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Steve Hackett – To Watch The Storms Interview – 2003

Anlässlich der diesjährigen To Watch The Storms-Tour nutzen wir die Gelegenheit, um mit Steve Hackett ein Interview zu führen. Dieses Gespräch fand am 08.11.2003 in der Meier Music Hall in Braunschweig backstage statt…

Anlässlich der diesjährigen To Watch The Storms-Tour nutzten wir die Gelegenheit, um mit Steve Hackett ein Interview zu führen. Dieses Gespräch fand am 08.11.2003 in der Meier Music Hall in Braunschweig backstage statt.

it: Wie können wir uns das Zusammenstellen der Songliste vor einer Tour wie dieser vorstellen? Entspringt die Liste nur deinen Ideen oder gibt es auch Vorschläge von Fans oder den Bandmitgliedern?

Steve: Ja, alle möglichen Vorschläge fließen mit ein. Ich spreche mit vielen Leuten darüber, da ich nicht in einer Isolation existieren möchte. Wir haben entschieden, einige Stücke, die ich bereits seit einer langen Zeit spiele, von der Setlist zu streichen und durch neues Material zu ersetzen. Mit anhaltender Dauer der Tour, die übrigens im März nächsten Jahres in England fortgesetzt wird, werden wir weiteren Stoff mit einbauen. Derzeit verzichte ich auf viele ruhige Nummern. Die Songliste hat dadurch mehr Energie – das ist die Idee, die dahinter steckt. Heute Abend wird es aber die Chance geben, dass wir
In Memoriam spielen [es wurde tatsächlich performt; Anm. d. Red.]. In Polen wurde der Song so etwas wie ein Hit. Das Lied wurde recht häufig im Radio gespielt und wird dort sehr eng in Zusammenhang mit einer Persönlichkeit gebracht, die vor einiger Zeit starb. In Memoriam wird oft in Gedenken an diesen Mann gespielt. Wir haben es bereits in den Rehearsals für die heutige Show geprobt. Es ist ein ruhiger Song, den ich normalerweise nicht spielen würde. Aber ich erfülle damit die Wünsche von einigen Fans. Das ist auch der Grund, weswegen ich
Spectral Mornings,
Every Day,
Clocksund
The Steppes wieder spiele – obwohl man sie eigentlich als Stücke aus einem Museum betrachten müsste. Die Fans haben allerdings geäußert, dass sie diese alten Nummern gerne hören möchten und deswegen präsentiere ich sie.

it: Es ist ja eine lange Zeit her, dass du mit kompletter Band in Deutschland auf Tour warst. Was ist der Grund für diese lange Pause?

Steve: Nun, immer dann wenn man eine große Tour plant, gehören ungefähr zwanzig Leute dazu, die letztendlich dem ganzen Projekt zustimmen müssen. Es gibt fünf Mitglieder in der Band, die Mitarbeiter im Büro, die Menschen von InsideOut und Camino Records sowie die Promoter. Es ist einfach notwendig, von allen grünes Licht dafür zu bekommen. Nur so weiß ich, ob wir es uns leisten können oder nicht. Es basiert nicht einzig und allein auf meiner Idee. Ich kann nicht einfach zum Telefon greifen und äußern, dass ich gerne mal in Neuseeland touren würde, da ich Schafe so gerne mag. Das funktioniert halt nicht. Aber ich bin natürlich sehr glücklich darüber, dass ich hierher zurückgekehrt bin. Ich hoffe ebenso, mal wieder in Frankreich spielen zu können. Die Fans dort warten sogar noch länger als ihr. Ich weiß, dass dort Interesse besteht. Es ist schon ironisch; ich habe das Interesse seitens der Presse und der Fans, aber keine Anzeichen von irgendwelchen Promotern. Es ist eine verrückte Welt – manchmal kannst du es schaffen, dein Gesicht auf das Cover der Vogue zu bekommen aber dennoch interessiert sich kein Promoter für dich. Tja, es hängt also alles vom Team ab. Das Team trifft die Entscheidung. Ich bin zwar die Hauptfigur aber ich bin abhängig von anderen Leuten.

it: Man muss also InsideOut und Winfried Völklein dafür danken, dass diese Tour zustande gekommen ist?

Steve: Oh ja, absolut … aber auch Thomas [Waber]. Man muss letztenendes sehr vielen Leuten danken. Ich bin sehr froh darüber, dass ich gut angenommen werde. Die Reaktionen sind sehr positiv – übrigens auch in Schweden.

it: Bevorzugst du es eigentlich, in größeren Hallen oder in kleineren Clubs zu spielen?

Steve: Ich bin immer sehr glücklich zu hören, dass eine Show ausverkauft ist. Das ist besser als ein Vorhaben, was sich als zu ambitioniert herausstellt. In England planen wir für den kommenden März in etwas größere Hallen zu spielen. Wir riskieren dort also etwas. Man benötigt in der Tat eine Kristallkugel, um zu sagen, ob wir die größeren Hallen auch füllen werden. Im März wird es also, wie gesagt, weitere Shows geben und wenn sich die Chance ergibt, wieder in Deutschland zu spielen, werden wir es auch tun – egal wie groß die Hallen sein werden. [es steht mittlerweile fest, dass Steve in 2004 wieder in unser Land kommen wird; Anm. d. Red.]. Ich bin mit jeder Größe von Austragungsort zufrieden. Eine Band kann, glaube ich, in einer kleinen Halle so manches Mal kraftvoller rüber kommen als woanders. Die richtige Hallengröße für ein Konzert zu finden ist sehr entscheidend. Man kann da sehr schnell geschäftlich ein Desaster erleben. Sogar Genesis mussten schon einmal deswegen eine Tour canceln [den USA-Teil der Calling All Stations-Tour; Anm. d. Red.]. Man muss also sehr sensibel sein und sich die Meinung anderer Leute anhören. Übrigens kam Tony Banks zu meinem Konzert in der Queen Elizabeth Hall – das ist vielleicht interessant für euch.

it: Hast du mit ihm gesprochen?

