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Steve Hackett – Ciao, Steve Hackett, Italien 2000 – Interview

Während der Tournee 2000 durch Italien trafen wir einen gut aufgelegten Steve Hackett, der uns bereitwillig Rede und Antwort stand…

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it: Du bist seit einiger Zeit mal wieder mit einer kompletten Band auf Tour. Wie fühlst du dich?

Steve: Wunderbar! Es ist eine großartige Band. Ich habe das bisher über jede Gruppe gesagt, mit der ich unterwegs war. Ich meine es aber wirklich so, wie ich es sage. Sie sind tolle Musiker, und so wird alles zu einem Vergnügen. Ich bin sehr zufrieden und auch stolz. Ich trete nicht mehr unter einem Bandnamen auf, sondern alles läuft unter meinem Namen. Dennoch ist es sehr wichtig, dass die Zutaten stimmen.

zitat1 it: Wie kam es zu der Auswahl der Musiker, die du letztendlich für diese Tournee um dich versammelt hast?

Steve: Ich arbeite seit einigen Jahren mit Roger King zusammen. Er erwähnte, dass er gerne dabei sein würde, wenn ich mich wieder einmal dazu entschließen würde, live zu spielen. Darüber hinaus sah ich eine Band namens Manuka, dessen Sängerin von Billy gemanagt wird. Ich wollte Manuka live erleben, daher ging ich zu einem Konzert von ihnen. Sie waren sehr gut. Ich schaute mir die nächste Band dieses Abends auch noch an. Sie hießen Bombdropppers. Mir fiel auf, dass der Schlagzeuger sehr raffinierte Rhythmen spielte und erwähnte dies gegenüber Billy. Er klärte mich darüber auf, dass es sich beim Drummer um Gary O’Toole handele. Billy hatte ihn für die Show mit Manuka entdeckt. Erst jetzt wurde mir klar, dass Gary in beiden Bands gespielt hatte. Ich hatte einen schlechten Platz und konnte nicht sehr viel sehen, daher war es mir vorher nicht aufgefallen. Billy informierte Gary, dass ich gerade nach einem Schlagzeuger suchte. Kurze Zeit darauf meldete sich Gary bei mir telefonisch, und er schien interessiert an diesem Job zu sein. So kam es zur Engagierung von Gary. Ian Mosley rief mich vor einiger Zeit an, und erzählte, dass er gerade an einem Album mit Ben Castle arbeiten würde. Ben spielt alle möglichen Blasinstrumente – so auch Saxophon und Flöte. Ben ist der Sohn eines in England sehr bekannten Musikers, nämlich Roy Castle. Roy ist auch als Komiker und Entertainer bekannt. Ian fragte mich, ob ich auf dem erwähnten Album gerne mitspielen würde. Ich willigte ein und spielte bei vier Tracks Gitarre. Bei der Musik handelte es sich um improvisiertes Material, welches arrangiert wirkt, aber sehr viel Platz für kleine Soli ließ. Ich genoss die Zusammenarbeit sehr. Die Empfehlung für Phil Mulford kam von Roger, der mit ihm zusammengearbeitet hatte. Ich sah ihn bei einem Konzert im West End von London und war begeistert von seinem Spiel. Auch Aron Friedman und Gary hatten bereits mit Phil an Projekten gewirkt. Er wurde mir also von vielen Seiten empfohlen. Tja, so hatte ich dann meine Band zusammen. Ich habe mir auch andere Musiker angehört, habe mich aber schließlich für diese vier entschieden.

it: War es beabsichtigt, eine komplett neue Band zusammen zu suchen? Bei der Guitar Noir-Tour hattest du ja auf Musiker, wie Julian und Hugo zurückgegriffen, mit denen du bereits zuvor gearbeitet hattest.

Steve: Ja, ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu machen. Ich hatte neue Musik geschrieben, die sehr schwer zu spielen ist. Ich wusste, dass ich Musiker benötige, die ein vollendetes Gefühl fürs Timing haben. Es ist beispielsweise schwer, in ruhigen Passagen korrekt weiter zu zählen. Diese Band hat ein sehr professionelles Niveau. Ich habe wohl noch nie eine professionellere Gruppe gehört, als die, mit der ich jetzt zusammen bin.

