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Steve Hackett – UK-Tour 2021: Genesis Revisited, Seconds Out & More – Tourbericht

Nach einer langen COVID-Pause kehrt Steve Hackett im Herbst 2021 auf die Bühne im Vereinigten Königreich zurück. Chris Simmons hat ein paar Shows gesehen und berichtet.

Steve Hackett und seine Band waren gezwungen, eine längere Tournee-Pause einzulegen, und kehrten im Herbst 2021 auf die britischen Bühnen zurück. Es war die längste und erfolgreichste UK-Tournee, die Steve jedortgemacht hat. Chris Simmons berichtet.

Nachdem ich wegen Covid eine gefühlte Ewigkeit gewartet hatte, war Live-Musik endlich wieder da und ich konnte drei Konzerte hintereinander besuchen: Carlisle – Stockton On Tees – Newcastle. Ich habe mich auf den Auftritt von Steve und seiner Band gefreut, um Seconds Out in voller Länge zu sehen.

Carlisle

Ich traf mich mit meinem Freund Mark für den ersten Konzertabend in Carlisle und wir kamen rechtzeitig in unserem Hotel an. Früh waren wir am Veranstaltungsort und holten unsere Fotopässe ab. Die Halle in Carlilse wird gerade für mehrere Millionen Pfund renoviert, daher gab es ein provisorisches Foyer und Bereiche, die als Teil der Baustelle vernagelt waren. In der Haupthalle ging alles seinen gewohnten Gang. Kurz nachdem wir die Halle betreten hatten, machten wir uns auf den Weg zum Beleuchtungspult und sagten Chris Curran ein „Hallo“, der mir mitteilte, dass Steve und Jo sehr an einem Foto interessiert waren, das ich bei der Show in Edinburgh gemacht hatte. Sie baten mich, den Moment während Cinema Show  wieder einzufangen. Ich war sehr erfreut, aber dann musste ich erst mal überlegen, wie ich das erreichen konnte. Der Lichteffekt wird nur in zwei kurzen Abschnitten des Liedes verwendet. Ich habe dann Mark geholfen, die Ersatzkamera aufzubauen, und wir haben uns mit ein paar Fans unterhalten.

Es dauerte nicht lange, bis der erste Song des Abends Clocks – The Angel Of Mons begann.

Held in the Shadows, vom neuen Album Surrender Of Silence, kam als nächstes mit einer wilden Gitarre von Steve und Jonas fügte einen prägnaten Bass hinzu, während Craig am Schlagzeug den Song vorantrieb. Ein Ausflug zum 1979er Album Spectral Mornings wurde mit Every Day unternommen. Als die letzten Töne verklungen waren, begann Steve, den nächsten Song zu beschreiben, führte ein in Situation und Ton. Dabei musste sich Roger King an einer Stelle ein Lachen verkneifen, aber schließlich begann The Devil’s Cathedral. Im Vergleich zur Albumversion war er live viel stimmungsvoller.

Dieses erste Set verging wie im Flug, mir fiel aber auch auf, dass es viel kürzer war (im Vergleich zu früheren Touren), um die komplette Darbietung von Seconds Outunterzubringen.

Der letzte Song des ersten Sets war Shadow Of The Hierophantund die Band nahm uns für diesen Abschlusssong den ganzen Weg zurück zu Voyage Of The Acolyte. Dieser klassische Hackett-Song wurde an diesem Abend ohne Gesang gespielt. Aber Steves Gitarre steht im Vordergrund und es ist auch die Version von Shadow Of The Hierophant, die immer lauter und lauter wird. Ben (für den Sound) und Chris (für die Beleuchtung) hatten wirklich alle Hände voll zu tun, aber es war einfach großartig.

Das Seconds Out-Set ist allen, die das Live-Album besitzen, wohl bekannt. Auf diesen Teil der Show wird später im Bericht noch eingegangen.

Das Personal am Veranstaltungsort war wirklich sehr nett. Wir kehrten danach zum Hotel zurück, nach einem kleinen Umweg (Mark nahm die falsche Ausfahrt aus einem Kreisverkehr) und ruhten uns aus.

