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The Musical Box – A Genesis Extravaganza live in Saarbrücken und Luxemburg 2018 – Konzertbericht
The Musical Box kamen 2018 mit ihrer neuen Show erstmals nach Deutschland. Daniel Müller hat zwei unterschiedliche Genesis Extravaganza Shows besucht und schildert seine Eindrücke.
Dies ist eigentlich kein Konzertbericht, sondern eine sehr subtile Einschätzung, warum ich die aktuelle Produktion von The Musical Box so klasse finde. Seit 2004 war ich regelmäßig auf Konzerten. Meine Highlights waren die Selling-Show in Saarbrücken 2007 und ein paar Wochen später (spontan geplant) die Foxtrot-Show in Mainz. Das Nursery Cryme-Event in Duisburg war ein Sonderfall, da es ja ein Fanclub-Event war, aber die aktuelle Show hat so einen Tick davon im dritten Teil. Das Konzert in Saarbrücken auf der aktuellen Tour hat mich sehr geflasht. Da ich aber bisher gemischte Eindrücke über die aktuelle Setlist gelesen habe ist mein Entschluss nicht einen „normalen Konzertbericht“ zu schreiben sondern mich auf die Dramaturgie der Setliste zu fokussieren um vielleicht den ein oder anderen Gedankenstoß zu geben, um sich von gegebenen Strukturen der Genesis Setlists zu lösen. Ursprünglich wollte ich für die beiden Konzerte (Saarbrücken und Luxemburg) alles in eine Analyse packen, aber da Luxemburg doch deutlich anders war, wird dieser erste Teil des Berichtes ein „normaler“ Bericht über Saarbrücken sein und anschließend folgen die Änderungen für Luxemburg.
Saarbrücken
Wenn man in die Halle kommt, wird man zunächst eine übliche Bühne mit Podest vorfinden, die an alte Genesis Bühnen angelehnt ist. Dazu ein Percussion Set und ein extra Keyboard auf der linken Seite (vom Publikum aus gesehen) und auch mehrere Mikroständer an den oberen Enden der Bühne. Bevor ich mit der Analyse anfange – auch ich hatte auf eine „normale“ Setlist gehofft, denn diese Geschichte mit drei Akten klang erst Mal ein bisschen seltsam. Im Prinzip ist es eine Mischung aus verschiedenen Shows, die TMB gemacht hat, aber hauptsächlich (außer in Act 2 natürlich) auch Tracks, die The Musical Box selten bis nie gespielt haben. Eine reine „obskure“ Setlist wäre sicher auch toll gewesen (Stagnation, Visions Of Angels etc…) aber rein dramaturgisch hätte man das ganze nicht besser lösen können. Denn jeder Part baut auf den nächsten auf, und gleichzeitig erinnert mich die Herrangehensweise an die Kollegen aus Kanada namens Rush, die auf ihrer 40er Tour vor ein paar Jahren nicht nur chronologisch rückwärts gingen, sondern auch die Bühne vereinfachten. Ganz so strikt wie Rush machen The Musical Box das aber nicht. Jeder, der aber dieses Jahr ein Konzert von The Musical Box gesehen hat, wird aber schon hier merken, was ich meine. Das alles wurde mir erst während des Konzertes bewusst, aber der Reihe nach:
Act 1 – The Wind’s Tail
Unquiet Slumbers For The Sleepers…: Klasse Idee, den Anfang noch als „pre-show music“ zu nehmen. Während des Songs geht das Licht aus und die Band kommt auf die Bühne. Ich liebe das, wenn man weiß, dass nach dem nächsten Song das Licht ausgeht. Bei Phil Collins war das immer Souareba, bei Metallica ist es AC/DCs It’s A Long Way To The Top, bei Iron Maiden Doctor Doctor … man macht sich mental quasi bereit und weiß „Gleich gehts los“ … Der Drumroll wird dann vom neuen (und klasse!!) Drummer eingeleitet und dann „beam mich weg Scotty“! Das Zitat von Phil an der Wand „I think people underestimated our contribution“ ist zweierlei deutbar. Zum einen: Als Peter ging, dachten viele, er machte alles und Genesis sei die Backing Band. Zum anderen: Durch die vergangenen Jahren habe ich heute immer noch das Gefühl, dass Genesis nicht die Anerkennung hatten (bei aller spätereren Hiterfolge), die sie verdient hatten in ihrer Musik – nicht nur auf Phil Collins bezogen, sondern alle Bandmitglieder, und somit ist dies gleichzeitig eine Art Würdigung.
