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Steve Hackett – Hamburg, 30.10.2009 – Konzertbericht
2009 tourte Steve Hackett endlich wieder mit einer Band durch Europa. Während seiner Deutschland-Tour spielte Steve eine Show in der Fabrik in Hamburg.
Nach mehr als fünf Jahren spielt Steve Hackett wieder Konzerte mit einer vollständigen Band. Mit seinem neuen Album Out Of The Tunnel’s Mouth im Gepäck präsentierte sich Steve Hackett in bester Spiellaune.
Die Band wählte wohl einen der besten Opener, den sie im Repertoire hat: Mechanical Bride. Mit Blitzeffekten und dem harten Sound des als Hommage an King Crimsons 21st century Schizoid Man geschriebenen Song, bekam das Publikum gleich zu Beginn die (hard)rockende Seite von Steve Hackett präsentiert. Ein toller Beginn!
Es folgte der Opener von Steves neuem Album, was an diesem Abend erstmalig erhältlich war. Steve, der an dem Abend sehr erzählfreudig war, klärte auf:
„It does not really feel like a gig tonight. Basically, because you’re all friends. But the second reason is that we were in a legal dispute with our record company and the court made a decision in our favour. So, the CD can be bought tonight for the very first time. I think it’s always a bit cheesy, if bands announce ‚you can by our CD next Friday‘, so I’m very proud to say that tonight you can. It feels like dark clouds disappearing, and that’s what the next song basically is about: Fire On The Moon.“
Der Song beginnt mit ruhiger monotoner Keyboardbegleitung, dann setzt Steves Gesang ein. Das charakteristische an dem Song ist der Refrain, der wesentlich lauter als die Strophen zunächst einen Überraschungseffekt hat. Gesanglich wird lediglich ein „Ohhh“ geboten. Gegen Ende des Songs spielt Steve ein Solo, was an die Guitar-Noir-Tage erinnert. Sehr schön!
Nun folgte ein von den Fans sehr geachtetes Stück: Every Day. Auch dieses Lied wurde wie fast alle mit einer Ansage bedacht. Es handelt von einem drogensüchtigen Mädchen, in das Steve verliebt war.
Wenn man von Every Day spricht, so ist ein Wort zu Steves überragendem Solo unerlässlich. Es war: perfekt! Da heißt es Augenschließen und einfach nur genießen. Seine Interpretation ähnelte der von der Once Above A Time-DVD bekannten Version, die als sehr gut gilt.
Es folgten nun zwei Stücke von Steves neuem Album: Emerald and Ash und Ghost In The Glass. Emerald and Ash ist im ersten Teil ein eher soundscapiger Song, der von Steve wirklich gut gesungen ist. Im zweiten Teil ist der Song nicht mehr wiederzuerkennen: Ein stampfender typischer „Hackett-Rhythmus“ untermalt von den von ihm so geliebten „merkwürdigen“ Geräuschen. Der Ausklang den Songs ist wieder anders, eher orientalisch gehalten.
Ghost In The Glass ist ein Instrumental-Stück, was zunächst eher akustisch gehalten ist. Später greift Steve zur elektrischen Gitarre und soliert ein wenig. Das Lied hebt sich allerdings nicht weiter ab.
Nach dem Schwung an neuem Material kam nun wieder ein Klassiker: Ace Of Wands. Der erste Song, der von Steve solo zu hören war, hat seinen Zauber nicht verloren. Die spielfreudige Band wirkte selbst bei diesem oft gespielten Lied begeistert und das war das Publikum auch. Schwärmende Blicke und Headbanger (ja!) zeugten von guter Stimmung.
Nach Pollution B spielte die Band einen Song, der schon beim ersten Ton begeistert vom Publikum aufgenommen wurde: The Steppes. Dieser Song war ja schon immer ein heimlicher Favorit, aber in der derzeitigen Fassung sieht man, dass es noch besser geht. Nick Beggs, der sich an dem Abend bisher durch seine Pippi-Langstrumpf-Verkleidung und sein sehr gutes Bassspiel ausgezeichnet hat, wuchs in der Steppe über sich hinaus. Und nicht nur bei diesem Song hat Beggs brilliert – er ist einfach ein toller Bassist, der Spaß macht und eine wertvolle Bereicherung von Steves Live-Band ist.
Slogans leitete wieder zur härteren Seite von Steve über und kam gewohnt gut an. Dieser Song ist auch durch den growlenden Einspieler in der Mitte, wieder ein Beweis dafür, dass Steve Gefallen an einem möglichst großen Stilmix hat. Den Ratschlag „Steve, stick to one style“ hat er dankend abgelehnt.
