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Steve Hackett – Remasters – Info und Rezensionen

Virgin bzw EMI Records hat zur Freude Hacketts und seiner Fans nun endlich die frühen Alben nach Hacketts Vorstellungen wiederveröffentlicht, sowohl in klanglicher Hinsicht, als auch in Sachen Verpackung und Extras…

Air-Conditioned Remasters

Er war der erste aus dem Genesis-Stall, der sich traute, eine Solo-Karriere zu starten, und das sogar, noch während er Mitglied der Band war. Es muss um 1973 gewesen sein, als erste Frustrationen innerhalb der Band bezüglich der musikalischen Ausrichtung auftauchten. Ein Teil der Band suchte sich also auch Betätigungsfelder außerhalb der Genesis-Marke, wie Rutherford mit Hackett-Vorgänger Anthony Phillips, Collins als Session-Musiker (im Zuge dessen sich kurz darauf seine Zweitband Brand X bilden sollte) und eben Steve Hackett, der sich seinen Kompositionen, die es nicht ins Genesis-Repertoire schafften, widmete, als es während und nach der The Lamb Lies Down On Broadway-Phase zeitweise sehr unklar war, ob und wie es mit der Band weitergehen würde.

Seine ersten 6 Solo-Alben, die zwischen 1975 und 1983 erschienen sind, wurden damals allesamt von Charisma Records – dem Genesis-„Haus-Label“ – veröffentlicht und in späteren Jahren von Virgin Records neu auf CD aufgelegt, nach dem diese Charisma Records „geschluckt“ hatten. Dummerweise blieben sämliche Veröffentlichungsrechte bei Virgin, so dass Steve Hackett keine Möglichkeiten hatte, diese Alben überarbeitet auf seinem eigenen Label Camino Records Mitte der 90er Jahre neu zu veröffentlichen, so wie er es mit den Alben ab 1983 gemacht hatte. Nachdem über die letzten Jahre der Kult um Genesis stetig wuchs, und auch Steve Hackett davon profitierte und wieder sehr erfolgreich Alben verkaufen konnte, war wohl 2005 auch Virgin Records nicht mehr abgeneigt, zumindest die ersten vier Alben von Steve Hackett in überarbeiteter Form freizugeben. Nachdem diese ab 15. Oktober 2005 im Handel erhältlich waren, schien der Verkauf die Erwartungen zu erfüllen, und somit stand der Veröffentlichung der beiden übriggebliebenen Alben Cured (1981) und Highly Strung (1983) nichts mehr im Wege. Hackett-Fans können somit ab dem 2. Februar 2007 endlich sämtliche Solo-Alben des ehemaligen Genesis-Gitarristen in remasterter Form genießen.

Glücklicherweise ließ Virgin Records dem Künstler selbst die Freiheit, zu entscheiden, wer die Original-Masterbänder der Aufnahmen überarbeiten sollte. Mit Benedict Fenner machte sich nun ein langjähriger Weggefährte und Kenner Hackett’schen Schaffens ans Werk, was den Vorteil hatte, dass Steve Hackett die Kontrolle über das Endergebnis behielt und somit nichts veröffentlicht werden würde, wovon er sich später distanzieren müsste. Was die Aufnahmen angeht, erstrahlen die alten Aufnahmen in neuem Glanz, in dem das Frequenzbild bei allen Alben behutsam bearbeitet wurde, ohne dabei den gewohnten Sound zu zerstören. Auch erhalten blieben die lautstärke-dynamischen Unterschiede in Hacketts Kompositionen, was leider bei anderen Remaster-Arbeiten anderer Künstler auf Kosten der Gesamtlautstärke des Tonträgers übersehen und „kaputtgemacht“ wird. Auch in Sachen Artwork hat man ganze Arbeit geleistet: Für das Booklet selbst hat man das Original-Cover genommen und Elemente der Original-LP-Inlays verwendet. Neben den Song-Texten und Credits gibt es zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotos der jeweiligen Album-Periode zu sehen und aktuelle Erinnerungen an die jeweilige Produktion von Steve Hackett selbst zu lesen. Schön ist auch der CD-Label-Aufdruck in Form des fast schon vergessenen Charisma-Logo-Labels. Vor allem interessant für Fans sind die Bonus-Tracks, die jedem Album am Ende angehängt wurden und bisher entweder nur auf Vinyl zu finden oder, wie hier in den meisten Fällen, bislang unbekannt waren. Auf diese Raritäten soll im Folgenden etwas näher eingegangen werden…


