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Steve Hackett & Djabe – Life Is A Journey: The Sardinia Tapes – Rezension
Steve Hacketts Zusammenarbeit mit der Ungarischen Band Djabe hat eine lange Tradition, aber 2017 kam es zum ersten gemeinsamen Studioalbum. Zoltán Kelemen hat sich damit beschäftigt.
Steve muss ich in diesem Rahmen hoffentlich nicht mehr vorstellen. Aber Djabe wird wahrscheinlich für die meisten ein eher unbeschriebenes Blatt sein. Deswegen vorneweg ein paar Worte zu dieser Band. Djabe sind eine ungarische Jazz-/Fusion-/Worldmusik-Band, die Elemente des Jazz auch gern mal mit ungarischer Folklore mischt. Der Name ist aus einer afrikanischen Sprachfamilie (Akan) entlehnt und heißt so viel wie ‚Freiheit‘. Djabe wurde 1995 von Attila Égerházi und anderen Musikern gegründet und hat sich im Laufe der Jahre personell mehrmals geändert.
Vorgeschichte
Die Zusammenarbeit zwischen Steve und Djabe hat ihren Ursprung im Umstand, dass Attila 1999 den Vertrieb von Steves Alben in Ungarn übernahm. 2002 organisierte er sein erstes akustische Konzert in Budapest und produzierte mit ihm das Album Hungarian Horizons. Schon im nächsten Jahr gab es die erste Zusammenarbeit auf dem nächsten Djabe Album. Seither folgten zahlreiche gemeinsame Auftritte und Produktionen. Steve selber bezeichnet sie sogar als „die beste Band mit der er jemals gespielt hat“.
Djabe und Steve sind über Jahre hinweg immer wieder live aufgetreten, aber noch nie hatte es sich ergeben, dass sie zusammen in einem Aufnahmestudio Musik gemacht haben. Da sie es immer sehr genossen hatten, zusammen aufzutreten, entschlossen sie sich dies nachzuholen. Man wählte einen besonderen Aufnahmeort. Die Reise ging nach Sardinien, wo sie im Nebengebäude einer 1000-jährigen Kirche (Nostra Signora di Tergu) ihr Studio einrichteten. Zwischen den Jams und Aufnahmesessions erkundeten sie die Umgebung und ließen sich von der Schönheit der Insel und ihrer Kultur inspirieren. Schon nach drei Tagen hatten sie genug Material für ein Album zusammen. Die Sessions nahm man analog auf 24-Spur Tonbändern auf. Mit diesen produzierte der Bassist der Band, Tamás Barabás, in Budapest dann das vorliegende Album mit seinen elf Tracks.
Die Musiker
Djabe besteht aus erfahrenen und virtuosen Musikern, die ihr Fach beherrschen. Tamás Barabás, der Bassist ist neben Attila Égerházi am längsten dabei (seit 1997). Sein Bassspiel ist vielfältig, seine Läufe können im Vordergrund die Melodie vorwärts treiben oder er kann sanft im Hintergrund den Boden legen, über dem die anderen Instrumente ihre Melodien weben. Attila Égerházi, durch den Steve Djabe kennenlernte, ist ein Gründungsmitglied und spielt Gitarre und Keyboard. Er hat auch auf Steves Album Out Of The Tunnel’s Mouth mitgewirkt, was zeigt, welche Wertschätzung er genießt. Leider ist es natürlich nicht immer einfach herauszuhören, welcher Gitarrist welchen Gitarrenpart spielt. Áron Koós-Hutás ist der Trompeter und erst seit 2016 Mitglied bei Djabe – ein absoluter Virtuose auf seinem Instrument. Eigentlich bin ich ja nicht so ein Trompeten-Fan, aber Áron schafft es sein Instrumentenspiel derart passend und harmonisch in den Gesamtsound einzufügen, dass es einfach stimmt. Am Schlagzeug sitzt der zweite Gastmusiker neben Steve. Gulli Briem ist ein isländischer Jazz-Drummer und Mitglied der Band Mezzoforte. Ich bin ein Fan seines Schlagzeugspiels geworden. Er trommelt verspielt, vielschichtig und variierend, aber drängt sich nicht in den Vordergrund sondern trägt das Gesamtstück. Zu Steve muss ich nicht viel sagen, wer aber hier viel ‚Hackett‘ erwartet, wartet vergebens. Steve zeigt sich vollends als Gruppenmitglied, ist Teil des Ganzen und liefert seinen Part perfekt ab. Seine Soli sind gut zu erkennen und auch zwischendurch ist da eine Griffolge, ein Riff und man weiß, das war Steve – mehr ist es nicht.