Nach Mechanical Bride spielte die Band nun einen weiteren Song vom To Watch The StormsAlbum: den Serpentine Song. Obwohl eher unscheinbar, begeisterte der Song das Publikum, was nicht zuletzt an einem großartiges Saxophon-Solo von Townshend lag, was mit Szenenapplaus bedacht wurde. Der Multiinstrumentalist der Band, der für nahezu jedes Lied unverzichtbar ist, hat hier gezeigt, dass er auch solistisch ein Meister seines Faches ist.
Tubehead, ein ziemlich cooler, abgedrehter Song, der auch live die vier Minuten nicht überschreitet bildet einen Kontrast zum darauffolgenden träumerischen Spectral Mornings.
Und nun kam etwas ganz Großes: Firth Of Fifth in der Komplettfassung! Roger King ließ seine Fähigkeiten als Tony Banks aufblitzen und Gary O’Toole durfte seine Leistung als exzellenter und banddienlicher Schlagzeuger noch um die eines guten Sängers erweitern. In dem Instrumentalpart vor dem(!) Solo setze sich Steve auf das Podest des Schlagzeugs, da er gerade mal nichts spielen musste. Stattdessen nahm er das rhythmische Klatschen des Publikums erfreut auf und schnipste den Takt mit. Dann erhob sich der Meister und spielte eine der Sternstunden des Progressiven Rock tadellos. Wie lange ist es her, dass man das Stück in seiner ganzen Pracht hören konnte?
Während Firth Of Fifth war die Stimmung der ziemlich gut gefüllten Fabrik auf ihrem Zenit. Wahrscheinlich kannte fast jeder den Text und auch die Instrumentalteile wurden mitgesummt. Eine nahezu magische Atmosphäre!
Es folgte die akustische Seite von Steve Hackett. Im Acoustic Set spielte er ein wunderschönes Walking Away From Rainbows mit anschließendem, stark umjubelten Horizons.
Es ging akustisch weiter, aber das „nur“ als Einleitung eines Genesis-Stücks. Das Intro zu Blood On The Rooftops ist mit einer der Gründe, warum das Stück für Fans zu einem der besten Genesis-Songs zählt. Nach und nach gesellt sich die Band dazu und O’Toole macht einmal mehr eine gute Figur als Sänger.
Und da wir schon bei Genesis sind, geht es gleich mit zwei weiteren Klassikern weiter: Fly On A Windshield mit anschließender Broadway Melody Of 1974. Abermals vom singenden Schlagzeuger veredelt.
Vor dem Finale gab die Band noch zwei Stücke des neuen Albums zum Besten: Sleepers und Still Waters. Sleepers ist ein nahezu epochal angelegter Dreiteiler. Akustisch gehalten mit Moll-Melodien ausgeschmückt füllt die Band den Saal mit einem ruhigen Klangteppich, zu dem sich später ein sanfter Gesang von Steve hinzugesellt. Später jedoch kommt O’Tooles hämmerndes Schlagzeug und Beggs pumpender Bass hinzu und das Stück beginnt zu rocken. Gegen Ende gleicht das Stück wieder mehr dem Anfang und klingt sanft aus.
Als nächstes Stück kündigte Steve Still Waters an, was seinem Namen allerdings keine Ehre macht. Die Noise-Attacke überfällt das Publikum wie ein Wasserfall, allerdings entwickelte sich das Stück danach schnell zu einem plätschernden Bach. Steve kündigte vorher an, dass er gerne Blues spielen würde, und tatsächlich: Das Stück lässt sich wohlwollend in den Blues einordnen. Damit bleibt eigentlich keine Stilrichtung, die der Rocker, Progger, Jazzer, Metaller, Blueser, Klassiker, … Steve Hackett ausließ. Ein Künstler, der sein eigenes Genre definiert.
‚Certainly the last one for tonight. This is our version of a piece called Los Endos.‘ Steves sehr eigene Interpretation des Genesis-Klassikers, welche durchaus ihren Reiz hat und der Originalfassung ebenbürtig ist, beendet den regulären Set.
Die sympathische Band lässt sich allerdings nicht zulange vom begeisterten Publikum feiern, sondern legen mit einem lockeren Clocks nach. Gary kommt sogar noch zu einem Drumsolo. Und dann ist es leider doch soweit: Mit dem Ende von Garys Solo setzt die Band zum Abschluss von Clocks an.
Die Lichter gehen an und leider auch die Musik vom Band. Ein sowohl atmosphärisch als auch musikalisch überragendes Konzert geht zwar zu Ende, wird jedoch stets in sehr guter Erinnerung bleiben.
Autor: Maximilian Reinhardt
Fotos: Peter Schütz
Weitere Fotos sind in einer exklusiven Hamburg-Fotogalerie hier zu finden.