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Steve Hackett – Cruise To The Edge 2017 – Konzert- und Reiseberichte
Anfang 2017 ging Steve Hackett wieder auf Tour und er startete seine Konzertreise einmal mehr mit der Cruise To The Edge. Volker Wanrcke war auch dieses Mal wieder dabei.
Über die Cruise to the Edge 2014 hatte ich ja geschrieben, das Schiff hätte mit Motorschaden die ganze Zeit im Hafen liegenbleiben können, es wäre egal gewesen, weil alle Ziele so einer Kreuzfahrt bei dem Programm an Bord nebensächlich seien. Bei der CTTE 2015 gab es nur noch einen Hafen (wenn auch ungeplant, wegen schlechten Wetters), und diesmal gab es sogar planmäßig nur einen Hafen, und zwar wieder Cozumel, an dem wir einen Tag lagen. Also ein einfaches Hin und Zurück (diesmal von Tampa aus, anstatt wie bisher Miami). Beschwerden wegen dieses eher geringen Angebots an Stationen der Reise sind nicht bekannt geworden…
Über die CTTE vom November 2015 gab es hier keinen ausführlichen Bericht, da Steve Hackett dort nicht eingeladen wurde. Dafür war er aber diesmal wieder dabei, und das natürlich mit seinem neuen Programm mit den Schwerpunkten auf seinem neuen Album The Night Sirensowie 40 Jahre Wind & Wuthering. Das Grundkonzept der CTTE ist gleich geblieben: YES ist der Headliner; daneben gibt es ein paar andere Acts quasi als Co-Headliner, diesmal waren dies neben unserem Steve noch Kansas, und jede Menge kleinere Bands, die teilweise auch im Theater, vor allem aber in den Lounges und auf dem Pooldeck spielten. Aus Genesis-Sicht sind da am ehesten Dave Kerzner und Bad Dreams hervorzuheben. Dave hatte ja bei der CTTE 2014 noch mit Simon Collins als Sound of Contact gespielt, und war diesmal mit seiner eigenen Band unterwegs, neben seinem aktuellen Album Stranded gab es auch diesmal wieder etwas Floyd (The Great Gig in the Sky mit den McBroom-Schwestern) und eine In the Court of the Crimson King-Tribute-Show. Bad Dreams, aus Argentinien, die vor einigen Jahren als Genesis-Cover-Band angefangen hatten, haben inzwischen 2 Alben mit eigener Musik veröffentlicht, in vergleichbarem Stil, und hatten diesmal auf der Pool-Stage als Special Guest Steve Rothery dabei und es gab ein paar Fish-Ära-Songs als Zugabe. Pete Trewavas war auch auf dieser Cruise, als Gast bei Mike Portnoy, aber Marillion an sich waren diesmal nicht eingeladen. Mike Portnoy hatte für die Freunde der härteren Gangart mit seinen beiden Exklusiv-Shows auf dem Pooldeck jede Menge Leckerbissen zu bieten, mit Songs nicht nur von Dream Theater, sondern auch von einigen anderen seiner Projekte, und dabei war auch Liquid Tension Experiment, so dass natürlich auch Tony Levin am Bass nicht fehlen durfte. Er war auch separat mit seinen Stick Men im kleineren Rahmen zu sehen.
Für die 3 Haupt-Bands gab es jeweils 2 weitgehend identische Shows im Haupt-Theater des Schiffs, das jeweils ungefähr die Hälfte der Passagiere fasst, so dass jeder reservierte Plätze bekam und somit nur jeweils eine der beiden Shows sehen durfte. Wer beide Shows sehen wollte, wurde einfach nicht reingelassen, da es keine unreservierten Plätze dafür gab und man musste schon Kontakt mit der Band haben, um trotzdem reinzukommen. Dann konnte man sich aber trotzdem irgendwo am Rand hinsetzen, da nie alle reservierten Plätze besetzt waren und es gab immer eine gewisse Fluktuation – was aber auch absolut verständlich ist, da immer auch gleichzeitig ein oder zwei andere Bands an anderer Stelle auf dem Schiff spielten.
