengearbeitet. Er leistet da hervorragende Arbeit. Wir sind gut befreundet, und wir haben ähnliche Ansichten, wie die Sachen klingen sollen, so dass es also nicht allzuviele Konflikte gibt. Am Anfang haben wir eine Menge Fleißarbeit gemacht, um das Ganze zu sortieren und zusammenzustellen, damit es gut klingt, und dann bin ich hingegangen und habe angefangen, an den Details zu arbeiten. Manchmal war vieles davon schon da, und manchmal gab es noch ein ganzes Stück Arbeit zu tun. Auf A Curious Feeling hatte ich noch ein, zwei Dinge, an denen ich mehr herumbasteln wollte als ich das bei den Genesis-Alben gemacht habe. Bei ein paar Sachen wollte ich das Timing ein wenig korrigieren, vor allem bei Forever Morning – da purzelten einige Sachen in der Überleitung und am Ende durcheinander. Und bei Somebody Else’s Dream wollte ich diesen raumgreifenden Schlagzeugsound erzielen, den ich immer wirklich schon haben wollte. Wir haben ungefähr ein Stück pro Tag geschafft, insgesamt hat es also ein paar Wochen gedauert. Es war ja nicht besonders schwierig. Als wir die Bänder erst mal soweit hatten, klang das, was darauf war, schon ziemlich gut und wir mussten gar nicht so viel daran tun. Mit der modernen Technologie war es viel einfacher abzumischen als damals, denn ich hatte eine Menge Sachen auf dem Album auf ein- und derselben Spur. Damals war es ein echtes Problem, wenn man das trennen wollte; heute ist das viel einfacher geworden.
it: Gibt es Abweichungen bei den neuen Abmischungen?
Tony: Sie klingen halt viel besser. Für mich ist es, als hätte jemand eine Decke von dem Lautsprecher gezogen. So klingt es in meinen Ohren. Das Schlagzeug auf Somebody Else’s Dream ist auf jeden Fall ein großer Unterschied – der ganz Schlagzeugsound wahrscheinlich. Wir sind näher an einem Livesound. Stücke wie The Lie und After The Lie haben jetzt mehr Körper. Das Album insgesamt hat mehr Weite, hat einen breiteren Klang, vor allem die erste [Album-]Seite. Der Stereomix hat an Größe gewonnen, und die Abmischung allgemein ist besser, also, wie die Teile zusammenpassen. Als ich mich jetzt wieder damit beschäftigt habe, wusste ich, was ich damit machen wollte. Manches wollte ich ändern. For A While klingt gleich von Anfang an besser und voller. Die alte Version haben wir allmählich aufgebaut. Diese Version geht direkt ran und sorgt von vornherein für einen kräftigen Klang. Wenn man es aus dem Nebenzimmer hören würde, würden einem keine Unterschiede auffallen. Wenn du aber vor der Anlage sitzt oder das Album im Auto hörst oder so, dann klingt es einfach viel besser. Wer es beim ersten Mal mochte, wird diese Fassung auch mögen. Die Unterschiede sind ähnlich wie die auf, sagen wir, And Then There Were Three. Es sind dieselben Unterschiede. Puristen werden die alte Fassung bevorzugen, aber für mich ist die neue Version überlegen.
it: Die Genesis-Boxsets beinhalten Interviews mit der Band auf den DVDs. Bei A Curious Feeling ist das leider nicht so. Gab es Pläne dafür?
Tony: Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Ich hatte ja gewissermaßen keine Ahnung, dass es überhaupt eine DVD geben würde. Als wir anfangs über eine Veröffentlichung gesprochen haben, dachte ich, es würde nur in Stereo erscheinen. Dann kam die Idee für eine DVD. Weil wir die 5.1-Abmischung hatten, dachten wir, dass wir sie ja auch benutzen könnten. Die DVD ist vor allem für den Sound da. Wir haben die beiden Videos so, wie sie sind, mit darauf gepackt. Das ist ein schönes Set, finde ich. Es hätte auch ein Interview mit dazu geben können, auf dem ich so ziemlich dasselbe erzähle, was ich jetzt dir sage. [lacht] Aber es gibt Geschwafel auf dem Album: Ich habe ein kurzes Interview mit Mark Powell von Esoteric Records gemacht. Wir haben da also etwas auf dem Album, das ziemlich genau das wiedergibt, was ich denke. Es ist ziemlich kompakt. Wir hätten ein Interview [auf DVD] machen können. Ich bin nur einfach nicht auf den Gedanken gekommen.
it: Warum ist das Album bei Esoteric Records erschienen und nicht bei EMI?
