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The Musical Box – Live in Zürich 2007 (Selling England) – Fanberichte
Ihr habt das Wort: Zum letzten Mal touren The Musical Box mit den Shows zu Selling England / Foxtrot in Europa. Wir veröffentlichen Eure Berichte – hier zwei aus Zürich!
Selling England by The Poundlive in Zürich (14.02.2007)
Eine Zeitreise zurück in die 70iger-Jahre
Als Konzertbesucher bewegst du dich (normalerweise) in der Gegenwart; an diesem Abend jedoch war es eine Reise zurück in die frühen 70iger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der Rahmen stimmte: die ehrwürdige Kongresshalle in Zürich unterstrich diesen Eindruck…nur das Publikum war schon deutlich älter als damals.
Das Bühnenbild entsprach so gar nicht mehr heutigen „Ansprüchen“: einfach gehalten, grosse, graue wellenförmige Wände trennten die Musiker vom Backstagebereich und die Instrumente verstärkten den Eindruck des „déjà vu“ noch mehr (mit wenigen Ausnahmen); die Musik sollte das Visuelle dominieren, gut so! Und dann – plötzlich bewegten sich fünf Gestalten im Halbdunkel auf die Bühne, das Publikum johlte los, die Spannung entlud sich in einem Mal! – Watcher Of The Skies und TMB legten sich gleich mächtig ins Zeug. Und sie spielten sie alle, die Geschichten, welche bei vielen der „betagteren“ Genesis-Fans nach wie vor eine Hühnerhaut auslösen. Egal welche Rosinen sie servierten, alle Stücke lebten von einer großartigen Atmosphäre, der Dynamik ihres Spiels und von der souveränen Verkörperung der von Denis, François, Sébastien, Martin und David imitierten (oder müsste man sagen gelebten) Charakteren.
Jeder tat seine Begeisterung auf eine andere Art kund – sei es durch Virtuosität, sei es durch persönlichen Ausdruck, egal, der Funke sprang über. Es war beeindruckend, wie sich auch Leute jenseits des fünfzigsten Altersjahres wie Kinder freuen konnten an der Komik von Denis, wenn er seine „I am the winner“ – Geste machte oder skurille Geschichten als „Vorspeise“ servierte. Martin „Phil“ Levac riss seine Kameraden unerbittlich mit seinem Spiel mit, die zwei Herren mit den „langen Hälsen“ blieben meist ruhiger im Hintergrund und David „imitierte“ Tonys Spiel und Auftreten ebenso.
Mir persönlich haben ganz besonders The Cinema Show, Supper’s Ready, Firth Of Fifth sowie „Phils“ More Fool Me gefallen. Vieles ist eben auch Geschmacksache.
Nach ca. zwei Stunden dann – die Reise zurück, oder besser gesagt – vorwärts in die Gegenwart. Es war ein toller Abend und wohl viele Zuschauer hofften trotz allem, dass es eine Fortsetzung geben wird. Das Genesis-Jahr 2007 hat seinen ersten Höhepunkt erlebt und gleichzeitig den Maßstab für die „Originale“ gesetzt.
von Beat Käsermann
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The Musical Box in Zürich
Mittwoch, 14. Februar und zum dritten Mal bin ich unterwegs zu einem Konzert von The Musical Box. Erneut findet es im eleganten Rahmen im Kongresshaus am Zürichsee statt.
Eigentlich ein unpassender Ort für das Konzert einer Rock-Band. Hier spielen sonst eher Jazz-Orchester oder klassische Ensemble. Die konservative, edle Umgebung dämpft die Stimmung – man hat ständig das Gefühl, dass man sich benehmen muss. Dafür ist die Akustik im Saal gut – das entschädigt zumindest etwas.
Der Saal ist fast ganz ausverkauft. Nur wenige Plätze hinten und an der Seite bleiben leer.
Dann geht es auch schon los: Watcher Of The Skies. Nach der Keyboard-Einleitung stimmt das Zusammenspiel noch nicht ganz 100%. Ich sehe ‚Steve Hackett‘ die Gitarre nachstimmen, aber nach zwei bis drei Minuten stimmt alles, kaum ein Unterschied zum Studio-Original. Es ist einfach erstaunlich.