Für Steve Hackett waren die beiden Shows auf dem Schiff erst die zweite und dritte Show dieser 2017er Tour, und wie die erste Show bei dem Festival in England einige Tage zuvor war es noch keine volle 2,5 h-Show, sondern die übliche Festival-Länge von gut 90 Minuten. Offiziell waren auf dem Schiff zwar nur 75 Minuten vorgesehen, aber ein bisschen länger durfte es dann schon sein. An jedem Tag traten im großen Theater natürlich mehrere Bands auf, und die erste Hackett-Show lag zwischen der ersten und zweiten Yes-Show auf gleicher Bühne. Das Yes-Set war doch recht umfangreich und vor allem das Schlagzeug ging ziemlich in die Höhe, aber es wurde nicht weggeräumt, sondern nur auf der Bühne nach hinten geschoben und abgedeckt. Dadurch sah es bei der ersten Hackett-Show ein bisschen so aus, als ob es quasi nur die Vorband für Yes wäre, worüber Hackett & Co. natürlich nicht besonders glücklich waren. Zudem konnte man von den vorderen unteren Reihen aus dadurch nur die obere Hälfte der Leinwand hinter der Bühne sehen, was allerdings nicht schlimm war, da dort die ganze Zeit nur der Schriftzug „STEVE HACKETT“ in der oberen Hälfte prangte.
Die Setlist war eine gute Repräsentation der kompletten Show, mit ähnlichen Anteilen von alten und neuen Solostücken und den alten Genesis-Sachen. Sie klangen schon ganz gut eingespielt auf die Songs des neuen Albums und auch auf die neuen alten Genesis-Stücke wie Inside & Out und One for the Vine. Nad Sylvan war gut bei Stimme und jederzeit in der Lage, die nötige Kraft und Klarheit in die hohen Töne zu bringen, was er spätestens seit letztem Jahr deutlich besser hinbekommt als zu Anfang seiner Hackett-Karriere ab 2013. Bei den Songs vom neuen Album, auf denen ausschließlich Steve singt, wie üblich mit viel Hall und sonstigen Effekten auf seiner Stimme, hört man sofort den unverwechselbaren Hackett-Stil heraus, mit viel Bombast, großer Dynamik, überirdisch schönen Melodien und Gitarrenläufen, und Klängen von exotischen Instrumenten. Dazu inhaltlich auch wieder aktuelle Themen wie die Flüchtlingsthematik in Behind The Smoke, die er mit seiner eigenen Familiengeschichte verbindet, da seine Vorfahren im späten 19. Jahrhundert als Flüchtlinge von Polen nach Großbritannien gekommen waren. Das Line-up war wie gehabt, nur dass jetzt wieder Nick Beggs am Bass zu bewundern war, im Kilt, und mit ungebändigt langen Haaren.
Brilliance of the Seas, irgendwo zwischen Florida und Yukatan (Hinfahrt):
8. Februar, Pacifica Theater, 15:30:
Everyday
El Niño
The Steppes
In the Skeleton Gallery
Behind the Smoke
Rise again
One for the Vine
Dancing with the Moonlit Knight
Shadow of the Hierophant (instr.)
Firth of Fifth
Inside & Out
Anyway
In that quiet earth
Afterglow (dedicated to John Wetton)
Brilliance of the Seas, irgendwo zwischen Florida und Yukatan (Rückfahrt):
10. Februar, Pacifica Theater, 13:15:
Everyday
El Niño
The Steppes
In the Skeleton Gallery
Behind the Smoke
One for the Vine
Shadow of the Hierophant (instr.)
Firth of Fifth
Inside & Out
Anyway
In that quiet earth
Afterglow (dedicated to John Wetton)
Eleventh Earl of Mar
Die zweite Show war etwas kürzer geplant als die erste, wurde dann aber doch wegen der ungeplanten Zugabe fast genauso lang. Sie hatten zwar auch diesmal ein abgedecktes Set hinter sich, aber das war von Kansas, und deren Schlagzeug war deutlich weniger hoch aufragend als das von Yes, so dass es eigentlich kaum noch auffiel. Somit wurde dann auch während Afterglow ein Foto von Steve und John Wetton eingeblendet, das vor ein paar Jahren aufgenommen wurde, als John noch gesund war.