 

zitat2it: Dies ist bereits die dritte Tour durch Italien in den letzten Jahren. Gibt es Gründe, warum du nicht mehr in anderen Ländern eine Tournee absolvierst?

Steve: Ich habe wohl das gleiche Problem wie Mozart. Man benötigt einfach das Interesse eines Promoters. Es sind halt die Italiener, die mir in letzter Zeit die meiste Aufmerksamkeit entgegen gebracht haben. Sobald auch andere Veranstalter sich melden und Interesse bekunden, werden wir gerne auch woanders spielen – gerade weil ich eine so tolle Band habe. Es ist eine kleine Schande, dass nur die Italiener uns erleben können. Es gibt Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann. Ich habe in den vergangenen Jahren viel Zeit im Studio verbracht, und daher vergessen die Leute, das es da ja auch noch einen Live-Aspekt gibt. Ich bin jetzt fünfzig, und man muss die Tatsache akzeptieren, dass man nicht mehr der Sexgott ist, der man noch mit zwanzig war. Man hat in dem Alter einfach nicht mehr die Jugend an seiner Seite.

it: …aber du hast doch auch ganz andere Möglichkeiten heutzutage!

Steve: Ich weiß heute genau, warum ich gerade die Dinge schreibe, die ich schreibe, oder warum ich gerade die Dinge aufnehme, die ich aufnehme. Ich arbeite nicht an meinen Projekten, um die meist verkaufte Musik der Welt zu erschaffen. Wenn man Musik macht, die man liebt, wird man in einer anderen Währung als Geld bezahlt. Wir alle lieben es, viel Geld zu haben, um damit schöne Kleider zu kaufen oder an tolle Urlaubsorte zu reisen. Aber auf der anderen Seite hat Geld sehr begrenzte Möglichkeiten. Lasst es mich anders ausdrücken: Wie ein Messer, das man immer scharf halten möchte, möchte ich auch mein Bewusstsein schärfen und nie vergessen, welche Möglichkeiten Musik und die verschiedenen Formen der Musik bieten können.

it: Wirst du die Song-Liste während der Tournee ändern, oder wird bei den nächsten Konzerten das gleiche gespielt wie in Vigevano?

Steve: Bei dem Konzert morgen in Catania müssen wir unsere Setlist kürzen, da unser Auftritt Teil eines Gitarren-Festivals ist. Es wird also nur eine vierzigminütige Show für uns werden. Diese Tatsache ist nicht zu ändern und liegt auch nicht in unserer Kontrolle. Es ist aber typisch für Italien. Hier weiß man einfach nie, was passieren wird. Vom Prinzip wollen wir aber immer die gleichen Songs spielen. Falls viele Zugaben gefordert werden, müssen wir es vielleicht noch mal überdenken. Wir könnten dann entweder improvisiertes Material spielen, oder ich präsentiere Stücke auf der Akustikgitarre. Die Länge der Show beträgt zirka eineinhalb bis eindreiviertel Stunden. Ich denke, dass das eine Menge Musik für die Sinne ist.

it: Gibt es einen Grund für diese sehr gelungene Mischung aus Material von deinen Solo-Alben, unveröffentlichten Stücken und Genesis-Nummern?

Steve: Es sind die Stücke für die ich noch immer eine Leidenschaft empfinde oder die einen kuriosen, raren Wert besitzen – wie Hairless Heart beispielsweise, das bestimmt seit über zwanzig Jahren von keinem von uns live gespielt wurde. Ich dachte mir, lass uns doch einfach den Staub von diesem kleinen netten Stück entfernen und es zu neuem Leben erwecken. Es ist auch schön, einen Überraschungseffekt bei einem Konzert zu haben, und durch das Keyboard-Intro wird jeder Hairless Heart sofort erkennen. Des Weiteren gibt es da neues von mir geschriebenes Material, welches ich live spielen wollte. Diese Songs sind bisher noch nicht professionell aufgenommen worden. Es existieren nur Demo-Versionen. Mechanical Bride beispielsweise wuchs mit der Idee, es live zu präsentieren. Dieses Stück steht für eine Art von Musik, die in der heutigen Zeit nur noch selten benutzt wird. Ich denke zwar nicht, das es sich dabei um einen altmodischen Stil handelt – davon ist es weit entfernt. Es ist aber so, dass in der heutigen Zeit die wenigsten Bands auf einem derartig hohen Level der Präzision spielen.

