- Artikel
- Lesezeit ca. 7 Minuten
The Musical Box – Live in Nijmegen 2007 (Selling England) – Fanberichte
Ihr habt das Wort: Zum letzten Mal touren The Musical Box mit den Shows zu Selling England / Foxtrot in Europa. Wir veröffentlichen Eure Berichte – hier einer aus Nijmegen!
Selling England by The Poundlive in Nijmegen (27.01.2007)
Als ich letztes Jahr die letzte Lamb-Tour von The Musical Box sah, las ich auch einen Werbezettel mit der Aufschrift: “The Musical Box – Selling England By The Pound Farewell Tour 2007”. Ihre Aufführung der Lamb-Show hatte mir sehr gefallen, und daher hatte ich auf die Selling England-Show gehofft, weil es mein Lieblingsalbum von Genesis ist.
Im Herbst entdeckte ich dann, dass der Vorverkauf schon lief, und kaufte zwei Tickets für die Show in De Vereeniging in Nijmegen. Diesmal nahm ich meinen Kollegen Chris mit, der ebenfalls ein Fan von Genesis ist.
Auf der Basis früherer Setlists der Selling England-Shows von Genesis und The Musical Box bereitete ich mich mit den Stücken vor, damit ich das Konzert hundertprozentig mitbekäme. Jeden Tag vor dem Konzert spielte ich die Stücke der Setlist, und lernte das Selling England-Album, die Brillianz der Kompositionen und die Melodie der Stücke immer mehr zu schätzen.
Das Konzert in De Vereeniging fand an einem winterlich kalten Samstag Ende Januar statt. Mit dem Zug war ich von Eindhoven gekommen und lief das kurze Stück vom Bahnhof Nijmegen zur Vereeniging. Das Foyer war voller Leute, denn die Show war ausverkauft. Ich traf Chris am Eingang. Wir gaben unsere Mäntel ab und ich nutzte die Gelegenheit ein Tour-T-Shirt und eine CD von David Myers, dem Keyboarder von The Musical Box, zu kaufen, auf der er Genesisstücke auf dem Flügel spielt.
Wir betraten den Saal und stiegen die Treppe hinauf zum rechten Balkon. Unsere Sitze waren in der ersten Reihe der Empore und lagen sehr nahe an der Bühne. Die Sicht war hervorragend, es gab keinerlei Hindernisse, wir konnten die gesamte Bühne sehen. Auch wenn nur ein Platz ‚zweiter Klasse’ war, fand ich ihn doch besser den Platz der besten Kategorie, den ich im Vorjahr für die Lamb-Show hatte. Außerdem konnten wir sehr gut von der Empore ins Parkett schauen und beobachten, wie sich die Halle füllte, bis alle 1450 Plätze belegt waren.
Anmerkung: Da ich finde, dass The Musical Box fast genauso echt sind wie Genesis, werde ich ab hier die Namen der Genesismitglieder verwenden. Vom Balkon aus konnte ich auch den Bühnenaufbau bestens sehen. Die Bühne war weiß gehalten; neun sanduhrförmige Schirme bildeten den Hintergrund.
Die Keyboards und das Mellotron waren mehr oder weniger direkt unter unseren Sitzen aufgebaut. Daneben und ein wenig weiter hinten auf der Bühne sah ich das Schlagzeug und einige Percussionelemente, die daneben hingen. Weiter zur Mitte hin fand sich ein Mikrophonständer für Peter Gabriel, einem Abstelltischchen für Flöte und Tamburin sowie auf dem Boden eine Basstrommel. Neben dem Mikrophon bemerkte ich das Basspedal, das Mike Rutherford benutzen würde. Die berühmte Rickenbaker Doppelhalsgitarre (ein Gitarren- und ein Basshals) war ebenfalls einsatzbereit. Ganz am anderen Ende war ein kleiner Stuhl für Steve Hackett umgeben von einer Batterie Effektpedale.
Die Show sollte um acht Uhr beginnen, verzögerte sich jedoch um eine gute halbe Stunde. Aber das machte nichts, als die Lichter erloschen und Tony Banks, Phil Collins, Steve Hackett und Mike Rutherford von hinten auf die Bühne kamen. Sie waren ganz in weiß gekleidet; PC trug einen weißen Overall wie ein Maler.
Nachdem sie kurz die Instrumente überprüft hatten, spielte Tony Banks das berühmte Intro zu Watcher Of The Skies vom Foxtrot-Album. In der Dunkelheit sahen wir Peter Gabriel die Bühne betreten. Er trug das übliche Kostüm für Watcher Of The Skies: einen farbenprächtigen Umfang, einen Kopfschmuck in Form von Fledermausflügeln und eine fluoreszierende Brille. Als er die erste Strophe sang, zeigte der Hintergrund zwei Augen, was zu dem Beobachter (engl.: watcher) auf beste passte. Das Stück war die perfekte Eröffnung, obwohl es nie mein Lieblingsstück von Genesis war. Die Liveversion fand ich jedoch besser, besonders mit der majestätischen Erscheinung Gabriels und dem Mellotronsound von Tony Banks.
Gegen Ende von Watcher Of The Skies verschwand PG hinter der Bühne, bis das Stück vorbei war und das Publikum herzlich applaudierte. Als er wieder erschien, trug er einen Brustpanzer mit Union Jack und einen Ritterhelm. Nach kurzer Begrüßung des Publikums und einer kurzen Einleitung des folgenden Stückes (er nannte sich dabei „den Stolz des britischen Weltreiches“) begann er mit der berühmten Einleitung zu Dancing With The Moonlit Knight: „Can you tell me where my country lies…?“
Die Band spielte das Stück tadellos, von der lieblich melodischen Einleitung über den komplexen Mittelteil, in dem sich Steve Hacketts Gitarre (mit Klopftechnik) und Tony Banks Mellotron schön mischten, bis zum gelassenen Ende. Peter Gabriels kraftvolle Stimme machte den Song ganz großartig.
