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Steve Hackett – Genesis Revisited Band & Orchestra: Live At The Royal Festival Hall – Rezension
Ende 2019 veröffentlichte Steve Hackett einen Konzertfilm seiner Orchester-Show vom Oktober 2018. Hier erfahrt ihr alle Details.
Im letzten Jahr spielte Steve Hackett mit seiner Band eine UK-Tour mit Orchester. Auf dem Programm standen, neben einigen ausgewählten Solo-Tracks, vor allem Genesis-Klassiker. Wir haben zwei Berichte zu dieser Tour online: Zum einen den Tourüberblick mit vier Shows (hier klicken) sowie einen Bericht der Show in der Royal Festival Hall London am 4. Oktober 2018 (hier klicken). Diese Show wurde nun am 25. Oktober in zwei Formaten veröffentlicht: Ein 2CD/Blu-ray Set sowie ein 2CD/DVD Set. Der Inhalt ist größtenteils identisch, jedoch enthält die DVD im Vergleich zur Blu-ray weniger Bonusmaterial.
Im Konzert ist natürlich Steve Hacketts Band zu sehen und zu hören, also Roger King (Keyboards), Gary O’Toole (Drums), Rob Townsend (Saxophon und anderes), Nad Sylvan (Gesang) und Jonas Reingold am Bass. Dazu kommen die Special Guests John Hackett und Amanda Lehmann, und natürlich das Heart Of England Orchestra (41 Musiker), dirigiert von Bradley Thachuk.
Das Set ist hier bestellbar:
Allgemeines
Steve Hackett spielt Genesis Klassiker mit einem Orchester. Das alleine ist schon ein wuchtiges Statement. Für den Genesis-Fan ist natürlich in erster Linie die Umsetzung interessant – und für den Hackett-Fan die Frage, wie viel Steve in diesen Shows steckt.
Die UK-Tour 2018 war ein großer Erfolg, es wurden daher noch Zusatzshows zum Tourkalender hinzugefügt. Logistisch sicher ein riesiger Aufwand, da man neben Band und Crew auch noch ein ganzes Orchester von A nach B bringen muss. Traditionell gibt es neue Shows von Steve Hackett auch irgendwann auf DVD und Blu-ray (und auch ganz normal als Live-Album, zum Beispiel digital oder als CD, die im Set meist enthalten ist), doch dieses Mal musste man etwas länger warten. Steve verriet uns im Interview Anfang des Jahres, dass die Arbeitsplanung seiner Crew so dicht ist, dass die Veröffentlichung eben noch etwas dauern kann…
Formate und Inhalt
Nun liegt der Konzertfilm also gut ein Jahr nach dem Konzertereignis vor. Im Oktober 2019 wurde er als 2CD/DVD oder eben 2CD/Blu-ray veröffentlicht. Wer nur das Album in digitaler Form haben möchte, kann dies zum Beispiel bei iTunes oder amazonMP3 beziehen. Basis für die Beurteilung ist die Blu-ray. Zu den Klängen von Shadow Of The Hierophant sehen wir das Menü, in dem neben Soundoptionen auch einzelne Tracks angesteuert werden können. Dazu gibt es als Bonus eine gut 40-minütige Dokumentation und drei Musikvideos. Das Bonusmaterial ist auf der DVD-Version allerdings nicht enthalten.
Band / Personal
Steve Hacketts Band ist natürlich vollzählig dabei, darunter auch Gary O’Toole, für den die Shows Ende 2018 gleichzeitig auch Abschied bedeuteten. Dazu gibt es das Heart Of England Philharmionic Orchestra, das von Bradley Thachukdirigiert wird. Steve arbeitete schon zuvor mit ihm zusammen, zum Beispiel bei der Orchester Show in Buffalo vor zwei Jahren.
Steve versammelte außerdem wieder Special Guests auf der Bühne. Dieses Mal war Amanda Lehmann dabei sowie John Hackett – es ist also auch eine Art Heimkehr und Familientreffen, denn Steves und Johns Mutter saß ebenfalls im Publikum.
