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The Ant Band – Bonus Bits & Blunders – Album Rezension
Die Bonus-CD von The Ant Band mit alternativen Versionen, Live-Tracks und Outtakes hat ebenfalls Thomas Jesse für euch rezensiert.
Vorbemerkung:
Die Ant-Band legt nach. Haben sie also dem Erfolg von A Light On The Hill und den Bitten der Fans nachgegeben. Leider machen sie es mit dem Nachfolger Bonus Bits & Blunders dem Rezensenten ein bisschen schwer. Schon der Titel! Klar, eine Anspielung auf Anthony Phillips Private Parts & Pieces Reihe. Statt P P & P nun B B & B. Aber, bitteschön Bonus Bits & Blunders? Wie ist das nun zu verstehen? Ein wenig Bonus-Tracks, Outtakes, alternative Versionen und noch Plunder, äh Fehler (heißt das nicht mistakes? Nicht nur, denn die Titelanspielung … mhm?? Will die Ant Band nun dauerhaft durchstarten und greift erst einmal auf altes, liegengebliebenes, sogar fehlerhaftes Material zurück? Lockt also das Geld, oder etwa der künstlerische Stardome? Fragen über Fragen, die im Folgenden beantwortet werden sollen.
Hintergrund:
Der große Zuspruch der Fans auf das Album A Light On The Hill und deren Wunsch auf einen Nachfolger ließen die Ant Band, federführend Tom Morgenstern, in ihrem Musikalienkoffer wühlen, kleine Bonus Bits & Blunders hervorzaubern und 40 Minuten Musik zusammenstellen.
Der Erlös sollte wieder der Coronakünstlerhilfe zugutekommen. Zu sehr ist leider die Spendenbereitschaft zurückgegangen. Dabei spielt die weltpolitische Lage wohl eine wichtige Rolle.
Artwork:
Die Covergestaltung lehnt sich an die Aufmachung des A Light On The Hill Albums an. Der / die Hörer:in blickt auf die im Hintergrund liegende Mosellandschaft. Im Vordergrund entschweben in einem Koffer, der an einen Ballon gehängt ist, all die kleinen Bits des Covers des Light-Albums: Der Hals der 12saitigen Gitarre, der Ant-Zwerg, die Ameise und all die bezaubernden Wesen, die das Cover des Light-Albums verzieren. Tom Morgenstern hat die Gestaltung diesmal komplett übernommen. Auf der Rückseite werden die Titel mit Linernotes und deren Mitwirkende gelistet. Somit ist die Kontinuität gewahrt und der / die Hörer:in weiß, was auf ihn oder sie zukommt.
Die Songs:
Das Album beschert dem Hörer bzw. der Hörerin neun Stücke, Alternativversionen, so genannte Guide-Versionen und Live-Songs vom legendären Anthony Phillips Event vom 22. Und 23. März 2014 in Welkers.
Moon’s Lament For The Sun (guitar mix)
Die Gitarrenversion des Stücks aus dem Masquerade-Musical besticht durch seine Intimität und wirkt wie ein roher, ungeschliffener Diamant. Man fühlt sich in ein Wohnzimmer versetzt, in dem Nina Morgenstern zur Gitarre von Sascha Krieger wunderschön gefühlvoll von der verlorenen Liebe singt. Hach, die Atmosphäre lässt den Rezensenten an eine Aufführung in einem literarisch-künstlerischen Salon des Berlins des 19. Jahrhunderts denken.
Dieses Bit steht gleichberechtigt neben der schweren, Klavier ausarbeitung des Light-Albums. Ninas Gesang wirkt zerbrechlicher, leiser, eben intimer und bleibt flüsternd im Ohr.