Danach geht es zu den ersten Höhepunkten. Dancing with the Moonlit Knight und The Cinema Showmachen Stimmung. Die Musiker weben die Melodiefäden gekonnt und der altbekannte Tonteppich entsteht, auf dem sich die Fans nur liebend gern entführen lassen.
Dann geht es fast nahtlos weiter mit I Know What I Like, das live viel besser zu klingen scheint. Zum allerersten Mal wird mir klar, dass ‚Tony‘ hier mit seinen Synthesizer ein Rasenmäher-Geräusch synthetisiert – und ich habe dieses Lied doch schon unzählige Male gehört. Die Stimmung unter den Anwesenden wird immer besser.
Denis beginnt wieder mit einem der humorvollen Monologe und dann übertrifft sich die Band zum ersten Mal selber. Firth Of Fifthist nicht umsonst für viele Fans das Beste, was Genesis je geschaffen hat. Hier stimmt von Anfang an alles und am Schluss gibt es enthusiastischen Applaus.
Dann die altbekannte Crocket-Einleitung, in der Denis unterstützt von Martin auf herrliche Art die Vorgeschichte zu The Musical Box erzählt. Das Publikum lacht und schmunzelt – ist in bester Stimmung. Es ist keine Frage, dass die Band ihr eigenes Lied, sozusagen ihre Hymne, perfekt beherrscht. Es ist der absolute Höhepunkt des Abends. Zum ersten Mal bringt Denis viel eigenes Gefühl in das Lied ein und es klingt, nun wirklich wie ein Live-Auftritt. Insbesondere der letzte Teil, in dem er mit der ‚Old man‘-Maske auftritt, ist Gänsehaut pur. Der Applaus will nicht aufhören.
Dann leider eine Zäsur. Nach dem herrlich lauten, komplexen und sich ständig verändernden Vorgängern, wirkt More Fool Me hier völlig fehl am Platz. Die wunderbar aufgebaute Spannung versickert. Das liegt nicht Martin, der das Lied wirklich hervorragend vorträgt. Es passt einfach nicht. Schade, das diese perfekte Spannung weg ist.
Aber auch der Band hat diese ‚Pause‘ nicht gut getan. Im nachfolgenden Battle of Epping Forest kommt so manches recht schräg, asynchron. Zum ersten Mal an diesem Abend klingt es gar nicht so, wie man es von The Musical Box gewöhnt ist. Erst ganz am Schluss stimmt es einigermaßen. Eindeutig der Minus-Pol des Konzerts.
Zum Schluss kommt das Stück, auf das man als Genesis-Fan den ganzen Abend gewartet hat. Supper’s Ready ist schlichtweg eines der genialsten Stücke, die man live erleben kann und die Kanadier bringen es perfekt auf die Bühne. Auch jetzt geht es The Musical Box nicht mehr um perfekte Nachahmung der Studio Aufnahme, denn hier und da insbesondere am Schluss, sind diese kleinen Änderungen drin, die einen Live-Auftritt eben so speziell machen. Als Zugabe kommt noch The Knife, das Denis schalkhaft, als etwas älteres Stück bezeichnet und dieses Mal ist man noch einen weiteren Schritt von der Studio-Aufnahme entfernt. Ist es eine eigene Interpretation oder spielen sie eine alte Live-Aufnahme von Genesis nach? Ist auch egal, es fetzt, passt und ist lebendig – ‚live‘ eben.
Fazit: Mein bestes TMB-Konzert bisher. Dieses Mal war es nicht einfach ein perfektes Nachspielen der Studioaufnahmen. Durch die kleinen und größeren Live-Einlagen und Interpretationen wirkte alles ehrlicher, enthusiastischer und lebendiger.
Da kann ich nur hoffen, dass die Herbsttournee mit schwarzem Bühnenbild wahr wird und dass es auch Konzert in Zürich gibt – ich wäre wieder dabei.
von Zoltan Kelemen