Der Konzertfilm und die Trackauswahl
Wenngleich der Film Genesis Revisited with Band and Orchestraheißt, so finden sich doch eine ganze Reihe von Solostücken von Steve im Set wieder. Das Konzert beginnt aber mit einem Genesis-Klassiker: Dance On A Volcano. Mit wuchtigem Orchester-Sound geht es gleich los, dazu spielt Gary ein volumniös klingendes Schlagzeug. Dieser Stil prägt auch den ganzen Konzertfilm. Einmal mehr zeigt Nad Sylvan, dass er in seiner Rolle als Sänger der Collins UND Gabriel-Stücke (und teilweise auch Hackett-Stücke) mehr und mehr gewachsen ist. Er weiß nicht nur bei Dance On A Volcano seine Stimme und die Möglichkeit derselben geschickt einzusetzen.
Es folgen gleich zwei Solo-Stücke und das erste, Out Of The Body, ist durchaus eine überraschende Wahl. Die Umsetzung mit einem Orchester passt aber perfekt (hier seien auch die Bläser mal hervorgehoben!), insofern ist es eine kluge Wahl von Steve, dies miteinzubeziehen. Relativ nahtlos geht das Stück in The Steppes über, welches wiederum ein absoluter Solo-Klassiker von Steve ist.
Ein besonderes Augenmerk liegt sicher immer auf Firth Of Fifth. Das Stück gewinnt ungemein durch das Orchester, auch wenn zu Beginn eher weniger Elemente wahrnehmbar sind. Das baut sich dann nach und nach auf. Natürlich lässt das Orchester genug Platz für Steves legendäres Solo. Allerdings wäre es hier durchaus interessant gewesen, die Orchester-Version des ersten Genesis Revisited Albums zu hören. Doch der interessante Zwischenteil ist nicht Teil dieser Performance. Das soll die Qualität der Umsetzung nicht schmälern, es wäre aber sicher ein großer A-Ha Effekt (oder wahlweise ‚was ist denn jetzt los?‘-Effekt) für viele gewesen. Insgesamt bleiben die „Führungen“ bei den Instrumenten der Rockband, auch wenn im zweiten Teil von Steves Solo viel orchestraler Bombast auftaucht. Nad Sylvan singt dieses Stück übrigens traumhaft gut.
Das gilt auch für Dancing With The Moonlit Knight und bei diesem Stück ist die Symbiose von Rock und Klassik perfekt. Tatsächlich hat man das Gefühl, eine komplette oder definitive Version zu hören. Chapeau!
Etwas emotional ist Blood On The Rooftops. Das Orchester spielt hier eher zurückhaltend. Wunderbar zu beobachten ist aber Steves interessante Gitarrenarbeit – und man weiß, dass Gary O’Toole dieses Stück immer gern gesungen hat und das tat er hier nun im Rahmen der Tour zum letzten Mal. Danke für diese Momente, Gary!
Viel Zeit zum inne halten bleibt nicht, denn Shadow Of The Hierophant erfordert ganze Aufmerksamkeit. Normalerweise spielt Steve nur den zweiten Teil des Stücks, aber wenn Amanda Lehmann in der Nähe ist, wird es eben komplett gespielt. So auch hier mit Orchester. Das Stück scheint für eine orchestrale Umsetzung wie gemacht, besonders im zweiten Teil kommt das Orchester voll zur Geltung. Es gibt ein großes Finale mit prägnanten Streichern und Bläsern. Wie groß kann dieses Stück eigentlich noch werden? Und: Gibt es ein Hackett-Stück, das so sehr Genesis ist wie dieses?
An der Stelle gibt es im Konzert eine Pause, aber natürlich nicht auf der Blu-ray. Bei In That Quiet Earthist es immer etwas bedauerlich, dass der erste Teil Unquiet Slumber For The Sleepers fehlt – zumal In That Quiet Earth ja auch im Konzert nahtlos in Afterglow übergeht. Beides wird intensiv dargeboten, hier sei vor allem der zweite Teil von In That Quiet Earth herausgehoben.
