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The Phil Collins Big Band Tour 1998 – Tourbericht
Eine außergewöhnliche Tour absolvierte Phil Collins 1998. Nach dem Erfolg seiner Pop-Tour 1997 versammelte er einmal mehr seine Big Band und spielte etwa 20 Shows.
Bereits im Sommer 1996, also weit vor der A Trip Into The Light-Tour, hatte Phil schon einmal eine Big Band zusammengestellt und absolvierte mit ihr insgesamt acht Konzerte in Europa. Mit von der Partie waren damals neben der Horn-Section der WDR-Bigband u. a. auch Daryl Stuermer, Nathan East, Tony Bennett und Quincy Jones. Ganz offensichtlich hatte sich Phil damit nicht nur einen alten Wunsch erfüllt, sondern in sich auch eine Sehnsucht geweckt, die mit ein paar Konzerten nicht ohne weiteres zu stillen war. Nachdem Phil Collins dann im Dezember 1997 die A Trip Into The Light-Tour erfolgreich abgeschlossen hatte, fand er in den Folgemonaten die Ruhe, um sich für eine weitere Reihe von Bigband-Konzerten vorzubereiten. Diesmal sah der Tourneeplan, der knapp 20 Konzerte umfaßte, neben den USA, Frankreich und der Schweiz u. a. auch Deutschland vor, wo Collins im Juli 1996 nicht gastierte. Für 1998 wurden in Deutschland zwei Shows vorgesehen: 8. Juli in Berlin, Waldbühne, und 9. Juli in Köln, Roncalliplatz.
Um diese Konzerte genießen zu können, benötigte man die richtige Einstellung. Man kann ein Bigband-Konzert nunmal nicht mit den üblichen Pop-Konzerten vergleichen. Die richtige Einstellung fehlte einigen Besuchern dieser beiden Konzerte. Anders ist es zumindest nicht zu erklären, daß nicht wenige „Fans” bereits nach zwei dargebotenen Songs aufstanden und das Konzert-Gelände verließen.
Besprechen wollen wir das Berliner Konzert. Die Waldbühne war übrigens mit ca. 5000 Zuschauern nicht ausverkauft, was vielleicht auch am mäßigen Wetter an diesem Tage lag. Zunächst zur Band: Die Hornsection wurde neu zusammengestellt und stammte nicht – wie noch vor zwei Jahren – von der WDR-Bigband. Ergänzt wurde die Truppe durch Musiker, die wir schon von vorangegangenen Collins-Tourneen kannten. Dazu gehörten Arturo Velasco, Harry Kim und Daniel Fornero (alle drei zur Verstärkung der Horn-Section), sowie Daryl Stuermer (Gitarre), Brad Cole (Flügel/Keyboards), Doug Richeson (Baß), Luis Conté (Percussion). Als Special Guest war der Saxophonist Gerald Albright geladen, der den „Bläser-Block” komplettierte. Der zwanzigste Mann auf der Bühne war Phil Collins, der sich an diesem Abend auf das konzentrierte, was er am besten kann: Schlagzeug spielen! Nur am Ende der Show verließ Phil seine Trommeln, um bei zwei der drei Zugaben zu singen.
Der erste Song des Abends war Two Hearts, und man merkte sofort, wie ein neues Arrangement eines solchen Stückes im Zusammenhang mit einer völlig neuen Instrumentierung und dem Weglassen des Gesangs zu einem ganz anderen Eindruck führte. Gleiches galt im Grunde für alle folgenden Lieder. So auch für That’s All, welches klarmachte, dass nicht nur Collins-Kompositionen, sondern auch Genesis-Songs an diesem Abend dargeboten werden sollten. Ein kurzes Zwischenspiel, instrumentiert durch Schlagzeug-, Bass-, Gitarren-, und Flügelspiel, bildete sozusagen das Intro für Invisible Touch, das sich durch die neu komponierten Arrangements soweit vom Original entfernte, daß man erst beim zweiten Hinhören der Titel zu identifizieren war. Rad Dudeski, bekannt geworden als Bonustrack der Both Sides Of The Story-Single, wurde als nächstes gespielt. Die Darbietung war auch hier gelungen und sorgte dafür, daß dieser etwas in Vergessenheit geratene Track eine verspätete Ehrung erfuhr. Against All Oddsfolgte sogleich und lehnte sich mehr an die Originalversion an, ohne dass dabei der beabsichtigte Jazz-Einfluß verloren ging.