Voyage Of The Acolyte

Aufgenommen: Juni/Juli 1975, veröffentlicht: Oktober 1975)

Tracks: Ace Of Wands / Hands Of The Priestess Part 1 / A Tower Struck Down / Hands Of The Priestess Part 2 / The Hermit / Star Of Sirius / The Lovers / Shadow Of The Hierophant.

BONUS TRACKS:

Ace Of Wands (Live) 6.30

Aufgenommen am 11. November 1979 im Theatre Royal Drury Lane in London hat man mit dieser Live-Aufnahme zeitlich etwas vorgegriffen, da Steve Hackett zu seinem ersten Album noch keine Konzerte spielte, und daher auch kein Live-Material zur Verfügung stand. In der Besetzung mit Querflötist/Gitarrist John Hackett, Keyboarder Nick Magnus, Bassist Dik Cadbury, Drummer John Shearer und Sänger Pete Hicks hat man zu dieser Zeit eine gekürzte Version des Stücks gespielt und den 2ten Teil mit „Racing In A“ kombiniert.

Shadow Of The Hierophant (Extended Playout Version) 17.00

Bis zum Schlußteil (ab 5.54 Min.) ist diese Version mit der regulären Album-Version identisch. Hier hat man aber die „Closing Section“ in der ursprünglichen Form erhalten, was heisst, dass keine Schnitte vorkommen und so sich die Steigerung über fünf Minuten länger aufbaut. Für die Album-Version hat man die besten Teile dieser Version zusammengeschnitten. Das Tape dieser Version der Hackett/Rutherford-Komposition fand sich zufällig beim Ausmisten von Vater Hacketts Gartenschuppen!


Please Don’t Touch

Aufgenommen: November 1977 bis Februar 1978, veröffentlicht: Mai 1978

Tracks: Narnia / Carry On Up The Vicarage / Racing In A / Kim / How Can I? / H oping Love Will Last / Land Of 1000 Autumns / Please Don’t Touch / The Voice Of Necam / Icarus Ascending

BONUS TRACKS :

Narnia (John Perry Vocal Version) 3.32

Aufgrund der großen Resonanz amerikanischer Radiostationen auf den Album-Opener sollte der Song als Single veröffentlicht werden. Da aber das Label von Sänger Steve Walsh, damals bei Kansas, damit nicht einverstanden war, wurden die Gesangsspuren für eine potentielle, am Anfang und Ende gekürzte 7“-Version von John Perry eingesungen. Da man trotz leicht überarbeitetem Mix von dem Ergebnis nicht allzusehr überzeugt war, sah man nach der Produktion einer Promo von einer Veröffentlichung ab.

Land Of Thousand Autumns / Please Don’t Touch (Live) 7.50

Wieder eine Aufnahme vom 11. November 1979 im Theatre Royal Drury Lane in London (dem übrigens vorletzten Konzert der Spectral Mornings Tour), die bislang nicht offiziell erhältlich war. Genau genommen enthält der Opener der Konzerte von 1978 und 1979 ebenfalls Teile von Tigermoth.

Narnia (Alternate Version) 4.30

Diese bislang unveröffentlichte Version mit Steve Walsh unterscheidet sich von der Album-Version durch einen anderen Mix und das „natürliche“ Ende der Aufnahme ohne Ausblendung. Teilweise sind andere Percussion- und Keyboard-Spuren zu hören und Kleinigkeiten wie das Pfeifen am Ende wurden weggelassen.