zitat3it: Nach dem Konzert in Vigevano sprachen wir mit einigen Fans. Viele von ihnen wunderten sich, warum du so wenig mit dem Publikum kommuniziert hast. Gibt es einen Grund dafür, warum du nicht – wie sonst üblich – zu den Zuschauern gesprochen hast?

Steve: Ich wollte, dass die Musik ohne Unterbrechungen in einem Stück abläuft. Bei Tourneen im Ausland – speziell in nicht englischsprachigen Ländern – empfinde ich es als schwer, in der jeweiligen Landessprache mit dem Publikum zu kommunizieren. Ich habe dies viele Jahre lang praktiziert. Häufig endet das Ganze aber in einer eher amüsanten Vorstellung. Morgen in Catania werde ich aber mit den Zuschauern sprechen, da wir dort ein kürzeres Konzert spielen. Ich werde also die Stücke vorstellen – auch wenn mein Italienisch auf ein oder zwei Sätze beschränkt ist.

it: Weshalb spielst du auch die akustischen Gitarren-Elemente in den Songs mit einer elektrischen Gitarre?

Steve: Nun, ich wollte dem Ganzen ein jazziges Gefühl vermitteln. Bei Walking Away From Rainbows spielt Ben Saxophon. Ich versuche ein neues Arrangement, bei dem Ben im Verlauf des Stückes eine wunderbare Sopransaxophon-Improvisation darbietet. Gegenüber dem Original wird es auf diese Weise weiterentwickelt und wird zu einem Stück voller flexiblem Denken. Die Band hat wirklich eine tolle Version dieser Nummer kreiert. Wenn ich mir Ben anhöre, werde ich an einige Jazz-Standards von früher erinnert. Ich würde gerne Musik schreiben, bei der einem nicht einmal bewusst ist, dass man Jazz hört. Es ist sogar unsere Absicht, Fans, die angeblich keinen Jazz mögen, diese Musikform etwas näher zu bringen. Vielleicht gelingt es uns auch, Menschen, die früher keine klassische Musik mochten, durch die Nummer von Erik Satie, die wir im Programm haben, für Klassik zu interessieren.

it: Der Set beinhaltet auch drei unveröffentlichte Lieder. Was kannst du uns darüber erzählen?

Steve: Alle drei Stücke klingen sehr unterschiedlich. Wir wollten ein Zeichen setzten, dass eine Band in der Lage ist, ein breites Spektrum verschiedensten Materials spielen kann. Dies kann Stoff sein, der sehr zornig oder intensiv ist und im nächsten Moment eine philosophische Richtung einschlägt.

it: Diese Stücke sind ja neu. Beabsichtigst du, sie auf einem Rockalbum zu veröffentlichen?

Steve: Ja, es sind Tracks für ein neues Rockalbum. Wir werden die Konzerte aufnehmen, und die Möglichkeit ist vorhanden, dieses Material herauszubringen. Dies hängt aber auch davon ab, wie die Musik rüberkommt. Ihr wisst sicher, dass es in Italien einen großen Bootleg-Markt gibt. Uns ist klar, dass Stoff von diesen Konzerten als Bootleg erscheinen wird. Von daher liegt der Gedanke nah, ein offizielles Livealbum zu vertreiben – auch wenn dieses Werk dann nur für Fans gedacht wäre und nicht über die Plattenläden verkauft werden würde. Dies würde ironischer Weise bedeuten, dass einige Tracks zuerst live erscheinen würden – noch bevor eine Studio-Aufnahme im Kasten wäre. Ich hoffe sehr, diese beabsichtigten Studioaufnahmen mit diesen Jungs zu realisieren, nachdem sich die Aufregungen der Tour gelegt haben. Ich möchte aber auch noch mal deutlich machen, das ich sehr glücklich bin, wieder auf Tour zu sein. Ich habe das wirklich sehr lange vermisst. Das meine ich ganz ehrlich! Es ist ein besonderes Gefühl, ein Konzert zu erleben. Alles ist wie auf Messers Schneide. Wird die Show außer Kontrolle geraten? Wird es regnen oder wird die Sonne scheinen? Wird das Publikum das Konzert verlassen oder auf den Stühlen sitzen bleiben? Werde ich die Noten richtig spielen? Werde ich mein rechtes Bein abwerfen? Werde ich meine Hose verlieren? Ups, ich trage ja heute gar keinen Büstenhalter! Wird erneut mein Toupet vom Wind weggeblasen werden? Das sind die Gedanken, die mir durch den Kopf gehen [Gelächter]!

