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The Musical Box – Oberhausen, Arena 2005 – Konzertbericht
2005 brachte The Musical Box die Show zu The Lamb Lies Down On Broadway nach Europa. Hier sind eure Fan-Berichte von den Konzerten.
Eine Zeit, in der Winter noch Winter waren. Neblig und kalt. Ich war 19 und genoss das Leben. Neben der Schule gab es noch Musik und Bier und Angela. Sie war eine Klassenkameradin von mir und hatte mir vor einigen Wochen From Genesis To Revelation in die Hand gedrückt. „Super Gruppe – mein Bruder hat noch mehr Alben – kann ich dir auch mal leihen…“
Und dann kam halt der 04.11. – „du, heute spielt Genesis in der Philipshalle – wir sind mit ein paar Leuten da – komm’ doch auch…“
Ich hatte keine rechte Lust – wie gesagt – neblig, kalt und das oben erwähnte Album gefiel mir überhaupt nicht. Gegangen bin ich dann doch – wahrscheinlich nur wegen Angela und mangels Alternative. Eine nicht ganz ausverkaufte Philipshalle und die zu dieser Zeit üblichen dicken, süßlich duftenden Nebelschwaden erwarteten mich.
Das Konzert begann ziemlich pünktlich und nicht wenige waren erstaunt, dass scheinbar nur das Album Lamb Lies Down gespielt werden sollte. Das hatten die meisten nicht erwartet. Ich kannte das Album wie gesagt überhaupt nicht und muss aus heutiger Sicht sagen, dass ich die Story absolut nicht verstanden habe. Es gab sicherlich einige Höhepunkte – Carpet Crawlers , In The Cage , It – aber ich empfand auch viel Leerlauf und absolut chaotisches Geschrammel – Waiting Room – !! Insgesamt war es ein gutes Konzert – wie die meisten damals – die Leute waren zufrieden – jedoch nicht absolut begeistert. (Für die, die es nicht wissen können – zu dieser Zeit wurden durch Hartnäckigkeit Zugaben erzwungen, selbst wenn das Hallenlicht schon lange an war und das Klavier bereits von der Bühne getragen wurde. (Jethro Tull). Man(n) ist einfach nicht gegangen und hat getrampelt und gejohlt, bis den Gruppen nichts anderes übrig blieb, noch einmal auf die Bühne zu kommen. Bei The Lamb hatte man den Eindruck jedoch nicht. Vielleicht waren das Thema und die Umsetzung nicht nur für mich zu schwer. Die 76 Tour war für mein damaliges Empfinden um Längen besser und hat sich für lange Zeit vor The Lamb gesetzt.
Samstag, der 12.03.2005 – Oberhausen
Ein paar Jahre später … Seit Wochen kribbelig – seit Tagen nervös. The Lamb ist back again. Was – wie oben beschrieben – damals nur ein Konzert von vielen war, lässt mich heute schier aus der Fassung geraten. Mit den Jahren hat sich viel verändert – Genesis absoluter Topact – auch für mich – dann zu kommerziell – Fan nur noch aus alter Leidenschaft – Solokarrieren für mich unnötig (außer Gabriel und Hackett) etc. etc., das ganze Spektrum halt. Aber heute wird es sein wie früher – Rael is back. Wie wird es sein – holen mich meine Erinnerungen ein? Wird das Konzert mit dem heutigen Wissen um die Geschichte des Albums besser sein als damals?
Nach mehreren Konzerten der Selling England-Tour bin ich sicher, dass an der Leistung von The Musical Box nichts auszusetzen sein wird.
Wir betreten die Halle, hier ein Gruß, da ein Plausch – dann gehen wir zu unseren Plätzen. Die üblichen Gruppen scharen sich um die Bühne, begutachten dies und das. So gegen 10 nach 8 geht es dann endlich los. Die Zeitreise beginnt, der Timetunnel wurde betreten. Schon bei den ersten Takten Gänsehaut – Schauer über Schauer. Da kommt Rael – unglaubliches Staunen. Alles wie damals. Um mich herum – offene Münder von alten Menschen. Was hatte ich mir alles ausgemalt. Beim ersten Takt aufzuspringen und loszujohlen. Meine Begeisterung in die Menge schreien. Und jetzt. Sprachlosigkeit und gebannt vor Ehrfurcht. So geht es das ganze Konzert – zwischendurch müssen Gefühle in Form von Applaus raus – ansonsten bleibe ich stumm. Aber dann gleich wieder volle Konzentration, nur nichts verpassen – – Alles aufsaugen – – .