Spectral Mornings

Aufgenommen: Januar / Februar 1979, veröffentlicht Mai 1979

Tracks: Every Day / The Virgin And Gypsy / The Red Flower Of Tai Chi Blooms / Everywhere / Clocks / The Ballad Of The Decomposing Man / Lost Time In Cordoba / Tigermoth / Spectral Mornings

BONUS TRACKS:

Every Day (Alternate Mix) 7.06

Diese Version ist nicht die damals neuaufgenomme Single-Version, sondern basiert auf der Album-Version mit leicht geändertem Mix. Interessant aber ist vor allem der bislang unbekannte, einminütige Schlußteil im Halftime-Tempo.

The Virgin And The Gypsy (Alternate Mix) 4.25

Dieser Mix enthält unter anderem zusätzliche Gitarrenspuren und Steves Harmonika bei den Refrains.

Tigermoth (Alternate Mix) 3.18

Es ist lediglich der zweite Teil des Songs, der hier in einem anderen Mix auftaucht. Vor allem ist hier eher das Keyboard im Vordergrund, und auch einige Gesangsspuren stehen in anderem Mischungsverhältnis als in der endgültigen Album-Version.

The Ballad Of The Decomposing Man (Alternate Mix) 4.19

Neben dem ungewöhnlichen Einstieg mit Vocoder-Stimme, enthält dieser Mix unter anderem Hacketts bislang ungehörte Gitarre im ersten Teil, anders abgemischte Percussions und Stimmengeschrei im zweiten Teil und ein verlängertes Ende. Die 8 Sekunden andauernde Geräuschkulisse zu Beginn des Tracks hat eigentlich nichts mit diesem Song zu tun, sondern stammt eigentlich von Tigermoth.

Clocks – The Angels Of Mons (Single Version) 3.36

Für die 7” und 12”-Version, veröffentlicht im September 1979, wurde der Klassiker um den größten Teil des Drum-Solos beraubt.

Live-Acoustic Set 5.37

Aufgenommen am 11. Juni im Pavillion de Paris, wurde dieser Mitschnitt ursprünglich auf der 12“ Maxi Single von Clocks veröffentlicht und enthält kurze Anspielungen von Lost Time In Cordoba, Etude In A Minor (Carcassi) und Blood On The Rooftops und komplette Versionen von Horizons und Kim.

Tigermoth (Live) 2.58

Ebenfalls bei dem Konzert in Paris mitgeschnitten und auf der der 12“ Maxi Single von Clocks veröffentlicht, kommt die Live-Version von 1979 ohne den zweiten Teil des Stücks aus. Es folgt eine Minute Stille…

Hidden Bonus Track: The Caretaker 1.40

…ein ziemlich angenervter Typ regt sich auf! Dieses unmusikalische „Beistück“ tauchte auf einigen früheren Pressungen von Spectral Mornings ebenfalls als Hidden Bonus Track auf.


Defector

Aufgenommen: Frühjahr 1980 , veröffentlicht: Juni 1980

Tracks: The Steppes / Time To Get Out / Slogans / Leaving / Two Vamps As Guests / Jacuzzi / Hammer In The Sand / The Toast / The Show / Sentimental Institution

BONUS TRACKS:

Hercules Unchained 2.43

Der erste echte Non-Album-Track von Steve Hackett erschien ursprünglich 1980 als Single-B-Seite von The Show und überrascht mit für Hackett ungewohnten schnellen Hard Rock-Anleihen, Stakkato-Gesang und kurzen Vocoder-Einwürfen im äußerst kurzen Mittelteil.

Sentimental Institution (Live) 3.02

Wie schon bei Bonus Tracks auf Voyage und Touch stammt auch dieser unveröffentlichte Live-Track vom 11. November 1979 im Theatre Royal Drury Lane in London und war zum damaligen Zeitpunkt noch ein unveröffentlichtes Stück Musik.

The Steppes (Live) 6.14

Slogans (Live) 4.38

Clocks – The Angels Of Mons (Live) 5.52

Diese drei bislang unveröffentlichten Live-Tracks stammen vom Reading Festival am 28. August 1981, also von der Cured-Tour in folgender Besetzung: John Hackett (Flöte, Gitarre), Nick Magnus (Keyboards), Ian Mosley (Drums) und Chas Cronk (Bass). Warum man hier nicht Aufnahmen mit der Defector-Besetzung von der 1980er-Tour genommen hat, ist nicht bekannt.


