1. Artikel
  2. Lesezeit ca. 7 Minuten

Tony Banks – A Curious Feeling – Album + CD/DVD Rezension

2009 erschien das Debütalbum von Tony Banks remastered und in einer Deluxe-Version auch in 5.1 Surround abgemischt. Album und Surround-Mix werden hier von 2 Autoren neu bewertet.

Es ist schon ein kurioses Gefühl, als erstes „richtiges“ remastertes Soloalbum der Genesis-Familie, dem Debüt von Keyboarder Tony Banks zu lauschen. Aber eines vorweg: Es klingt gut! War er es doch Nick Davis, seines Zeichens Toningenieur bei Banks‘ Stammband, der den gesamten Genesis-Katalog inkl. offiziellen Livealben ab 2007 mit modernster Studiotechnik klanglich enorm aufbesserte. Und Banks und Davis arbeiteten bei diesem Unterfangen Hand in Hand. Banks war es auch, der bei diesem Prozess fast durchgängig anwesend war und Nick Davis assistierte. Natürlich lag es da auch auf der Hand, dass Tonys erstes Solowerk zuerst für eine soundtechnische Frischzellenkur in Frage kam. Und so nutzte Banks die Gunst der Stunde und machte sich mit Davis daran, A Curious Feeling akustisch zu polieren. Und gerade bei dieser Produktion hat sich das mehr als gelohnt.

Aber einleitend ein paar Worte zur Entstehung des heute noch unter Fans beliebtesten Werkes aus dem doch recht umfangreichen Solokatalog des Ausnahmemusikers: Nach Fertigstellung des ersten Genesis-Albums in der Dreierkonstellation Banks, Collins und Rutherford, And Then There Were Three, entschieden sich die Bandmitglieder für eine bandinterne Auszeit um sich ihren Soloprojekten widmen zu können. Das Vorhaben stand auch in Zusammenhang mit den privaten Eheproblemen von Phil Collins, dem seine Bandkumpanen eine mehrmonatige Pause ermöglichen wollten, um sein Eheleben wieder in den Griff zu bekommen. Diese Zeit wollten sie gleichzeitig nutzen um selbst auch Soloalben aufzunehmen. So erblickte A Curious Feeling das Licht der Welt und ebenso Mike Ruthefords Solodebüt Smallcreep’s Day. Im Booklet der neuen Auflage von A Curious Feeling kann man die Entstehungsgeschichte des Albums in Form von Tonys Linernotes noch detaillierter in Erfahrung bringen.

Aufgenommen wurde A Curious Feeling in den Polar Studios, Stockholm mit Unterstützung des langjährigen Genesis Produzenten David Hentschel. Tony wollte diese Platte unbedingt als „sein“ Werk produzieren, und so entschied er sich, ähnlich wie Phil Collins viele Jahre später bei Both Sides, alle Instrumente selbst zu spielen. Zum Bedienen der Drums sah er sich selbst außerstande und verpflichtete, wie war es auch anders zu erwarten, den Genesis-Tourdrummer Chester Thompson. Die Wahl des Sängers fiel, nach einigen Auditions, auf „Reibeisenstimme“ Kim Beacon. Alles andere spielte Banks selbst ein, inklusive aller (eher spärlich gesähten) Gitarrenspuren. Und gerade diese profitieren hervorragend vom neuen Mix. Inhaltlich wird das Konzeptalbum lose zusammengehalten- alles auf der Basis der utopischen Kurzgeschichte Flowers For Algernon. Tony war in den ’70er großer Science-Fiction-Fan.

1979 erschienen, erreichte das Album einen beachtlichen 21. Platz in den britischen Charts. Als Single wurde For A While ausgekoppelt, sicher neben einem denkbarem Edit des Songs A Curious Feeling die eher schlechtere Wahl. Der Titeltrack wäre sicher eine besser Variante gewesen. Dementsprechend war der Single auch kein großer Erfolg beschieden. Interessanterweise wurde For A While für diese Wiederveröffentlichung wieder als Single ausgekoppelt – zumindest digital bei iTunes.

From The Undertow

Hinein geht es in dieses instrumentale Prelude-Stück und das neue remasterte Gewand lässt dieses Intro weitaus voluminöser und bombastischer klingen.

Lucky Me

Lucky Me klingt vertraut und hat sicher poppigen Charaker. Kim Beacons Gesang ist gelungen und im neuen Mix hört man die Gitarrenbegleitung sauber und auch die eher im Hintergrund gehaltenen Keys sind endlich ganz klar auszumachen.