Stranger (Rock mix)
Gitarren-Arpeggien, der Gesang von Robin Morgenstern, verhaltenes Schlagzeug und kurze Keyboardsoli prägen den Song. Ab Minute 2:15 zieht das Tempo etwas an. Das ganze Stück erinnert an Tony Banks Soloalbum A Curious Feeling. Wir können es nun ein wenig rocken lassen, frei nach Stevie Nicks, Rock a Little. Denn der Takt scheint etwas schneller zu sein, so im Midtempo-Bereich, ohne dieser Version die Schwermut des Textes zu nehmen. Ein Vergleich mit der Version des Light-Albums braucht dieser Mix nicht zu scheuen.
Collections / Sleepfall (live)
Gibt es hier noch etwas zu bemängeln? Vielleicht der kleine Blunder (Patzer) zu Beginn des Stückes? Sascha Krieger wird im Fortgang aber so relaxt, er spielt / singt das traumhafte Finale des The Geese & The Ghost Albums unglaublich geswingt, hippieesk, dass Ant bestimmt gerührt war und wie die Fans und der Rezensent zum Mitsingen angeregt wurde. Ja, welches Genesis-Stück klingt da denn noch an? Ach, der Rezensent hat gar nicht erwähnt, dass hier ein Bonus, die erste Live-Aufnahme des Anthony Phillips Events in Welkers vom 22. Und 23. März 2014 und ein Highlight des Albums vorliegt.
„Then let us drink – Then let us smile – Then let us go!“
God If I Saw Her Now (Reggae mix)
Eine Reggae-Version von einem der schönsten Liebeslieder des Genesis-Kosmos? Ist das nicht Blasphemie? Das Stück hört sich fast wie die Variante des Light-Albums an. Wäre ihm nicht diese schrammelnde Reggae-Gitarre unterlegt, die von sanften Percussions begleitet wird. Sie schenken dem Stück eine sommerliche Leichtigkeit. Die Traurigkeit über den Verlust der ersten Liebe wird ironisch erhöht, ohne dem Thema die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Ein Romantiker wie Clemens Brentano hätte seine Freude daran, Ant auch? Der Rezensent jedenfalls spürt in seinen Beinen einen Reiz zu tanzen. Das kann nicht verkehrt sein.
Field of Eternity (new recording)
Dies ist eine neu eingespielte Version von Gereon Schoplick, da es bei der Liveaufnahme von Welkers technische Probleme äh – Blunders gab. Wie gefühlvoll Gereon seine Gitarre zupfen kann, zeigt er hier. Der Rezensent war schon in Welkers gerührt über die Interpretation eines der schönsten und wohl auch anspruchsvollsten Stücke von Anthony Phillips. Gereon nimmt, dem Barden auf dem Cover von The Geese & The Ghost, den Hörer / die Hörerin mit auf eine Reise in die unendliche Welt der Musik. Tief einatmen und die Musik durch den Körper fließen lassen? Dieser Bonus ist ein weiteres Highlight des Albums.
Unheared Cry (unused guide version)
Mhm, kleiner Ausflug in die Musikerwelt gefällig? Eine guide version ist eine Leitspur, die dem Musiker, der sein Instrument einspielt, als Orientierung dient. Sie ist z. B. wichtig für die Tempovorgabe, den Gesang, den Groove, der Pitchkontrolle. Sie ist insbesondere dann notwendig, wenn nicht alle Musiker gleichzeitig vor Ort sind, wie es bei der Ant Band der Fall war. Eigentlich werden diese „Hilfstracks“ vernichtet, aber das ist hier nicht geschehen. So wird man mit einer Art „nackter“ Version, die Gesang, Keyboards, eine E-Gitarre und eine Percussion -spur beinhaltet, beschenkt. Zu beachten ist neben dem tolle Gesang die Arbeit, die sich Peter Musto, der alle Instrumente selbst spielt, machte.
Leider fanden neben dem Gesang nur die Keyboards ihren Weg auf das fertige Stück. Das Tempo harmonierte nicht mit den 12-String-Gitarren. Ja, zickig sind sie, die 12-Strings?
Silver Song (live)
Die Fee sang und tanzte in Welkers. So schön wurde der Silver Song vom Morgenstern-Trio zelebriert. So kann / muss Ants Musik live klingen. Hier ist der Zauber des Ant Events eingefangen. Ach was! Möge sich jeder/r das Lied selbst anhören und die Begeisterung des Rezensenten teilen.
Ein Lied des Abschieds, des Aufbruchs, eine Aufforderung Vergangenes zu ehren, sich aber Neuem zu zuwenden.
She’ll Be Waiting (guide mix)
Das Endprodukt vom Light-Album überzeugt mit seinem Beatles- / Strawbs-Charme. Hier nun wieder ein guide mix. Dieser wirkt aber wie ein fertiger Song und stellt damit eine gleichberechtigte Alternativversion dar. Tom Morgenstern zeichnet für den Gesang und alle Instrumente. Diese, ja, folkige Variante lässt die Zeit der Endsechziger wieder aufleben. Eine schöne, luftige Version, die Airplay verdient hätte und locker all die „modernen“ Pop-Songs hinter sich lässt.
Slow Dance (excerpts from Part 1) (live)
Der musikalische Höhepunkt des Anthony Phillips Events und des Albums. Fantastisch, was hier die Herren Brilla, Krieger, Morgenstern und Waltner abliefern. Wunderbar fließt die Musik, bildet eine Brücke vom Mittelalter in die heutiger Zeit. Düstere Keyboardwände werden von luftigen Gitarrenduetten und frechen Flötenmelodien begleitet. Man meint, zusehen zu können, wie das gebannt und andächtig lauschende Publikum den Atem anhält. So groß war die musikalische Spannung. Hier, in Welkers, liegt die Wurzel für das Projekt The Ant Band begraben. Der Rezensent ist glücklich dabei gewesen zu sein und froh, dass nun ein größeres Publikum in den Genuss des langsamen Tanzes kommt.
Man muss dabei unbedingt Thomas Waltner erwähnen, der mit seinem Enthusiasmus nicht unwesentlich zur Verwirklichung der Idee, Ants Musik (live) zu spielen, beigetragen hat. Leider ist er 2017 viel zu früh verstorben.
Bonus:
Stranger (live) Empire Heft 144 CD
Noch ein Song vom Anthony Phillips Event, der aber vorab auf der o.g. Empire-CD veröffentlicht wurde. Ein schöne akustische Version mit Gitarre und Gesang. Viel „schlanker“, rauer als die Band -Variante des Light-Albums. Hier schließt sich der Kreis. Der musikalische Abend unseres Salons endet mit der insgesamt dritten Version dieses melancholischen Liedes. Lasst uns noch ein Glas Wein trinken und den im nächtlichen Sommerwind verwehenden Tönen lauschen?
Zusammenfassung:
Wurden denn nun die flapsigen Fragen des Rezensenten beantwortet? Von wegen Geld verdienen, oder der musikalischen Beweihräucherung dienen! Das B B & B – Album ist eine schöne Ergänzung zur „großen“ A Light on the Hill-Veröffentlichung. Die Einnahmen dienen einem guten Zweck.
Es bietet alternative Song-Varianten, die selbstbewusst neben denen des „Geburtstagskuchens“ für Ant stehen. Man kann den Entstehungsprozess durch die Guide-Versionen verfolgen. Wir können erahnen, wieviel Enthusiasmus, wieviel Liebe in diese Arbeit gesteckt wurde.
Die Live-Stücke tragen uns nochmals nach Welkers, wo das alles begonnen hat.
Kurz, es ist eine Andacht der Musik von Anthony Phillips.
Nachwort
Der Rezensent freut sich, dass diese Bonus Bits & Blunders nicht in dem Koffer verkramt wurden und bis in alle Ewigkeit vor sich hin stauben müssen.
Ganz leicht wird ihm, er bittet um Entschuldigung für das launische Vorwort und entschwebt auf den Flügeln der Musik?
In Memoriam Thomas Waltner
Autor: Thomas Jesse