Tony: Weil EMI sich nicht dafür interessiert! [lacht] Cherry Red ist die Mutterfirma von Esoteric, und bei den Mojo Awards oder so habe ich diesen Typen getroffen, und er sagte mir: „Wenn du diese Sachen jemals veröffentlichen möchtest, würden wir das gerne für dich übernehmen.“ Und ich dachte mir: Der Mann zeigt ja tatsächlich Begeisterung dafür. EMI würde das sowie so nicht machen, und es war ja nicht so, als hätte ich dorthin gehen und die Leute dazu zwingen müssen. Sie meinten, sie fänden es toll, wenn sie das machen dürften. Esoteric hat schon eine ganze Reihe von Alben aus den ’70ern veröffentlicht, und ich hatte den Eindruck, dass sie diese Sachen offensichtlich mögen und gute Arbeit leisten. Das ist der Hauptgrund dafür. EMI wäre meine erste Wahl gewesen, wenn alles gleich wäre. Aber ich bin eigentlich sehr froh, woanders zu sein.
it: Gibt es Pläne, weitere Solo-Alben von Dir wiederzuveröffentlichen?
Tony: Darüber habe ich bislang noch nicht nachgedacht. Das einzige, was ich mir mal überlegt habe, wäre, vielleicht ein Art Compilation-Album mit den besseren Sachen zu machen. Keins von meinen Alben war ein gigantischer Erfolg, obwohl A Curious Feeling in England ganz gut ankam. Aber die späteren Alben haben nicht so sehr viel bewegt. Die Leute kommen also auf die Webseite und überlegen: „Wo fange ich an mit der Musik von Tony Banks? Da gibt es eine Menge Alben.“ Die Vorstellung, eine Compilation der besseren Stücke zu veröffentlichen, eine repräsentative Sammlung, finde ich recht ansprechend. Und wenn ich so etwas tun würde, dann wäre es wohl auch sinnvoll, sich die Abmischungen anzuschauen und vielleicht auch noch mal vorzunehmen – besonders bei den früheren Stücken. Das ist eine Möglichkeit. Wenn das dann einigermaßen mehr Zuspruch findet, bin ich vielleicht eher geneigt, auch die anderen Alben wieder zu veröffentlichen. A Curious Feeling war das Album, von dem ich meinte, dass es sich vom Klang her am meisten verbessern könnte. The Fugitive vielleicht auch ein wenig. Ich mag den Klang von The Fugitive, er ist relativ rau, und das mag ich. Ich möchte den Sound nicht zu sehr glätten. Bankstatement könnte ein wenig besser klingen, aber die beiden letzten Alben dürften sich kaum ändern. Es könnte schon Spaß machen, sie mal wieder hervorzuholen. Wenn man sie sich anschaut, weiß man nie so genau – man ändert doch immer irgendetwas, und meistens wird das Ganze dadurch besser.
it: Eine Compilation wäre prima. Das solltest du machen.
Tony: Es ist mal eine Idee, nicht wahr? Wenn die Leute etwas von Tony Banks hören wollen, könnten sie sagen: „Was hat der eigentlich die ganze Zeit gemacht, während Phil die Hitparaden angeführt hat?“ Und ich könnte dann antworten: „Das hier. Was hältst du davon?“ Eine Zusammenstellung auf einer oder sogar zwei CDs wäre schön.
it: Welche Pläne hast du für die Zukunft? Irgendwelche neuen Alben in Aussicht?
Tony: Die Sache, die vermutlich als nächste fertig wird, ist ein weiteres Orchesterwerk. Ich bin schon ziemlich weit damit, was das Schreiben angeht. Ich muss noch die Orchestrierung und so weiter erledigen. Darüber denke ich im Moment nach und außerdem wie ich es anstelle, die Musik einzuspielen. Es wird also nicht sofort passieren. Wir reden da eher über irgendwann nächstes Jahr. Aber als wir die Neuabmischungen von A Curious Feeling gemacht haben, hat mich die Idee sehr beschäftigt, ein weiteres konventionelles Album mit Schlagzeug und Gesang zu machen. Vielleicht mit vielen Instrumentalstücken wie A Curious Feeling – das könnte mir schon gefallen. Aber geschrieben habe ich dafür nichts. Das ist vielleicht eher etwas, das ich noch im Hinterkopf habe. Vielleicht habe ich die Energie, das noch einmal anzugehen.
it: Die Fans freuen sich darauf. Es ist schon so lange her seit dem letzten Rockalbum.