…In That Quiet Earth: In Saarbrücken erst mal ein „Flash“ da Wind And Wuthering eines meiner Lieblings Genesis-Alben ist und ich außer Afterglow noch nie etwas davon von Genesis live gehört hatte. Dazu habe ich die Platte erst vor kurzem wiederentdeckt. Gerade die Instrumentalpassagen daraus finde ich klasse. Als ich so rumschaue denke ich „wer ist denn der Kerl am Bass?“ und merke „das is ja Denis Gagné“ … erst Mal ungewohnt – aber Respekt, der Kerl spielt super! Zum Teil Zwei wechselt er zum Percussion Set.
Robbery, Assault And Battery / Wot Gorilla: Die Overtüre wird mit diesem Double verlängert. Ich finde es klasse, wenn Konzerte mit einem Instrumental anfangen. Der Übergang zu Robbery kommt super, das Tempo ist ähnlich und ein paar Takte nur Drums und Bass, das groovt Klasse. Aber den Teil hatten Genesis so nie drin, insofern ist das ein kleiner „Aha“-Moment. Beide Instrumentale Teile von Roberry werden zusammengefügt und dann knallt einem der Drummer auch schon ohne Pause den Beat von Wot Gorilla?um die Ohren. Auf youtube gibt es ein Video vom ursprünglichen Medley, da gefällt mir die Änderung mit dem Gorilla besser, es hämmert von In That Quiet Earth bis zum Ende durch. Visuell hat man das ganze passend zum Wind And Wuthering-Cover bzw zum Trick-Cover unterlegt.
Blood On The Rooftops: Denis kommt nun nach vorne und singt (ab der Mitte singt er dann vom Keyboard aus). Ich finde es toll, dass man das Theater zum großen Teil weggelassen hat. Denis agiert viel freier und auch die Band ist nicht mehr ganz so sklavisch an den Details gebunden. Denis Rolle während des Konzertes ändert sich in den drei Akten und genau das ist auch ein Grund, warum ich die Setlist so klasse finde und es die Unterteilung braucht, aber in allen Bereichen fühlte ich mehr Denis Gagne als bisher. Und Blood On The Rooftops hat mich sehr positiv überrascht, da er ja eher für die Gabriel-Songs bekannt ist, aber dieses Stück meistert er sehr gut. Francois. Steve Hackett“) hat in der neuen Show mit dem Intro an der Akustikgitarre seinen Moment, super gespielt, das hab ich von Steve schon schlechter (gehetzter) gehört.
Dance On A Volcano: Nach einer kurzen Begrüßung kam dann das Album A Trick Of The Tailan die Reihe. Auch wenn ich die Trick-Tour von TMB schon gesehen hatte, die Versionen dieses Jahr kommen deutlich besser. Und hier setzt auch der Punkt ein, der mir bei dieser Show so gefällt… Gagné bleibt Gagné und hat mich trotzdem dadurch viel mehr gesanglich bewegt als zuvor. Er war nicht mehr Schauspieler sondern er sang die Songs und auch wenn er die Phrasierungen natürlich weitest gehend nachsang, kam viel mehr Emotion durch.
Los Endos: Mit dem Closer der Trick-Albums endete dann auch Teil 1 … Und genau hier bin ich anderer Meinung als andere Fans. Denn Los Endos muss hier hin! Warum? Ganz einfach – würden The Musical Box eine „normale“ Show spielen, in der Los Endos als Closer des Hauptsets oder in die Zugabe kommt, das wäre sicher klassischer (oder wie Genesis es gemacht hätten), aber genau das wäre für mich das langweiligste gewesen, so wird der Song dem Gesamtkonzept der Show untergeordnet. Ich würde mir öfter wünschen, dass Bands mal solche festen Strukturen aufbrechen und Songs verschieben. Das gibt ganz andere Möglichkeiten, die Setlist zu strukturieren. Wieder sehe ich Parallelen zu Rush, die ihre Klassiker immer wieder an anderen Stellen spielen. Ich hatte mich gewundert über den fehlenden Laser, da ich mich erinnerte, dass er in einem Video der Tour in England 2018 zu sehen war. Zwischenzeitlich kam aber die Info, dass der Laser kaputt sei. Vielleicht hätte dieser an der Stelle auch irgendwie nicht gepasst, auf der anderen Seite hätte es mir sicher gefallen – aber durch die Verschiebung in Set 1 wäre es meiner Meinung zu früh zu viel gewesen.
