- Artikel
- Lesezeit ca. 5 Minuten
Steve Hackett – Dresden 2022: Seconds Out & More live – Konzertbericht
Im März gastierte Steve Hackett im Rahmen seiner Genesis Revisited: Seconds Out & More auch in Dresden. Heimspiel für Christian Gerhardts, der aus Dresden berichtet.
Der März 2022 wurde zu einem besonderen Monat für Genesis-Fans, insbesondere für die deutschen Fans. Denn parallel tourten Genesis selbst und Steve Hackett mit seiner Seconds Out Show durch Europa. Und weil wir uns noch immer mit großen Corona-Infektionszahlen herumplagen, waren beide Tourneen alles andere als sicher und die Frage, ob die Shows überhaupt stattfinden können, wurde zu einem echten Krimi mit Fotofinish. Am Ende konnten Genesis und auch Steve Hackett ihre Shows in Deutschland aber spielen – wenn auch unter Auflagen. Dies bedeutete, dass in der Regel der Zutritt zu den Shows nur geimpften Fans mit Booster oder tagesaktuellem Test gewährt wurde. In der Halle herrschte zudem meist Maskenpflicht, auch am Platz. Manch einer konnte allerdings trotz Impfung gar nicht teilnehmen – ein paar Corona-Fälle im Bekanntenkreis seien hier exemplarisch genannt, da gab es sicher noch mehr Betroffene.
Steve Hackett spielte im Rahmen seiner Tour am 14.03.2022 auch mal wieder in Dresden – im altehrwürdigen Kulturpalast, der vor einigen Jahren komplett restauriert wurde. Nun erinnert der moderne Konzertsaal zumindest ein wenig an den der Elbphilharmonie in Hamburg. Es war das erste größere Konzert im Kulturpalast, entsprechend war die Vorfreude groß und die Stimmung gut. In der Halle herrschte Maskenpflicht – auch am Platz – und diese wurde vom überwiegenden Teil des Publikums auch eingehalten. Und wenngleich die Zapfanlage der Getränkestände schon vor Beginn den Geist aufgab, tat dies der gelösten Stimmung keinen Abbruch.
Das Konzert in Dresden sollte ja bereits im Herbst 2020 stattfinden – insofern waren wohl alle froh, dass es nun endlich überhaupt zustande kam. Ein Teil des Erlebnisses ist dabei auch immer das Gespräch mit anderen Fans: Man trifft Gleichgesinnte, die man länger nicht gesehen hat. Die Maske erschwerte zwar das gegenseitige Erkennen, dennoch war es schön, mal wieder in Kontakt abseits von Foren und Social Media zu kommen.
Vorab war bekannt, dass die Show aus zwei (ungleichen) Teilen besteht: Im ersten Teil gibt’s eine handvoll Solotracks von Steve Hackett und im zweiten Teil dann das komplette Seconds Out Album live. Die Erwartungen konnten also nicht durch Überraschungen übertrumpft werden, insofern konnte man sich auch komplett auf die Qualität der Darbietung konzentrieren.
Im ersten Teil wurden fünf Solotracks gespielt. Clocksist immer wieder ein guter Opener im Hackett-Programm und ebenso ist Every Day im Set eine sichere Bank. Beide Songs wurden exzellent vorgetragen und zeigen, dass Hacketts Solosongs durchaus auch abendfüllend sein könnten, wenn er es denn wöllte. Da im Rahmen dieser Show aber nur fünf Solo-Tracks gespielt wurden, hätten sich Konzert-Wiederholungstäter sicher auch über andere Stücke gefreut. Auf früheren Tourneen hatte Steve ja immer mal wieder Perlen eingebaut wie etwa Star Of Sirius oder Icarus Ascending.
