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Tom Morgenstern – Erinnerungen an ‚it‘
Fast schon ein Seiteneinsteiger: Tom Morgenstern war jahrelang Fan, hatte zunächst aber nur wenig Kontakt mit dem Fanclub. Das änderte sich Mitte des letzten Jahrzehnts.
Es muss in prähistorischer Zeit gewesen sein; ich erinnere mich dumpf, wie ich am Rande eines öden Nürnberger Gewerbegebiets in einer Telefonzelle stehe und mit einem gewissen Helmut Janisch telefoniere. Das war Anfang 1992, der Club konnte noch nicht laufen, aber schon sprechen. Helmut war nett und aufgeschlossen – und versprach, zu helfen!
Ich war damals eifrig dabei, meine Genesis-Singles auf professionelles 38-cm/s-Mastertape („Schnürsenkel“) umzukopieren, um mir so ein Archiv anzulegen, das sich irgendwann, sollten die brennbaren CDs jemals erschwinglich geworden sein, auf dieses schicke neue Medium transferieren lassen sollte. Leider fehlte in der Sammlung die B-Seite von Carpet Crawlers, der berühmte Evil Jam. Die hatte ich schon seit Jahren auf allen möglichen Plattenbörsen gesucht. In der Pre-Internet-Zeit gab es keine Diskografien an jeder Ecke, sonst wäre mir aufgefallen, dass mir durchaus noch andere Non-Album-Tracks fehlten, aber damals war das mein „Holy Grail“.
Im Musik-Express, den ich damals nur noch gelegentlich kaufte, war mir die Anzeige des „Deutschen Genesis-Fanclubs“ aufgefallen, das klang offiziell und amtlich, wenngleich ich mich auch wunderte, wieso man einen Genesis-Fanclub erst in den 1990ern startet, also zu einem Zeitpunkt, wo die besten Jahre der Band schon lange vorbei schienen. Ich hatte keine große Lust, einem Verein beizutreten, zumal ich durchaus auch ganz andere Musik gut fand. Da mein Projekt aber nun ins Stocken geraten war, hatte ich da einfach mal angerufen. Die Details der Konversation habe ich nicht mehr präsent, aber wenig später lag in der Post eine CompactCassette mit dem überspielten „Evil Jam“ in sehr guter Qualität. Ob er mich damals genötigt hatte, als Gegenleistung dem Fanclub beizutreten, weiß ich nicht mehr, aber jedenfalls bekam ich bald einen laminierten Mitgliedsausweis mit einer niedrigen laufenden Nummer und dann mit einiger Regelmäßigkeit diese faszinierenden und hervorragend gemachten Fanzines, die ich natürlich alle sammelte. Alles zu einem durchaus akzeptablen Gegenwert, eine Art Abo, das einmal jährlich bezahlt werden musste.
Jahre später kam es dann zu einem weiteren Kontakt, als ich Helmut unverlangt ein Review zur zweiten Archive-Box schickte. Grund war meine damalige Verärgerung über dieses Produkt. Da Helmut, wie er sagte, ebenfalls dabei war, ein Review zu schreiben, und unsere Schwerpunkte ohnehin leicht unterschiedlich waren, hatte er die Idee, beide Rezensionen zu mergen und in das anstehende Jahresheft 2000 aufzunehmen. Das war, soweit ich weiß, die letzte Printausgabe des Fanzines, danach gab es nur noch das Internet, in dem ich seit 1997 auch aktiv war, jedoch zunächst ausschließlich international, denn die ersten Versionen der deutschen Webseite waren doch etwas enttäuschend – ich hatte erwartet, dass die Inhalte aller bisherigen Fanzines, von denen ich ein paar verpasst hatte, dort zum Nachlesen eingestellt gewesen wären. Später habe ich erfahren, dass das aus technischen Gründen wohl sehr schwierig war.
Das offizielle Genesis-Forum schien mir damals deutlich aufgeweckter und interessanter, zudem gab es auf der deutschen Website fast nichts über mein inzwischen vorwiegendes Interesse: unveröffentlichte Liveaufnahmen, Bootlegs und die ganze Welt der Trader mit ihren geheimen FTP-Servern, Mailing-Groups und konspirativen Zirkeln. So rückte der Fanclub bei mir mehrere Jahre ziemlich aus dem Fokus.
2006 flog ich zu einem Treffen des englischen Fanclubs nach London; im Prinzip nur ein zweitägiges Genesis-Coverband-Festival, aber ich hatte erstmals Gelegenheit, viele Leute in persona kennenzulernen, zu denen vorher nur virtuelle Kontakte bestanden. Höhepunkt war das Treffen mit John Mayhew und einigen anderen Fans in einem traditionellen Londoner Pub. Später im selben Jahr war John auch in Welkers angekündigt – für mich ein Grund, mich erstmals auch auf den Weg zu einem Clubtreffen in die tiefste Provinz in der Mitte Deutschlands zu machen. Obwohl man sie nicht mit dem britischen Pendant vergleichen kann – die Fans drüben kennen und erkennen sich, daher geht es dort wesentlich familiärer und ausgelassener zu – habe ich danach keines dieser Clubtreffen mehr ausgelassen.
Im Gegensatz zu den diversen offiziellen Foren, deren Halbwertszeit immer recht gering war und alle Fans jedes Mal aufs Neue verärgert waren über Schließungen und Neugründungen aus zum Teil recht fadenscheinigen Gründen, hatte sich das deutsche Forum über die Jahre mehr und mehr als ein Hort der Stabilität und Zuverlässigkeit erwiesen und nachdem ich etwa zwei Jahre lang bei Christian rumgequengelt hatte, bekam das Forum 2009 endlich auch ein eigenes Bootleg-Unterforum.
Tom Morgenstern, Oktober 2011