Act 2 – Broadway Melodies:
The Lamb Lies Down On Broadway: Nach einem kurzen Videointermezzo folgt schnell das bekannte Intro von The Lamb Lies Down On Broadway. Die Lamb-Show hatte ich zuletzt 2006 gesehen. Somit ist es über 10 Jahre her, dass ich dieses Format live gesehen hatte und selbst Genesis 2007 ist auch nicht viel später gewesen. Somit hatte dieser Teil etwas frisches. Lamb startete gewohnt kraftvoll und Denis konnte seien Rael-Look wieder ausgraben. Es wirkte nicht ganz so streng wie auf den Lamb-Shows, keine Perrücke zum Beispiel. Die damals ungenutzten Dias brachten auch visuell etwas frisches.
Fly On A Windshield / Broadway Melody Of 1974: Schön auch diese Kombo dabei zu haben. Der Instrumentalpart scheppert schön und man sieht sich förmlich auf den Straßen von New York City.
In The Cage: Hier ist dann der erste Bruch im Vergleich zum Album. Aber das ist ok, es ist und soll ja auch dem gesamten Showkonzept untergeordnet sein. Denis hat sich mittlerweile entschieden bei In The Cage nicht mehr oben ohne auf die Bühne zu kommen, auch er wird älter. … aber trotzdem war die Darbietung viel emotionaler als die einstudierte 75er Performance. Er erinnerte mich eher an Phil. Dieser ganze Lamb-Block hatte insgesamt eher was von Phil, als er 1983/84 bei In The Cage kurz diese Lederjacke anzog, um Rael anzudeuten aber nicht Rael zu spielen, und genauso kam mir das auch dieses Jahr vor. Dadurch hatte dieser Block aber viel mehr Authentizität, als ich erst vernahm.
Back In N.Y.C.: Hatte fast vergessen, dass man auch diesen Geheimfavoriten von mir im Set hatte. Dieses tolle wirre Stück hat mir schon immer gefallen und wurde auch kräftig gespielt und gesungen. Auch hier wieder mit viel Ausdruck von Denis aufgeführt, und seine Art zu singen hatte leicht etwas von der Version auf Archive 1967-1975, als Peter die Lamb neu eingesungen hatte. Vielleicht täusche ich mich, aber gewisse Stellen kamen viel „rotziger“ rüber und dan diese langgezogenen Stellen „from the waaaaay that I feeeeeaaaaaaal“ … Geil, geil geil!
Hairless Heart / Counting Out Time: In alter Tradition wird auch diese Kombo am Stück gespielt. Hairless Heart ist eines der Stücke, die auch von älteren Platten hätten stammen können (und ein weiterer Glanzmoment für „Steve“) , trotzdem ist da so ein Twist der das ganze „amerikanischer“ klingen lässt und visuell deutet man den kommenden Song auch bereits an. Counting Out Time, in alter Tradition der humorvollen Titeln, mit den passenden erotic visuals. Genau richtig, um in Amerika 1975 mal richtig zu schocken.
The Carpet Crawlers: Denis sang einige Stellen im Refrain tiefer als Gabriel. Vermutlich ist dieser Song gar nicht so einfach zu singen bzgl. der Tonlage. So folgte dann zum Ende vor der Pause einer der wenigen Klassiker an diesem Abend. Diese wenigen Klassiker sorgten für eine gewisse „Stabilität“ im Set und in ihrer sparsamen Dosierung gleichzeitig dafür, dass diese Show so frisch daher kommt.
Der Lamb-Teil ist sicher der „normalste“ des Abends, da er sicht auf den ersten Blick nicht so wirklich von der 75er Show unterscheidet (abgesehen von ein paar neuen Dias und eben freierer Performance). Aber gleichzeitig ist es eine Art „hinhalten“ zum großen „Haupt-Act“ des Abends. Und genau deswegen ist diese Steigerung so wichtig. Klar, man hätte die Stücke durcheinander spielen können, aber in dieser Reihenfolge hat der dritte Teil eine Sonderstellung: Diese Wirkung erzielt man nur, wenn man die anderen Sachen vorher gespielt hat. Teil 1 fand ich stark – er weist schon man auf Teil 3 hin, eben eher ungwohnte Songs zu hören. Gerade das Fehlen von Afterglow oder ähnlichen Songs und trotzdem Dance On A Volcano und Los Endosdabei haben zeigt die Mischung. Und dann kehrt erst mal eine Art Ruhe ein mit dem Lamb-Teil, der super gespielt ist und gleichzeitig viel mehr von den üblichen Verdächtigen bereithält. Wäre man hier auch obskur gefahren mit The Lamia, The Colony Of Slippermen etc, dann wäre das zu viel gewesen, so kommt man erst Mal in den Genuss ein paar Klassikern und gerade The Carpet Crawlers als einer der absoluten Klassikern beendet dann die erste Hälfte, bzw Act 2.
