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The Ant Band – Interview mit Tom Morgenstern 2021
Mit A Light On The Hill hat The Ant Band ein interessantes Album vorgelegt. Wir sprachen mit Tom Morgenstern über die Entstehung und die Hintergründe des Projekts.
Das Projekt zum 70. Geburtstag von Anthony Phillips ist natürlich nicht vom Himmel gefallen und bedeutete akribische Arbeit, die sich teilweise über Jahre hinzog. Wir sprachen mit Tom Morgenstern, gewissermaßen der Projektmanager hinter dem Vorhaben, am 21.12.2021 über die Hintergründe zu A Light On The Hill.
it: Tom, bevor wir direkt ins Detail gehen, erzähle bitte kurz etwas über dich und als welche Art Fan von Genesis oder Anthony Phillips du dich bezeichnen würdest.
Tom Morgenstern: Anthony Phillips und Genesis hatte ich 1977 ungefähr zeitgleich für mich entdeckt. Da war ich gerade sechzehn. Tatsächlich wurde der zweite Teil des Titelstücks von The Geese & The Ghostdamals bei WDR 2 von Winfried Trenkler vorgestellt, so was gäbe es heute nicht mehr im Radio. Ich hatte es auf Cassette aufgenommen, hab mir aber sofort die Platte gekauft – es ist bis heute mein absolutes Lieblingsalbum geblieben. Kurz vorher hatte mir ein Freund Wind & Wuthering geliehen und ich fand den Sänger auf beiden Alben toll. Weil es nichts sonst von Anthony gab, hatte ich mir dann im Sommer den kompletten Backkatalog von Genesis zugelegt, und kurz darauf auch angefangen, selbst Gitarrespielen zu lernen. Ich habe wie verrückt Fingerpicking geübt und meine zweite Gitarre war gleich eine gebrauchte, billige 12saitige.
Eigentlich wollte ich aber Grafikdesigner werden, war später auch an der FH Dortmund eingeschrieben, aber die Musik hatte mich da schon voll im Griff. Zusammen mit meinen Brüdern spielte ich in den 1980er Jahren in der Dortmunder Post-Punk Band „Die Zinnförster“ und baute mir nebenbei ein Achtspur-Studio im Keller meines Elternhauses. Das lief ohne große Werbung richtig gut und ich hatte bald gar keine Zeit mehr zum Studieren. Das habe ich dann auch irgendwann sein gelassen und lieber eine Ausbildung zum Tontechniker an der damaligen Schule für Rundfunktechnik in Nürnberg gemacht. Seitdem arbeite ich vollzeit bei einem großen öffentlich-rechtlichen Sender, den ich hier nicht nennen darf, und betreibe seit einigen Jahren offiziell nebenberuflich, aber eigentlich mehr zum Spaß ein Studio für Audio-Restauration und Mastering und bin damit ganz gut ausgelastet.
it: Als der Deutsche Genesis Fanclub 2013 ein Anthony Phillips Event ankündigte und einen Aufruf startete, dass sich musizierende Fans melden sollen, um beim Event Musik von Ant zu spielen – hast du dich spontan gemeldet oder war es ein längerer Prozess?
Tom:Ich bin eigentlich kein großer Fan von Live-Auftritten – mir war die Arbeit im Studio immer wichtiger. Bei den Zinnförstern habe ich die ersten zwei Jahre nur die Technik gemacht und dann den Bass übernommen, als der vakant wurde. Das Rampenlicht hab ich lieber anderen überlassen. Unsere beiden erwachsenen Kinder Nina und Robin spielen beide ebenfalls Gitarre und insbesondere God if I Saw Her Nowgehörte stets zum Familienrepertoire – das mussten wir also gar nicht üben. Beide hatten spontan Lust mitzumachen und dann hatte ich uns gleich angemeldet. Zwei Monate später kam dann die Anfrage, auch noch beim Slow Dance-Projekt mitzumachen. Die Leute kannte ich schon von anderen Events und aus dem Forum und wusste, dass die nett sind, also habe ich zugesagt.
it: Welche weiteren Titel standen für euch in der engeren Wahl?
Tom: Mit Nina und Robin hatte ich außer Stranger und Silver Song noch kurz überlegt, Lucy: An Illusion zu spielen, wir sollten uns dann aber auf drei Songs beschränken – God If I Saw Her Now war ja gesetzt. Bei der anderen Band stand ja Slow Dance längst fest. Martin Brilla hat mir später mal erzählt, er hätte eigentlich gern Salmon Leap aus der Scottish Suite gespielt, dafür braucht man aber eine komplette Rockband mit Drummer, das hätten wir schon logistisch gar nicht hinbekommen.
it: Wie empfandest du euren Auftritt und Ants Kommentierungen danach?