it: Hast du diese drei Songs selbst geschrieben, oder handelt es sich um Korporationen?

Steve: Eigentlich kann ich diese Frage erst beantworten, wenn die Tracks komplett fürs neue Album fertig geschrieben sind. Den Großteil habe ich geschrieben, aber am besten lass ich euch das wissen, wenn das Album draußen ist. Es gibt für diese einfache Frage irgendwie keine einfache Antwort. Ich weiß zum Beispiel, das die Band und ich anfangen würden zu jammen, wenn die Tour etwas länger gehen würde. Ich bin sogar überzeugt davon, dass dabei großartiges Material herauskommen würde. Viele alte Genesis-Songs sind durch Jammen entstanden. Man hört sich das Gespielte immer wieder an, filtert das Gute heraus und schmeißt den Quatsch [Steve spricht dieses Wort auf Deutsch aus; Anm. d. Autors] weg. Jammen ist übrigens eine wundervolle Art, Songs zu entwickeln. Das Schwierigste beim Schreiben ist der zündende Funke für das Starten des Komponier-Prozesses. Manchmal sind es Textstrophen oder zwei Noten, auf denen alles basiert. Man benötigt das Gerüst, auf dem alles andere aufbaut. Sobald man einmal angefangen hat, ist der Rest relativ einfach. Es ist so, als würde man ein Haus bauen, was ich allerdings in meinem Leben noch nicht getan habe. Man muss wissen, welche Art von Gebäude man errichten möchte. Entscheidend ist auch hier der richtige Funke! Viele Ideen sind mir einfach in den Kopf gekommen. Das Riff für Darktown beispielsweise schoss mir eines Tages in den Kopf, als ich die Straße überquerte. Ich musste schnell nach Hause, um es aufzunehmen. Niemand durfte mich ansprechen, bevor ich es irgendwie konserviert hatte. Es war so, als hätte jemand diese Sequenz für mich geschrieben. Es ist sehr wichtig, Ideen, die einem auf diese Art kommen, sofort festzuhalten. Wenn du denkst, die Idee wird dir irgendwann wieder kommen, hast du schon verloren, denn dies wird nicht passieren – die Idee ist dann weg. Dies ist eine wichtige Lektion, die es zu lernen gilt.

zitat4it: Was wirst du nach der Tournee als Nächstes planen?

Steve: Ich werde die neuen Tracks im Studio mit dieser Band aufnehmen. Das hängt natürlich auch davon ab, ob mir alle Musiker zur Verfügung stehen. Des Weiteren lassen wir gerade ein neues Studio bauen. Im Moment hänge ich sozusagen zwischen zwei Studios. Ich hoffe, dass das Geld weiterhin fließt, und der Bau bald abgeschlossen werden kann. Ich möchte die Aufnahmen fertig stellen, solange noch alles frisch in ihren Gedanken ist, und sie sich noch gut an alle Noten erinnern können. Sie sind eine Killerband – sie sind großartig! Sie haben das Unmögliche möglich gemacht. Mir wurde früher immer gesagt, das meine Musik zu kompliziert sei. Aber Kompliziertheit ist nur eine von vielen Farben in der Musik. Wer sagt schon einem Bach, das seine Musik zu kompliziert sei? Hey Bach, deine Kompositionen enthalten zu viele Noten!

it: Wir werden uns also auf ein Rockalbum freuen können?