Zu hören war danach I Don’t Care Anymore. Dieser Klassiker gehörte zu den Stücken, die durch das Arrangement für eine Bigband eine starke Wandlung erfuhren. Wie schon bei Invisible Touch mußte man schon genau hinhören, um das Lied zu erkennen. Auf jeden Fall war das Endergebnis sehr hörenswert. Gleiches galt auch für Hold On My Heart, welches uns als nächstes zu Ohren kam. Hierbei hatte nicht nur Harry Kim seinen großen Auftritt am Flügelhorn, sondern Hold On My Heart war wahrscheinlich das Stück jenes Abends, welches durch die „Neu-Komposition” die stärkste Veränderung gegenüber der Original-Version erlebte. Das Ganze kam schon einer Verfremdung nahe, hatte aber durchaus auch seine Reize. In The Air Tonight gehört seit Jahren zu Phils Live-Repertoire, und daher durfte dieser Mega-Hit natürlich auch dieses Mal nicht fehlen. Man kann da natürlich unterschiedlicher Auffassung sein, aber mussten Daryls Beiträge an der E-Gitarre wirklich sein? Nichts gegen sein Spiel, aber hier wirkte dieses recht rockig präsentierte Element irgendwie unplaziert. Danach folgten zwei Blöcke, die aus Kompositionen bestanden, welche nicht aus Collins‘ Feder stammten. Zunächst wurde eine Nummer von Gerald Albright, Chips And Salsa, gespielt, die von dem Stück Georgia On My Mind gefolgt wurde. Beide Werke passten gut in den Set und öffneten die Pforten für den nun folgenden Block, bei dem Oleta Adams, der zweite große Gaststar des Abends, die Hauptrolle übernahm. Sie hatte eine tolle Ausstrahlung und sorgte mit ihrem Auftritt für jenes Flair, welches solch ein Konzert im Sinne des Jazz und Blues erst ausmacht. Oleta sang folgende Lieder: From This Moment On, Two Lovers As Friends, I’ve Got A Right To Sing The Blues, I Won’t Be Happy (Till I Make You Happy Too), New York State Of Mind (Billy Joel), Watch What Happens. Weiter ging es mit Milestones von Miles Davis. Ein tolles Schlagzeug- und Percussion-Duett bildete die Einleitung zu einem grandiosen Los Endos, das von vielen Besuchern als Höhepunkt der ganzen Show angesehen wurde. Nostalgie spielt bei dieser Ansicht bestimmt auch eine Rolle; schließlich hat Genesis diesen Klassiker letztmalig 1987 live gespielt. Wie auch immer, Los Endos bildete ein tolles Finale, und es war klar, dass die Band, die kurz danach die Bühne verlassen hatte, mit lauten „Zugabe”-Rufen recht schnell in das Rampenlicht zurückgeholt wurde.
Nun, Phil sang, wie bereits erwähnt, bei zwei der drei Bonus-Lieder dieses Konzertes. Zunächst präsentierte er The Way You Look Tonight (Musik: Jerome Kern, Text: Dorothy Fields). Es folgte die Duke Ellington-Komposition Do Nothin‘ Till You Hear From Me (Text: Bob Russell) für das Luis Conté kurzerhand die Rolle des Drummers übernahm. Bereits auf dem Quincy Jones-Album Q’s Jook Joint ist Collins mit diesem Track vertreten. Für den Abschluss des Konzertes wühlte Phil in seiner riesigen Hit-Single-Kiste und wählte Sussudio (wieder ohne Gesang) aus, das einen guten Abschluss für ein noch besseres Konzert darstellte.
Es war schon fantastisch, bekannte Hits auf diese Weise in einem neuen Gewand zu erleben. Vielleicht hat Phil ja noch immer nicht genug von seinem Bigband-Projekt und plant weitere Konzerte solcher Art. Für diesen Fall können wir denjenigen, die die bisherigen Shows verpaßt haben, nur ans Herz legen, sich Tickets zu sichern. Voraussetzung für einen genußvollen Abend ist allerdings eine gewisse Liebe für diese Art von Musik und die Freude darauf, bekannte Kompositionen auch einmal in einem ganz anderen Arrangement präsentiert zu bekommen.
Autor: Bernd Zindler