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Steve Hackett – To Watch The Storms – Tourbericht 2003
Als die Katze im Sommer 2003 aus dem Sack war, dass der einstige Genesis-Gitarrist mit Band auf Tour kommen wolle, hat wohl niemand so recht wirklich daran geglaubt. Seit zehn Jahren kamen immer wieder Gerüchte auf, Hackett würde auch ein paar Konzerte in Deutschland geben…
Als die Katze im Sommer 2003 aus dem Sack war, dass der einstige Genesis-Gitarrist mit Band auf Tour kommen wolle, hat wohl niemand so recht wirklich daran geglaubt. Seit zehn Jahren kamen immer wieder Gerüchte auf, Hackett würde auch ein paar Konzerte in Deutschland geben, doch bis auf einen nicht sehr publik gemachten Gig im Juni ’94 in Köln war von ihm hierzulande weit und breit nichts zu sehen. Auch wenn er mit unterschiedlichen Besetzungen seit seiner Labelgründung und dem Comebackalbum
Guitar Noir immer wieder kleinere Tourneen machte, konnte sich wohl kein deutscher Veranstalter für einen Steve Hackett erwärmen. Jetzt endlich, 22 Jahre nach der letzten Hackett-Band-Tour und 15 Jahre nach dem letzten Akustik-Streifzug (Momentum Tour) durch deutsche Lande bot sich uns gleich sechs Mal die Gelegenheit, Steves Comeback auf hiesigen Bühnen zu feiern.
Fans konnten sich ja schon mit der DVD
Somewhere In South America…Live In Buenos Aires bestens vorbereiten: Denn der Mitschnitt beinhaltete ja schon große Teile des aktuellen Repertoires und die Bandbesetzung hat sich auch seitdem nicht geändert: an Bord waren neben Steve Hackett Roger King (Keyboards), Gary O’Toole (Drums), Rob Townsend (Sax & Flute) und Terry Gregory (Bass). Aber ihn wirklich live zu erleben war für viele dann doch das Größte, gerade wenn man bisher noch nie die Gelegenheit dazu hatte.
Man wusste vor der Tour natürlich nicht genau, welche Songs er für diese Tour auswählen würde, und viele gingen davon aus, dass, wie das oft so üblich ist, eine Menge Songs des aktuellen Albums
To Watch The Storms gespielt werden würden. Mittlerweile wissen wir, dass die Setlist aber eher mit einer kompletten Werkschau Hackett’s vergleichbar ist…
Mechanical Bride
Der Opener der aktuellen Tour ist zwar einer der jüngeren Songs (zu finden auf
To Watch The Storms), aber hat sich seit seiner ersten Präsentation auf der Italien-Tour im Jahr 2000 schon zu einem echten Klassiker entwickelt. Hier frönt er seiner Vorliebe für die frühen King Crimson, denn die kontrastreiche, zeitweilig hektische Nummer erinnert ohne Zweifel an
21st Century Schizoid Man von 1969. Im Vergleich zur DVD-Version wurde hier die finale Album-Version zum Besten gegeben, welche noch einige verrückte Parts mehr zu bieten hat. Den jazzigen Solo-Teil hat man inzwischen sogar zu einem echten Keybord/Sax-Battle ausgebaut. Auffällig war bei dieser Live-Version ist im übrigen auch der extrem „kaputte“, rauchige Gesang a la Tom Waits, der vermuten ließ, dass seine Stimme schon zu Konzertbeginn am Ende ist. War sie aber nicht, wie sich im nächsten Song herausstellen sollte
Serpentine Song
Nach seiner Begrüßung warnt Steve uns nun vor der Tatsache ein sehr kontrastreiches Programm zu bieten, was er gleich mit
Serpentine Song, einem weiteren, zuküftigen Klassiker des aktuellen Albums, unter Beweis stellt. Zwar sind hier auch wieder Anlehnungen an die frühen Crimson spürbar, allerdings dann eher das romantisch-lyrische, wie etwa
I Talk To The Wind. Die Chöre kommen hier erstaunlich perfekt und Rob Townsend gibt hier an Flöte und Sopransax alles.
