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Steve Hackett – Interview per Telefon, 11.04.2012
Im Vorfeld der Veröffentlichung des Squackett-Projekts sprach Helmut Janisch mit Steve über dieses Album und über Genesis Revisited II.
Telefoninterview über A Life Within A Day und Genesis Revisited II (11.04.2012)
it:Woher kam die Idee zu deiner Zusammenarbeit mit Chris Squire? Seid ihr mit einem fertigen Plan eingestiegen oder habt ihr einfach mal angefangen, ohne zu wissen, wohin der Weg führen könnte?
Steve:Wir haben erstmal gegenseitig auf unseren Platten gespielt. Damit hat es angefangen. Chris wollte ein Weihnachtsalbum mit Weihnachtsliedern aufnehmen, auf dem habe ich dann Gitarre gespielt, und er hat eine Platte mit einem Chor gemacht. Das ist jetzt natürlich schon ein paar Jahre her, einige Jahre, aber für mich ist das gedanklich immer noch gerade eben erst gewesen. Dann hat er sich revanchiert und auf einer Anzahl meiner Stücke mitgespielt, die ich für ein neues Album vorgesehen hatte. Ich musste das Projekt dann aber zur Seite legen, weil ich mit Rechtstreitigkeiten zu tun hatte und andere Dinge dazwischen kamen. Wir haben eine ganze Menge aufgenommen, und ich dachte, dass er wirklich auf meinem Album sein würde, und dann habe ich mit einem anderen Album bei Null angefangen. Wir wollten es veröffentlichen, aber mitten in den Aufnahmen zog er nach Amerika um, weil seine Frau ein Kind erwartete und sie bei ihrer Familie in Phoenix sein wollte. Also habe ich das auch zur Seite gelegt und ein drittes Projekt angefangen; das war dann Out Of The Tunnel’s Mouth. Zum Glück war Chris darauf schon bei einigen Stücken zu hören. Das Schöne daran war, dass ich im dritten Anlauf ein Album in der Hand hatte, das wirklich locker und leicht klingt. Ich konnte mir auch nicht leisten, mit der Platte keinen Erfolg zu haben, denn ich hatte so viele Anläufe unternommen, ein Album einzuspielen, und eben auch immer nur Geld investiert, ohne dass viel wieder hereinkam. Zum Glück ging das Album dann mit InsideOut richtig ab. Ich habe mich dann wieder den Stücken zugewandt, die für das ursprüngliche Album geplant waren, und Chris meinte, „Oh, könnten wir nicht ein paar Sachen davon für ein gemeinsames Projekt verwenden – unser Album?“ und ich meinte, „Ich bin mir nicht sicher, mal schauen“. Ich dachte, wenn ich versuche, ihn mit Solomaterial glücklich zu machen, könnten wir Sachen für eine Band machen, und er hat wunderschön darauf gespielt. Stücke wie Divided Self und The Summer Backwards waren ursprünglich für ein Soloalbum, aber sie haben sich sehr gemacht, und jetzt haben wir Squackett. Letztendlich habe ich Shrouded Horizon noch davor gemacht, und Chris ist dort auch oft zu hören. Die Geschichte ist ziemlich verwickelt, als gäbe es da eine Reihe von Leinwänden und eine Gruppe von Malern, und wir arbeiteten alle manchmal zur selben Zeit am selben Bild und manchmal getrennt an verschiedenen. Aber das Squackett-Album ist jetzt fertig, und ich hoffe, dass die 5.1-Aufnahmen heute wohlbehalten hier angekommen, denn sonst können wir den Veröffentlichungstermin nicht einhalten, weil sie sie immer wieder machen und … Bei diesen Kopien ist es so, dass sie manchmal mit Verzerrungen und Tonverlusten und anderen Sachen ankommen; es liegt beim Einspielen eines Albums nicht immer auf der Seite des Musikers. Die technische Seite sorgt dafür, dass es mit einem Album klappt. Die 5.1-Version klingt sehr gut. Wenn wir sie pünktlich genau so bekommen, wie wir sie mit Roger als Produzent gemischt haben, dann klingt sie sehr, sehr gut.
it:Wer ist eigentlich auf den Namen „Squackett“ gekommen?