Es folgen wieder zwei Solo-Stücke. Bei Serpentine Songkommt John Hackett mit seiner Flöte auf die Bühne und Steve widmet das schöne Stück seinem Vater. Im Set ist es eine kleine Verschnaufpause und Gelegenheit für etwas leisere Töne. Ganz anders geht es mit El Ninoweiter. Ähnlich wie Out Of The Bodyerscheint diese Wahl erst mal ungewöhnlich, aber das Stück hatte ja bereits auf dem Album eine eher größere Instrumentierung und entsprechend Spielfreude legen Band und Orchester hier an den Tag – überhaupt stellt man fest, das dies eher eine Einheit ist als „Band und Orchester“.
Das Finale geht dann nicht größer – Supper’s Ready ist immer eine Bank. Hier zeigt sich Nad wieder sehr stark und die Orchestrierung ist sehr dynamisch und gelungen. Vor allem bei der Apocalypse ist alles sehr dramatisch und ganz am Ende sehr, sehr ausufernd. Sehr viel Hackett im Finale, sehr viel Gefühl…
Bei der Zugabe The Musical Box gibt es eine Art Zweiteilung. Im ersten Teil spielt hauptsächlich die Band, das Orchester hat erst im zweiten Teil seine dominanten Momente. Nicht zum ersten Mal gibt es dann Standing Ovations vom Publikum und das gut zweistündige Konzert ist vorbei …
Sound & Kameraführung
Der Sound ist von Anfang bis Ende der Blu-ray sehr gut. Es fällt sofort auf, dass für den 5.1 Surround Sound eine eher konservative bzw. defensive Abmischung gewählt wurde. Der Center und die Rear-Speaker sind vor allem durch das Publikum und etwas Hall belegt, während die Musik praktisch zu 100% aus den Standard-Lautsprechern rechts und links kommt. Dennoch – oder auch deswegen – ist es gut gelungen, den orchestralen Sound einzufangen – und ihn neben der Band auch prominent zu platzieren. Der Sound ist sauber, auch in sehr dichten Passagen hört man viele Details. Interessant wäre hier sicher eine offensivere Belegung des Center-Speakers gewesen.
Das Bild ist ebenfalls sehr gut. Die Kameraführung ist unaufgeregt und zeigt viele Details auf der Bühne, oft wird hierfür die Vogelperspektive verwendet. Ab und zu sieht man dann ein paar „merkwürdige“ Einstellungen, wenn etwa Steve’s Gitarre in den Fokus genommen wird und das Bild zwischen scharf und unscharf wechselt – oder wenn ins Publikum gezoomt wird, und dies dann nicht eben flüssig aussieht. Aber dies sind Randnotizen. Dadurch, dass die Kamera nicht hektisch von a nach b wechselt, kann man das Konzert sehr gut genießen.
Das Bonusmaterial
Käufer der Blu-ray sehen ein unterhaltsames Bonus-Feature, eine kleine Dokumentation zur Tour. Es kommen alle relevanten Verantwortlichen zu Wort und man bekommt Einblicke in die Proben und Backstage.
Die drei Musikvideos zu Under The Eye Of The Sun, Beats In Our Time und Peace sind Bonus im wahrsten Sinne denn die Stücke stammen ja alle von At The Edge Of Light – und das Album war noch gar nicht erschienen, als die Orchester-Shows stattfanden…
Fazit
Ohne Umschweife – das Album und der Konzertfilm sind ein Must-Have für jeden Hackett oder Genesis-Fan. Die Intensität ist kaum zu toppen, reine Genesis-Fans bekommen interessante Hackett-Stücke als eindringliche Empfehlung und die Band ist in Top-Form. Einfach großartig!
Autor: Christian Gerhardts
Tracklist:
CD 1:
Dance On A Volcano
Out Of The Body
The Steppes
Firth of Fifth
Dancing With The Moonlit Knight
Blood On The Rooftops
Shadow of the Hierophant
CD 2:
In That Quiet Earth
Afterglow
Serpentine Song
El Nino
Supper’s Ready
The Musical Box
The Steppes
Firth of Fifth
Dancing With The Moonlit Knight
Blood On The Rooftops
Shadow of the Hierophant
In That Quiet Earth
Afterglow
Serpentine Song
El Nino
Supper’s Ready
The Musical Box
Einen Vorgeschmack auf das Set gibt es hier: