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The Musical Box – Milwaukee, Pabst Theatre 2011 – Konzertbericht

The Musical Box bringen die überwältigende Lamb Lies Down On Broadway Tour wieder auf die Bühne. Leon Alvarado hat sie gesehen und berichtet aus Milwaukee.

Das letzte Studioalbum, das Genesis aufgenommen haben, war das ‘97er Album Calling All Stations. Anders gesagt ist es vierzehn Jahre her, seit wir zuletzt irgendwelches Originalmaterial von einer der erfolgreichsten Bands in der Geschichte der Rockmusik bekommen haben. Aus der Gerüchteküche brodelt ab und zu Gerede über mögliche Reunions herüber, aber wir sollten realistisch bleiben: Höchstwahrscheinlich haben wir alles gesehen, was wir jemals von Genesis sehen werden.

Im Laufe ihrer ruhmreichen Karriere hat die Band einen Fundus an Stücken veröffentlicht, die ihr ihren Platz in der Geschichte der modernen Musik sichern sollten. Unter ihren Alben gab es ein Juwel von einem Konzeptalbum namens The Lamb Lies Down On Broadway. Für viele Fans (und auch für mich) war The Lamb die kreativste Leistung dieser Band: Auf einem Doppelalbum wurde die surrealistisch fremdartige Geschichte eines halbwüchsigen Kleingangsters aus Puerto Rico in New York erzählt.

Bei seinem Erscheinen waren die Kritiken für das Album sehr durchwachsen. In Großbritannien kam das Album besser an als in den Vereinigten Staaten; allerdings war Genesis in den USA auch nicht besonders bekannt. Ohne Rücksicht auf die Position in den Hitparaden spielten Genesis auf der Tour zum Album stolze 102 Konzerte. Die Show stellte das gesamte Werk in der theatralischsten Weise dar, die Peter Gabriel aufbieten konnte. Hinter der Bühne standen außerdem drei große Leinwände, die während der Show äußerst viele Dias zeigten. Es war eine ziemlich raffinierte Produktion, und sehr angemessen für die komplexe Musik, die ihr zugrundelag.

37 Jahre sind ins Land gegangen, seit Genesis mit der Lamb Lies Down On Broadway-Tour unterwegs waren. Für die allermeisten Genesisfans von heute ist die Lamb-Tour nur ein Ereignis aus der Vergangenheit, von der nur einige Filmschnipsel, Tonaufnahmen und diverse Fotos und Erzählungen von den Bandmitgliedern und der Crew Zeugnis ablegen. Jedenfalls war das so, bis den Tribut-Bands auffiel, dass es ein Publikum gibt, das immer noch Shows wie The Lamb Lies Down On Broadway sehen möchte. Eine ganz besonders gut Genesis-Tributeband ist eine kanadische Truppe, die sich passenderweise nach dem Genesis-Stück The Musical Box benannt haben. Sie bringen die Show in erstaunlicher Detailtreue auf die Bühne. Sie sind sogar so gut, dass sie die einzige Band sind, die von Genesis und Peter Gabriel „lizensiert“ sind. Bei der Vorbereitung auf die Show besuchte die Band des Studiogelände von Genesis in Surrey und bekam dort Kopien der originalen Dias, Bühnenaufbauzeichnungen und Beleuchtungsschemata, damit sie das Bühnenbild so genau wie möglich rekonstruieren konnten. Während eines Auftrittes im Jahre 2005 kam Phil Collins zu ihnen auf die Bühne und spielte Schlagzeug bei den Zugaben.

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Wie so viele Menschen wusste ich am Anfang nicht, was ich von Tributebands halten sollte. Je mehr ich aber darüber nachdachte, desto sinnvoller erschien es mir. Gruppen wie Genesis gibt es eben nicht mehr. Die einzige Möglichkeit, die Musik live zu genießen, besteht also darin, einer anderen Band zuzuschauen, wie sie das spielt. Natürlich gibt es DVDs und Videos, aber die halten doch noch einzelne Auftritte mit einer bestimmten Setliste fest. Nirgends kann man Videos eines ganzen Lamb-Konzertes von Genesis finden, und man wird sie auch nie finden, weil es sie einfach nicht gibt.