Steve: Das ist jetzt ein sehr interessantes Thema! Meine – oder besser – die Band ist nominell eine Rockband. Aber sie ist eine Jazz-Band, genauso wie sie eine Rockband oder eine klassische Formation ist. Jedes Mitglied ist sehr professionell. Ich bin vielleicht der Unprofessionellste von uns, was die technischen Fähigkeiten angeht. Jeder ist von vielen Einflüssen geprägt, so dass dieses Team Alben verschiedenster Art machen könnte, ohne beim Anhören der Musik zu spüren, dass es die gleichen Musiker sind. Ich will aber nicht zu viel beschwören. Immer dann, wenn ich einen zu optimistischen Blick in die Zukunft werfe, geht irgendetwas schief. Eines kann ich allerdings sagen: Ich bin im Moment sehr glücklich, da ich einen starken Bandgeist spüre. Ich habe schon lange eine Idee und stelle mir dabei folgendes vor: An einem Tag ist es Steves Band, am nächsten ist es Garys Band, und am Tag danach ist es Bens Band. Die einzelnen Tage werden völlig flexibel genutzt und ergeben so jedes Mal einen anderen Gesamteindruck. Ich kann mir auch vorstellen, dass Songs auf diese Weise funktionieren könnten. Ich hätte mir das auch bei Genesis denken können. Dies hier ist eine Idee, also warum machen wir den Komponisten dieses Stücks nicht glücklich und spielen, was er sich vorstellt. Wenn eine Idee von zwei Leuten kommt, wird halt gemacht, was diese beiden wollen – sie sind in diesem Moment die Meister dieses speziellen Einfalls. Aber obwohl es bei Genesis damals eine Demokratie gab, haben wir nie einen Vertrauens-Level erreicht, der solch eine Zusammenarbeit möglich gemacht hätte. Genauso ist es Blödsinn, anzunehmen, dass Soloalben eine Band auseinander bringen.

it: Billy erwähnte, dass das geplante Album mit Jim Diamond nun doch nicht realisiert wird. Wie sieht es damit aus?

Steve: Wir haben viele nette Songs. Wer weiß, was mit ihnen in der Zukunft passieren wird? Das Projekt liegt momentan auf Eis. Ich hoffe, dass sich daraus noch etwas entwickelt. Vielleicht erscheint das ein oder andere Piece auf meinem oder seinem Album. Es gibt ein Problem bei Partnerschaften. Eine Person kann nicht die Antworten auf alle Fragen haben. Jim hatte den Eindruck, es wäre eher mein als sein Album. Ich dachte wiederum an einem Punkt, es wäre eher sein Album als meines. Dennoch haben wir bereits sehr schöne Musik und tolles Material zusammengetragen. Es handelt sich um Coverversionen von bekannten Stücken. Dies könnte nicht allen Fans gefallen.

zitat5it: Habt ihr bisher nur die Auswahl getroffen, oder gibt es auch schon fertige Aufnahmen?

Steve:Wir haben sogar schon recht viel Material aufgenommen!

it: Was kannst du uns über dieses Projekt von Ian Mosley erzählen?

Steve: Es ist ein Album, welches Ian Mosley und Ben Castle gemeinsam machen. Es sind darauf verschiedene Trommeln und Holzblasinstrumente zu hören – das ist alles, was ich weiß. Drei Gitarristen sind bisher darauf vertreten: Steve Rothery, John Etheridge und ich. Es gibt also schon jetzt eine ganze Reihe von Gastmusikern und es hört sich sehr gut an. Die Basis, so denke ich, ist Jazz – aber irgendwie anders. Ich hatte einen ganz tollen Tag, den ich dort im Studio verbrachte.

it: Wie fühlst du dich, nach so vielen Jahren wieder mit Ian zusammen zu arbeiten?

Steve: Gut! Er hat eine tolle Art von Humor. Sie hatten die Tracks bereits aufgenommen. Ich habe also nur über das bestehende Material gespielt.

it: Gibt es Pläne, Material vom Erik Satie-Album in irgendeiner Form live zusammen mit deinem Bruder zu präsentieren?