Watcher Of The Skies (Instrumental Version)
Auf diese Mellotron-Intro freut man sich immer wieder. Die Genesis-Nummer aus dem
Foxtrot-Album präsentiert sich hier als gekürzte Instrumentalversion, wie Steve es auch schon mit Genesis nach Gabriels Ausstieg spielte. Der Hauptunterschied zu damals liegt vor allem in dem verlangsamten Tempo, in welchem das Stück mit dieser Besetzung gespielt wird…und der Schlussakkord in Moll statt Dur!
Hairless Heart
Um die nostalgischen Gefühlsausbrüche im Publikum nicht gleich wieder abzutöten, verweilt man noch etwas in der Frühzeit und spielt das kurze, aber emotionale
Hairless Heart von Genesis‘
The Lamb Lies Down On Broadway-Album.
Darktown
Der Titelsong seines gleichnamigen Albums von 1999 klingt natürlich auch auf dieser Tour so wie er heißt, und zeigt auch dieses Mal, dass er live noch um einiges lebendiger und abgedrehter rüberkommt. Und auch wenn Hackett’s „tiefergelegte“ Erzählstimme nicht jedermanns Sache ist, passt sie doch irgendwie gut zur Stimmung des Songs.
Camino Royale
Die Band schafft es, die wohl bislang spritzigste Interpretation des Klassikers aus dem
Highly Strung-Album von 1983 zu spielen. Bei dieser Rock-Nummer zeigen alle Musiker ihre Qualitäten und auch Steve beweist, dass er nicht auf entfremdende Gesangseffekte angewiesen ist, aber immer gerne mit abgedrehten Effekten verrückte Sounds aus seiner Gitarre herausholt.
Pollution B
The Steppes
Da
Pollutioneher eine Art sphärische Improvisation darstellt, dient das Klanggemälde wunderbar als „Ratespiel“ für Hardcorefans und Intro zum Opener des
Defector-Albums von 1980. Für viele ein Höhepunkt des Konzerts entführt das schleppende und druckvolle Intrumental in orientalische Gefilde. Hier kommt auch das Sopran-Saxophon gut zur Geltung.
Acoustic Medley (
Black Light,
Horizonsetc.)
Das obligatorische Medley bei Bandkonzerten zeigt Steve auch einmal von einer anderen Seite, wenn er Stücke und Fragmente seines mittlerweile beachtlichen Fundus an rein akustischen Gitarren-Werken zum Besten gibt. Da diese oft zusammenhängend und -gewürfelt gespielt werden, wissen nur die beinharten Fans, wie viele und welche Stücke nun enthalten sind. Mit dabei waren
Black Light (
Bay Of Kings,
1983), und natürlich Horizons von Foxtrot.
Walking Away From Rainbows
Für diese Instrumental-Ballade werden Keyboarder und Saxophonist zur Hilfe gerufen. Dieses eigentlich eher unscheinbare Stück aus seinem Comeback-Album
Guitar Noir von 1993 entfaltet seine unaufdringliche Schönheit erst nach mehrmaligem Hören und hat zu Recht mittlerweile Kultstatus erreicht. Das regenbogenfarbene Lichtdesign tut ein Übriges, um zum Träumen zu bewegen.
Slogans
Für viele überraschend hat er dieses Instrumentalstück für diese Tour ausgegraben. Aber als eines der Highlights des
Defector-Albums fängt auch diese heftige Rock-Nummer das typisch unheimliche und mystische Flair früherer Hackett-Werke ein.
Everyday
Der Opener seines wohl bekanntesten Solo-Albums, des ’79er
Spectral Mornings, besticht durch tollen Chorgesang und das für Fans erfreulich lange und bombastische Gitarrensolo am Ende.
Please Don’t Touch
Firth Of Fifth(Guitar Solo)
Ein weiterer Opener, und zwar des Vorgänger-Albums namens
Please Don’t Touch wird hier endlich einmal komplett mit all seinen verrückten Parts in voller Länge gespielt. Mit dem abschließenden Drehorgel-Thema groovt sich die Band dann langsam für das Gitarrensolo von
Firth Of Fifth ein, das auch 30 Jahre nach Genesis‘
Selling England By The Pound nichts an Magie verloren hat.