Steve:Diese Idee hatte Chris‘ Frau. Lustig. Ihr Name ist Scotland, aber wir nennen sie Scottie, und sie hat den Namen als lustigen Titel vorgeschlagen. Wir machen da was Freundliches draus.
it:Wie habt ihr die Songs geschrieben? Wart ihr gemeinsam im Studio oder haben alle für sich an einer Idee gearbeitet und dann die besten Teile ausgewählt?
Steve:Bei vielen Sachen haben wir von Angesicht zu Angesicht gearbeitet, manchmal im Studio, manchmal zuhause im Wohnzimmer, ziemlich oft so, dass Roger und Chris und ich jeweils eine Passage beisteuerten und einen Vorschlag, vor allem für die Texte. Bei einem Stück wie beispielsweise dem ersten auf dem Album, A Life Within A Day(das Album selbst heißt übrigens auch A Life Within A Day) – jedenfalls hieß der Song so, als ich zuletzt nachgesehen habe. Kurz vor der Zielgerade kann alles Mögliche passieren, bis das Album erschienen ist.
Ja, also das Stückeschreiben… Wir haben dabei so viel wie möglich zusammengearbeitet. Manches haben wir getrennt voneinander geschrieben, aber vieles im direkten Kontakt. Wir haben die Philosophie wieder aufgegriffen, der Genesis am Anfang gefolgt ist, nämlich, dass man zum Autorenteam eines Stückes gehört, wenn man einen Teil zu dem Stück beigetragen hat. Diese Idee fanden alle gut, denn sie bedeutet, dass alle Beteiligten angemessen als Komponisten und als Musiker repräsentiert sind.
it:Wer hat denn alles auf dem Squackett-Album gespielt?
Steve:Ich, Chris, Roger King, Jeremy Spacey am Schlagzeug und Amanda Lehman, die auf zwei Stücken den Hintergrundgesang bestreitet.
it:Wo liegt der Unterschied zu deinen beiden vorigen Soloalben?
Steve:Ich finde schon, dass sich das Album von den vorigen Soloplatten unterscheidet. Es ist eine Platte, die wirklich von den einzelnen Songs getragen wird. Wir haben eine ganze Reihe von Stücken mit einfachen Harmonien und nicht so viele schwierige Taktarten. Das meiste ist im 4/4-Takt; der Titelsong dagegen hat mehr von dem, was die Leute erwarten, wenn man unser beider Werdegang anschaut. Er ist also detaillierter und komplexer in puncto Takt und krummen Rhythmen. Im Ganzen ist es aber sehr melodisch. Das ist es wirklich, wenn man mal absieht von dem verrückten Teil in der Mitte des Anfangsstücks, wo es so klingt, als ob… da ist so viel los, wie bei einer Spielshow. Wir wollten es unbedingt in dem Stück unterbringen, denn wir stellen uns „ein Leben in einem Tag“ (A Life Within A Day) so vor, dass etwas sehr schnell in sehr kurzer Zeit passiert. Die Bass-Seite ist da sehr ausgeprägt, und wir haben auch ein Orchester dabei; das macht es interessant.
it:Welche Pläne habt ihr für Squackett? Wollt ihr noch ein Album machen oder vielleicht live auftreten?
Steve:Ich hoffe, dass wir live zusammen spielen werden. Wir versuchen gerade, die logistischen Probleme dabei zu lösen, denn Chris ist ja sehr beschäftigt mit Yes und tingelt durch die Welt; dann lebt er ja eigentlich in Amerika und scheint, wie ich höre, im Moment in Australien zu wohnen. Ich bin mir nicht sicher, wie sich das alles entwickeln wird, aber ich hoffe, dass wir live spielen werden.
it:Warum erscheint das Album eigentlich nicht auf deinem eigenen Label?