Steve: Wie ihr vielleicht wisst, hat John Nackenprobleme. Von daher hat er kein Interesse an irgendwelchen Tourneen. Wir hatten einige Auftritte im Fernsehen. In Ungarn beispielsweise haben wir live Material vom Satie-Album gespielt. Wir spielen im aktuellen Set eine der Satie-Nummern.

zittat6it: Wie sieht mit der alten Idee aus, unveröffentlichtes Live- und Studiomaterial deinen Fans anzubieten?

Steve: Nun, das geplante Live-Album, von dem ich bereits sprach, wird unveröffentlichte Songs beinhalten. Des weiteren gibt es da ein Album namens Feedback, welches Mitte der Achtziger entstand. Wir werden dieses Werk eventuell als Feedback 86 anbieten. Allerdings ist es in erster Linie für die Fans gedacht und soll nicht in Plattenläden erhältlich sein. Dieses Album wurde irgendwie nie richtig fertig gestellt. Wenn ich mir Feedbackheute anhöre, denke ich, dass darauf interessanter Stoff enthalten ist. Einige Tracks sind bereits auf meinen wiederveröffentlichten Alben erschienen. Dazu gehören The Gulfund Stadiums Of The Damned. Es ist so, dass dieses alte Material etwas geplündert wurde – so auch Cassandra, das auf der amerikanischen Pressung von Guitar Noir zu hören ist – wenngleich es eine andere Version ist. Für viele wird Feedbackeher einen raren als einen musikalisch hohen Wert haben. Es ist kein Werk eines Genies, und es handelt sich auch nicht um eine ausgezeichnete, bahnbrechende Musikproduktion. Es ist lediglich eine Sammlung von Ideen, die vor vielen Jahren entstand.

it: Seid ihr noch in Kontakt mit EMI beziehungsweise Virgin, um die Rechte an dem noch fehlenden Backcatalogue zu bekommen?

Steve: Es war früher eher möglich, Rechte zurück zu bekommen. Heutzutage hat sich die Politik geändert. Kaum eine Plattenfirma gibt die Rechte zurück, da irgendwelche Songs von vor fünfzig Jahren ja urplötzlich Hits werden könnten. Deswegen ist niemand daran interessiert die goldenen Eier zu verlieren – keiner weiß, ob daraus nicht einmal etwas Erfolgreiches entstehen könnte.

it: Dies ist eine Schande! Es wäre schön, den Backcatalogue wiederzuveröffentlichen – eventuell in remasterter Form!

Steve: Ich könnte jenes Material erneut aufnehmen. Da müssen wir erst mal sehen, was möglich ist! Es muss geprüft werden, welche gesetzliche Grundlage solche Re-Recordings haben. Das wird noch ein sehr interessanter rechtlicher Prozess werden.

it: In Vigevano hast du ein gutes Statement zum Thema einer eventuellen Tour mit Genesis abgegeben. Du machtest deutlich, dass du bereit wärest, an einem solchen Projekt mitzuwirken, sofern die aktuellen Genesis-Mitglieder, also Tony und Mike, auf dich zukommen würden.

Steve: Ich möchte dazu sagen, dass ich nicht der größte Unsicherheitsfaktor für eine solche Reunion und gegebenenfalls ein gemeinsames Album wäre. Es erscheint mir sehr wichtig, dass große Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssten, bevor wir viel Zeit und Energie in eine solche Geschichte investieren. Es muss vermieden werden, dass wieder genauso eine morastige Zusammenarbeit wie bei den Neuaufnahmen von Carpet Crawlers entsteht. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich von der finalen Version des Stücks sehr enttäuscht bin. Ich habe sehr viel Gitarrenarbeit beigesteuert, die beim letztendlichen Mix nicht berücksichtigt wurde. Nach meiner Einstellung darf so etwas nicht passieren. Ich müsste also eine Kontrolle über die Qualität behalten, und ich bin nicht sicher, ob etwas unter diesen Voraussetzungen entstehen wird. Ich bin nicht bereit, ins Studio zu gehen und beigesteuertes Material den Händen eines Pop-Produzenten zu überlassen. Deshalb lass‘ ich meinen Gitarrenkoffer zunächst in der Ecke stehen. Es sieht nicht wirklich danach aus, als hätten die Jungs die richtige Mentalität für ein gutes Gruppen-Album, oder? Ich denke, es könnte sehr schwer werden, wieder ein Spieler in einem Team zu werden, nachdem man erst mal die Freuden der Unabhängigkeit erfahren hat.

it: Es liegt also an Tony und Mike, ob es zu einer Tournee kommt oder nicht?

