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Steve Hackett – Tribute – Rezension
Steve Hackett widmet sich einmal mehr seiner Liebe zur klassischen Musik. Am 19. Februar wurde sein „Tribute“ an seine Gitarristenvorbilder herausgegeben. Steve Hackett verzichtet dort auf jegliches Instrument, welches keine akustische Nylongitarre ist. Akustikgitarre „pur“, wie man heute sagen würde.
Manche kennen wohl noch seine Vergangenheit als Art Rock/Prog-Musiker mit „Spectral Mornings“ und anderen tollen Alben – und mit diversen kleinen, feinen Sideprojekten, mal rockig, mal proggig.
Nun widmet er sich aber seiner Liebe zur klassischen Musik. Am 19. Februar wurde sein „Tribute“ an seine Gitarristenvorbilder herausgegeben (Vorbesteller bekamen eine signierte CD).
Steve Hackett verzichtet dort auf jegliches Instrument, welches keine akustische Nylongitarre ist. Akustikgitarre „pur“, wie man heute sagen würde.
Direkt am Anfang wird man mit hellen Nylon-Akustikgitarrentönen in die Welt der klassischen Gitarrenmusik geführt: die Tür geht auf, Hackett legt mit einem fröhlichen, schnellen Stück von Bach los: die Gavottes (BWV 1012). Segovia hat hier zwei Gavotten von Bach zusammengebaut, praktisch zwei Themen, zwei Tänze, die ineinander und hintereinander zu hören sind. Hier spielt Hackett besonders mit der Dynamik: sanftes Antupfen der Seiten und hartes Zupfen wechseln sich ab. Ein gelungener Opener: man merkt, dass nur etwas Gutes folgen kann.
Weiter geht es mit der Courante (BWV 1009), wieder ein Stück von Bach, diesmal deutlich schneller, fast schon frickelig und dissonant. Im dunklen, stilvoll gemachten Booklet erfährt man, dass das Lied für Cello komponiert worden ist, was man dem Lied auch anhört. Aber Hacketts Interpretation ist sehr schön – auch wenn ich das Original nicht kenne.
Noch etwas von Bach, Jesu Joy (BMV 147), ein gediegenes, ruhiges Stück mit sanften Gitarrenakkorden und schöner Melodie – der Deutsche nennt das Wohl mir, dass ich Jesum habe, ein berühmter Choral der Herz und Mund und Tat und Leben-Kantate. A „gorgeous lullaby“, schreibt Hackett im Booklet – das passt: beruhigend, erholend, sehr gut.
Das nächste Stück ist eine achtminütige Eigenkreation von Hackett, die Fountain Suite: hektisches Vibratospiel, Flageolettöne – das könnte eine klassische Fortführung von „Return of the Giant Hogweed“ sein. Doch dann wird es ruhig: barocke Akkordfolgen, Rhythmuswechsel, alles mit viel Hall versehen, Legatospiel. Hackett braucht keinen Vergleich mit dem „Meister“ zu scheuen: in der Reihe der anderen 3 Bach-Stücke fällt dieses hier nicht auf – wie gewohnt genial und spannend. Auch hier spricht sich Hackett lobend über Segovia aus, von dem sein Gitarrenspielstil seiner eigenen Aussage beeinflusst wurde.
Nun wird es wieder spätmittelalterlich: Hackett interpretiert eine Pavane von William Byrd, The Earle of Salisbury. Eigentlich war diese für die Orgel geschrieben, wird aber auch hier fantastisch von Hackett auf der Konzertgitarre gespielt. Dieses Stück dauert nur 1,5 Minuten, ist aber dennoch ein kleines Juwel in der Reihe der anderen Juwelen. Der Hörer klassischer Gitarrenmusik kann schon anhand dieser Stücke einen Vergleich zu vielen anderen berühmten Musikern aufstellen: John Williams wäre einer davon; der hat sich allerdings Zeit seines Lebens auf die klassische Musik spezialisiert. Zwar klingt Williams „härter“, aber doch ähnlich, vor Allem durch das sehr abwechslungsreiche Vibratospiel.
Das nächste Lied ist zugleich ein Tribut an den Wald, die Natur und an Barrios, der das Stück La Catedral wiederum als Tribut an den Wald geschrieben hatte. Bei dem schnellen 3/4-Takt hört man förmlich die Blätter vom Baum gleiten, sich vom Wind treiben lassen.
Weiter geht es: friedlich, ruhig, zart, sanft, ein traditionelles Stück: El Noy De La Mare, ein Stück, das Hackett sehr verehrt – liebend gerne würde er dem Komponisten die Hand schütteln, schreibt er dazu. Zwar auch „nur“ 2 Minuten lang, aber sehr gelungen.
Nun gibt es wieder etwas belebtes von Hackett, die Cascada. Hier demonstriert er seine flinken Finger, und seine Kompositionsstärke: ein Stück, das zu treiben und dynamisch sein vermag, ohne irgendein anderes Instrument außer der Gitarre zu nutzen.
Nun gibt es etwas aus dem Nähkästchen: Sapphires, Hacketts erstes ihm gefallendes Stück, welches noch in seiner Prä-Genesis-Zeit geschrieben wurde. Eine Zeitreise in die Vergangenheit, denn man hört dem Stück an, wie Gitarrenmusik damals klang.