In der Pause wird dann erst Mal umgebaut und es laufen auf der Leiwand diverse Zeichnungen von alten Instrumenten. Für Fans natürlich eine große Portion Nostalgie (wer nicht gerade am Bierstand bzw auf dem WC die Pause verbringt versteht sich). Und was läuft aus den Boxen? Genau, Tubular Bells von Mike Oldfield, wie auf der Selling-Tour Anfang der 70er bzw auch bei The Musical Box, als sie diese Show spielten. So wird klar gemacht: Nun geht es an die Zeit vor The Lamb und jetzt kommt der Teil, der die Show erst richtig besonders macht. Und bevor ich dazu komme … hätte ich die Setlist nicht gekannt, es wäre schon fast zuviel gewesen. Denn mein erstes The Musical Box Konzert 2004 hat mich den alten Alben erst näher gebracht (obwohl ich sie damals schon besaß). Aber textlich und musikalisch konnte ich mich diesen durch The Musical Box erst nähern. Das trifft vor allem bei The Lambzu. Vorher kannte ich die üblichen Klassiker, aber gerade die hinten heruntergefallenen Songs bekommen nun ENDLICH ihre Würdigung und das war wie ein „Who is Who“ davon. Visuell geht es ab jetzt ganz sparsam zu, sprich, was vorher die Leinwand übernommen hatte, machen jetzt die Lights und man ist meiner Lieblingszeit der Gabriel Ära ganz nahe, der Livephase vor den Kostümen, Die Früh/Sommerphase 1972.
Act 3 – Before The Ordeal
A Place To Call My Own: Wär hätte gedacht, dass man mal ein Stück des ersten Genesis-Albums live zu hören bekommt? Ich nicht … From Genesis To Revelation hat doch einige Schätze zu bieten und ich finde sie lange nicht so schlecht wie sie gemacht wird. Der Closer davon ist einer diese Schätze. Auf den orchestralen Schluss hat man verzichtet und geht dafür in den ersten kompletten Song im 3rd Act über.
Time Table: Auf dem Foxtrot-Album versteckt zwischen diesen ganzen Übersongs, vor allem Watcher Of The Skies und Supper’s Ready, hat diese kleine Ballade nie die Chance bekommen, live zu glänzen. Man fragt sich warum, denn genau diese Stücke bringen auf dem Album die nötige Balance und hätten live bestimmt auch gut funktioniert. Außerdem sind solche Stücke auch textlich deutlich geheimnisvoller, und sie zeigen, dass Genesis schon damals eingängige Songs schreiben konnten. Und spätestens hier ist Denis Gagné in seinem Element. Denn trotz fehlender Perrücke des jungen Gabriel und Kostümierung (ok sein Outfit hier geht schon in die Richtung der 1972er Phase) habe ich nach langem endlich wieder das Gefühl, der junge Gabriel steht vor mir. Bei den letzten Konzerten war es eher ein „Gagné spielt Peter Gabriel“ Gefühl. Trotz der gelegentlichen Freiheiten in Performance und Gesang bring des Denis fertig, die Illusion noch besser hinzubekommen als durch das perfekte, aber doch sterile kopieren. Bei Time Tablespielt Sebastien Lamonthe auch zum ersten Mal den normalen Rickenbaker Bass. Im Song spielt der Bass melodiös viel mehr eine Rolle als ich dachte. Das ist mir vorher nie aufgefallen und da sind tolle Akzentuierungen drin.
Seven Stones: Und dann folgt mein heimliches Highlight meines Lieblingsalbums der Gabriel-Ära. Auch wenn sie es in Duisburg 2007 einmal spielten, diesen Song kann ich nicht oft genug hören. Ich habe zu dieser Musik viele Bilder toller Zeiten aus meinem Leben im Kopf, da ist der Text wirklich zweitrangig, so toll der auch ist. Dieses Mellotron – in diese Klanglandschaft könnte ich mich reinlegen. Und auch hier, wie Denis diese hohen Passagen meistert, Wahnsinn!
