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Steve Hackett – Cruise To The Edge 2014 – Konzertberichte
Nach 2013 spielte Steve Hackett auch 2014 wieder Konzerte im Rahmen der Kreuzfahrt Cruise To The Edge. Volker Warncke war an Bord und traf neben Steve auch auf Simon Collins mit Sound Of Contact, Armando Gallo, Marillion und viele mehr.
Die einzig wahre Progressive Rock Musikkreuzfahrt (auf der vergleichbaren Progressive Nation at Sea im Februar 2014 war leider niemand aus dem Deutschen Genesis Fanclub, aber es gibt einen Bericht darüber im Eclipsed-Magazin April 2014).
Nicht nur das Kreuzfahrtgeschäft allgemein boomt ja bekanntlich seit einigen Jahren immer mehr, sondern auch die Schiffsreisen mit bestimmten Themen werden immer beliebter, wie z.B. Monsters of Rock oder die Full Metal Cruise. Im April 2013 gab es nun zum ersten Mal die Cruise to the Edge auf der MSC Divina, von Miami ausgehend. Zu dieser Cruise hatte ich mich noch nicht entschließen können; dafür aber würde es dann dieses Jahr unvermeidlich sein!
Headliner waren im letzten Jahr Yes, von deren Song Close To The Edge der Titel dieser Cruise natürlich abgeleitet ist. Dabei war auch Steve Hackett mit einer der ersten Genesis RevisitedShows, sowie viele der Bands, die auch diesmal dabei waren. Es ging damals von Miami auf einen kurzen Abstecher in die Karibik und wieder zurück, in 5 Tagen. Allerdings war nur ca. die Hälfte der Passagiere insgesamt für die Konzerte dort, während die andere Hälfte ganz „normale“ Passagiere waren und mit der Musik eigentlich nichts am Hut hatten. Das Ganze hat damals zwar soweit alles geklappt, es wurde aber doch die Lehre daraus gezogen, dass bei der diesjährigen Neuauflage das gesamte Schiff ausschließlich den Musik-Passagieren vorbehalten war. Die MSC Divina fasst über 4200 Passagiere; es waren diesmal aber nur gut 2200 an Bord. Das mag finanziell für die Organisatoren nicht optimal gewesen sein, aber für die Anwesenden war es eigentlich optimal, da der Haupt-Buffet-Bereich zu den Mahlzeiten nie wirklich überfüllt war; es gab immer noch einige unbesetzte Bereiche. Besonders gut war aber diese „Unterbesetzung“ bei den Hauptshows im großen Theater. Dieses Theater hat ein Fassungsvermögen von unter 2000, weswegen die Shows der „großen“ Bands Yes, Steve Hackett, Marillion und UK von vornherein in 2 Gruppen aufgeteilt waren. Die eine Hälfte gehörte, basierend auf der Kabinenzugehörigkeit, zur blauen Gruppe, und die andere Hälfte zur rosa Gruppe. Die genannten 4 Bands spielten also jeweils 2 Shows an unterschiedlichen Tagen, eine „blaue“ und eine „rosa“ Show, so dass man offiziell eigentlich jeweils nur eine der beiden Shows sehen konnte, da man nur dafür einen festen Sitzplatz hatte. Das schien mir eine nicht besonders gelungene Angelegenheit, da man natürlich solche Bands gerne auch mehr als einmal sehen will, wenn man schon mal da ist. Es stellte sich dann aber heraus, dass bei jeder dieser großen Shows von vornherein ein gewissen Platzkontingent für die Mitglieder der jeweils „falschen“ Gruppe vorgesehen war und dass man dazu einfach an den oberen Eingängen warten musste, um wenige Minuten vor Beginn auf die seitlichen Balkone gelassen zu werden. Diese Regelung wurde aber nicht angekündigt und ich habe das erst im letzten Moment vor der ersten Hackett-Show rein zufällig erfahren (wofür ich die falsche Gruppe hatte). Somit konnte ich dann also alles im großen Theater sehen, was ich wollte, sofern es nicht woanders etwas noch Interessanteres gab. Das ist nämlich das Problem, wenn so viele Bands auf 5 Tage mit jeweils 2 – 3 Auftritten gequetscht werden – man läuft große Gefahr, nicht alles sehen zu können, was man sehen wollte. Bei mir waren es z.B. Yes Storyteller und Stick Men mit Eddie Jobson als Gast.
Es gab insgesamt 5 Hauptauftrittsorte: das große Theater, die Pool Stage, 2 Lounges und das Atrium. Bei allen fanden jeden Tag von Mittags bis Mitternacht ca. 3 – 5 Shows statt.