Viele Fans fragen sich genau wie ich, wie man bei einer dieser Shows hätte dabei sein können. Besser noch, wie man bei einer besten Aufführungen dieser Show dabei sein könnte. Hier kommt The Musical Box ins Spiel. Die Band hat die Instrumentierung der Show bis ins letzte Detail verinnerlicht. Ich möchte sogar bezweifeln, dass Genesis selbst so hart daran gearbeitet haben, eine solche Stimmigkeit auf der Bühne zu erzielen, wie diese Jungs hier sie erreichen. Damit will ich nicht sagen, dass sie besser sind als Genesis, sondern dass sie die Darbietung von Genesis genommen haben und sie so genau auswendig gelernt haben, dass sie sie Abend für Abend in derselben Qualität spielen können. Tatsächlich hat The Musical Box die Lamb-Show inzwischen öfter gespielt als Genesis.

Hier sind wir also in der Mitte der zweiten Reihe auf der Tribüne eines eher intimen Saales. Die Lichter verlöschen, und eine vertraute Stimme erzählt uns die Geschichte über „unseren Helden“, der in Manhattan Island vom Erdboden verschluckt wird. Die Stimme, sehr ähnlich der von Peter Gabriel, beschließt die Einleitung mit den Worten: „Dies ist die Geschichte von Rael.“ Darauf folgt dann das gesamte Album von vorne bis hinten. Die ganze Zeit über gibt es eine Reihe von Effekten mit Nebel, Lichtern, Dias und Kostümwechseln sowie hervorragende Musiker und einiges vom besten Progressive Rock, der je komponiert wurde. 

The Musical Box bietet eine perfekte Rekonstruktion der kreativsten Show, die Genesis je gemacht haben. 

„Endlich“, sage ich mir innerlich. Das was immerhin das erste Mal, dass ich all die visuellen Effekte, die ich ja vorher schonmal gesehen hatte, zusammen mit der Show sehen konnte. „Also das ist der Moment, in dem er sich das Slippermankostüm überzieht.“ Ich fand mich allein schon von der Tatsache gut unterhalten, dass ich herausfand, in welchen Zusammenhang die verschiedenen Fotos, die ich gesehen hatte, gehören. Ich hatte Angst davor, dass ich die Theatermittel albern finden könnte, aber stattdessen fand ich sie sehr unterhaltsam und wichtig für den Fortgang der Erzählung.

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Während ich in der Show saß, ging mir durch den Kopf, was wohl Peter oder Phil oder Mike oder Steve dachten, als sie die Show aus dem Publikum heraus gesehen haben. Es muss einigermaßen verwirrend und faszinierend sein. Aus meiner Sicht jedenfalls war das Konzert eine willkommene Erinnerung daran, wie großartig die Musik von Genesis in jener Zeit war. Es war auch ein guter Einblick in eine Zeit, als kreative Bühnendarbietungen gerade erst im Kommen waren.

Als die Band den letzten Song der Geschichte beendete, wollte ich nicht, dass das hier zu Ende ging. Immerhin hatte ich gerade richtig Freude daran. Die Band kam zurück und spielte zwei Zugaben, The Musical Box und Watcher Of The Skies. Dann verschwanden sie wieder im Dunkel, ohne ihre Rolle aufzugeben oder ihre wahre Identität zu enthüllen. Um diese herauszufinden musste ich das Internet bemühen. Ich war jedenfalls froh, mit meinem iPhone (mit dem ich die Bilder gemacht habe) dabei gewesen zu sein.

Text und Bilder mit freundlicher Genehmigung von Leon Alvarado (http://www.leonplaysmusic.com)

Deutsch von Martin Klinkhardt