- Artikel
- Lesezeit ca. 9 Minuten
The Musical Box – Live in Duisburg 2007 (Selling England) – Fanberichte
Ihr habt das Wort: Zum letzten Mal touren The Musical Box mit den Shows zu Selling England / Foxtrot in Europa. Wir veröffentlichen Eure Berichte – hier drei aus Duisburg!
Selling England by The Poundlive in Duisburg (09.02.2007)
Ein Fest für Freaks
Freaks! Welch’ anderes Wort könnte man benutzen, um die fünfköpfige Gruppe zu beschreiben, die seit 1993 nichts Besseres zu tun hat, als die Genesis-Shows Foxtrot, Selling England By The Pound und The Lamb Lies Down on Broadway aus den 70ern so detailliert nachzuspielen, dass man sich tatsächlich in die 70er hineinversetzt fühlt?
Obwohl ich schon länger von dieser Truppe gehört hatte, konnten mich alle Berichte nicht dazu bewegen, eine Show zu sehen. Auch wenn sie noch so voll von Komplimenten und Bewunderung waren. Und so ziemlich alle Genesis-Fans waren sich einig, dass man diese Shows sehen sollte, falls man nur annähernd was mit dem Frühwerk von Genesis anfangen könne.
2006 dann letztendlich siegte die Neugierde und ich gönnte mir einen Einblick in eine Lamb-Show. Waren meine Erwartungen damals alles andere als hoch, verließ ich das Theater nach der Show mit einer neu entflammten Liebe für das Album, welches ich vorher als zu sperrig und zu kompliziert abgetan hatte. Umso schneller schlug mein Herz, als direkt nach der Show mir Flyer in die Hände fielen, die eine allerletzte Selling-England-Tour ankündigten. Selling England By The Pound! Mein Lieblings-Album von Genesis. Logisch, dass Karten bestellt wurden, sobald es sie gab.
Und so saß ich dann fast genau ein Jahr später erneut im Theater am Marientor in Duisburg und fieberte dem Dimmen des Lichts entgegen. Kurz nach 20 Uhr ertönten die bekannten Mellotron-Klänge zu Watcher Of The Skies. Die Reise konnte beginnen. Und es wurde erneut eine fantastische Reise durchs Genesis-Wunderland. Es war Kino, Theater, Geisterbahn; ein Lusthaus für alle Sinne: Mellotron-Klänge waberten durch den Körper, die Snare-Drum peitschte durch das Theater, Gitarren-Soli zerschnitten die Luft, die Bass-Drum rüttelte am Sessel. Einen besseren Ton habe ich noch nicht erleben dürfen. Lediglich an zwei, drei Stellen war es mir etwas zu druckvoll. Aber es handelte sich um Sekunden.
Für die Augen bot die Bühne, so spartanisch sie auch auf den ersten Blick erscheinen mochte, ebenfalls ein Reichtum an Details. Dias und Beleuchtung sorgten für die perfekte Untermalung sämtlicher Lieder. Schwarzlicht hier und da eingesetzt oder viktorianische Gemälde für Musical Box an die Wand geworfen, und die Illusion war perfekt. Dazu noch Denis Gagnés (alias Peter Gabriel) häufige Verwandlungen. Langweilig wurde einem als Zuschauer bestimmt nicht. Musikalisch wurde (fast) das ganze Selling England-Album geboten, gemischt mit älteren Klassikern wie The Musical Box. Höhepunkt war sicherlich die komplette Aufführung des 20minütigen Supper’s Ready, eine Achterbahnfahrt eines Liebespärchens, die inmitten der Apokalypse im nervenaufreibenden 9/8-Takt endet. Hier erlebte das Publikum auch das Zuckerstückchen der Bühnen-Show: Ein Pyro-Effekt vom Feinsten und der sonst nur pechschwarz gekleidete Gagné erschien plötzlich ganz in weiß. Dramaturgie in Perfektion.