Can-Utility And The Coastliners: Der zweite Hidden Gem auf Foxtrot folgt direkt drauf. Nach einer weiteren kurzen Ansage über die Odysee der Entwicklung des Titels kommen die 12-String-Gitarren zu ihrem Einsatz. Vor mir macht sich sprichwörtlich die Landschaft des Foxtrot-Covers lebending und ich habe das Gefühl am Meer zu stehen. Genesis selbst fand den Song immer ein bisschen „too fragmentic“. Mag sein, aber die Teile passen gut zusammen. Denis meinte auch, dass es einer der Lieblingssongs von The Musical Box selbst seien und das merkte man auch bei der Darbietung.
Looking For Someone: War diese letzte Viertelstunde schon eine reine Achterbahnfahrt, kommt nun die Kür: DER Song des Abends, DIE Wiederentdeckung. Wieder frage ich mich, warum Genesis mit Gabriel dem Song später nicht mehr eine Chance gegeben hat. Es gibt zwar eine BBC Live Version von 1970, aber das wars dann auch schon. In den späteren Tourneen gab man The Knifeden Vorzug. Ich hätte nie gedacht, dass Looking For Someone live dermaßen reinknallen könnte – der Schluss hatte dann einen ähnlichen Stroboskopeffekt wie The Knifeoder Hogweed. Mich welch einer Energie The Musical Box dieses Juwel den Leuten um die Ohren hauen ist schon bemerkenswert. Sebastien spielte einen Bass, der aussah wie die Gitarre von Angus Young. Man merkte, dass der Song auch von den Instrumenten aus dem Rahmen fällt. Auch Francois musste hier von „Hackett“ auf „Phillips“ umdenken (wobei ich vor lauter Erstauntheit über die Version und meinen Platz in der Bühnenmitte vergessen habe zu achten ob auch er eine andere Gitarre hatte). Ebenso musste der Drummer von „Collins“ auf „Mayhew“ umstellen.
After The Ordeal: Als wäre das nicht schon genug, gibt es noch den Instrumentaltrack von Selling. Tony hasst den Song bis heute, warum weiß ich nicht. Denis wechselte vom Gesang ans Cello. Und genau das ist, was mir an dieser Show auch gefällt, denn Denis ist nicht mehr nur ein Gabriel-Klon, sondern er wirkt auch musikalisch aktiv mit. Sebastien bekommt hier den Titel „Schnellster Wechsel einer Gitarre“, denn für die ersten 2 Töne braucht er soundtechnisch eine Akustikgitarre die danach sofort durch eine andere vom Roadie ersetzt wird. Hier wird dann auch die Leinwand wieder aktiv und Bilder von Genesis von 1969-1977 werden chronologisch (mehr oder weniger) gezeigt, was nicht nur eine Verneigung vor einer grandiosen Band, sondern auch ein emotionaler Moment für die Fans ist. Und gleichzeitig lässt es das kleine Licht von After The Ordealnoch heller strahlen.
The Cinema Show: Am Ende des Hauptsets gibt es dann aber doch nochmal einen Klassiker. Ich hätte diesen Song am ehesten durch etwas anderes ungewöhnliches ersetzt, als ich die Liste gelesen habe, aber die Version passt. Und gerade die Reduzierung der Visuals (abgesehen von der Discokugel) lenkt nicht so sehr ab. Gerade im Instrumentalteil hat man einfach nur ein paar Lichter und darf die Band beim Musizieren beobachten. Hier sei nochmals ein Riesen-Kompliment an den neuen Drummer ausgesprochen. Er ist nicht Levac, das ist wohl keiner, aber er hat solch einen Spaß da oben und hat den richtigen Stil, die Songs zwar zu covern, aber nicht 1:1 nachzuspielen.
Aisle Of Plenty: Und genau wegen diesem Song MUSS The Cinema Show der Closer sein. Ich hätte nie gedacht, dass mich dieser kurze Epilog von Selling so flashen würde. Wie Denis, der Keyboarder und Sebastien den Gesang aufteilten und mit welch Emotion Denis das sang…. Und wenn man denkt, es geht nix mehr erscheint das Album Cover auf der Leinwand und wird lebendig, fadet langsam aus bevor auch der Song im Dunkeln leiser wird und am Ende ein einziger Chord vom Mellotron die Show beendet … das geht ganz tief!
