- Artikel
- Lesezeit ca. 5 Minuten
Steve Hackett – Cruise To The Edge 2019 – Konzert- und Reisebericht
Auch 2019 nahm Steve Hackett wieder an der mittlerweile traditionellen Cruise To The Edge teil. Einmal mehr war Volker Warncke dabei und teilt seine Eindrücke.
Die Cruise To The Edge, welche man mit Fug und Recht als DIE Institution der Prog-Kreuzfahrten bezeichnen kann, ging in diesem Februar [2019] in die 6. Runde. Insgesamt war sie diesmal im Vergleich zur 5. Auflage sehr ähnlich angelegt, nämlich wieder von Tampa, Florida aus, auf demselben Schiff (Brilliance of the Seas) und quasi nur um einen Tag verschoben, vom 4. – 9. Februar. Zwischenstopps gab es in Key West, Florida sowie Cozumel, Mexiko.
Es waren auch wieder viele Bands dabei, die bei mindestens einer der früheren Cruises gespielt hatten, wie z.B. Dave Kerzner, Airbag, Enchant, Spock’s Beard, Neal Morse, Mike Portnoy, etc. – und natürlich der Namensgeber, Yes. Nicht dabei waren diesmal Marillion – dafür war allerdings Fish eingeplant und es wäre sein erstes Mal auf dieser Cruise gewesen. Nur leider hatte er einige Tage vorher aus privaten Gründen absagen müssen.
Aber unser Steve Hackett war auch diesmal wieder eingeladen und hat seine ersten beiden Shows dieses Jahres gespielt. Dies kann man allerdings nicht direkt als Auftakt seiner diesjährigen Tournee-Aktivitäten bezeichnen, denn Line-Up und Setlist waren doch deutlich anders als es für die Shows ab April angekündigt ist.
Sie hatten bis dahin einfach noch keine Zeit, die kompletten Selling England und Spectral Mornings-Alben einzuspielen, und außerdem war der dafür vorgesehene Schlagzeuger Craig Blundell noch nicht verfügbar, da er noch mit Steven Wilson unterwegs war. Stattdessen hat Steve sich die Dienste von Marco Minnemann gesichert, der hier sowieso schon für mehrere andere Acts an den Trommeln saß, z.B. The Sea Within und Dave Kerzners „In Continuum“. Und Marco ist wirklich eine Wucht! Man fühlt sich unweigerlich an The Animal von den Muppets erinnert, wenn man ihm bei der Arbeit zuschaut. Am Bass haben wir hier und für den Rest des Jahres weiterhin Jonas Reingold.
Marco steuert allerdings keine Backing- oder sogar Haupt-Vocals bei, so wie es bisher immer sein Vorgänger Gary O’Toole gemacht hatte. Somit bekamen wir zum ersten Mal Nad Sylvan bei Blood On The Rooftops zu hören. Und ich muss sagen, das klang wirklich sehr klar und sauber und das gerade auch bei den hohen Passagen, vor allem bei „For when we got bored, we’d have a world war, happy but poor“, wo Gary ja doch immer ziemlich pressen musste. Bei der zweiten Show gab es einen Gastauftritt von Durga und Lorelei McBroom, die ihre Backing Vocals bei Every Day beisteuerten. Sie waren auf dem Schiff als Mitglieder von Dave Kerzners Band In Continuum.
Die beiden Shows hatten mal wieder sehr unterschiedliche Setlisten:
5.2.2019:
Dance On A Volcano
The Steppes
Firth Of Fifth
The Musical Box
Supper’s Ready
Los Endos
6.2.2019:
El Niño
Fly On A Windshield / Broadway Melody of 1974 (Vocals Nad)
Firth Of Fifth
Blood On The Rooftops (Vocals Nad)
Shadow Of The Hierophant
In That Quiet Earth / Afterglow
Every Day (Vocals Nad + McBroom sisters)
Dancing With The Moonlit Knight
The Musical Box
Los Endos
Steve selber hatte auf dieser Cruise auch einen Gastauftritt, und zwar bei Dave Kerzners Show mit dessen Band In Continuum. Auf dem aktuellen Album Acceleration Theory trägt Steve bei dem Song Crash Landingseinen typischen Gitarrensound bei, und das tat er auch bei diesem Konzert.
Es gab noch einen weiteren Programmpunkt mit Steve, und zwar wie beim letzten Mal eine Q&A-Session mit ihm und Roger Dean, welcher auch diesmal wieder seine Gemälde und Zeichnungen in einer Galerie ausstellte. Wobei es keinen Moderator gab, sondern die Beiden haben sich einfach gegenseitig Fragen zu ihren kreativen Prozessen gestellt.
Steve erzählte zum Beispiel, wie er sich bei der Acoustic Tour durch Borders Book Stores in den USA eines Tages in New Orleans bei einem Ausflug in die Sümpfe ein Fieber zugezogen hatte, das er erst zwei Wochen später wieder los wurde, und zwar nachdem er erst eine Hühnersuppe aß und dann einen Traum hatte, in dem er eine wunderschöne Arie hörte – und ab dem Moment waren sein Fieber und seine Schmerzen verschwunden. Musik sei eben wie Medizin. Woraufhin Roger bemerkte, die Frage sei, ob die Musik den Schmerz geheilt hat oder ob das Ende des Schmerzes neue Musik hervorbrachte.
Was die anderen Bands betrifft, so überwog für mich diesmal mehr als bisher das Gefühl, viel zu verpassen. Das lag auch daran, dass der erste Tag der Cruise mit ca. 8 Stunden Verspätung begann, da das Schiff zunächst wegen Morgennebels vor der Tampa Bay stundenlang nicht einlaufen und die Passagiere der Cruise davor ausladen konnte. Dadurch wurde der erste Tag stark gekürzt und wir haben z.B. Pendragon erst nachts um 2 Uhr gesehen.
Die meisten Shows des ersten Tages, so auch die erste Hackett-Show, wurden dann an den folgenden 4 Tagen nachgeholt, so dass dann auch während des Aufenthalts in den beiden Häfen unterwegs an Bord etwas los war. Aber ich hatte sowieso nicht vorgehabt, zwischendurch von Bord zu gehen. Es lief deswegen natürlich auch noch mehr gleichzeitig als sowieso schon geplant.
Abgesehen von den großen Shows im Theatersaal mit Yes, Hackett und Jordan Rudess (Keyboarder bei Dream Theater) muss man sich auf einige wenige Sachen konzentrieren. Oder man geht einfach so durchs Schiff und schaut mal hier, mal da vorbei. So bin ich beispielsweise rein zufällig bei Unikue vorbeigekommen – 5 Typen mit nichts als Ukulelen, einer Sängerin und Nick d’Virgilio am Schlagzeug. Und sie spielten gerade The Cinema Show! Sie spielen wohl nur Covers, quer durch die Prog-Welt. Oder man ist zufällig dabei, wie Thijs van Leer von Focus und Rachel Flowers zum ersten Mal etwas zusammen spielen (er am Flügel, sie an ihrer Flöte). Rachel ist ja in letzter Zeit sowohl durch eigene Songs als auch Covers von Peter Gabriel und ELP-Songs bekannt geworden. Brand X hatte am Ende sogar drei Auftritte bekommen, von denen ich immerhin einen sehen konnte. Dort haben sie einen meiner Favoriten, Nuclear Burn, gespielt, aber leider nicht Phils And So To F, was sie aber wohl bei einer der anderen Shows gebracht haben.
Von den Late-Night-Live-Sessions habe ich diesmal relativ wenig mitbekommen, aber es war wieder so, dass die Hobby-Musiker unter den Passagieren dort auch einige der Profis zum Mitspielen bei den Prog-Klassikern gewinnen konnten. Eine interessante Performance habe ich dann aber doch mitbekommen, nämlich das komplette Domino mit Joe Deninzon (Stratospheerius, In Continuum) an seinem Hauptinstrument, der E-Geige. Gerade in den Instrumentalpassagen bei The Last Domino hat er ein absolut beeindruckendes Solo hingelegt, das dem Song nochmal richtig Leben eingehaucht hat. Wobei auch Jordan Rudess als einer der Haupt-Acts seine Reverenz an Genesis erwies, indem er bei seiner Solo-Show an den Keyboards unter anderem auch Entangledzum Besten gab.
Wie üblich wurde dann noch vor Ende dieser Cruise das Datum der nächsten Cruise verkündet, 27.3. – 1.4.2020. Das wird dann auf einem anderen Schiff sein und wie 2014 und 2015 von Miami ausgehen.
Übrigens gab es direkt im Anschluss an diese Cruise To The Edge noch die sogenannte On The Blue Cruise aus Miami auf einem anderen Schiff, mit Justin Hayward, Dave Mason, The Zombies, Alan Parsons – und Steve Hackett. Soweit ich weiß, hat er dort ähnliche Sets wie auf der CTTE gespielt.
Anmerkung der Redaktion: Bei der ersten Blue Cruise Show wurden noch Out Of The Body sowie Serpentine Song gespielt. Ansonsten waren die beiden Shows identisch.