Insgesamt war es fast beängstigend zu sehen, wie detailliert alles einstudiert war. Wer Ausschnitte von frühen Genesis-Auftritten kennt, merkte sofort, dass hier fast alles geplant war. Jede Lied-Ankündigung, jede Bewegung, sei sie noch so winzig, war eine minutiöse Kopie vom Original. Selbst einige Patzer kannte man von diversen Aufnahmen. Als dann Martin Levac (alias Phil Collins) zum Mikro ging und sein More Fool Me ankündigte, raunte das ganze Theater. Diese Stimme ist Phil Collins’ Stimme. Unglaublich. Verabschiedet wurden wir das schon längst verzauberte Publikum mit dem aggressiven The Knife. Dann sagten die Künstler kurz Au revoir, die Lichter gingen an, und man wurde fast brutal aus der Zeitmaschine entlassen. Im Foyer kam es dann noch zu einer kurzen Begegnung mit Martin Levac, der eifrig Autogramme gab, bis jeder glücklich das Theater verlassen hatte. Ich gehörte definitiv dazu.
Anfangs konnten mich keine Berichte dazu bringen, ein Konzert von der Musical Box anzuschauen. Jetzt schreibe ich selber einen Bericht und rate wirklich allen, die sich bislang zu schade für diese Show waren, es mal zu wagen, solange man noch die Möglichkeit hat. Mein Dank geht jedenfalls an Martin, Denis, François, Sébastien und David! Und die Hoffnung auf weitere Shows bleibt.
Autor: Simon Rosenberg
* * * * *
Selling England im Marientor
Am 09.02. war es nach langem Warten für mich endlich so weit – mein 2. The Musical Box-Konzert. Das erste war eine Lamb-Show im März 2005 in Oberhausen. Im Februar 2006 war es mir krankheitsbedingt leider nicht möglich, die Lamb-Show in Duisburg zum 2. Mal zu sehen. Also freute ich mich umso mehr auf mein erstes Selling-Konzert.
Das Theater am Marientor in Duisburg kannte ich bislang nur von außen. Nachdem ich nun auch Gelegenheit hatte es mir von innen anzusehen muß ich sagen, dass es mir für ein relativ neues und modernes Theater sehr gut gefällt. Von meinem Platz in Reihe 3 (Parkett) hatte ich selbstverständlich eine tolle Sicht auf die Bühne und konnte die Musiker bei der Show genau beobachten.
Das Opening mit Watcher Of The Skies war für mich erstmal nichts neues, da ich wie erwähnt ja bereits eine Lamb-Show gesehen hatte, wo Watcher als Zugabe gespielt wurde. Nach diesem mir bereits bekannten Kostüm kam dann für Dancing With The Moonlit Knight
natürlich die Rüstung mit dem Union Jack zum Vorschein. Generell finde ich es toll, durch das Live-Erlebnis Fotos von Kostümen endlich mal den entsprechenden Songs zuordnen zu können. Im Falle von Dancing With The Moonlit Knight ist das eher einfach aber es gibt auch andere Beispiele, bei denen das etwas schwerer ist.
Die Show kam nun für mich persönlich zum ersten Highlight – The Cinema Show zum ersten mal überhaupt live! Der totale Wahnsinn. Das macht schon richtig Appetit auf den Sommer, wenn hoffentlich sowas wie das ursprüngliche Cage-Medley endlich mal wieder gespielt wird… Firth Of Fift fällt für mich in die gleiche Kategorie. Absolutes Highlight und hoffentlich auch im Sommer zu hören – zumindest der Instrumentalteil, denn die Vollversion ist eher unwahrscheinlich.