Cured

Aufgenommen: Frühjahr 1981, veröffentlicht: August 1981

Tracks: Hope I Don’t Wake / Picture Postcard / Can’t Let Go / The Air-Conditioned Nightmare / Funny Feeling / A Cradle Of Swans / Overnight Sleeper / Turn Back Time

BONUS TRACKS:

Tales Of The Riverbank 1.59

1981 als B-Seite der Hope I Don’t Wake-Single veröffentlicht, ist dieses von Hackett auf Nylon-String-Gitarre gespielte Stück im Original eine Komposition von Mauro Giuilani namens Andante In C und wurde in den 50ern als Titelmelodie einer Kinderserie im TV benutzt. Eine neuere Aufnahme des Stücks erschien 1994 als Bonus Track auf dem damals wiederveröffentlichten Bay Of Kings-Album.

(Theme from) Second Chance 1.57

Dieses Duett mit klassischer Gitarre und Querflöte (gespielt von Hacketts Bruder John) wurde als Titelmusik zu der gleichnamigen TV-Serie in England verwendet und wurde erstmalig 1981 auf der Single-B-Seite von Picture Postcard veröffentlicht, bevor es in einer Neueinspielung 1983 auf Hacketts erstem Akustik-Album Bay Of Kings erschien.

Air-Conditioned Nightmare (Live) 4.08

Als Nachschlag zu den drei Live-Tracks auf dem wiederveröffentlichten Defector-Album gibt es hier eine weitere Aufnahme vom Reading Festival am 28. August 1981 zu hören, die vormals auf der 12“ Maxi Single von Cell 151 von 1983 zu finden war.


Highly Strung

Aufgenommen: Februar bis November 1982, veröffentlicht: Juni 1983

Tracks: Camino Royale / Cell 151 (Long Version) / Always Somewhere Else / Walking Through Walls / Give It Away / Weightless / Group Therapy / India Rubber Man / Hackett To Pieces

BONUS TRACKS:

Guitar Boogie 2.10

Dieses kurze Instrumental in Form eines schnellen Rock-Boogies wurde bei Live-Shows des öfteren als Zugabe gespielt. Die Aufnahme stammt höchstwahrscheinlich von den Tourproben, da die komplette Livebesetzung von 1983 mitwirkt.

Walking Through Walls (12“ Version) 5.54

Hier als „12“ Version” betitelt erschien diese von Rafe McKenna bearbeitete und zwei Minuten längere Version auf keiner Maxi-Single, auch wenn dies vielleicht ursprünglich beabsichtigt war, sondern wohl nur auf der damaligen amerikalischen Album-Veröffentlichung von Highly Strung. Neben einigen zusätzlichen Effekten und editierten Teilen ist vor allem der Schlußteil mit zusätzlichen Keyboards, Vocoder, Marschtrommel und gepfiffener Melodie interessant.

Time Lapse At Milton Keynes

Mit der Genesis-Reunion am 2. Oktober 1982 in frischer Erinnerung schrieb Steve Hackett dieses Stück auf Akustik-Gitarre. Veröffentlicht wurde das Stück ursprünglich auf der 7“- und 12“-Single von Cell 151 im Jahre 1983. Eine neu aufgenommene Version erschien 1994 als Bonus Track des remasterten Bay Of Kings-Album.

Fazit

Virgin bzw EMI Records hat sich einsichtig gezeigt und zur Freude Hacketts und seiner Fans nun endlich die frühen Alben nach Hacketts Vorstellungen wiederveröffentlicht, sowohl in klanglicher Hinsicht, als auch in Sachen Verpackung und Extras. Auch wenn nicht alle neu verwendeten Fotos und Live-Aufnahmen zur entsprechenden Zeit passen und kleine Patzer bei den Angaben der Titelspiellängen passierten, ist diese Remaster-Reihe mehr als ein Glücksfall für Freunde des ehemaligen Genesis-Gitarristen.