Weiter ging’s mit einer kurzen Geschichte von Peter Gabriel. Er erzählte von Romeo, der seinen Pilz in die Achselhöhle und später in den Mund steckt, was ihn sexuell stimuliert, und von Juliet, die der Beschreibung nach auf dem Balkon mit ihren Brüsten spielt; dies lockt Romeo an, der sie dann ins Kino einlädt. Mit dieser Anekdote begann ein großartiger Song von Selling England: The Cinema Show.
Der friedvolle Einstieg und die schönen Gesangsharmonien von Peter Gabriel und Phil Collins haben dieses Stück zu einem meiner Lieblinge gemacht. Besonders ist mir der Moment im Gedächtnis geblieben, als diese tolle Gitarrenlinie begann und Peter sang „Take a little trip back with father Tiresias…“ Die Lichteffekte zu diesem tollen Stück waren auch herrlich; eine rotierende Diskokugel über der Bühne wurde von zwei Scheinwerfern angestrahlt, so dass grüne Lichtpunkte durch die Halle tanzten.
Das Ende des Stückes bildete ein reiner Instrumentalteil, für den nur das Trio, das später so berühmt werden sollte, auf der Bühne blieb, während Peter und Steve hinter der Bühne verschwanden. Die drei spielten perfekt, vor allem das authentischen Schlagzeug von Phil Collins.
Nach der Cinema Show spielte Peter Gabriel mit britischem Polizeihelm und einem Strohhalm im Mund den Rasenmäher (erkenntlich daran, wie er geht) und die Band setzte zum mähenden Intro zu I Know What I Like ein. Das beliebte Stück animierte das Publikum zum Mitsingen, während es genoss, wie Peter den Rasen mähte. Phil Collins hatte auch ein paar tolle Momente mit seinem Hintergrundgesang und der Percussion.
Wie auf dem Album folgte auch hier Firth Of Fifth auf I Know What I Like. Eingeleitet wurde es mit der Erzählung von den fünf Flüssen. Die Pianoeinleitung von Tony Banks wie auch seine Solos im Mittelteil waren wunderbar und wurden vervollständigt von dem großen langen Gitarrensolo von Steve Hackett. Die Folge von The Cinema Show bis Firth Of Fifth war für mich der großartigste Teil der Show.
Nach diesen vier Hammerstücken von Selling England erzählt Peter die Geschichte von Henry und Cynthia. Das war die Überleitung zu dem Stück, das der Band auf der Bühne ihren Namen gab: The Musical Box. Besonders genossen habe ich Peter Gabriels Performance in diesem Stück, seine theatralischen Gesten, das Flötenspiel, und vor allem sein Auftritt als der Alte Mann am Ende des Stückes, mit der brüchigen Stimme und dem abschließenden Orgasmus nach seinem Aufruf „touch me now … now … now … now“. Der musikalische Teil war genauso großartig; mächtiger Gitarren- und Bass-Sound von Mike Rutherford. Ich konnte genau beobachten, wie sein Fuß sich über die Basspedale bewegte. Das Publikum genoss die Darbietung und applaudierte kräftig, als das Stück vorbei war.
Die Stimmung beruhigte sich einigermaßen, als Steve Hackett Horizons spielte, und ich erwartete, daß diesem Stück dasselbe folgen würde wie auf Foxtrot. Peter kam jedoch mit einer Strumpfmaske wieder auf die Bühne, womit klar war, dass sie ein weiteres schönes Stück von Selling England spielen würden, nämlich The Battle Of Epping Forest. Von den Texten her ein kniffliges Stück, haben Peter und die Band es doch brilliant gespielt; wie er mit dem Knüppel schlug und kämpfte, machte die Darbietung umso schöner.
Nach The Battle erzählte Peter die letzte Geschichte des Abends. Es war die Geschichte vom Old Michael, gefolgt von dem majestätischen Beginn von Supper’s Ready, einer großartigen Kombination aus drei zwölfsaitigen Gitarren und Peters Stimme. Bei diesem Stück ließ die Band ihren Gefühlen freien Lauf. Musikalisch war es perfekt und bot Gelegenheit, Mike Rutherford wieder an den Basspedalen zu beobachten. Peter Gabriel bot uns gleich mehrere Rollen dar. Er kleidete sich mehrmals um, trug eine Dornenkrone zum Guaranteed Eternal Sanctuary Man, die Blumenmaske zur Willow Farm (erinnert ihr euch: „A flower?“), einen schwarzen Umhang mit eigentümlicher geometrischer Maske zur Apocalypse in 9/8, bis dieser Umhang dann fiel, um das strahlend weiße Kostüm beim letzten Teil As Sure As Eggs Is Eggs zu enthüllen.
Supper’s Ready erhielt den längsten und lautesten Beifall vom Publikum, bis die Band für eine Zugabe auf die Bühne zurückkehrten. Peter Gabriel bemerkte nüchtern „The Knife“ und schon spielte die Band das starke Riff von The Knife von Trespass. Es gab ja nicht viel Auswahl für die Zugabe, aber The Knife paßte perfekt mit seinen rockigen und doch symphonischen Nuancen.
Dann war die Show vorbei. Wir wurden 120 Minuten lang ganz fantastisch unterhalten mit tollen Songs und einer klasse Darbietung. Mit einer Endlosversion von The Knifeim Ohr lief ich zurück zum Bahnhof. Das war eine fantastische Show!
Von Irwan Sampurna, deutsch von Martin Klinkhardt