Visuell wird das Album erst stimmig, das Empfinden für die Geschichte von Rael emotionaler. Jetzt wird auch der wirre The Waiting Room zum grandiosen Stück der Story. Die Diashow, von 1975 nur noch bruchstückweise präsent – lässt alles noch klarer und deutlicher werden. Die Lamia und der Slipperman tragen das Ihre dazu bei. Dann ist It here und now. Ende. Puh !!
Durchatmen und verschnaufen. Noch zwei “Abhotter“ als Zugabe. Das rockt. Weil – es ist ja only Rock ’n ‚Roll – aber wir lieben es. Bis ins Mark. Das Verarbeiten kann beginnen. Handwerklich gibt es an der Arbeit – besser Kunst – von The Musical Box nichts auszusetzen. Alles war stimmig und perfekt – wie gehabt. Mir war es ein wenig zu leise, hätte mir mehr Druck und somit mehr Intensität gewünscht (so wie bei den Instrumentalstücken) – aber vielleicht war es so authentischer. Für die, die Fehler suchen – oder irgendetwas in between finden – bitte sehr. Wer’s braucht. Digitalperfektionismus. Nichts für Vati…
Ein Wort noch zur Halle – bitte nie wieder Oberhausen für solche Events – nach Waters, Selling und jetzt Lamb kommt diese Halle für mich nicht mehr in Frage. Treppenbeleuchtung, die Landebahnen alle Ehre machen würde, teilweise Hallenbeleuchtung während des Konzerts, Bierschlepper Treppe rauf, Treppe runter – dadurch bedingt permanente Notdürftler. Eine Unruhe, die einen Konzert-“Genuss“ unmöglich macht.
Ach ja – aus Angela wurde Anke. Neben Anke war noch Max dabei – mein Sohn – 12 Jahre. Nach absoluter Begeisterung für Selling England – und wochenlangem “why don’t you touch me“ Ritual – hielt sich die Begeisterung für The Lamb doch in Grenzen. Aber er hat ja einen Vater, der es ihm erklären wird – bald einmal…
…und da war da noch – Samstag, der 19.03.2005 Frankfurt
Nach dem Rausch vor einer Woche musste ich das Konzert noch einmal sehen. Mit Guido, dem alten Haudegen – immer dabei. Also, ab in die Jahrhunderthalle. Hoffentlich ist diese Halle besser. Keine Karten – wird schon werden…Vor der Halle Karten gekauft – Reihe 8. Bekannte Gesichter überall. Fantreffen ? Dann in die Halle. Schön alt und gediegen. Spärlich beleuchtete Notausgänge. Gut so.
Das Konzert beginnt. Viel besserer Sound als in Oberhausen. Stimmung überwältigend. Zwischendurch tosender Applaus. Neben uns ein Engländer. Noch älter als wir. Implodiert zwischendurch immer wieder mit fanatischem “Rael“-Rufen. Man muss um seine Gesundheit fürchten. Vor mir eine Frau – etwa Anfang 40. Schon bei den ersten Takten muss sie sich die Tränen aus den Augen wischen und die Brille trocknen. Dieser Vorgang wiederholt sich immer öfter. Alles um mich rum schwelgt entweder in Erinnerungen oder ist ehrfürchtig begeistert, die Show erleben zu dürfen. Am Ende stehende Ovationen. Nur die erste Reihe scheint abgeklärt und cool zu sein. Warum ??
……und dann kommt da noch – Samstag, der 23.04.2005 London …..
Kann es noch besser werden ? We will see….
Übrigens – für mich braucht keiner der Herren zu erscheinen – außer Mr. Hackett…
Autor: Udo Lampenscherf