In der Zeit als die Leute die Zugabe fordern, kommen erst einmal die Credits von der Show. Normalerweile zeigt man so etwas am Ende, aber in diesem Fall macht es Sinn das hier zu machen, dazu gleich mehr. Auf jeden Fall gibt es nach dem Dank an allen Leuten auch ein „Thank You Tony Banks Mike Rutherford Phil Collins Peter Gabriel Steve Hackett For Changing Many Peoples Lives“. Mit einem Foto der Lamb Ära und das ist eigentlich die Message des Abends.
Entangled: Die Band kommt zurück und spielt noch je einen Collins- und Gabriel-Ära Titel. Entangled gab es zwar schon auf der Tour aber nach dieser Tour De Force im dritten Akt ist es genau das richtige, um runterzukommen. Eine tolle visuelle Animation mit der „Nurse“, die auch am Ende die „Bill“ präsentiert, rundet den Song ab. Nach der Gabriel-Illussion wirkt der Song aber überhaupt nicht störend, denn wieder singt Denis sehr überzeugend. Da das Outfit ja noch von Teil 3 an den jungen Gabriel vor den Maskierungen erinnert, sieht es so aus als würde Peter „Entangled“ singen. Das stört aber überhaupt nicht, sondern zeigt nicht nur dass Denis beide Dinge singen kann, sondern verbindet auch, vielleicht ungewollt, beide Zeiten in einem Song.
The Musical Box: Zum Schluss folgt dann nur der Signature Song, welcher der Band auch den Namen gegeben hat. Es gibt, wie am ganzen Abend, keine Story vorher. Nur einzelne Ansagen. Das ist auch gut, denn manchmal hielt sich Denis ein bisschen zu sklavisch an manche Geschichten, aber ok, die Reproduktion der Tourneen war auch eine andere Baustelle. Auch hier ist wieder die eher rauere Version der 1972er zu bestaunen. Die Lichter sind von den Farben an die Selling-Tour angelehnt. Zum Finale gibt es dann auch endlich das Originalkostüm für den Song zu bestaunen, den Fox Head and den Red Dress. Die Closing Section wird dadurch auch wieder normal gesungen, nicht wie sonst mit dem Old Man Outfit wie ein solcher sondern kräftig und vital. Dies ist das einzige „Theater“ im Konzert, die Closing Section erinnert an die Version von Bataclan 1973, ebenfalls mit dem Fuchs-Outfit. Danach gehen die Lichter aus und die Show ist aus. Der Fuchs verlässt die Bühne auf die er 2,5 Stunden zuvor als Bassist gekommen ist. Danke The Musical Box!
Luxemburg
Jetzt sind wir aber noch nicht fertig, denn es kommt ja noch ein Konzert in Luxemburg und da gab es einige erwähnenswerte Änderungen, nicht nur im Set sondern auch im Gesamten. Aber der Reihe nach:
Im Rockhal Club (nicht die große Halle sondern nebenan der kleine Club) angekommen, habe ich mir erstmal in der ersten Reihe gemütlich gemacht. Dies ist mein erstes The Musical Box Konzert mit einem Stehplatz-Ticket. Das hat schonmal zu einer lockeren Atmosphäre was mitsingen und mitgehen angeht geführt.
Die Bühne war viel spartanischer als auf dem „normalen“ Konzert in Saarbrücken, es gab kein Podest und auch keine Discokugel.
Nebenbei habe ich mich mal wieder auf den aktuellen Stand bringen lassen von den anderen Fans und in der Pause auch erfahren, dass Denis wohl angeschlagen war, aber davon hat man nicht wirklich etwas gemerkt und ob die Setliständerung darauf zurückzuführen war, weiß ich nicht. Vor allem im Lamb-Teil ging er heftigst zur Sache. Die Crew war erst ab 15 Uhr angekommen und der Lichttechniker hatte in Rekordzeit die Lightshow von The Musical Box auf die hauseigenen Lichter einprogrammiert, so spartanisch lief das ab, mein Respekt!