Tony: Ich weiß. Es ist nur – jedesmal habe ich ein Album aufgenommen und veröffentlicht und … das ist ein wenig deprimierend. Ich habe die Alben gerne aufgenommen, und ich bin stolz auf die Platten, und sie werden veröffentlicht und – nichts passiert. Das machen viele Leute so, das ist auch nicht falsch, aber manchmal hätte man ein bisschen mehr Echo gebrauchen können. Still hatte Stücke, die richtig gut hätten ankommen können, wenn ich etwas mehr Glück in den Medien gehabt hätte, was eben nicht der Fall war. Es ist also eine ganz neue Angelegenheit. Jedesmal muss man das aufbauen, um die Energie zu haben, und ich glaube, ich habe ziemlich lange gebraucht um über Strictly Inc. hinwegzukommen. [lacht]
it: Aber das war ein tolles Album, finde ich.
Tony: Ja, ich finde, dass An Island In The Darkness richtig toll geworden ist und einige andere Stücke auch.
it: Dürfen wir dir ein oder zwei Fragen über Genesis stellen?
Tony: Gern.
it: Was hat Genesis sich nach der letzten Tour für die Zukunft vorgenommen? Gibt es Pläne für neue Songs, ein Album, eine neue Tour?
Tony: Wir haben keine Pläne. Das Thema Live-Auftritt steht ja derzeit nicht zur Debatte wegen Phil. Ihr habt sicher gehört, dass er gesundheitliche Probleme hat und deshalb momentan nicht einmal anfangen kann zu spielen. Was das Schreiben von Stücken angeht, haben wir gelegentlich sehr vage darüber gesprochen, mal zu schauen, was sich vielleicht ergibt. Aber da wird in nächster Zukunft nichts passieren. Phil ist momentan im Studio und nimmt ein Album mit Coverversionen auf; er singt dort und trommelt natürlich nicht.
Mike ist ins Studio gegangen, um neue Sachen mit Mike + The Mechanics zu machen. In der nächsten Zeit sind wir also ausgebucht. Aber es gibt ein oder zwei Projekte, die zu einem gewissen Zeitpunkt möglich scheinen. Wenn wir uns unterhalten, kommen wir immer gut miteinander aus. Nein, unmöglich ist es nicht, dass wir drei wieder zum Schreiben zusammenkommen – die Erwartungshaltung ist aber ein Thema. Man kämpft da immer ein wenig mit seinem Ruf. Das ist recht schwierig. Manchmal denkt man sich: Wir haben ein paar richtig gute Sachen gemacht, also wird es schon klappen, aber vielleicht ist es doch am besten, es sein zu lassen. Wer weiß …
it: Gibt es die Pläne für das Soundboard-Aufnahmen-Projekt noch?
Tony: Die Bänder sind noch hier. Als ich zuletzt mit dir gesprochen habe, habe ich wahrscheinlich gesagt, dass sie jederzeit erscheinen könnten. Wir arbeiten noch daran. Es ist nicht so einfach. Als wir die Live-Box gemacht haben, gab es eine gewisse Chance, dass wir versuchen, eine dieser Aufnahmen dort zu verwenden; wir haben dann aber entschieden, dass das nur verwirren würde. Von der Qualität her würde es neben den anderen Aufnahmen seltsam klingen. Wir haben die Bänder. Sie werden gerade organisiert und ich denke, sie werden veröffentlicht werden. Es ist nur ein wenig eine Frage der Qualitätskontrolle. Wir möchten sicher sein, dass … wir wollen nicht einfach den Markt mit unterdurchschnittlichem Material überschwemmen. Ich weiß, dass das nicht so wichtig ist, dass die Leute die Fehler hören wollen. Das gehört zu dem Charme der Aufnahmen. Aber der Klang ist manchmal nicht so toll, weil die Soundboardaufnahmen immer sehr trocken sind; da hat man das Bedürfnis, sie ein wenig zu verbessern. Wir haben uns einige angehört. Es hat natürlich niemand die Energie, sich zwei- oder dreihundert Soundboardaufnahmen anzuhören. Wir werden vielleicht eine oder zwei Aufnahmen aus ein oder zwei Äras auswählen, sie anhören, uns überlegen, was wir meinen, und wenn wir sie gut finden, das Projekt einfach starten ohne uns große Sorgen zu machen. Man muß sich erstmal alles anhören, was da ist. Damit fängt es an. Es ist ein ziemliches Projekt – und nicht so einfach, wie es scheint.
it: Also dürfen wir weiter hoffen.