The Wall Of Knives
Vampire With A Healthy Appetite
Soundgewitter á la Noisejazz bildet das Intro zu einem Live-Favoriten aus Hacketts jüngerer Vergangenheit.
Vampire With A Healthy Appetite vom
Guitar Noir-Album kommt live wie gewohnt als straighter Rocker daher und veranlasst durch den hohen Spaßfaktor die Band zu ausgiebigen Instumenten-Duellen im ausgedehnten Schlussteil.
Spectral Mornings
Das Stück, dass wohl für die meisten der Inbegriff des „hackett’schen Sounds“ ist klingt mit seiner aktuellen Band noch um einiges frischer als auf
Spectral Mornings und ist auch ohne Gesang durch Steves eindringliche, singende Gitarre immer noch Grund genug mindestens fünf Zentimeter über dem Boden zu schweben.
Brand New
Das ein so experimentierfreudiger Komponist wie Hackett auch radiotaugliches Material schreiben kann, beweist diese Abgeh-Nummer. Spezielle Lichteffekte unterstreichen die spacigen Zwischenparts, und erstaunlich perfekt drückt der Chorgesang des Refrains durch die Boxen.
Myopia(Intro)/
Los Endos
Das einzige Zitat aus dem
Till We Have Faces-Album aus dem Jahre 1984 leitet mit schnellen, hämmernden Riffs zum obligatorischen Schlußtrack aus Genesis-Tagen über, das im Gegensatz zum ’76er Original von
Trick Of The Tail um einige Parts ergänzt wurde, wie zum Beispiel mit einer Passage des Genesis-Songs
Dancing With The Moonlit Knight. Diese Neubearbeitung des bombastischen Instrumentals fand auch in einigen Ländern auf Hacketts
Genesis Revisited-Album von 1996 schon eine Heimat.
Clocks–
The Angels Of Mons
Zur Zugabe greift man wieder in die Spectral Mornings-Kiste und haucht einem weiteren Klassiker neues Leben ein – ein typisch düsteres, aber kraftvolles Instrumental.
…In That Quiet Earth (Part 1)
Zum Schluss der Zugabe erfreut Steve seine Fans noch mit einer Genesis-Nummer im ¾-Takt vom
Wind & Wuthering-Album von 1976. Der zweite, keyboardlastige Instrumentalteil des Originals wird hier durch einige Solos ersetzt.
In Memoriam
Als zweite Zugabe, die leider nur in wenigen Städten gespielt wurde, hat man sich für das Schlussstück von
Darktownentschieden. Ein Wechselspiel von choralen Gesängen und Steves mystischen Rezitationen.
Alles in allem wird es angesichts diesen abwechslungsreichen Programms, das wirklich von nahezu jedem Album, ob Solo oder mit Genesis, die essentiellsten Tracks beinhaltete, für Nörgler schwierig werden, Ansatzpunkte für Mosereien zu finden. Klar muss man Hacketts Stimme, vor allem mit verfremdeten Effekten, nicht unbedingt mögen, und klar kann es sein, das hier und da vielleicht einige Chöre vom Band kamen, doch die Zusammenstellung der gespielten Songs, auch wenn die Songs des aktuellen Albums etwas zu kurz kamen, dürfte nahezu jeden zufrieden gestellt haben. Noch dazu, wenn sie von einer wirklich exzellenten Band wie dieser gespielt werden. Erfreulicherweise konnte man auch richtig spüren, dass nicht nur die ausgehungerten Fans auf ihre Kosten kamen, sondern auch Hackett und Anhang ihre Spielfreude nicht verloren, vielleicht sogar neu entdeckt haben. Möglicherweise waren sie auch beeindruckt davon, dass die ausverkauften Clubs Zeichen dafür waren, dass man Steve Hackett und seine Musik trotz langer Liveabstinenz hierzulande nicht vergessen hat. Er dankt es uns mit einer weiteren Tour in 2004.
Autor: Steffen Gerlach
Fotos: Sabine Zindler