Steve:Weil Squackett ein Projekt von mir und Chris und natürlich allen anderen ist. Chris wollte einen Manager dabei haben, der dann eine Plattenfirma ansprechen sollte, und darum … Die Verantwortlichkeit, die wir alle miteinander teilen, bedeutet, dass auf dem Label Cherry Red steht statt der für mich üblichen Label. Wie gesagt: Es ist kein Soloprojekt, sondern eine Partnerschaft.
it:Und was hat es mit den Grafiken für das Albumcover auf sich?
Steve:Die Geschichte dahinter ist die, dass Chris einen Künstler gefunden hat, dessen Arbeiten ihm gefallen, und der kam dann mit dieser Kreuzung aus orientalisierenden Hieroglyphen und einem Squackett-Logo an. Es scheint in Gold auf Schwarz gedruckt zu werden, und ich finde, es sieht sehr gut aus.
it: Sind das Schriftzeichen in irgendeiner Sprache? Bedeutet es etwas?
Steve:Ich weiß nicht, ob man das lesen kann oder nicht. Ehrlich gesagt habe ich so viel um die Ohren, dass ich gar keine Zeit habe, mir irgendwas öfter anzusehen. Mein Leben ist mit vielen Projekten vollgestopft, und Squackett ist nur eins davon. Möglicherweise kann man es lesen; ich weiß es nicht, das ist so ein Grenzfall, sehr abstrakt.
it:Scheinbar arbeitest du gerne mit Künstlern, mit denen du noch nie zusammengearbeitet hast.
Steve:Ja. Ja, stimmt. Ich arbeite gerne mit Chris. Ich fand es sehr einfach, mit ihm Stücke zu schreiben. Es gibt aber auch viele andere Leute, mit denen ich in letzter Zeit zusammengearbeitet habe. Viele. Die Sachen sind alle veröffentlicht, von Steven Wilson, Gary Husband, Bill [sic] Reed von Magenta (das ist noch nicht erschienen, kommt aber noch), und alle machen auf ihre Art gute Projekte. Ich bin auch mit einer ganzen Reihe von Leuten im Gespräch über verschiedene Sachen. Außerdem arbeite ich an Genesis Revisited II und entwickle das Projekt. Eine Version von Afterglow mit John Wetton habe ich schon aufgenommen. Am Donnerstag wird er wieder hier sein; ich freue mich schon darauf. An Blood On The Rooftops arbeite ich auch gerade; ich erweitere das Intro in etwas stärker entwickeltes mit Stückchen von den Melodien, die später zu hören sein werden. Das entwickelt sich alles, und ich versuche, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen dem, was authentisch Genesis ist und aber gleichzeitig ein bisschen anders, manchmal, wo ich fand, dass sich die Sachen entwickelt haben. Und ich habe hier und da die Instrumentierung geändert.
it:Wann dürfen wir mit dieser Veröffentlichung rechnen?
Steve:Im Oktober, hoffe ich jedenfalls. Das lässt sich nur schwer sagen. Voraussichtlich im Herbst, wenn ich damit fertig werde und natürlich alle Leute dafür bekomme. Es ist schwer, die richtigen Leute zu finden, die auf dem Album singen und spielen sollen. Aber es nimmt Gestalt an, und wir werden mal sehen, wie es wird.
it:Jedenfalls wäre es ein schönes Weihnachtsgeschenk für uns.
Steve:Das wäre schön, ja! Es wäre dasselbe, nur anders.
it:Kannst du uns schon sagen, wer bei den Aufnahmen dabei sein wird?
Steve:Viele haben gesagt, dass sie mitmachen würden, aber ich möchte nicht zu viel verraten. Sonst wecke ich nur Erwartungen, ohne dass es eine wirkliche Bestätigung gäbe, weißt du? Es ist halt ein weiter Weg.
it:Wir haben hier noch einige Fragen von Leuten aus unseren Foren, die wir dir stellen sollen…
Steve:Na, dann schieß los!
it:Legst du regelmäßig richtige Übungsstunden auf der Gitarre ein oder kommst du ohne Fingerübungen aus, weil du ohnehin immer an einem Album arbeitest?