Tony: Irgendwann wird es passieren.
it: Ich möchte gerne auf die Genesis Live-Box zu sprechen kommen, die gerade erschienen ist. Viele Fans beklagen sich über den Inhalt; sie finden, man hätte mehr Stücke hinzufügen können, damit die Konzerte vollständiger sind. Sie sehen, dass Stücke wie Dreaming While You Sleep nicht auf The Way We Walk ist und finden es eigentümlich, Songs von The Lamb … auf Genesis Live zu finden. Wer hat darüber denn entschieden?
Tony: Die Inhalte festzulegen, war schwierig. Als wir das gemacht haben, war uns klar, dass wir nicht alle glücklich machen. Meine ursprüngliche Vorstellung war, dass es am besten wäre, wenn wir die Live-Box mit dem Video-Boxset verbinden und einfach alles hernehmen, was noch nicht verwendet wurde. Es war ja alles unterschiedlich, die 5.1 Mixe von den frühen Alben und andere Sachen. Am Ende haben wir dann beschlossen, ein Live-Boxset zu machen. Das ist aber ein ganz weites Feld … alle denkbaren Stücke, die uns eventuell zur Verfügung stehen. Dreaming While You Sleep ist aber ein berechtigter Hinweis, um ehrlich zu sein. Das Stück hätten wir wohl dazupacken sollen. Wir haben uns bemüht, an alles zu denken, aber vielleicht ist uns da etwas entfallen.
Was die Sachen von The Lamb … angeht – nun, Genesis Live ist nur 45 Minuten lang und wir fanden, dass da noch mehr Stücke drauf passen. Wir wollten nicht das ganze Lamb-Album bringen, denn das war ja schon im Archive-Set, und ein Doppelalbum ist eben eine ganz schöne Menge. Wir versuchten, die Zahl der CDs in diesem Paket klein zu halten, weil wir den Preis niedrig halten wollten. Deshalb haben wir auch das Material von Rom nicht dazugepackt, Live Over Europe und so. Dann muss man sich eben entscheiden, was man verwendet und was nicht.
Das unserer Meinung nach Aufregendste, was wie in dem ganzen Material fanden, das wir uns anhörten, war diese Aufnahme aus dem Rainbow. Einige Stücke davon konnte man bislang nirgendwo hören, außer auf Bootlegs. Jedenfalls nicht live abgemischt. Das schien uns eine spannende Ergänzung zu sein, und dann die 5.1-Versionen von Genesis Live und Seconds Out … aber nicht von den späteren Alben, weil es davon ja 5.1-Fassungen auf dem Video-Set geben wird, das bald herauskommt.
Ich wußte es. Ich habe allen gesagt: „Passt auf, für diese Sachen gibt es keine guten Kritiken wegen dem, was darauf ist. Sie stellen niemanden wirklich zufrieden, weil sie nicht ganz okay sind.“ Aber keiner hatte einen Vorschlag, wie man es besser machen könnte. Ich glaube, der richtige Weg wäre es gewesen, die beiden [Live-Box und Video-Box] zu verbinden; dann hätten wir ein ziemlich gutes Paket geschnürt.
Was ihr hier habt, ist jedenfalls immer noch eine Menge gutes Zeug, ungeachtet der Sachen, die vielleicht fehlen oder besser sein könnten. Und ich finde, dass die Fassungen des Rainbow-Konzerts erstaunlich gut sind. Das hat mich sehr überrascht. Die 5.1 Versionen von Watcher Of The Skies und The Musical Box sind weit besser als auf Genesis Live. Und dazu bekommt man noch Sachen wie [Dancing With The] Moonlit Knight und [The Battle Of] Epping Forest, die wirklich gut klingen. Firth Of Fifth obendrein mit Peter am Mikro. Ich finde, solche Sachen zu haben, ist sehr erstrebenswert. Und sie sind so gut wie alles, was wir haben, darum bin ich damit sehr zufrieden. Mehr als wenn wir jedes letzte bisschen Material herausgesucht hätten, das wir auf die CD hätten packen können. Man vergisst immer etwas, und man wird nie jeden zufriedenstellen.
it: Habt ihr mal erwogen, Supper’s Ready zu Genesis Live hinzuzufügen?