Im Theater gab es auch noch jede Menge weitere Shows, für die keine Reservierung vorgesehen war, und ich habe es nicht erlebt, dass am Eingang jemand wegen Überfüllung abgewiesen werden musste. Auch viele dieser Bands, wie z.B. Sound of Contact, PFM, Renaissance, hatten 2 Shows und 1 Storyteller, aber dann jeweils eine Show im Theater und eine auf der Pool Stage. Der Bereich des Außendecks mit dem großen Pool war nämlich komplett abgedeckt, damit man dort vor der Bühne sitzen konnte, die dort auch extra aufgebaut war. Die Bühne selber hatte eine Art Segeldach, aber davor gab es keinen Sonnen- oder Regenschutz. Bei Regen fand dann dort auch tatsächlich nichts statt. Das kam einmal vor, aber die ausgefallenen Konzerte wurden am nächsten Tag nachgeholt. Dieser Regen gehörte zu einem Sturmgebiet, das unser Schiff schon etwas stärker in Bewegung gebracht hat; aber nie so, dass es z.B. die laufenden Shows auf den anderen Decks beeinträchtigt hätte. Dieser Sturm führte allerdings dazu, dass wir einen der beiden geplanten Häfen, Isla de Roatan (Honduras), nicht angelaufen sind, sondern direkt zum zweiten Hafen, Cozumel, eine Insel vor Yucatan, Mexiko, gefahren sind, an dem wir dann einfach 2 statt 1 Tag verbrachten. Man hatte vorher einige Exkursionen buchen können, was mich aber sowieso nicht interessierte, da man dann durchaus auch einige Shows verpasst hätte. Ich hätte mich vermutlich selbst dann nicht beschwert, wenn das Schiff z.B. wegen Motorschadens den Hafen in Miami überhaupt gar nicht erst hätte verlassen können? Es ging nämlich wirklich in erster und auch in zweiter Linie um die Musik und auch um das Gefühl, unter so vielen Gleichgesinnten zu sein, und das 5 Tage lang mit allen Annehmlichkeiten der Verpflegung (all inclusive außer Alkohol und einigen Spezialitäten-Restaurants) und natürlich, dass man seine Unterkunft, also die Kabine, immer „dabei“ hat.
Ein wichtiger Aspekt ist bei so einer Cruise natürlich auch, dass es immer wieder zu besonderen einmaligen Gastauftritten der Musiker untereinander kommt, da sich viele natürlich auch privat kennen bzw. früher schon mal zusammen gespielt haben. Am gastfreundlichsten war in diesem Jahr eindeutig unser Steve Hackett: er hatte für seine zweite Show auf der Cruise John Wetton (voc) und Chris Squire (bass) bei All Along The Watchtower, sowie Simon Collins (nur als Mitsänger bei Supper’s Ready ab Apocalypse) dabei, während Steve selber bei Simons Sound of Contact bei Fast Forward The Future mitspielte; dieses Stück hatte er schon auf Simons Album U-Catastrophe gitarrenmäßig begleitet. Steve Rothery war leider kein Gast bei Hackett, was aber an den Rückenproblemen des Marillion-Gitarristen gelegen haben kann, die auch beim Storytellers zur Sprache kamen – er verbrachte seine Auftritte weitgehend sitzend.
Die Bands, die 2 Hauptauftritte hatten, brachten jeweils meist mehr oder weniger das gleiche Set, was mir vor allem bei Yes eher negativ auffiel; sie spielten zwar die längsten Shows (ca. 2:20 h), aber weitgehend gleich und hatten auch keine Gäste. Die rühmliche Ausnahme war auch hier Steve Hackett, wie man an den Setlisten der beiden Shows sehen kann:
Show 1:
Dance on a Volcano
The Musical Box
Firth of Fifth
The Knife
Supper’s Ready
Los Endos
Show 2:
Squonk
The Knife
The Musical Box
Firth of Fifth
Fly on a Windshield
in that quiet earth / Afterglow
Supper’s Ready
All along the Watchtower
Weitere Highlights speziell aus Genesis-Sicht waren der Storytellers-Auftritt von Hackett, bei dem er jede Menge Fragen vom Cruise-Organisator John Kirkman und aus dem Publikum beantwortete und natürlich auch seine Akustikgitarre dabei hatte und wie üblich Horizons und den Anfang von Blood on the Rooftops spielte. Und auch der Auftritt von Armando Gallo, dem legendären Genesis-Fotografen, war sehr interessant – er stellte ausführlich seine inzwischen weitgehend fertiggestellte App „I know What I Like“ vor, als Präsentation am Bildschirm, und man konnte sehen, was da alles enthalten ist. Vor allem jede Menge Interaktivität beim Blättern und massig Fotos, die er noch nie vorher veröffentlich hat, da für sie im ursprünglichen gleichnamigen Buch kein Platz mehr war. Aus rechtlichen Gründen darf er zwar die Musik selber nicht in die App einbinden (es gibt nur Links zu iTunes, sofern man dort selber die Alben gespeichert hat), aber einige Leute um Genesis haben ihm exklusiv für diese App Musik zur Verfügung gestellt, darunter auch Anthony Phillips. (Facebook / Kickstarter-Link)
Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf jeden Fall auch auf die Auftritte von Simon Collins mit Sound of Contact werfen. Er hatte zuerst eine 90-min Show auf der Pool Stage, mittags in der gleißenden Sonne, dann ein Storytellers im Atrium, und dann noch eine 90-min Show im Theater. Es gab das komplette Dimensionaut-Album, gefolgt von The Big Bang (mit Drum Duet mit seinem Tour-Drummer; auf dem Album U-Catastrophe war es ein Duet zwischen Phil und Simon) und einer eher rockigen Version von Keep It Dark, die er ja schon mal 2007 als elektronisch angehauchte Version aufgenommen hatte.