Die beiden Auftritte von Steve & Co. auf dieser Cruise waren also mal wieder ein voller Erfolg. Am Freitag gab es dann noch einen kurzfristig neu ins Programm aufgenommen Leckerbissen in Form einer Q&A-Session mit Nick Beggs. Dazu eingeladen war auch Roger King, und es ging natürlich vor allem um das zweite Album ihres gemeinsamen Projektes, The Mute Gods, Tardigrades Will Inherit The Earth welches dort vor Ort auch bereits käuflich zu erwerben war. Die beiden haben einen umwerfenden Humor und als der Interviewer die Runde eröffnet, erwähnt Roger als erstes Nicks Rechtschreibschwäche, worauf der das bestätigt und hinzufügt, dass seine Tochter auch dieses Problem habe. Dann betonen beide, wie unheimlich traurig und dunkel die Stimmung des Albums doch sei (Roger: „It’s a fucking miserable album!“), und nur ein Track, Stranger Than Fiction, über Nicks glückliche Beziehung zu seiner Frau, sei vielleicht noch der einzige Lichtstrahl auf diesem Album. Kurz darauf fassen Nick und Roger ihre Beziehung zueinander so zusammen: Nick: „We have this love and hate relationship, I love him and he hates me.” Roger: “I don’t hate you, I pity you.” (Nick: Wir haben diese Hassliebe füreinander, ich liebe ihn und er hasst mich. Roger: Ich hasse dich nicht, du tust mir nur einfach leid.)
Und so geht es in einem weiter. Sie erklären noch, was Tardigrades sind, nämlich winzig kleine Tierchen, die auch unter den widrigsten Bedingungen überleben können und somit vermutlich die einzigen seien, welche eine menschengemachte völlige Zerstörung der Erde überleben würden. Bevor der Interviewer dazu kommt, die erste reguläre Frage zu stellen, schlägt Nick vor, dass er und Roger sich einfach gegenseitig befragen sollten und das geschieht dann auch eine Zeit lang. Da geht es dann z.B. um ihre Unterwäsche, die Details ersparen wir uns hier lieber. Aber sie sprechen auch ernsthaft darüber, wie sie sich gegenseitig Dateien schicken, und so ihre Songs zusammen mit Marco Minnemann entwickeln. Und der Grund, warum Nick Profi-Musiker wurde, war, dass er mit 15 Jahren Close To The Edge von Yes gehört hat. Auf die Bitte hin, mal ein paar Anekdoten von den Hackett-Touren zu erzählen, bringt Nick die Story von dem einem Mal, als er, der Vegetarier, beim Essen mit der Band schwach wurde und ein Steak aß, aber die Jungs darum bat, das bloß nicht seiner Frau zu erzählen. Als sie dann aber später, bei Steves Hochzeit, mit ihren Frauen zusammensaßen, habe Roger Nick gefragt, ob er seiner Frau schon die Sache mit dem Steak erzählt habe, was Roger wiederum bis heute bestreitet. Als nächste Frage vom Interviewer kommt nun, wo wir Nick denn demnächst finden könnten, also bei welchen zukünftigen Projekten – daraufhin kommt aus dem Publikum „In the Steakhouse!“ und das kommt von keinem Geringeren als Steves Schlagzeuger, Gary O’Toole, woraufhin er sogleich ebenfalls auf die Bühne gebeten wird, was den Humorlevel auf keinen Fall negativ beeinflusst. Gary bestätigt auch noch einmal, wie toll es ist, mit Steve und den anderen Jungs zusammenzuarbeiten. Insgesamt war also auch die vierte Cruise to the Edge mal wieder die weite Anreise wert und es gab bereits vor ihrem Ende schon die offizielle Info, wann genau die fünfte Cruise stattfinden wird. Weitere Details sind noch nicht bekannt, und auch, ob Hackett wieder dabei ist, steht wohl noch nicht fest. Dass ich dabei sein werde, steht allerdings schon ziemlich fest!
Autor: Volker Warncke