Tom: Das gesamte Event hatte eine sehr angenehme, heitere Atmosphäre. Das Publikum war sehr wohlwollend und hat Spielfehler, Nervosität und gelegentliches Unvermögen schnell verziehen. Auch Ant war äußerst gut drauf und seine mit feinstem britischen Humor gewürzten Kommentare waren schon sehr lustig, das trug mit zur guten Stimmung bei. Natürlich hat er niemanden verrissen, er ist schließlich Brite. Aber sein Kommentar zu Slow Dance war relativ ernst. Im Mitschnitt ist es kaum zu verstehen, aber er bedankte sich bei uns und sagte sinngemäß, dass ihn diese Musik damals sehr viel Zeit gekostet und ihm sehr viel bedeutet habe.
it: Was passierte in den ersten Jahren nach dem Event?
Tom: Wir vier hatten schon in Welkers die Idee, unser Slow Dance im Studio aufzunehmen, weil wir selbst unsere Performance trotz stürmischem Applaus nicht so gelungen fanden. Das haben wir dann ja drei Wochen später auch bei mir zuhause gemacht. Aber an den beiden Event-Tagen spielten ja noch weitere talentierte Musiker, die hätte ich auch gern zu weiteren Studiosessions eingeladen gehabt, denn der Mischpult-Mitschnitt klang nicht so toll. Es war wohl für alle eine sehr seltsame Situation, Anthony seine eigenen Stücke vorzuspielen – da hatten einige doch ziemliches Nervenflattern und das kann man auch hören. Ich hatte mit einigen Leuten in den Jahren danach immer mal wieder über diese Idee gesprochen, das war aber eher so nach dem Motto „wäre schön gewesen, wenn“.
it: Einer eurer Mitstreiter, Thomas Waltner, verstarb überraschend 2017. Auch deswegen hattet ihr die Entstehung des Auftritts 2014 in einem Artikel zusammengefasst. Wie hat sein Tod das Projekt verändert?
Tom: Je mehr Zeit verging seit dem Ant-Event, desto weniger konkret war die Idee in meinem Kopf geblieben. Ich hielt eine Umsetzung zuletzt gar nicht mehr für realistisch. Drei Viertel der Slow Dance-Band hatte sich ja ab und zu mal in Köln beim Stammtisch getroffen, nur für Sascha Krieger, unseren anderen Gitarristen, war das zu weit. Thomas Waltner besuchte mich im Sommer 2015 mal zuhause, er fuhr die ganze Strecke auf seinem Rennrad von Solingen nach Bergisch Gladbach, um The Geese & The Ghost in 5.1 Surround zu hören (er selbst hatte keine solche Anlage) und wir hatten einen schönen Nachmittag zusammen verbracht. Als die Todesnachricht kam, hatte ich vorher schon länger nichts mehr von ihm gehört und ich war ziemlich erschüttert. Das war einfach unfassbar – er war gerade 52 geworden und war immer topfit.
Martin und ich gingen dann zusammen zu seiner Trauerfeier, die in Thomas‘ Wohnung in Solingen stattfand. Da, wo wir drei Jahre vorher Slow Dancegeprobt hatten und ein Stück weit eine richtige Band aus vier Freunden geworden waren. Es standen da seine ganzen Vintage-Keyboards herum, seine Möbel, die Plattensammlung und Bücher waren noch da – es sah alles so aus als käme er gleich zur Tür herein und entschuldigt sich für die Verspätung. Das war schon ein seltsames Gefühl. Sein Bruder hat mir später sein Mellotron M400 zum Kauf angeboten – das hätte ich mal machen sollen. Martin hatte dann die tolle Idee, als Hommage an ihn unsere Studioaufnahme von Slow Dance genau an seinem ersten Todestag zu veröffentlichen. Die war liegengeblieben und musste erst gesäubert und abgemischt werden. Martin und Sascha hatten natürlich alle Zwischenmixe bekommen und kritische Kommentare abgegeben – da war die alte Chemie zwischen uns sofort wieder da.
it: Du hast den Auftritt vom Rocking Horse Music Club gesehen. War das der Startschuss für die Fortsetzung eures Projekts?
