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Steve Hackett – Ein Interview in Ungarn – Interview
Anlässlich des Konzertes in Budapest am 26. Januar 2002, bei dem Steve Hackett von seinem Bruder John und Roger King musikalisch begleitet wurde, hatten wir die Gelegenheit, ein Interview mit dem Meister zu führen. Folgendes exklusives Gespräch führten wir vor und nach dem Konzert im Backstage der Petofi Hall…
it: Es ist bereits eineinhalb Jahre her, seitdem wir uns das letzte Mal trafen. Du hast während dieser Zeit eine Tournee in Südamerika absolviert. Welchen Grund gab es für dich, speziell auf diesem Kontinent zu touren?
Steve: Ich könnte jetzt einfach antworten, dass es manchmal von einem einzigen Telefonanruf abhängt, der von uns beantwortet wird. Nach einigen weiteren Gesprächen wird ein Vertrag ausgehandelt, und anschließend geben wir dann die Konzerte. Dies ist aber bestimmt nicht die Antwort, die ihr hören wollt. Also streicht diese Aussage, und lasst es mich anders ausdrücken. Fragen, wieso und weshalb ich gewisse Dinge mache, sind häufig sehr schwer zu beantworten. Nun, es gab Material, das ich live vor einem Publikum ausprobieren wollte, und einige Songs, die wir in Südamerika spielten und aufnahmen, werden Bestandteil meines nächsten Rock-Albums werden. Es ist ein ungewöhnlicher Schritt – nicht für Jazzmusiker, aber für mich – Livematerial auf einem Studio-Album zu verwenden.
it: Wir dachten, das diese Tournee etwas mit der Heimat deiner Frau zu tun hatte – dass du deshalb gerne z. B. in Brasilien auftrittst.
Steve: Nein, so ist es nicht. Wir haben ja in vielen verschiedenen Ländern gespielt. Wir besuchten sieben oder acht Staaten. Wir wollten noch einmal in diesen Ländern touren, bevor sie Pleite gehen … nein, das war sicher die falsche Antwort (lacht).
it: Es gab zwei neue Mitglieder in der Band. Wie kam es dazu?
Steve: Ben [Castle] und Phil [Mulford] hatten andere Verpflichtungen und konnten deshalb nicht dabei sein.
it: Hat dir die Tournee durch Südamerika gefallen?
Steve: Oh ja! Es war toll.Es hat Spaß gemacht, vier Wochen lang auf Tour zu sein, und es hat mich an die Vergangenheit erinnert, als diese „Reisen“ ewig dauerten. Es ist so, dass man sich ganz anders fühlt, wenn man auf Tournee ist. Man ist so beschäftigt, dass keine Zeit für Nervosität bleibt.
it: Was hast du seit dem Abschluss der Südamerika-Tournee getan? Hast du Material aufgenomen?
Steve: Ich habe viel geschrieben, allerdings noch nichts aufgenommen. Mein altes Studio ist in Einzelteile zerlegt, und das neue ist noch nicht fertig gestellt. Ich schrieb Rocksongs, aber auch viele Balladen mit der Absicht, diese selbst zu singen. Ich verwendete beim Komponieren mit viel Spaß das Optigan [eine Art Drum- und Soundmaschine, die Hackett bereits Ende der Siebziger auch bei Livekonzerten einsetzte; Anm. d. Red.]. Es gibt da einen Song namens When You Come Away, bei dem ein rückwärts abgespieltes Optigan von anderen Instrumenten begleitet wird. Das Optigan ist ein Sampler, spielt allerdings eher Phrasen als einzelne Noten.
it: Die Fertigstellung deines neuen Rockalbums hängt also in erster Linie davon ab, wann die Arbeiten an deinem neuen Studio beendet sein werden?
Steve: Das ist richtig! Es ist alles geschrieben. Es muss eigentlich nur noch die Hälfte aufgenommen werden, da fünfzig Prozent des Ganzen bereits im Kasten sind. Man weiß aber nie genau, wieviel eines Albums schon wirklich fertig sind, solange man es sich nicht ganz genau betrachtet hat. Es wird wohl darauf hinaus laufen, dass ich mich mit einigen Teilen erneut beschäftige. So ist es sehr häufig bei mir. Für mich wäre es die ideale Situation, wenn ich sechs Monate lang am Stück jeden Tag aufnehmen könnte. Das würde am Ende ein sehr gutes Ergebnis geben. Ich muss mit neuen Songs einfach eine Zeit lang leben, bevor ich sie abschließen kann. Dabei erfahre ich häufig, dass andere Leute meinen, das Stück sei schon fertig, wohingegen ich der Meinung bin, das dies noch nicht der Fall ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich immer wieder an dem vorläufigen Resultat arbeite, weil mir zum Beispiel die eine oder andere Strophe nicht perfekt erscheint.
it: Denkst du, bei Peter Gabriel läuft dieser Prozess ähnlich ab wie bei dir und er unter anderem deshalb so lange für die Fertigstellung seines neuen Albums braucht?
Steve: Ich weiß nicht, ob Peter Fragen über mich gestellt werden. Jeder hat nun mal seinen eigenen Arbeitsstil. Ich kann wirklich keine Kommentare dazu abgeben, wie ein anderer arbeitet. Er erwähnte mir gegenüber nur einmal, dass das Programmieren des Schlagzeugs bei ihm ewig dauern würde. Er muss das Gefühl haben, dass alles vom Rhythmus her passt.
it: Aber einfach ist es für dich demnach auch nicht, an einem bestimmten Punkt ein Werk abzuschließen, um ein Album nun endlich auch zu veröffentlichen?
Steve: Nun, ich kann diesen Schritt tun, aber es fällt mir wirklich nicht leicht. Beim Satie-Album, das ich mit meinem Bruder aufnahm, dachten wir zunächst, es könne in ein paar Tagen fertiggestellt werden. Tatsächlich dauerte es aber drei Monate, weil ich versuchte, die Partituren und Harmonien zu verstehen. Die Musik passt nur schwer in das Spektrum, das eine Gitarre abdecken kann. Vieles davon passte aber gut zur Flöte. Die Geschwindigkeit beim Arbeiten ist nicht das Wichtigste. Es ist mehr von Bedeutung, ein gutes statt ein schnelles Album fertig zu stellen. Filme, speziell Fantasy-Streifen, die dich auf eine Reise zu unvorstellbaren Orten mitnehmen wollen, benötigen ewig, um fertiggestellt zu werden. Genau so ist es mit Musik, die dich zu vielen verschiedenen Plätzen, Zeiten, Kulturen, Atmosphären und Stimmungen mitnehmen möchte. So etwas kann nicht erzwungen werden. Wenn ich eine permanente Band hätte, würde ich vielleicht endlos touren, und wir würden ständig Songs schreiben. Genesis hat im Grunde früher so gearbeitet. Damals haben es einige Bands so praktiziert. Es dauerte vielleicht sechs Wochen, ein Album zu schreiben, sechs Wochen alles aufzunehmen und den Rest des Jahres verbrachte man damit, dieses Material auf Tourneen zu spielen. Heute kann ich aber nicht mehr so arbeiten.
it: Wir freuen uns schon jetzt auf dein neues Studio-Album …
Viszontlátásra Steve! Nagyon köszönöm ezt a szép estét.
Interview + Fotos: Helmut Janisch
Transkription und Übersetzung: Bernd Zindler und Helmut Janisch