Stockton On Tees

Wir verließen Carlisle und unsere Reise führte uns über die A69 zurück nach South Shields, und später am Abend erreichten Mark und ich Stockton On Tees. Diese Show war ursprünglich nicht auf der Liste, als die Tournee zum ersten Mal angekündigt wurde, aber nach den Verschiebungen der Konzerttermine wurde sie und noch ein paar andere hinzugefügt. Wir kamen also in Stockton an und erfuhren, dass das Parken kostenlos war (und das war es wirklich). Wir machten uns auf den Weg zum Veranstaltungsort, wo es bereits eine Schlange freundlicher Leuten gab. Es verging etwa eine halbe Stunde, bis wir endlich in die Halle kamen. Unsere Eintrittskarten waren E-Tickets, da man am Veranstaltungsort jetzt umweltfreundlich denkt. Wir holten unsere Fotopässe ab, sprachen mit Chris über die Beleuchtung und er erkundigte sich, ob wir gestern Abend mit dem Fotografieren zurechtgekommen wären. Kurz darauf überließen wir Chris seiner Arbeit und nahmen unsere Plätze für die Show ein. Ich bekam noch eine E-Mail von Jo, in der sie mich fragte, ob ich beim Soundcheck für die morgige Show dabei sein könnte.

Nachdem wir ein paar wirklich gute Nahaufnahmen von einigen Mitgliedern der Band gemacht hatten, beschlossen wir beide, ein paar Fotos aus anderen Blickwinkeln zu machen. Wir konnten uns in der Halle bewegen und Bilder machen, was wir so respektvoll wie möglich taten. Mark und ich nahmen verschiedene Positionen am Veranstaltungsort ein. Im Kopf hatten wir eine gute Vorstellung von dem Bild, das Steve und Jo von The Cinema Show haben wollten. Uns war aber bewusst, dass die Aufgabe nicht so einfach war – und unsere einzige verbleibende Chance würde morgen Abend bei der Show in Newcastle sein.

Das Publikum in Stockton war von der Show begeistert und gab mehfach Standing Ovations, aber wie alle guten Dinge neigte sich auch dieser Abend dem Ende zu: Die Band verbeugte sich. Schon bald saßen wir wieder im Auto, um nach South Shields zu fahren.

Newcastle

Vor der Show erhielt ich eine weitere E-Mail von Steve und Jo. Sie baten mich, meine Kameras zum Soundcheck mitzubringen. Ich durfte Mark mitnehmen, wir sollten nur einen COVID-Schnelltest machen und das Ergebnis dem Tourmanager Adrian vorlegen.

Mark kam um die Mittagszeit vorbei, und ich überbrachte ihm die guten Nachrichten. Diese Tests waren nicht angenehm, aber wir haben sie gemacht und die Ergebnisse wurden dann an Adrian geschickt. Wir stiegen in die U-Bahn, überquerten den Fluss Tyne und stiegen an der Station Haymarket aus, von wo aus wir zum Rathaus liefen. Die Zeit verging wie im Flug, und ehe wir uns versahen, waren wir am Bühneneingang und bereit für den Soundcheck. Endlich war ich wieder an dem Ort, an dem ich einen Großteil meiner Jugend verbracht hatte. 1979 hatte ich Steve zum ersten Mal hier gesehen, 1980 Genesis und Peter Gabriel – lange her, aber die Erinnerungen sind immer noch stark. Am Bühneneingang wurden wir angewiesen, immer unsere Masken zu tragen, was wir auch gerne taten.

Steve und die Band haben mit dem Soundcheck begonnen, die Band spielt Clocks – The Angle Of Mons und ein paar andere Perlen des kommenden Abends durch. Die Crew war erneut sehr offen und gesprächig, aber schon bald trafen Adrian und Jo Hackett ein, und es wurde Zeit, dieses eine spezielle Foto zu machen. Steve bat die Band, The Cinema Showzu spielen,  Chris Curran schaltete das Licht ein und ließ die Spiegelkugeln kreisen. Ich machte mich auf den Weg auf den Balkon und probierte viele Blickwinkel aus, bevor ich die Treppe wieder runterging, wo Mark geduldig gewartet hatte. Dann gab ein Crewmitglied die Anweisung „statische Kugeln“ und die Spiegelkugeln werden angehalten, um zu sehen, ob ich so den Eindruck einfangen konnte.

Zehn Minuten später war ich zurück und unterhielt mich mit Jo Hackett und Adrian Holmes, dann war es Zeit für uns, erst mal wieder zu gehen. Wir überließen die Band ihren Aufgaben und machten uns auf, einen Happen zu essen. Mark versicherte mir, dass er The Cinema Show mindestens eine Woche lang nicht mehr hören wollte. Das Essen wurde bestellt und wir sprachen darüber, was für eine lange Geschichte die Newcastle City Hall mit Steve und Genesis hat, dass die heutige Show das Live-Album Seconds Out feiern würde und wie Steve Anfang 1977 mit Genesis in der City Hall gespielt hatte.

Während wir warteten, kam jemand, mit dem wir bei der Carlisle-Show gesprochen hatten, und tauschten unsere Meinungen über diese Show aus.

Als wir später wieder in der Warteschlange vor dem Saal standen, kam Gordon (ein weiterer Fotograf) auf ein Gespräch vorbei. Der Sicherheitsbeamte von der Stockton-Show erkannte uns, und wir bekamen unsere Fotoausweise. Dann suchten wir uns die besten Plätze zum Fotografieren. Bald darauf wurde das Licht gedimmt und das erste Set begann. Die Zeit verging schnell, die Pause kam, und schon bald hatten wir unsere Positionen auf gegenüberliegenden Seiten des Balkons eingenommen um von dort zu fotografieren.

Als die Band mit Squonk loslegte, brach Jubel in der Menge aus, denn mit Nads großartigem Gesang war es für das Publikum nicht schwer, sich ins Jahr 1977 zurückversetzt zu fühlen. Für die neueren Fans wurde Seconds Outzu echtem Leben erweckt. Steve und die Band haben einen bewundernswerten Job gemacht, Squonk rockt immer noch hart. Steve vermittelte das Gefühl, als wäre er nie von der Gruppe weg gewesen, und die moderne Produktion fühlte sich an, als hätte sie eine Jahre alte Firnis von einem Gemälde abgetragen.

Dann begann Nad Carpet Crawlers zu singen, ein hymnenartiges Lied, das Nad mit viel Feingefühl vortrug und wie eine Mischung aus Peter und Phil klingen ließ. Nad traf den Punkt und vermittelte dem Publikum den Geist des Liedes, machte es irgendwie aber auch zu seinem eigenen – „man muss rein, um rauszukommen“! Nads Stimme klang für mich so gut wie nie zuvor, vielleicht hat ihm die erzwungene Tournee-Pause durch Covid die Möglichkeit gegeben, sich auszuruhen und an seinem Gesang zu arbeiten.

Afterglow kam als nächstes, das Publikum war gespannt auf die Beleuchtung – würde sie zum Albumcover von Seconds Out passen? Nun, die Leute mussten sich keine Sorgen machen, denn Chris Curran kennt sich mit der Geschichte des Lichtdesigns von Genesis aus. Schon bald erschien der berühmte „Landing Light“-Look und das Publikum war zufrieden.

Firth Of Fifth – Steve hat dieses Stück schon ein paar Mal bei seinen früheren Soloshows gespielt. Der Auftritt heute Abend war sogar noch besser, Roger King gab dem Publikum ein komplettes Piano-Intro,  Rob fügte Bläser hinzu und der letzte Bestandteil war Steves Solo, das reinhaute in echter Steve-Manier. Das Publikum applaudierte an dessen Ende, es war wirklich magisch. I Know What I Like ist sicherlich ein Fan-Favorit, obwohl der Jazz-Mittelteil, der eine neue Interpretation von Rob und Jonas ist, für mich einfach nicht funktioniert hat. Er war gut gespielt, aber er hat mich ein bisschen verwirrt – aber das ist nur meine Meinung.

Nads Gesangswechsel von Rael in The Lamb Lies Down On Broadway zu Old Henry in The Musical Box finktionierte reibungslos. Es braucht eine gewisse Ausdauer, um das durchzuziehen. Nad hat das sehr gut hinbekommen – The Musical Boxmuss ihm einiges an Energie abverlangt haben, so eine kraftvolle Performance. Supper’s Ready war wieder eine epische musikalische Reise, dann begann The Cinema Show. Nach meiner Erfahrung beim Soundcheck war es immer noch schön, den Spiegelkugel-Effekt zu sehen. Mark sagte mir später, dass sogar er es (wieder) genossen hat. Die Band verneigte sich und verließ die Bühne. Ein ausgelassenes Publikum machte seinen Wunsch nach einer Zugabe deutlich! Die Band kehrte zurück und Dance On A Volcano begann, Jonas auf einer 12-saitigen Gitarre! Craig spielte ein Schlagzeugsolo, das jedes Mal anders zu sein scheint, wenn ich es höre, und dann war es Zeit für Los Endos! Als es seinen Höhepunkt erreichte, gab es vom Publikum Standing Ovations, und anschließend ließ sich die Band viel Zeit, um sich an der Bühnenrampe zu verbeugen.

Dies war nicht meine letzte Show, ich hatte das Glück, dann noch nach Harrogate zu gehen. Aber das hier war eine beeindruckende Reihe von drei Shows an drei Abenden.

Jeder in Europa, der noch keine Karte für die Tournee 2022 hat, sollte sich so schnell wie möglich eine besorgen. Ich werde zu weiteren Shows der Seconds Out Tour gehen, vielleicht sieht man sich 2022 auf dem europäischen Festland.

Autor: Chris Simmons
Lektorat / Übersetzung: Mark Kenyon and Christian Gerhardts
Fotos: Chris Simmons and Lars Mosslind