Steve:Gitarre zu üben und Stücke zu schreiben war immer ein und dasselbe für mich. Ich versuche immer, Sachen zu spielen, die ich noch nicht spielen kann. Es ist eine andauernde frustrierende Erfahrung, dass ich die Sachen, die ich schreibe, nicht am Stück spielen kann, aber mit genügend Übung kann man letztendlich alles hinbekommen, und … Ich habe letztens mit jemandem genau darüber gesprochen. Wir unterhielten uns darüber, wie Musikstudenten lernen, und er meint, es sei schrecklich, den Leuten beizubringen, dass sie ständig Tonleitern üben müssten – das sei doch langweilig. Aber wenn man jemandem von vornherein ein Stück von Bach beibringt, dann sind die Tonleitern einfach in dem Stück enthalten und es wird viel interessanter. Er hat mir auch etwas über Tasteninstrumente erzählt, was Bach für Tasteninstrumente gespielt hat, die, glaube ich, jeder Musiker gerne spielen können möchte, jedenfalls jeder, der Tasteninstrumente spielt. Man muss da sehr begabt sein und sehr entschlossen. Ich für meinen Teil springe durch meine eigenen Reifen, wie eine Zirkusnummer springe ich durch die Feuerringe, die ich für mich aufstelle. Sich dieser Herausforderung zu stellen, kann schon manchmal schwierig genug sein, das kann ich dir sagen. Ich mache die Musik nicht kompliziert, damit sie kompliziert ist; sonst hättet ihr nicht einmal die Hälfte von den Genesis-Sachen, die ihr mögt, bei denen es diese blumigen Begleitmelodien gibt. Es ist einfach ein Teil davon. Es ist ein Bestandteil des Genesis-Stils, nicht wahr, nicht nur die Akkorde zu haben, sondern auch die akustischen Details in den Stücken, ob nun vom Keyboard oder von den Gitarren. Da gab es eine Komplexität, sondern auch eine Einfachheit in der Absicht. Das ist eben keine Band, die schnell spielt, um schnell zu spielen, sondern es ist wie Bach. Es gibt da eine Richtung.
it:Was für Musik gefällt dir im Moment am besten, und welches Album hast du dir zuletzt gekauft?
Steve:Das letzte Album… hm, ich habe keine Ahnung, weil so viel Musik hier durchgeht. Ich glaube, ich höre eine Menge von Karajan. Vieles von dem, was er mit den Berliner Philharmonikern gemacht hat, gehört zu den besten Einspielungen klassischer Musik, die ich kenne. Das gefällt mir. Ich höre gerne Joe Bonamassa, seine Art, Bluesgitarre zu spielen gefällt mir. Finde ich toll. Das letzte Album war vermutlich etwas wie Florence And The Machine, sehr interessant. Es gibt ein Album mit Joe Bonamassa und Bess Heart, das toll ist. Einige von den neuen Musikern… Florence And The Machine haben eine Herangehensweise, die beinahe gewissermaßen wie Stammesmusik ist, obwohl die ja eine Sängerin haben. Für mich klingt da ein bisschen Einfluss von Gabriel mit an. Sie macht das sehr schön. Und sie hat ganz schön viel Kraft in ihrer Stimme. Beim zweiten Album hat sie mich richtig gepackt, mir fällt gerade der Titel nicht ein, aber es ist ein spannendes Album. Gut sechs Stücke darauf, die ich wirklich empfehlen kann.
it:Steve, dann danken wir Dir für dieses Interview.
Steve:Oh, Danke. Grüßt alle. Wir sehen uns. Ich werde ja bald auf der Lorelei spielen und hier und da auch noch, also werde ich immer mal wieder kurz nach Deutschland kommen.
Interview: Helmut Janisch
Transkript und Übersetzung: Martin Klinkhardt
Links:
Steve Hackett – Squackett: A Life Within A Day – Rezension