Was mich aber vollkommen von meinem Sitz gehauen hat, war der Moment als Martin Levac. Phil Collins“) für More Fool Me angekündigt wurde und dann ein paar einleitende Worte sagte. I look like a painter in this jacket“). Ich behaupte, dass 95% aller Genesis-Fans darauf gewettet hätten, dass Phil Collins persönlich diesen Satz gesagt hätte. So echt klang das! Der Gesang war – wie natürlich auch bei „Peter Gabriel“ Denis Gagné – nicht minder authentisch. Das nachfolgende Battle Of Epping Forest war genauso lustig inszeniert, wie es erwartet hatte.
Nun kam das absolute Highlight – mein allererstes „Live-Supper“ überhaupt. Und was für eins! Die Zugabe The Knife konnte da in meinen Augen nicht mehr so ganz mithalten. Aber ich schätze das lag bei mir einfach an „Reizüberflutung“…
Was mich nach der Show besonders gefreut hat war, dass selbst eingefleischte und erfahrene TMB-Konzertbesucher sagten, dass diese Selling-Show zu den perfektesten überhaupt gehörte! Es passierten aber auch keine wirklich nennenswerten gesanglichen, musikalischen oder technischen Fehler
Nach dieser Vorstellung muß ich sagen, schade, dass ich The Musical Box für mich erst so spät entdeckt habe. Man kann trotz allem nur hoffen, dass die Herren weitermachen – wie auch immer. Nach Martin Levac’s More Fool Me kann ich mir auch gut vorstellen, dass spätere Touren nachgestellt werden könnten. Problem dabei ist halt nur, dass die Bühnenshow mangels Kostümen nicht mehr so aufregend ist.
von Uli Klemt
* * * * *
Ein feines Menü
Ich kann mich noch gut an mein erstes Genesis-Konzert an einem Sonntag im Mai 1975 erinnern: The Lamb Lies Down On Broadway. Das war vor 32 Jahren, verdammt lang her.
Es muss auf mich einen so gewaltigen Eindruck gemacht haben, dass ich noch Jahre später meinen Freunden und Bekannten immer davon erzählt habe, auch wenn es keiner mehr hören wollte.
Seither bin ich mit dem Genesis-Virus infiziert. Gott sei Dank hilft TMB und dies seit 2003. Seitdem habe ich keine Entzugserscheinungen mehr und kann auch nachts gut durchschlafen.
Rom, Paris, München: drei Wetter Taft.
Oberhausen, Frankfurt, Dortmund, Bonn, Duisburg: TMB
Egal ob es schneit oder regnet, immer das Ziel vor Augen.
Ist das Mahl wohl angerichtet, wenn ich ankomme?
Mehrere Köche habe ich getestet: Second Out, Re-Genesis, Genesis-Project.
Mhhhh.., schmeckte ganz gut, aber bei TMB schmeckt es mir einfach am besten.
So will ich auch in Duisburg meinen Teller füllen, habe aber nicht vorher reserviert. Mit der Frage, ob wohl noch ein Platz zu ergattern ist, mache ich mich kurz entschlossen auf den Weg. Die Fahrt nach Duisburg ist recht kurz, aber das Theater am Marientor finde ich wie schon im letzten Jahr nicht auf Anhieb, sondern verfahre mich wieder einmal. Die Zeit wird langsam knapp, es ist kurz vor 19 Uhr und eine Karte habe ich auch noch nicht. Das Parkhaus ist direkt am Theater, so dass ich schnell einen Parkplatz finde.
Am Eingang steht Foxbonn, der jetzt noch nicht ahnt dass er sich mal Foxbonn nennen wird. Er sucht wie ich eine Karte, die wir auch bald „ersteigert“ haben. Im Foyer wird noch schnell eine letzte Zigarette geraucht und dann ab ins Parkett. Ich sitze zwar ziemlich weit hinten, dafür aber in der Mitte. Mit fortschreitender Zeit macht sich nun die Spannung im Publikum bemerkbar. Es ist wohl leider das letzte Konzert von TMB für die meisten Besucher heute Abend und darum warte ich auch mit gemischten Gefühlen auf die fünf Kanadier, die mir bisher so viel Freude bereitet haben. Im Gegensatz zu sonst fehlt mir dieses Mal allerdings das gewisse Kribbeln im Bauch; es scheint doch für mich etwas normales geworden sein, die alten Genesis-Stücke zu sehen und zu hören. Es kommt mir alles so vertraut vor, als da wären: die Bühne, die Musiker, das Publikum, die Frau am Stand, einfach das ganze drumherum. Immer wieder muss ich mir sagen, dass dies wohl das letzte Mal ist. Das letzte Mal Watcher, das letzte Mal Cinema, das letzte Mal Supper.