Zusammen mit seiner Live-Band hat er eine im Vergleich zum letzten Jahr deutlich ausgereiftere Show abgeliefert und auch sein Gesang kommt in diesem Jahr verbessert. Entsprechend war auch jedes Mal der Beifall des zahlreich erschienenen Publikums. Nach dem Storytellers-Auftritt hat er geduldig Autogramme und Fotos mit allen gemacht, die sich dafür anstellten. Ein wirklich netter Kerl! Er hat bestätigt, dass sein Daddy zurzeit dabei ist, eine neue Band zusammenzustellen, wollte aber noch nicht sagen, was dann daraus nun eigentlich werden soll.
Ziemlich beeindruckt haben mich auch die beiden Marillion-Auftritte; vor allem Steve Hogarth selber, der sich jedes Mal total verausgabt und uns durch die Songs sein Herz ausschüttet. Auch ihr Storyteller-Auftritt (wenn auch ohne etwas zu spielen) war ganz unterhaltsam und Hogarth ließ sich breitschlagen, beim zweiten Auftritt dann auch Easter zu spielen.
Stick Men mit Tony Levin hatten auch einen Storyteller-Auftritt, bei dem ich direkt neben Armando Gallo saß (Foto von papabear.com) und Tony bemerkte dazu, dass es nur dann eine richtige Rockshow sei, wenn Gallo dabei sei und Fotos mache.
Three Friends, die ehemaligen Gentle Giant-Mitglieder, spielten zwar nicht im Theater sondern nur in den Lounges, waren aber offenbar sehr beliebt und die Locations waren jeweils brechend voll.
Andere Gruppen wie PFM, Renaissance und Tangerine Dream spielten jeweils einmal im Theater und hatten dort auch ein begeistertes Publikum, wenn es auch nicht voll war, was aber natürlich immer auch an den vielen anderen parallelen Angeboten lag.
Es gab auch jeweils Meet & Greet-Sessions für die meisten Künstler. Dabei gab es lange Schlangen und man wurde praktisch wie am Fließband von Station zu Station durchgeschleust, da jeweils 6 – 7 Gruppen pro Session zusammengefasst wurden. Es sollte nur jeweils ein Foto gemacht werden und man konnte ein paar Worte wechseln (Autogramme waren eigentlich nicht vorgesehen); dann wurde man schon zum Nächsten weitergeschoben. Steve Hackett hat zwar auch daran teilgenommen, aber nach seinem Storyteller-Auftritt hat er dann noch mal eine eigene „richtige“ Autogrammstunde eingerichtet, die so lange dauerte, bis alle Interessenten durch waren.
Die Konzerte gingen meist bis kurz nach Mitternacht, aber damit war der Tag noch nicht zu Ende. Denn dann folgte noch der After Hours Prog Jam vor einer kleinen Bar in der Nähe des Atriums. Zu diesem Zwecke hatten sich einige Passagiere, die auch selber Musik spielen, vor der Cruise über Facebook verabredet, wer welche Songs dort spielen könnte. Somit kannte jeder mehr oder weniger seinen Part, aber bis zum Auftritt nach Mitternacht hatten sie noch nie vorher zusammengespielt. Dementsprechend war dann auch die Aufführungsgüte sehr unterschiedlich, je nach der individuellen Klasse der Beteiligten.