Aber nun zur Musik – was kann man da erwarten? Es ist auf jeden Fall nicht ein Steve Hackett, wie man ihn von seinen Solo-Alben kennt. Obwohl ich sein Werk recht gut kenne, fällt mir so auf Anhieb kein Stück von ihm ein, das dieser Musik ähnelt. Nach Aussage von Steve sollen hier die Genre-Grenzen zwischen Progressive Rock, Weltmusik und Jazz „weggewaschen“ werden. Ich kann dies so, mal abgesehen von einigen wenigen Passagen, nicht bestätigen. Für mich ist dies vor allem ein Jazz Album, mit ein paar proggigen Passagen, aber ohne Weltmusik-Elemente.
Die Sound selber, obwohl vielschichtig und verwoben, kommt sehr homogen rüber, leicht und smooth. Ich empfehle zum Anhören den bequemen Sessel und Kopfhörer. Statt ‚Life is a Journey‘ könnte man auch sagen ‚this album is a journey‘ – die Musik nimmt einen auf eine Reise mit. Man kann sich reinplumpsen lassen, als wäre es eine weiche Klangwolke, die einen davonträgt. Als ich das erste Mal „nur kurz in das Album reinhören“ wollte, blieb ich richtig hängen, hatte Mühe die Kopfhörer wieder abzusetzen.
Die Tracks
1 – Life Is A Journey – 9:41
Der Titelsong kommt als Opener. Vielleicht nicht so ideal gewählt, da er etwas verhalten anfängt. Er fällt auch aus der Rolle, da er als einziger Song auf dem Album etwas Gesang beinhaltet, der als Background den Songtitel repetiert. Etwa in der Mitte des Tracks ändert sich der Song und das Spiel wird etwas komplexer und interessanter. Das letzte Viertel ist dann wieder ruhig und klingt langsam aus.
Jetzt beim Schreiben (und nach x Mal anhören) fällt mir erst auf, dass das Stück musikalisch den Verlauf des Lebens mit seinen Phasen widerspiegelt.
2 – Golden Sand – 7:05
Eine ruhige und smoothe Komposition, ideal zum Chillen. Ein einsamer Strand, die Sonne versinkt und wirft dieses kräftige goldene Licht auf eine wunderschöne Naturlandschaft. Der flache Einfallswinkel, unter dem die Strahlen auf die Szene fallen, entwirft ein interessantes Spiel von Licht und Schatten in satten, kräftigen Farben. Diejenigen unter euch, die fotografieren, wissen was ich meine. Das sind die Bilder, die ich sehe, wenn ich diese Musik höre.
Gegen Schluss ist eine starke Passage mit akustischem Gitarrenspiel, begleitet von einem ruhigen Bass, der gezielt Akzente setzt und darüber malt Steve sein typisches, lang gezogenes elektrisches Gitarren-Ambiente.
3 – Castelsardo At Night – 8:22
Dieser Track eröffnet den stärksten Teil des Albums. Castelsardo ist eine kleine Ortschaft im Norden von Sardinien in der Nähe von Tergu, wo dieses Album aufgenommen wurde.
Der Track beginnt mit einem melodischen Bassspiel untermalt von Keyboardklängen. Dann kommt Steves Gitarrenspiel dazu (ich nehme jedenfalls an, es ist Steve) gefolgt von der Trompete. Auch dieser Track ‚zeichnet‘ eine Stimmung oder Bild, die von jedem der Instrumente aufgenommen werden und einzeln mit einem nicht aufdringlichen Solo im Detail beschrieben werden. Im letzten Drittel ist es wieder Steve, der mit seiner speziellen Fähigkeit seinen Gitarrensound exakt passend zum Track mit viel Gefühl in das Gesamtbild hineinwebt.