Kurz nach 20 Uhr erlosch schließlich das Licht und die Band kam auf die Bühne. Erste Überraschung: KEINE LEINWAND, somit auch kein Intro von Unquiet Slumbers, der Drummer begann mit dem Intro von In That Quiet Earth und ab ging es. Die Fehlenden Leinwände waren aber nicht negativ, denn das ganze entwickelte sich zu einer Art „The Musical Box performs Genesis Music in the stage of 1972 style“ Abend, was Set 3 ja fast durchgängig bei den normalen Shows auch war. Aber die Songs in den ersten 2 Akten wirkten dadurch viel rauer. Was dem ganzen die Krone aufsetzte war der Sound. So einen geilen Sound hatte bei The Musical Box schon lange nicht mehr erlebt. In Saarbrücken war der Sound am Anfang noch nicht perfekt, hier ging es vom ersten Moment zur Sache, gerade bei Blood On The Rooftops, das Mellotron, wow! Denis berüßte die Leute in französisch und weiter gings mit Act 1.
Auch die Trick-Songs haben gewonnen, zu lustig der Patzer von „Mike“ Sebastien Lamonthe, er verhaute mal direkt das Intro von Dance On A Volcano bevor das Schlagzeug einsetzte, machte einen sehr eindeutigen Blick, spielte weiter und los gings. Los Endosklang selten so brachial, als der Squonk-Reprise anfing, hatte ich nur gehofft, dass keine Perrückenträger im Publikum waren, denn falls ja, man hätte sie sofort erkannt. Den Teil am Percussion-Set spielte ein Roadie. Durch die fehlenden Videoeinspielungen ging es ein Tick züger mit dem nächsten Teil ohne Vorwarnung weiter.
Mein Highlight des Abends war Akt 2, The Lamb. In Saarbrücken war es toll, mal wieder die Songs zu hören hatte man gestern gemerkt, was für einen Kraft in den Songs steckt, wenn man die ganzen Dias weglässt. Alles was es brauchte waren dezente Lichter und die Band hatte wohl Feuer gefangen und knallte den Leuten Akt 2 mit der Power von Genesis 1972 um die Ohren. Dieser Mix, die Songs von 1975, aber mit der minimalen Ausstattung der früheren Shows, hat mich umgehauen, und das nicht nur visuell, sondern auch die Power der Band. Denis performte Rael erst Recht als Punk und da Punk ja auch minimalistisch geprägt ist, passte die Abwesenheit jeglicher Dias noch besser zur Darstellung. Hatte ich in Saarbrücken schon das Gefühl auf den Straßen von New York unterwegs zu sein kam ich mir vor als sei ich selbst ein Punk. Bei In The Cage hielt es den Drummer gar nicht mehr und sehr pushte die Band regelrecht durch, der Keyboarder musste schon lachen.
Back In NYCwar auch nicht weniger intensiv. Beim Teil von „no romantic escape“ hält Denis Sebastien immer das Mikro hin und er singt „no“, hier hatte er ihm so hingehalten das er 1x die ganze Zeile singen musste – inklusive anschließendem Gelächter. Hairless Heart und Counting Out Timeohne die entsprechenden Dias wirken auch viel besser. Carpet Crawlers war durch die Stehplatzatmosphäre zum Mitsingen genutzt worden, im ersten Moment hatte Denis so einen kleinen „aha“ Moment, als er das merkte … so wurde das ganze zu einer Celebration von Genesis, in der The Musical Box nicht nur die Songs spielen und die Leute zuhören, sondern man das ganze vereint anstimmte. Ich weiß nicht was die Lizenz der Musik angeht (bzw ob man für die reine Aufführung der Songs eine Lizenz bräuchte), mein Wunsch wäre die Lamb-Platte komplett mit dieser Bühne live zu sehen! Man ahnt gar nicht, was dort alles drinsteckt wenn man das Visuelle weglässt. Die Pause kam gerade recht denn ich war einfach nur baff.
In der Pause gab es KEIN Tubular Bellsvom Band und natürlich auch keine Animationen der Instrumente.