Tony: Überlegt haben wir uns das. Aber dann hatten wir da auch noch die Version von der nächsten Show [d.h. die Rainbow-Aufnahme, die eine Tournee später entstand] und haben uns entschieden, diese zu verwenden, denn wir hatten ja noch eine andere Fassung auf Seconds Out. Damit gibt es die Version von der Rainbow-Show, eine Fassung, die viel besser ist als die auf Genesis Live, damit man sich die auch anhören kann. Ja, natürlich könnte man sie alle auf die CDs packen. Aber das Stück ist eine halbe Stunde lang, das sind dann eineinhalb Stunden mit einem einzigen Stück.
Irgendwo muß man dann mal einen Schlussstrich ziehen. Also haben wir eine wirklich gute Version genommen, auf der Peter singt, und eine wirklich gute Version, auf der Phil singt, und fertig. Ich finde das eine richtige Entscheidung. Ich bedauere auch nicht, dass wir Supper’s Ready vom Genesis Live-Album nicht verwendet haben. Das ist etwas von den Dingen, über die sich die Leute beschweren, hinter dem ich stehe. Ich glaube, dass die Entscheidung richtig war.
it: Genesis Live wäre dadurch natürlich vollständiger geworden, zumal Supper’s Ready ja ursprünglich dazu gehören sollte.
Tony: Das ist alles richtig, das kann ich nicht bestreiten. Ursprünglich war das auch unser Plan. Dann haben wir diese Aufnahme entdeckt, die einfach so viel besser ist. Wir hätten es anstelle der Lamb-Stücke auf das Album packen können. Dann hätte man allerdings zwei Alben gehabt, bei denen ein Drittel des ersten Albums denselben Inhalt hat wie ein Drittel des zweiten Albums. Auf drei Alben hätte man dann dasselbe Stück dreimal gehabt. Das ist ein bisschen seltsam. Man muss da eine Entscheidung treffen. Wenn wirklich etwas fehlt, können wir die Sachen auf die Webseite packen und die Leute können es haben.
it: Eine letzte Frage noch zur Live-Box. Wie wurde die Reihenfolge der Lamb-Stücke festgelegt?
Tony: Ich fand es gut, die Stücke als einzelne Lieder zu hören und nicht als Teil des Albums. Wir sind die Stücke durchgegangen und haben die Songs mit Peter ausgewählt. Bei der Auswahl waren alle beteiligt. Wir haben die Stücke ausgesucht, von denen wir fanden, dass sie bei diesem Konzert gut klangen, und haben sie in eine Reihenfolge gebracht, in der sie wie einzelne Songs wirken und nicht als Teil eines Konzepts. Wenn man drei oder vier Stücke aus einem Album herausnimmt, dann ist das nicht das Konzept – es wäre sinnlos, das vortäuschen zu wollen. Wir haben sie so angeordnet, dass sie als Einzelstücke wirken. Wir sind zufrieden damit, was wir herausgesucht haben.
Wir hätten das ganze Album nehmen können, aber das wären dann zwei weitere CDs gewesen – bei einer 5.1-Abmischung vier weitere CDs. Was soll man da machen? Irgendwann wird es völlig unbeherrschbar. Dann hat man so ein Boxset mit 26 Alben darin. Und das ist es dann in vielerlei Hinsicht nicht wert. Wir haben ordentliche Arbeit geleistet, glaube ich. Wir haben auf den ersten drei Boxsets so ziemlich alle Stücke dabei, die die meisten Fans haben wollten. Das aktuelle Boxset kommt eben nicht so gut an. Na gut. Nichtsdestotrotz ist es eine Zusammenstellung unserer Livealben. In zehn Jahren, wenn man vergessen hat, was alt ist und was neu, wird dieses Boxset die definitive Ausgabe unseres Livematerials sein.
it: Tony, vielen Dank für dieses Interview. Ich fand es sehr interessant. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft, und vielleicht sehen wir uns – auf der nächsten Tour?
Tony: Sicher, warum nicht.
Interview: Helmut Janisch
Transkription: Martin Klinkhardt und Helmut Janisch
Übersetzung: Martin Klinkhardt