The Lie

Nun weiter ins „Opus magnum“ des Albums. Erstmals fällt hier besonders der stark verbesserte Drumsound auf. Vom rhytmischen The Lie geht es fließend weiter mit dem Juwel der Platte …

After The Lie

Dramatik, Aufbau und insbesondere das finale Keyboardsolo sind absolut auf Augenhöhe mit einigen der besten Genesis-Outputs. Chester Thompson liefert hier seinen besten Beitrag zum Album ab – endlich durch den neuen Mix gewürdigt!

A Curious Feeling

Dieser leichtfüßige Popsong macht im Gegensatz zu den meisten eher melancholischen Stücken auf der CD einfach immer gute Laune. Der neue Mix bringt den Bass gut unter und lässt Effekte hörbar werden, die man vorher kaum ausmachen konnte.

Forever Morning

Der elegische Instrumentaltrack leidete schon immer etwas unter den „quietschigen“ Sounds, die Banks zu jener Zeit gern nutzte. Auch die neue Version ändert daran wenig.

You

Schon clever wie sich dieser nette, balladeske Song in ein Prog-Inferno verwandelt. Das Keyboardsolo ist vielleicht etwas zu lang und nicht ganz so auf den Punkt gespielt wie in After The Lie, aber der Song geht dann über in …

The Waters Of Lethe

… und hört sich betörend schön nach Wind & Wuthering an.

For A While

… ist ein melancholischer, kleiner Popsong, der schon früh zeigte, das Tony durchaus auch dem einfach Popsong zugetan war – nicht nur Phil Collins. Auch hier sind alle Spuren deutlich differenzierter zu hören.

In The Dark

Abgeschlossen wird das Album mit dem wohl intimsten und zerbrechlichsten Stück des Konzeptwerkes. Ein nachdenklicher Schlusspunkt unter einem spannenden Werk eines Künstlers, dem es neben seiner immens erfolgreichen Hauptband, nie vergönnt war, auch solo die verdiente Beachtung zu erlangen.

Insbesondere für Fans des Albums ist diese remasterte Version ein transparentes Audio-Erlebnis, das dem Hörer die Tränen in die Augen treibt, aber auch für Neulinge im Solouniversum des Tony Banks sicher somit ein perfekter Einstieg.

Erschienen ist bereits eine Deluxe-Edition mit DVD und dem 5.1-Mix und eine Einzeldisc-Stereo-Version. Jeweils umhüllt mit einem Pappschuber, der das bekannte Cover in höherer Zoom-Stufe zeigt. Geschmackssache!

Autor: Anton Martin


Informationen zum 5.1 Surround Sound

Kurz vorweg: die Originalfassung von Tony Banks Debutalbum kenne ich nicht wirklich. Zwar besitze ich die LP, habe sie aber in 30 Jahren vielleicht dreimal gehört. Daher lässt sich wenig Vergleichendes feststellen, aber vielleicht ist auch ein unbefangener Blick für eine Rezension brauchbar.

Allgemein kann ich feststellen, dass das Album nicht so schlecht ist, wie ich es in Erinnerung hatte. Trotzdem nervt dieser Pianosound, der schon beim ersten Ton von From The Undertow verdeutlicht, wer da spielt, schon beim dritten Stück, The Lie, der Sänger ist eine nichtssagende Nullnummer, Chester Thompson spielt deutlich unterhalb seiner Möglichkeiten und wer And Then There Were Three bereits wegen seiner ausufernden Keyboards gehasst hat, wird hier nicht viel Schönes finden. Aber das Album hat durchaus seine Momente: Bei Lucky Me gibt es eine schön gespielte 12-string, die mich hat nachschauen lassen, wer die denn spielt – Tony selbst, Respekt. Das Titelstück gefällt durch die Percussions und die Akustik-Gitarren und auch im weiteren Verlauf gibt es immer wieder einige gute Ideen, jedoch nix, was mich vom Hocker reißen könnte.

Immer wieder schimmern die käsigen Melodie-Keyboardsounds von And Then There Were Three mit ihrem anstrengenden Portamento durch, die einem den Geschmack verderben. Forever Morning klingt wie ein Intro eines Songs auf Duke, es führt jedoch zu nichts, bleibt quasi im Intro-Stadium hängen. Zum Schluss wird es arg feierlich mit einer ziemlich leierigen Kirchenorgel. Und After The Lie endet mit einem dieser typisch-dudeligen Banks-Synth-Solos, dass man froh ist, als es endlich ausgeblendet wird.