4 – What’s The News Antonio – 6:30
Nun folgt einer der Höhepunkte – und es würde mich ja interessieren, wie es zu dem Titel kam.
Das Album nimmt hier etwas Geschwindigkeit auf. Es beginnt mit Bassspiel und einer Melodiefolge, zu denen man nach den einzelnen Instrumentalsoli jeweils zurückkehrt. Insbesondere Tamás, der Bassist, läuft hier zu Höchstleistungen auf und es lohnt sich, das Zuhören auf die Bass-Frequenz‘ einzustellen.
5 – Around My Mind – 11:30
Mit über 10 Minuten der längste Track, der nach meiner Meinung im zweiten Teil die stärksten Passagen von Life is a Journeyenthält. Der Song beginnt ruhiger und die erste Hälfte wird vom Trompetenspiel beherrscht. Kurz nach der Mitte nimmt das Stück dann Fahrt auf. Steves Gitarre setzt kraftvoll ein und es folgt der progressivste Teil der Scheibe. Wäre da nicht die Trompete, die hier ein gekonntes Solo hinknallt, könnte man es als richtig rockig bezeichnen. Der Song schließt mit einem weiteren, kürzeren Solo von Steve und klingt dann wieder ruhig aus.
6 – Beams Over The Nulvi Mountains – 6:07
Ein malerischer Beginn mit der Trompete, deren Töne die ‚Strahlen über die Nulvi Mountains‘ legen. Nulvi ist eine weitere kleine Gemeinde in der Nähe des Aufnahmeortes. Steves Gitarrenspiel setzt Akzente und ergänzt das Trompetenspiel perfekt. Der Song ist ruhig und setzt voll auf Atmosphäre und Stimmung – im Gegenzug muss man anfügen, dass er dadurch etwas einfach und langweilig wirken kann.
7 – Building A Nuraghe – 4:41
Für mich das schwächste Stück des Albums und auch einer der kürzeren Tracks. Es ist stark rhythmusbetont und geprägt von sehr repetitiven Melodiefolgen verschiedener Instrumente. Der Track hat aber die Tendenz zu wachsen und gefällt mir heute spürbar besser als nach dem ersten Anhören.
(Nuraghen sind prähistorische Turmbauten, die auf Sardinien verbreitet sind.)
8 – Buzzy Island 4:13
Jetzt wird es groovy. Wunderschöner Beginn mit einem herrlichen, rhythmischen Basslauf, der sich durch den ganzen Track zieht. Die Gitarren und die Trompeten ergänzen das Ganze mit kleineren Solos, während im Hintergrund Gulli Briem mit seinem Schlagzeug ein kleines Feuerwerk durchzieht.
9 – I Will Always Remember – 6:32
Wieder ein ruhiger Song, mit viel Trompete und akustischer Gitarre als Untermalung. Steves Spiel in der Mitte Songs erinnert an Walking away from Rainbows in einem anderen Umfeld. Man kann es auch als ‚süßlich‘ bezeichnen.
10 – Wake Up 2:15
Das kürzeste Stück von Live is a Journey und das mit den meisten Beats per second. Ähnlich wie bei Buzzy Island sind Drums und Bass die treibende Einheit, mit dem Unterschied, dass Gulli Briem den Lead übernimmt. Schöner Drive – macht Spaß. Das hätte ruhig noch ein bis zwei Minuten länger gehen dürfen. In dieser Idee ist noch mehr drin. Schade drum.
11 – After Limoncello – 5:49
Ruhiger Song ohne wirkliche Höhepunkte, von daher etwas langweilig. Trotzdem enthält er in mehrfacher Hinsicht alle Elemente und Eigenarten des Gesamtalbums. Man könnte also in doppeltem Sinne behaupten, es ist ein durchschnittlicher Track.
Zusammenfassend gesagt ist Life is a Journey: The Sardinia Tapes ein gelungenes Album. Die Stücke sind aus einem Guss und das Ganze ist sehr homogen. Hervorzuheben sind die professionell agierenden Musiker – Könner ihres Fachs. Das Zusammenspiel ist hervorragend, jeder trägt seinen Teil bei.