Steve: Sie besitzen die Schlüssel des Königs – so könnte man sagen. Es liegt also nicht an mir. Ich denke aber, dass es für alle Beteiligten im Moment nicht das Wichtigste ist. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es wichtig für die Fans ist. Ich habe immer versucht, Leute zu beflügeln, sich weg von der Vergangenheit zu bewegen und an Bord der starken, großartigen Zukunft zu kommen. Ich verstehe aber das Syndrom. Vermutlich würde ich mir auch eher das nächste Beatles-Album, wenn sie sich wiedervereinen würden, als das letzte George Harrison-Album kaufen. Genesis unterscheiden sich aber von den Beatles. Jedes individuelle Mitglied der Band verpflichtete sich eines sehr ernsthaften und andauernden musikalischen Schaffens. Armando Gallo meinte einst, dass jeder, der Genesis verließ, seine Muse mit sich nahm.

zitat7it: Vielleicht könnte man zusammen kommen, um einfach nur zu jammen, und um dann zu schauen, ob etwas dabei herauskommt. Die Idee wäre, das Ganze nicht so ernsthaft zu betreiben.

Steve: Ja, das hört sich gut an. Ich glaube aber, dass bei Genesis so etwas nicht möglich ist. Man arbeitet mit dem Hintergedanken etwas zu erschaffen, das mit den „Top of the Pops“-Hits mithalten kann. Ich neige eher zur Jazz-Einstellung, die freies Denken ermöglicht. Sobald man anfängt, die Sache durch und durch zu planen, gerät die Handlung in den Hintergrund, und diese Handlung ist genau das, was die Fans hören wollen. In den Vordergrund würden vermutlich andere Dinge, wie moderne Töne, treten. Ihr seht also, dass es da eine große Kluft zwischen mir und den Hitmachern gibt.

it: Deine Ziele und Absichten und die von Tony und Mike scheinen grundsätzlich verschieden zu sein. Während du betonst, Musik zu machen, die dich zufrieden macht, legen die beiden großen Wert auf Erfolg. Sie sind offensichtlich sehr enttäuscht von dem Misserfolg von Calling All Stations!

Steve: Es würde mich nicht stören, wenn sich ein Album nicht gut verkaufen würde. Wenn ich stolz auf die Platte wäre, wäre mir das andere egal. Wie ich schon sagte: Musik bezahlt dich mit anderen Werten als Geld. Wenn deine Philosophie aber darin besteht, zu glauben, dass deine Musik nur so gut wie dein letzter Hit sei, dann musst du eben aufgeben, wenn sich eine Platte nicht so gut verkauft. Persönlich habe ich einfach andere Erwartungen an die Musik. Ich kann euch von einem interessanten Erlebnis erzählen: Ich habe eine E-Mail von meinem alten Geschichtslehrer erhalten. Er ist Ungar, und ich habe seit fünfunddreißig Jahren nichts mehr von ihm gehört. Ich wollte mit ihm in Kontakt treten, da ich wusste, dass er jetzt in einer Sendeanstalt arbeitet. Er schrieb, dass ihm das Satie-Album sehr gefallen hätte. Genau dieser Lehrer gab mir nie gute Noten, als ich noch zur Schule ging [Gelächter]! Ich habe also endlich – nach so vielen Jahren – eine gute Bewertung von ihm bekommen. So etwas bedeutet für mich Entlohnung! Auf Musik kommt es an – nicht auf Verkaufszahlen!

We would like to thank Steve for spending so much time

to do this interview with us.

These were some great hours! Thank you!

Interview: Helmut Janisch und Bernd Zindler

Transkription und Übersetzung: Bernd Zindler

Photos: Helmut Janisch