Akt 3 hatte dann ja die gleiche Richtung. Durch das fehlente Podest stand Denis bei A Place To Call My Own am Mikro statt zu sitzen. Die restlichen Songs waren weitere Highlights, es ist einfach toll das man diesen Songs endlich den Raum gibt die sie verdienen. Der einzige Song, der wegfiel, war Can-Utility And The Coastliners.Also ging es nach Seven Stones direkt mit Looking For Someone weiter. Danach verließ Denis kurz die Bühne und der Keyboarder stimmte Firth Of Fifth an. Ganz überrascht hatte mich es nicht, da man es im Soundcheck gehört hatte. Am Anfang hatte der Keyboarder einen kleinen Patzer, aber egal, generell machte die ganze Aufmachung der Show das ganze viel menschlicher. Beim Gitarrensolo spielte Denis am Mikro Percussion, nicht wie bei der Selling-Show, bei der er hinter die Bühne ging. Auch Francois bekam so noch ein Solo mehr, aber ich fand es ein bisschen schade, dass man hierfür Can-Utility And The Coastliners opferte, denn gerade diese Songs hätten es verdient, dauerhaft im Set zu bleiben. Ich hatte eher auf After The Ordeal als Streichkandidaten getippt, da in Luxemburg das visuelle wegfiel. Ich hoffe daher das man nicht den „Fehler“ macht und zu viele der Songs die man auf der Selling-Tour gespielt hat mit einbaut, gerade das Fehlen der Klassiker macht diesen Teil so frisch. Für den Abend war es aber nett mal eine Änderung zu Saarbrücken zu haben. After The Ordealfolgte mit französischer Ansage direkt auf Firth Of Fifth, dieses Mal Denis nicht am Cello sondern am Keyboard und Flöte. Direkt ohne Ansage ging es in die The Cinema Show, noch schlichter durch den Wegfall der Discokugel wurde die Band einfach blau angeleuchtet. Das Ende mit Aisle Of Plenty kam auch so klasse rüber und beendete das Hauptset.
Auch wenn seine Performance weiterhin stark war, merkte man bei den Songs ab Firth Of Fifth auch durch die Info, das er wohl angeschlagen sei, dass Denis das Maximum aus sich rausholte und langsam ans Limit kam. Meine Vermutung war, dass man Entangled weglässt, so kam es dann auch. Wobei man sagen muss: Man tauschte insgesamt 13 Min (Can Utility und Entangled) gegen 10 von (Firth Of Fifth), das macht nicht wirklich etwas aus. Eher spreche ich Denis meinen riesen Respekt aus, dass er das Maximum aus sich rausholte. Somit ging es gleich zu The Musical Box,welches den Abend wie in Saarbrücken eindrucksvoll beendete. Am Ende, wenn Denis sich wieder zum Fuchs verwandelt und „now now now“ singt, gab es keine Lichter die jedes „now“ unterstützten, sondern die ganze Bühne wurde entsprechend angestrahlt. Beim „Old Man“ und auch die Fuchs-Variante sind visuell auch irgendwie Vorläufer zur Darbietung von Mama Jahre später (wenn die Lache durch einen Strahler gespenstisch transportiert wird).
Damit war auch dieses Konzert Geschichte.
Nach dem Konzert muste ich mich erst mal sammeln und die Show verarbeiten. Da ich tags drauf nicht arbeiten musste, ließ ich das locker angehen und ging erst raus, als die Security die Leute darum bat. Was bleibt hängen? Zwei unterschiedliche Shows, eine Setliständerung. Ich kann jetzt im Nachhinein, auch wenn ich gestern im ersten Moment Luxemburg klar den Vorzug gegeben habe, nicht sagen, welches Konzert besser war. Vom Sound auf jeden Fall Luxemburg. Die Setlist fand ich in Saarbrücken besser, eben wegen Can Utility und Entangled. Aber die rohe Performance, gerade von The Lamb, war in Luxemburg schon speziell. Generell war das gestern visuell komplett wie Act 3 und zeigte The Musical Box noch mehr als Genesis, sprich die Illusion war noch echter, auch durch kleine Patzer und insgesamt hatte man noch mehr das Gefühl, es seien Genesis, denn damals lief auch nicht alles glatt. Es war ein Abend, an dem The Musical Box zu Genesis wurden und im Jahr 1972 schonmal zeigten was sie in den kommenden 5 Jahren alles machen würden. Und für den Typ der hinter mir direkt nach dem Konzert brüllte „Kein Supper’s Ready?“ NEIN, diese Show ist für die Hardcore Fans, die Underdogs, und das soll auch so bleiben!
Danke The Musical Box für zwei wirklich tolle Abende, das war ganz groß. Ob es 2019 klappt weiß ich noch nicht, aber mit dieser Show hat The Musical Box für mich ihr Highlight gesetzt!
Autor: Daniel Müller
Fotos: Alexander Moell (Konzerfotografie Moell)