Es ist fast ein reines Instrumental-Album – abgesehen vom ersten Stück gibt es keinen Gesang.
Die meisten Tracks werden von der Rhythmussektion getragen, unterstützt von atmosphärischen Keyboardsounds. Gitarren und Trompete legen Melodien darüber und holen immer wieder zu kleineren und auch mal zu größeren Soli aus. Die Trompete mag für manche Ohren etwas ungewohnt klingen. Als einziges der Instrumente kann sie sich, mal abgesehen von einzelnen, drangvolleren Gitarrensoli-Teilen, etwas aufdringlicher in den Vordergrund drängeln. Aber das liegt, denke ich, in der Natur dieses Instruments.
Wie schon erwähnt, ist der Sound sehr atmosphärisch, smooth und chillig. Sie kann einen beim Zuhören so richtig einlullen und auf ein Reise mitnehmen. Passt genau so gut zu einem gemütlichem Winterabend im Ohrensessel wie auch zu einem guten Glas vino rosso, den man im Sommer auf der Terrasse genießt, während man die Sonne beobachtet, die am Horizont im Meer versinkt. Wie man wahrscheinlich an meiner Wortwahl schon merkt, malt diese Musik in meinem Kopf Bilder und Stimmungen.
Genau hier liegen aber auch die Kritikpunkte, die jemand ins Feld führen kann, der kein Fan dieser Art von Musik ist. Man könnte behaupten, dass alles zu glatt und weichgespült ist. Gelegentlich mag der Sound für manche Ohren zu süß, romantisch, sphärisch und womöglich sogar schmalzig klingen.
Der Sound und Aufbau der Tracks ist ähnlich – gut, wenn es dem Zuhörer gefällt, aber nervig, wenn man damit nicht viel anfangen kann. Das Gleiche gilt für die Trompete – sie polarisiert. Ich bin kein spezieller Fan dieses Instruments, aber hier wird sie passend und gut gespielt.
Einordnung und Fazit
Für mich ist dieses Album das Beste, was Steve seit seinen ersten Platten herausgebracht hat. Wie schon in der klassischen Genesis-Zeit scheint er immer am stärksten zu sein, wenn er seinen Teil zu einem Gesamtwerk beitragen kann und das Werk mit seiner besonderen Fähigkeit, gefühlvoll atmosphärische Akzente und Passagen beizusteuern, enorm aufwertet. Dies fiel mir auch bei Squackett auf, ist hier aber noch ausgeprägter. Etwas böswillig könnte ich auch sagen, das Album ist so gut, weil er hier nicht singt oder die Tracks nicht mit zu vielen Ideen erdrücken konnte.
Empfehlenswert für alle, die einen smoothen, melodiösen Jazz-Sound schätzen. Auf Youtube kann der interessierte Leser mal die Tracks What’s The News Antonio? oder Around My Mind anspielen.
Zum Umfang meines Albums gehörte neben der CD auch eine DVD, die zusätzlich den Audio-Inhalt als High Definition Stereo und 5.1 dts-Mix bietet. Außerdem findet sich noch Video-Material: Zum einen ein kleines, fünfminütiges Filmchen über die Entstehung des Albums, unterlegt mit dem Titeltrack, zum anderen eine Aufnahme mit Stücken eines Konzerts in Budapest.
Während Walking Away From Rainbows sich an das Original hält, gibt es eine interessante instrumentale Version von Fly On A Windshield, gefolgt von einer gelungenen Variante von Please Don’t Touchmit Trompete. Amüsant ist der Budapest Jam – hier sieht man die sechs Musiker, jeder mit den gleichen Percussion-Instrumenten, einen rhythmischen Jam hinlegen. Den Abschluss bildet dann Clouds Dance ein Djabe Klassiker.
Das Line-Up:
Steve Hackett – Gitarre
Gulli Briem – Schlagzeug, Percussion
Tamás Barabás – Bass, Gitarre, Software, Percussion, Vocals
Áron Koós-Hutás – Trompete
Attila Égerházi – Gitarre, Keyboards, Percussion
Autor: Zoltán Kelemen
Fotos: Djabe / Attila Égerházi
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