Während die Musik so vor sich hinplätschert, mal ein paar Bemerkungen zur Gestaltung der Deluxe-Ausgabe: Ähnlich wie die Bonustrack-CDs in den Genesis-Archive Boxen kommt sie in einem gefälligen Buchformat, mit stabilen und abwaschbaren Deckeln. CD und DVD stecken jeweils in Kartontaschen, die an den Deckelinnenseiten aufgeklebt sind. Dazwischen ist ein 20-seitiges Booklet eingeheftet, das außer leicht selbst-beweihräuchernden Liner Notes von Tony („I strongly felt that the material I’ve written for A Curious Feeling was as good as anything I’d written for Genesis“) und den Lyrics auch einige wenige Fotos von den Recording-Sessions zeigt. Das einzig wirklich Unschöne ist das stark beschnittene Cover-Gemälde, bei dem nicht mehr zu erkennen ist, dass es sich bei dem schwarzen Querbalken, auf dem jetzt der Titel steht, um ein Boot handelt, noch, dass es leer ist, sich trotzdem aber eine Gestalt im Wasser spiegelt. Derjenige, der dieses Artwork verbrochen hat, hat das Ganze wohl für abstrakte Malerei gehalten – durch den hier verwendeten Ausschnitt sieht es jetzt tatsächlich so aus. Etwas besser gewählt ist der Ausschnitt im Hintergrundstandbild der laufenden Musik, wie auch bei Genesis ist der jeweilige Tracktitel in die Mitte des Bilds gesetzt.

Musikalisch lässt das folgende Stück, You, im zweiten Teil aufhorchen. Das steigert sich nämlich unvermittelt zu einer gut arrangierten Uptempo-Nummer, die ein wenig Duke’s End, vorweg nimmt. Es gibt ein feines, schnelles Keyboardsolo im Slipperman-Sound. Sicherlich das Highlight des Albums. Warum nicht mehr davon? Stattdessen folgt mit Somebody Else’s Dream ein langatmig stampfendes, extrem schwerblütiges Stück, das man durch seine dissonanten Harmonien kaum erträgt. The Waters of Lethe fängt als guter Kontrast dazu mit einer leichteren Melodie à la One For The Vine an, später wird ein wenig Bombast draufgesetzt, es gibt sogar eine Sologitarre zu hören, deren Sound exakt dem von Mike Rutherfords Many Too Many-Solo entspricht.

Dass beim folgenden Stück For A While wieder der Sänger mit dem schönen Namen Kim Beacon (nicht: Bacon) zum Einsatz kommt, begrüßt man wegen der langatmigen Instrumentalpassagen der vorhergehenden Stücke fast. Aber auch dieser Song wird gnadenlos mit Keyboards zugekleistert. Da die hier fast ausnahmslos auf die rückwärtigen Kanäle verteilt sind, würde es mich fast reizen, diese Lautsprecher mal auszublenden. Das abschließende Stück In The Dark fängt an mit – dreimal raten? – genau: Piano. Dann gibt es etwas Gesang und dem folgt – welch Überraschung – eine schwülstige Bombastorgel. So vorhersehbar wie die Arrangements ist auch die neu erstellte 5.1-Mischung des Albums. Ähnlich wie bei den Genesis-Alben hat Nick Davis auch hier meist die Flächen nach hinten gemischt. Gitarren (sofern vorhanden) und Percussions befinden sich ebenfalls weit draußen, was den Raum sehr schön öffnet. Drums finden meist vorn statt, gelegentliche Percussions oder Beckenschläge ausgenommen. Der Leadgesang hat den Center für sich allein. Das ist ordentliches Handwerk, sauber und transparent abgemischt, aber recht konservativ und wenig spontan – einfach nichts Besonderes.

Dass das Album dennoch eine eher traurige Veranstaltung ist, liegt an den schwachen Kompositionen, den aufgeblasenen Arrangements und an David Hentschels bräsiger Produktion. Dennoch, auch dem Surroundmix hätte etwas mehr Lebendigkeit, mehr Überraschung gut getan.

Bemerkenswert wäre noch, dass die beiden Promovideos ebenfalls im 5.1-Sound kommen und erstklassige Bildqualität aufweisen.

Autor: Tom Morgenstern