Auf jeden Fall war es aber äußerst unterhaltsam, solche Songs wie Gates of Delirium, In the Court of the Crimson King oder Carpet Crawlers mal so zu hören und der Enthusiasmus bei den Musikern und dem rundum stehenden Publikum war riesig. Das gewisse Extra gab es dann noch dadurch, dass Nad Sylvan eines Nachts um halb drei persönlich vorbei schaute und Lilywhite Lilith dort selber sang. Das klang erstaunlich gut, fand ich, vor allem, wenn man die Tages- bzw. Nachtzeit dieser Performance bedenkt! Bei Gates of Delirium kamen dann auch einige der Yes-Musiker wie Chris Squire, Geoff Downes und Jon Davison und haben sich das Ganze angeschaut. Wenn ich das richtig verstanden habe, war ihnen der Schlagzeuger bei diesem Stück persönlich bekannt. Um 3 Uhr morgens war dann auch dafür jeweils Schluss, aber es stand noch ein Flügel in der Nähe und man wurde aufgefordert, darauf weiterzuspielen und mitzusingen. Das habe ich dann selber nicht mehr wahrgenommen, aber einmal hat sich dort laut zuverlässiger Quelle Mark Kelly von Marillion hingesetzt und einige der Klassiker seiner Band intoniert. Er war so spät noch auf, weil er zuvor im Casino das eine oder andere Spielchen gewagt hatte.
Zum Gastgeber Jon Kirkman ist noch zu sagen, dass er aus Liverpool stammt und ein alter Hase im Organisieren von Konzert-Tourneen ist. Außerdem hat er zurzeit ein interessantes Buchprojekt zu Genesis zu dem er Flyer verteilte und dazu aufrief, dass man seine Erinnerungen und Fotos und sonstige Memorabilia dazu beisteuern solle.
Preislich ist das Ganze durchaus erträglich, wenn man eine 4-Bett-Innenkabine nimmt (mit 2 Stockbetten); die Preise gingen bei der CTTE 2014 bei 550 USD pro Person los. Dazu kommt natürlich noch der Flug nach Miami und zumindest vorher auch eine Hotelübernachtung dort, da man von Europa aus ja immer am späten Nachmittag in den USA ankommt, während man aber schon am frühen Nachmittag an Bord sein muss.
Das Essen an Bord ist in den inkludierten Restaurants (Buffet aber auch à la carte) im Allgemeinen gut und abwechslungsreich und mit etwas Mühe kann man sich auch einigermaßen gesund ernähren. Insgesamt überwiegen die italienischen und mexikanischen Einflüsse; so wie das ja in den USA vielerorts üblich ist. Es gibt auch Restaurants, wo man draufzahlen muss und für die Suiten gibt es noch ein extra Restaurant auf dem obersten Deck, das nur für diese Privilegierten reserviert ist. Nicht-alkoholische Getränke sind im Reisepreis enthalten, aber für alles über 0% zahlt man extra; entweder pro Drink oder mit Voucherpaketen für z.B. 50 Drinks. MSC ist zwar eine italienische Reederei, aber sie bedient auch viel die Americas; so gibt es z.B. überall an Bord Steckdosen sowohl für die USA als auch für uns kompatible nebeneinander.
Es steht im Moment wohl noch nicht so ganz fest, wie genau diese Cruise im nächsten Jahr ablaufen soll, aber es war schon an Bord inoffiziell die Rede davon, dass es entweder so ähnlich wie 2014 laufen sollte oder aber vielleicht sogar im Mittelmeer. Da inzwischen aber zumindest die Monsters of Rock-Cruise auf dem selben Schiff für Anfang April 2015 terminiert wurde, und zwar wieder von und nach Miami, gehe ich mal davon aus, dass dann wieder wie in diesem Jahr, darauf die Cruise to the Edge folgen wird. In 2014 waren es auf der MSC Divina 3 solche Cruises am Stück, die auch von der selben show-technischen Crew begleitet wurden: Monsters of Rock, The Moody Blues Cruise und die Cruise to the Edge. Hackett wäre auf jeden Fall wieder bereit, mitzumachen. Bei Yes ist es angeblich noch nicht so ganz sicher, aber das wird vermutlich bald verkündet werden. Von der ersten Ankündigung bis zum Buchungsbeginn dürften dann auch wieder einige Wochen vergehen, so dass man genügend Zeit haben wird, sich das genau zu überlegen und evtl. entsprechende Mitstreiter z.B. für eine 4er-Kabine zu suchen. Ich kann es auf jeden Fall nur empfehlen und es ist ja auch nur 1 Woche; nicht zu kurz und nicht zu lang!
Autor: Volker Warncke