Jetzt gibt es wieder ein Tribut, wieder mal an Bach, mit vielen lobenden Worten im Booklet. Ein sehr fröhliches Stück, die Prelude in D, BWV 998. Auch wieder ein kürzeres Stück, aber wie gewohnt traumhaft schön.
Prelude in C Min, BWV 999 ist wiederum ein Stück von Bach, diesmal nur eine Minute lang. Hackett sagt, es würde mehr aussagen als das, was einige Musiker in ihrem ganzen Leben gemacht haben. Da ist etwas Wahres dran; ein sehr ausdrucksstarkes Stück, das mir persönlich lange Zeit nach dem Hören noch im Kopf geblieben ist.
. Nach so vielen kurzen Stücken, wird es doch Zeit für etwas längeres.“… das dachte ich mir beim ersten Hören – eine Tracklist mit Zeitangabe hatte ich dabei nicht. Fast eine Viertelstunde zählt das nächste Stück, wieder ein Bachstück mit dem Namen Chaconne, BWV 1004. Wie man im Booklet lesen kann, war diese Komposition Bachs ersten Frau gewidmet… weiterhin lobt er den Moll-Dur-Sprung in der Mitte… und der ist wirklich so geschickt, dass man ihn beinahe nicht mitkriegt. Nun ist aber Schluss mit Bescheidenheit, Herr Hackett. Immerhin ist Hackett doch der Musiker, der die ganzen Stücke zusammengetragen und in ein herausragendes Gesamtkonzept eingebaut hat. Aber das wars noch nicht:
Zu Guter letzt gibt es noch 5 Minuten spanische Folklore mit La Maja De Goya, das erste und letzte Stück, das sich stilistisch von den anderen 45 Minuten abhebt, von Enrique Granados verfasst. Trotz der Unterschiede passt es ebenso ins Gesamtwerk hinein und ist ebenfalls ein Meisterwerk. Hier gibt es auch Flageolettöne, aber eher krumme Töne; so wie man sich mediterrane Gitarrenmusik vorstellt.
Und dann ist auch schon Schluss, die Türe der Ausstellung gitarristischer Kleinode fällt zu.
Mein persönliches Fazit ist, dass der Ex-Genesisgitarrist mit seiner Scheibe eine einmalige Vorstellung dargebracht hat, die er mit seiner typischen charmant-sympathischen Schüchternheit kommentiert, stets das ganze Lob vorsorglich auf die Komponisten, seine Vorbilder, schiebend, und sich selber nur als „Sklave“ dieser tollen Musik sehend.
Aber in diesem Punkt widerspreche ich ihm: so eine ruhige und emotionale und gefühlvolle Interpretation ist meisterhaft. Andere Gitarristen sind vielleicht perfekter, schneller, diese hier aber sehr ehrlich und gefühlvoll dargeboten – an vielen Stellen hört man sogar Hacketts Stil recht klar und deutlich heraus.
Dass die Komponisten natürlich auch eine wichtige Rolle spielen, ist klar. Aber vor allem anhand seiner drei Eigenkreationen wird es ganz deutlich, dass er es selber auch kann. Dieser Meister hat sich mit seiner Proggitarre mit spektakulären E-Gitarrensolis bei den Proggies beliebt gemacht – und nun liefert er mit seinem Album ein in sich stimmiges, liebevoll gemachtes Album, mit vielen „Bildern einer Gitarrenmusikausstellung“, die aus aller Herren Länder zusammengetragen worden sind. So gehört er jetzt auch mit John Williams und all den anderen Musikern zu den „Akustikgitarreros“, auch wenn sich geneigte Hörer klassischer Gitarrenmusik wohl eher an der Musik von Rodrigo, John Williams oder Narciso Yepes erfreuen, da Hacketts 50minütige CD anscheinend nicht an das Werk der anderen Gitarristen herankommt. Es gibt bestimmt mehr, noch perfektere und schneller gespielte Platten, aber genau die „Tribute“ von Hackett, um die es hier geht, gefällt mir persönlich sehr gut, auch wenn ich mir sehr seine Interpretation von meiner Lieblingsakustikgitarrenkomposition, dem Francesco-Tarrega-Stück „Recuerdos del Alhambra“ gewünscht hätte. Aber das wirkt sich natürlich nicht auf die Bewertung aus…
Häufig liest man, dass die CD doch hätte länger sein sollen. In meinen Ohren sollte das Album dies aber nicht sein. Hier geht es nicht um Quantität, sondern um Qualität, und die ist hier sehr hoch… klassische Entspannungsmusik auf 6 Saiten, ohne jeglichen Schnickschnack, auch mal eine sehr schöne Alternative zur Rockmusik, die wir sonst so gerne hören.
Außerdem hat Hackett mich als Rockhörer auf akustische Gitarrenmusik neugierig gemacht; viele Akustikgitarrenalben habe ich schon gehört, aber nur die „Tribute“ hat mich richtig überzeugt, weswegen ich die CD an alle, die sich auf solche Gitarrenmusik einlassen wollen, empfehlen kann.
Autor: Max B.