Zwei Songs seines aktuellen Studioalbums Surrender Of Silence fanden den Weg in den Set: Das gefällige Held In The Shadows funktionierte live sehr gut und das zweite Stück, The Devil’s Cathedral, kündigte Steve als „etwas Genesis-mäßiges“ an. Das Stück zählt sicher zu den stärkeren Momenten auf dem Album und auch live hat es seine Wirkung nicht verfehlt. Nad Sylvan stand bei diesen beiden Stücken am Mikro und bei The Devil’s Cathedral übernimmt er ohnehin die erste Stimme. Nad war noch etwas angeschlagen infolge einer Erkältung, sang aber souverän. Den Abschluss des Solosets bildete – auch ein wenig traditionell – Shadow Of The Hierophant (gespielt in der bekannten verkürzten Instrumentalfassung, wenn Amanda Lehmann nicht dabei ist). Vom Stil her passt das Stück natürlich gut zu einer Genesis-Show und baut einen kongenialen Spannungsbogen auf. Dann war erst mal Pause, Zeit für Gespräche und Vorfreude auf Seconds Out. Der Sound unten im Parkett war klar und durchaus druckvoll. Manchmal jedoch schepperte es ein wenig.
Beim Seconds Out Teil war die Stimmung erwartbar großartig und immer wieder gab es Szenenapplaus und Standing Ovations. Nad gab sein bestes, hatte zuweilen aber noch Probleme mit seiner Stimme. Bei Carpet Crawlers gab es dann den ersten Direktvergleich mit Genesis. Steve Hackett und seine Band spielen das Stück gefühlt doppelt so schnell und hier muss man sagen, dass es nicht so gut zu Nads Stimme passt, wie andere Genesis-Stücke – dies kann natürlich auch mit der abklingenden Erkältung bei Nad zu tun haben. Das war bei Robbery, Assault And Battery ganz anders. Hier kommt natürlich hinzu, dass die wenigsten dieses Stück überhaupt mal live gesehen haben. Der Vortrag war sauber und spritzig und die Band zeigte die bekannt souveräne Spielfreude. Auch Afterglowwird wieder schneller gespielt als Genesis dies auf der The Last Domino? Tour getan haben, aber auch hier sorgt die Darbietung für Gänsehaut – eine andere als bei Genesis, aber eben auch Gänsehaut. Firth Of Fifth wird – natürlich – komplett gespielt, ist daher auch eine etwas andere Nummer als die Instrumentalfassung im Genesis-Set. Letztlich ist dies Steves Signature-Solo und das wird auch an diesem Abend deutlich. Ein Schwachpunkt des Sets ist die Version von I Know What I Like, die Steve, wie auf vielen früheren Tourneen, als Spielwiese für seine Musiker nutzt, sich dabei aber auch immer weiter von der Version entfernt, die man von Seconds Out kennt. Hier machen Genesis im direkten Vergleich den deutlichsten Punkt.
Zwischen The Lamb Lies Down On Broadway und der closing section von The Musical Box kommt eine Pause, die es so auf Seconds Out gar nicht gibt. Die kleine Unterbrechung wird für einen Wechsel der Instrumente genutzt, jedoch fragt man sich, warum das sein muss. Der kraftvollen Wucht, die Hacketts Band am Ende von The Musical Box entfaltet, tut das natürlich keinen Abbruch. Mit Supper’s Ready reißt die Band natürlich die Fans der frühen Genesis von ihren Sitzen und auch The Cinema Show verfehlt seine Wirkung nicht – erneut übrigens ergänzt durch Aisle Of Plenty, das auf Seconds Out nicht enthalten ist. Damit endet der reguläre Set – was auch bedeutet, dass die restlichen Tracks von Seconds Out in die Zugaben geschoben wurden.
Nach dem soliden Dance On A Volcano erhält Craig Blundell ausführlich Gelegenheit, sich im Rahmen eines anspruchsvollen Drumsolos auszutoben. Ohne Zweifel ist dies ein Highlight der Show. Wie gewohnt geht dies nahtlos in Los Endos über, das (wie üblich bei Hackett) mit Sequenzen von Slogansangereichert wird. Am Ende kommt Nad noch mal auf die Bühne und singt die Hintergrundzeilen der Albumversion – eine schöne Geste!
Steve Hackett und seine Band liefern wie immer eine grandiose Show ab. In diesen Tagen musste er sich unfreiwillig dem Vergleich mit Genesis selbst stellen, die das emotionale Momentum durch die angekündigte Endgültigkeit ohne Zweifel auf ihrer Seite hatten. Steve aber liefert seit Jahren konsequent neue Musik und er spielt alte Genesis-Klassiker. Allein dafür kann man sich nur bedanken. Wir freuen uns also auf weitere großartige Momente mit Steve Hackett und seiner Band auf der Bühne.
Autor: Christian Gerhardts
Fotos: Michaela Ix