Tom:Eigentlich nicht, das kam noch etwas später. Als ich von der Rocking Horse-CD hörte, war ich natürlich etwas enttäuscht, denn die Jungs waren mir ja quasi zuvorgekommen. Aber ich hatte dann schnell gesehen, dass sie ein ganz anderes Konzept verfolgten als das, was mir vorschwebte. Ich hatte das Album noch nicht gehört, als ich die beiden Live-Shows im November 2019 in Südengland sah. Die waren schon sehr gut gemacht, alles ganz ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker, aber es war auch schon fast ein kleines Orchester, so viele Leute standen da auf der Bühne, drei oder vier Gitarristen, mehrere Keyboarder, viele Sänger – da kam keine Langeweile auf. Das Programm beschränkte sich ja auch nicht nur auf Anthonys Musik, sie spielten mehrere Songs von Mike Rutherfords Smallcreep’s Day und auch was von den frühen Genesis: One-Eyed Hound, daran erinnere ich mich – das war richtig klasse. Nach der Show hatte ich kurz Gelegenheit, mit Brian Coombes, dem Initiator und Produzent des Rocking Horse-Albums zu sprechen. Ich erzählte ihm, dass der deutsche Fanclub vor ein paar Jahren sowas ähnliches auf die Beine gestellt hatte und er sagte, ja, er hätte davon gehört. Da fragte ich mich natürlich gleich, ob das Ant-Event nicht vielleicht ihm den Anstoß gegeben haben könnte.
Anthony war an beiden Abenden mit seiner Partnerin da. In einer Pause stand ich in der Schlange vor der Herrentoilette, als er herauskam und geradewegs auf mich zusteuerte, kurz stutzte und mir dann grinsend mit den Worten, „den kenne ich doch“ seine Hand gab (die er hoffentlich eben gewaschen hatte). Nach über fünf Jahren hatte ich damit nicht gerechnet. Er fragte mich auch gleich nach Ninas Befinden – offenbar hatte unser Auftritt in Welkers bei ihm Spuren hinterlassen.
it: Wann kam die Idee, ein Album explizit für Ants 70. aufzunehmen?
Tom:Ich brauche bei Projekten immer ein Ziel – es muss was dabei herauskommen. Und eine Deadline ist immer klasse, denn dann wird es schwieriger, Entscheidungen aufzuschieben. Ich bin nämlich ein großartiger Prokrastinierer. Seinen 70. hatte ich schon direkt nach dem Ant-Event als Ziel im Hinterkopf, war damals ja noch ein paar Jahre hin, das sollte doch zu schaffen sein. Ende 2019 traf ich mich mit Martin in Köln für die Übergabe der signierten Rocking Horse-CD, bei dem wir uns nochmal über meine Projekt-Idee unterhielten. Martin steuerte gleich ein paar gute Ideen bei und so wurde es allmählich konkreter. Drei Monate später war dann Corona da und YouTube wurde überflutet mit diesen Lockdown-Videos, bei denen Musikerinnen und Musiker, einzeln in ihren Wohnzimmern sitzend, virtuell zusammenspielten. Mein Bruder hatte auch so eine Initiative auf die Beine gestellt und mich gebeten, da mitzumachen. Das war am Ende erstaunlich gut, es waren sogar vier verschiedene Sprachen zu hören. Die technischen Voraussetzungen waren also gegeben, jetzt musste nur noch jemand sagen, wir machen das – jetzt geht’s los. Ich hatte jedoch noch einige Probleme zu lösen, bevor ich soweit war. Freizeit hatte ich jetzt zwar mehr als vorher, schon weil dank Home-Office täglich 70 min Wegstrecke wegfielen, aber ich hatte noch ein eigenes Langzeitprojekt laufen, das musste ich irgendwie unter einen Hut bekommen.
it: Wie hast du weitere Musiker für das Projekt begeistern können?
Tom: Ich wollte Nina und Robin als Sängerin und Sänger dabei haben. Ohne die beiden hätte ich es gar nicht erst angefangen. Das hatte vor allem praktische Gründe, denn ich wollte die so wichtigen Gesangaufnahmen unbedingt selbst produzieren. Sängerinnen und Sänger muss man direkt bei der Aufnahme coachen, das geht nicht anders. Bei Robin war es kein Ding, der sagte schnell zu, aber Nina war zunächst sehr reserviert. Sie ist kein Fan von Ants Musik, half dann aber schließlich doch bei der Auswahl der Songs, wir hörten uns zusammen einen Sonntag lang mal die Originale an. Sie bot an, die Texte zu analysieren und Hinweise zu geben, wie die Songs arrangiert werden könnten (was sich im Nachhinein ein paarmal als sehr hilfreich erwies). Sie hat einen Master in Anglistik/Amerikanistik und sowas macht ihr Spaß. Und dann brauchte es auch nicht mehr allzu viel Überredungskunst, sie die zwei Songs singen zu lassen, die dann schließlich auf dem Album gelandet sind.
Ich wusste, dass ich mich auf die beiden anderen Überlebenden der Slow Dance-Band, Martin und Sascha würde verlassen können – und hatte im Grunde so den Kern der ANT BAND schon zusammen. Aber es ging ja darum, möglichst viele der Musikerinnen und Musiker vom Ant-Event zu reaktivieren, das war mir wichtig. Mir war aber auch bewusst, dass im Forum weitere gute Musiker unterwegs waren, die 2014 nicht dabei waren. Deshalb hatte ich im „Homerecording“-Thread im Februar 2021 einen Aufruf gestartet, bei dem ich das Konzept kurz umrissen hatte und auch schon eine erste Liste mit möglicherweise in Frage kommenden Songs gab es da. Daraufhin meldeten sich in kürzester Zeit so um die 15 Leute, von denen die meisten auch bis zum Schluss drangeblieben sind. Ein paar kamen auch später noch dazu. Letztlich waren es (Thomas Waltner und mich eingerechnet) 14 Musikerinnen und Musiker – neun davon waren schon beim Ant-Event dabei, und zwei weitere kamen dazu, die sich damals zwar angemeldet hatten, aber kurzfristig absagen mussten. Drei Leute sind neu dazu gekommen, darunter auch der Keyboarder und der Drummer der Prog-Band Dawnation aus Neubrandenburg, deren erstes Album ich letztes Jahr gemastert hatte.
it:Auf dem Album ist auch Steve Hackett zu hören. Wie würdest du seinen Beitrag beschreiben und was bedeutet er dir?
Tom: Für Steve schien das gar keine große Sache zu sein – ich hatte ihm unser Konzept zugeschickt und er sagte dann schnell zu, ein Solo zu spielen. Welcher Song, war ihm offenbar egal. Eigentlich hatten wir daran gedacht, ihm Salmon Leap zu geben, aber der Guide-Track dafür war noch lange nicht fertig und Steve hatte nur ein kurzes Zeitfenster Anfang Mai. Ein paar Wochen vorher hatte ich jedoch die Idee gehabt, F Sharp zu probieren, das 69er Demo von Ant und Mike, aus dem ja später The Musical Box wurde. Zu meiner eigenen Überraschung war das Stück auf der 12saitigen recht einfach zu spielen – ich musste nur die korrekte Fis-Stimmung erstmal herausfinden, aber der Guide-Track war schon fertig. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Steve sogar gereizt hat, sich hier ein ganz neues Solo auszudenken, denn das war meine einzige Bitte an ihn. Er hat das super hinbekommen, finde ich. Ende Mai bekam ich die Mail von Roger King mit dem Download-Link für Steves Solo-File und ich habe es natürlich gleich eingebaut und einen Rohmix für die anderen online gestellt. Jeder fand es auf Anhieb großartig – und Steve hat der ANT BAND so einen großen Motivationsschub gegeben. Danach ging’s richtig ab.
it:Das Album wurde überwiegend 2021 aufgenommen. Ihr habt euch als Band nie komplett getroffen. Was das eine Herausforderung? Welche anderen Hürden musstet ihr bewältigen?
Tom: Die Koordination war ein Problem, weil es mich mehr Zeit kostete als ich erwartet hatte. Wir hatten vom Fanclub ein geheimes Unterforum eingerichtet bekommen, das wir auch ausgiebig genutzt haben. Aber zusätzlich gab es auch viele Direkt-Absprachen zwischen mir und einzelnen Musikern über verschiedene Plattformen und Wege, die ich sonst nicht alle regelmäßig nutze. Nicht verhindern konnte ich so ein paarmal, dass zwei Keyboarder gleichzeitig am selben Stück arbeiteten, weil ich auch nicht immer auf dem Schirm hatte, wer gerade was machte. Manchmal hat aber gerade das Chaos sensationell gute Ergebnisse hervorgebracht, auch wenn es sicher frustrierend für die Musiker war, wenn ich ihre Spuren dann am Ende doch nicht verwenden konnte. Die Diskussionen im Unterforum haben gut funktioniert. Schnell gab es da zu jedem von mir eingestellten Zwischenmix konstruktive Kritik, die mich jedesmal weitergebracht hat. Ein Google Drive war unsere Austausch-Cloud. Jeder, der Lust und Zeit hatte, konnte sich die von mir erstellten Guide-Tracks, bei denen Struktur, Rhythmus und Tempo vorgegeben war, runterladen und die eigenen Aufnahmen hochladen. Zusätzlich wurden sog. Chord-Sheets erstellt, so dass sich nicht jeder die Akkorde selbst raussuchen musste.
Ein großes Problem war, dass ich im Juni gar keine Zeit für das Projekt hatte, weil ich zwei andere relativ komplizierte Mastering-Jobs zu erledigen hatte. Aber die Jungs haben tapfer auch ohne mich weitergemacht. Die letzten Guide-Tracks wurden so leider erst Ende Juli fertig, das war dann doch etwas knapper als geplant.
it: Das Artwork erinnert natürlich an The Geese And The Ghost. Helmut Janisch, Gründer des Deutschen Genesis Fanclubs und ebenfalls großer Fan von Anthonys Musik, hat es gestaltet. Wie hast du mit Helmut die Ideen austauscht?
Tom: Helmut wollte ich von Anfang an dabei haben, weil ich seine Arbeiten immer sehr geschätzt habe. Leider wollte er erst gar nicht mitmachen, denn ich hatte bereits eine konkrete Idee für das Frontcover und auch schon ein paar Entwürfe dafür gemacht. Der Gartenzwerg mit Anthonys Gesicht stand zuerst oben auf dem Ameisenhügel und die Landschaft, die Robins Partnerin Stephi bei einem Frühlingsausflug nach Bernkastel-Kues fotografiert hatte, war auch schon drin. Ich wollte es zuerst mit einigen Photoshop-Malfiltern wie eins dieser typischen Peter Cross-Gemälde aussehen lassen, das funktionierte aber nicht.
Helmut meinte, er könne nicht gut Ideen von anderen umsetzen, aber als er meinen letzten Entwurf gesehen hatte, der schon in Richtung Geese-Parodie ging, reizte ihn das doch und er hat dann meinen Entwurf von Grund auf neu aufgebaut. Nur den Zwerg hat er direkt übernommen. Und dann hat er angefangen, diese vielen liebevollen Details einzubauen, die teilweise so klein sind, dass man sie auf der CD nur erahnen kann. Deshalb hatte er dann auch die Idee, Poster mit dem vergrößerten Artwork drucken zu lassen, die man der CD beilegen kann. Das mache ich jetzt bei allen CDs, die über Bandcamp verkauft werden, von Hand gefaltet. Als das Front-Artwork dann Anfang September fertig war, schrieb er mir, dass er nun doch Lust habe, den Rest auch noch zu gestalten. Das war mir sehr recht, denn ich war schon mit der Musik ziemlich ausgelastet. Die Rückseite mit der Gitarre spielenden Ameise war dann ganz allein seine Idee, die sieht einfach klasse aus. Ich musste dafür meine 12saitige Ovation, die Ant beim Event in Welkers signiert hatte, aus verschiedenen Winkeln fotografieren und er hat sie der Ameise dann in die Arme gelegt. Die trägt übrigens eine Schirmmütze mit dem Motiv von Private Parts & Pieces I drauf.
it: Die CD wird ja online erhältlich sein – wann habt ihr entschieden, einen „echten“ Release zu machen und es nicht nur privat zu verschicken?
Tom: Das hatte ich von Anfang an vor – es ist heutzutage nicht allzu teuer, eine CD pressen und vertreiben zu lassen – bei einer CD mit ausschließlich Coverversionen schlägt jedoch die GEMA ordentlich zu. Ich habe das aber trotzdem noch so kalkuliert, dass ich nur etwa ein Viertel der Auflage verkaufen muss, um die Herstellungskosten plus GEMA wieder heraus zu bekommen.
it: Ihr wollt keinen Gewinn mit dem Album machen und spendet den Erlös komplett der Corona Künstlerhilfe…
Tom: Genau, das hatte ich in unserem Unterforum zur Diskussion gestellt und alle fanden die Idee gut. Es passt ausgezeichnet zum Projekt und Timm Markgraf, der Initiator der Corona-Künstlerhilfe ist zufällig auch noch Genesis-Fan – was will man mehr?
it: Anthony hat bis zum Schluss nichts von dem Projekt gewusst, aber ihr konntet mit seinem Archivar Jonathan Dann Infos austauschen. Wie wichtig war das?
Tom:Jonathan kenne ich schon länger – ich war ja früher viel in der UK-Fanszene unterwegs und wir trafen uns noch beim Rocking Horse-Konzert. Ihn hatte ich kontaktiert, weil ich sicher gehen wollte, dass die Study No.1 in E Maj auch wirklich unveröffentlicht war. Ants Gesamtwerk ist ja recht unübersichtlich und es hätte gut sein können, dass es doch auf einer seiner vielen Library-CDs mit anderem Titel drauf ist. Aber Jon hatte das bestätigt. Ich vermute ja, es gibt eine Aufnahme von Anthony davon und dass er die nicht veröffentlicht hat, liegt sicher an dem unfassbar schwierigen Mittelteil, den er selbst nicht unfallfrei spielen kann – eine lustige Vorstellung.
Jon hatte sich später auch einige Zwischenmixe angehört und fünf Fehler im Text von Moon’s Lament for the Sunentdeckt und gleich korrigiert. Nina musste es dann nochmal singen, nach fast acht Monaten. Das ist ja die Vocal-Version von Moonfall, die ebenfalls noch unveröffentlicht ist. Ich hatte die Masquerade-Demos vor vielen Jahren über meine UK-Kontakte zugespielt bekommen, die hatten jedoch eine so schlechte Tonqualität, dass der Text kaum zu verstehen ist. Außerdem ergibt der sowieso nur halbwegs Sinn, wenn man auch den Titel des Songs kennt und weiß, dass da eben der Mond sein Klagelied an seine geliebte Sonne singt. Bevor Esoteric Records im Oktober die Neuausgabe der beiden Archive Collections angekündigt hatte, bei der es die Masquerade-Demos ja als Bonus-CD gibt, war der Titel jedoch unbekannt – und Jon hatte uns vorher auch nichts verraten. Klasse fand ich dann, dass er sich auch bereit erklärt hatte, die Liner Notes zu schreiben. So hat unser Album beinahe offiziellen Status bekommen.
it: Nun ist das Album „draußen“. Wie fühlt sich das an und welche Erwartungen hast du, was die Reaktionen angehen?
Tom: Erste enthusiastische Reaktionen von Freunden und Verwandten hat es schon gegeben, aber die zählen ja nicht viel. Ich hoffe, dass das Album bei den Fans gut ankommt. Ich weiß aber auch, dass es nicht jedem gefallen wird, denn obwohl wir uns bei allen Songs in Sachen Struktur und Instrumentierung der Basic-Tracks eng an den Originalversionen orientiert haben, haben sich einige Arrangements doch schon recht weit davon entfernt. Bei Unheard Cry z.B. – die 12saitige Gitarre ist beinahe original nachgespielt, aber alles andere drumherum ist komplett neu – und klingt vielleicht ein bisschen seltsam – da muss man sich vielleicht erst dran gewöhnen.
it: Können wir in Zukunft mit weiteren Projekten dieser Art rechnen?
Tom: Schwer zu sagen – vielleicht hängt das auch davon ab, wie gut unser Album ankommt. Es hat natürlich viel Spaß gemacht – für mich war es allerdings besonders anstrengend, weil es schon die dritte CD war, die ich dieses Jahr produziert habe, nach den beiden Zinnförster-CDs, die im März und September bei einem japanischen Label rausgekommen sind. Das wird es so natürlich nicht wieder geben, aber jetzt im Augenblick fehlt mir doch ziemlich die Motivation für weitere Projekte dieser Art.
Und ich sehe auch kein vergleichbares Ziel – Martin, der ja auch ein Riesenfan von Rupert Hine ist, hatte anfangs mal vorgeschlagen, das Masquerade-Musical komplett zu covern, aber das ist eigentlich bis auf zwei, drei Songs auch nicht wirklich gut. Ich habe jedenfalls verstanden, warum das nie realisiert wurde. – Tony Banks‘ 75. hatte neulich schon jemand von der ANT BAND vorgeschlagen, da könnten sich die vielen Keyboarder mal so richtig austoben, aber ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von Tonys Solo-Sachen.
it: Vielen Dank für das informative Gespräch und viel Erfolg mit eurem Album
Tom: War mir ein Vergnügen!
Interview: Christian Gerhardts
Foto: Max Goldt