Steve: Ja, natürlich! Ich unterhalte mich sehr gerne mit meinen alten Kumpanen von Genesis. Gerade am Tag zuvor hatte ich mit Mike gesprochen. Es ist schön, dass wir alle noch in Kontakt miteinander stehen.

it: Habt ihr euch über eine Reunion unterhalten?

Steve: Es ist so, dass es sich in dem Moment, in dem man sich mit alten Freunden trifft, schon wie eine Reunion anfühlt. Diese Reunion-Geschichten werden meistens von außen hereingebracht und stammen selten von innerhalb der Gruppe. Wir alle haben bereits durch diese Band bewiesen, dass wir es gemeinsam können. Nun versucht es halt jeder auf sich allein gestellt. Es fällt einigen Mitgliedern innerhalb der Band schwer, das Thema Gruppe nun erneut als Priorität anzusehen. In jedem Interview, was ich gebe, werde ich nach einer Reunion gefragt. Es ist absolut alles möglich. Ich habe gemeinsam mit John Paul Jones, Paul Gilbert und Pat Mastelotto in Japan an einem Projekt mit dem Titel
Guitar Wars gearbeitet. Das war ein interessantes Erlebnis. Wir probten vier Tage lang für eine dreistündige Show. Vielleicht wird ja John Paul Jones Genesis und ich Led Zeppelin beitreten. Wer weiß das schon?

it: Wie fühlt es sich für dich an für eine recht lange Zeit mit den Jungs aus deiner Band zusammen auf Tour zu sein?

Steve: Sehr gut! Die Atmosphäre innerhalb der Band ist sehr gut. Wir gehen alle sehr freundschaftlich miteinander um. Wir kümmern uns um einander. Es macht eine Menge aus, wenn man sich gut versteht. Es gibt so etwas wie Liebe und Respekt. Wenn einem von uns etwas live sehr gut gelingt, reagieren die anderen darauf und loben ihn dafür. Es gibt viel Interaktion aber auch Spaß auf der Bühne zwischen uns.

it: Es gibt also gemeinsame Pläne mit dieser Band für die Zukunft?

Steve: Die Pläne sehen vor, ein neues Album aufzunehmen und mehr Konzerte zu geben. Meine Absicht ist, diese Gruppe so lange wie möglich zusammen zu halten. Jede Band der Welt hat nur eine gewisse Zeit, die für sie bestimmt ist. Sogar für die besten Bands der Welt gilt das. Es ist eine natürliche Lebensspanne. Ich kann euch also nicht sagen, wie lange das Ganze halten wird; aber im Moment fühle ich mich sehr wohl. Es ist Privileg und Dankbarkeit zugleich mit diesen Musikern zu spielen.

it: Wurden für
To Watch The Storms alle Songs speziell für das Album geschrieben (bis auf
Mechanical Bride und
Serpentine Song, von denen wir wissen, dass sie bereits existierten)?

Steve: Es gab Material, welches aus einer „freieren Phase“ davor stammte. Der größte Teil des Albums wurde aber tatsächlich in den letzten drei Monaten vor der Fertigstellung geschrieben. Es gab also einige Stücke, die bereits einige Zeit lang existierten.

it: Viele Fans sind mit dem Album sehr glücklich. Wie gefällt dir das Resultat?

Steve: Ich bin begeistert vom Album. Auch die Special Edition hat mir viel Freude bereitet – all diese „kranken“ Lieder und der lustigere Stoff – das ganze Material also, welches extrem ist. Ich bin sehr stolz auf das Album. Es wurde darauf gut gespielt, gut gesungen, und es wurde gut produziert. Die songschreiberische Seite ist immer eine subjektive Sache, aber über die anderen bereits erwähnten Dinge kann ich sehr wohl objektiv urteilen. Es gibt darauf keine falschen Noten oder scharfe Kanten, es sei denn diese waren von vornherein beabsichtigt.
Marijuna Assasin Of Youth ist ganz offensichtlich ein Joke. Ich mag es wegen all seiner „Dummheit“. Es ist die Idee, Bach Seite an Seite mit Batman zu haben. Es ist schon eine tolle Sache mit der Musik – sie kann künstlerische und offenbar unkünstlerische Elemente miteinander verbinden obwohl sie eigentlich nicht vereinbar erscheinen. Das ist vermutlich Teil meines Humors: die Unvereinbarkeiten der Extreme.

it: Das ist genau, was wir mögen! Also mach bitte weiter, Steve. Wir bedanken uns bei dir für das nette und informative Gespräch.

Steve: Gern geschehen.

Interview: Bernd Zindler und Helmut Janisch

Transkription und Übersetzung: Bernd Zindler

Fotos: Peter Schütz