Das Theater am Marientor bietet eine wunderbare Atmosphäre. Ich erwarte hier aufgrund der Bauweise wie schon im letzten Jahr beim Lamb-Konzert einen sehr guten Sound. Ich sollte nicht enttäuscht werden, der Sound ist überwältigend gut, so wie ich ihn mir vorgestellt habe. Alle Instrumente sind gut herauszuhören, es ist nicht zu laut, aber trotzdem druckvoll. Die fünf Musiker sind gut in Form, nur ganz nebenbei bemerke ich kleinere Fehler beim Spielen der Stücke.
Nach den ersten Takten von Watcher Of The Skies tauche ich bereits ab. Ich lehne meinen Kopf zurück, schließe die Augen, lausche den Klängen und zwinge mich, die Augen wieder zu öffnen, da ich schließlich auch etwas sehen möchte. Da sind z.B. die Dias, welche die Musik in visueller Hinsicht wunderbar unterstützen. Ich meine, diesmal wohl auch einige neue Dias zu entdecken. Eigenartigerweise wird von mal zu mal die Musik immer wichtiger für mich und die Show an sich tritt in den Hintergrund. Der Mellotronsound wie Streicher und Chöre in Verbindung mit dem alles durchdringenden Basspedalsound fasziniert mich immer wieder aufs neue. Ich bin quasi gefangen in diesen Klangteppichen um dann abrupt einem leise angeschlagenen Glöckchen lauschen zu dürfen. Diese Klangqualität bietet eben nur ein Live-Konzert.
Aus dem Publikum ruft jemand laut in Richtung Band: „… we love you!“ Denis antwortet; „we too“ Selbst bei den Ansagen der Stücke gibt es heute Applaus, so dass Denis immer wieder warten muss, mit dem Programm fortzufahren. Die Ansagen sind kürzer als in den Jahren davor, das tut dem Programm aber gut.
„Walking across the sitting room, …“.
„a Flower“, „A FLOWER“
„DaDaDaDit-DaDaDit-DaDit“
Der Höhepunkt der Show ist die Apocalypse in 9/8 inklusive Stroboskop und Pyro.
Nach einem tosenden Applaus wird wie üblich als Zugabe The Knife gespielt. Ja, dieses Messer ist gut. Ein schöner sphärischer Orgelsound in der Mitte des Stücks, ein pumpender Bass und ein geniales Gitarrensolo sowie der beschwörender Gesang am Schluss und machen auch dieses Stück zu einem Erlebnis. Mit Foxbonn vorne in der Loge tanzen wir beide das Ende von The Knife. Dann ist Schluss.
Leider ist alles wieder einmal viel zu schnell vorbei. Weitere Zugaben gibt’s ja leider nicht, schade. Das Licht geht an, der Traum ist zu Ende geträumt und die Wirklichkeit hat mich wieder.
Langsam verwischen die Spuren.
Was ist Original, was ist Fälschung?
Ist TMB Genesis?
Ich muss gestehen, ich weiß es nicht mehr, nach all den Zeitreisen.
Und nun? Wenn ich jetzt ein Stück von Genesis höre, habe ich sofort die passenden Bilder des Konzerts vor Augen. Auch die Musik an sich ist nun noch emotionaler.
Vielen Dank an TMB
von Werner Ihmann