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Spin 1ne 2wo (feat. Paul Carrack & Tony Levin) – Album Rezension

Eine interessante Supergroup gab es 1993, als sich Tony Levin, Paul Carrack, Steve Ferrone und Rupert Hine zu Spin 1ne 2wo zusammenschlossen. Das einzige Album beleichtet Harald Köhncke etwas genauer.

Das laut Wikipedia von Gitarrist Phil Palmer zusammengestellte Projekt Spin 1ne 2wo ist vorwiegend aus personellen Gründen interessant für den Genesis-Fan: Bassist und Stick-Spieler Tony Levin aus Peter Gabriels Band und Sänger Paul Carrack von Mike + The Mechanics machen mit.

Außerdem gibt es noch einen Bezug zu Keyboarder (und Produzent) Rupert Hine, der einige der frühen Platten von Anthony Phillips produziert hatte.

Ergänzt wird die Besetzung von Schlagzeuger Steve Ferrone, welcher etwa um diese Zeit bei Tom Petty And The Heartbreakers einstieg und außerdem sehr vielen Alben als Sessionmann seinen Stempel aufdrückte. Als Techniker und Mixer fungiert Stephen W. Tayler. Er hatte in dieser Funktion auch vorher schon mit allen Beteiligten zu tun.

Was hat diese Musiker dazu bewogen sich zusammen zu finden? In einem Interview mit der Website World of Genesis sagt Tony Levin, es sei die Idee eines Plattenfirmenmenschen aus Italien gewesen.

Das Booklet der CD versucht, dem Projekt einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Hier gibt es die Erklärung zu einem Fraktal auf dem Innencover mit Formel (!) und weiterhin einen kurzen Text von Stephen Hawking, in dem er die Spinquantenzahl erklärt. Man erfährt, dass der Projektname Spin 1ne 2wo als „Spin 1/2“ zu lesen ist und dass Elementarteilchen mit dieser Quantenzahl erst nach zwei Umdrehungen in ihren Ausgangszustand zurück kehren. Eine Deutung, was dies dann mit der Musik auf der CD zu tun haben könnte, bleibt dem Leser/Hörer überlassen.


Spin 1ne 2wo
Es handelt sich bei diesem selbstbetitelten Debut von Spin 1ne 2wo um ein Album nur mit Coverversionen. Zwölf Rocksongs aus den 60ern und 70ern wurden ausgewählt (auf LP sind es nur elf), die allesamt bekannt oder sogar legendär sind.

Nach ursprünglichem Erscheinen geordnet sind dies: Reason To Believe von Tim Hardin (1966) das auch in einer Version von Rod Stewart bekannt ist (1971); You Keep Me Hanging On von Holland/Dozier/Holland erstmalig veröffentlicht von den Supremes (1966) und danach von sehr vielen anderen Künstlern u.a. auch von Phil Collins auf der DVD des Albums Going Back (2010); All Along The Watchtower von Bob Dylan (1968) auch bekannt von Jimi Hendrix (ebenfalls 1968); White Room von Cream (1968); On The Road Again von Canned Heat (1968); Can’t Find My Way Home von Blind Faith (1969); Angel von Hendrix (1971); Black Dog von Led Zeppelin (1971); Reelin‘ In The Yearsvon Steely Dan (1973); Feel Like Makin‘ Lovevon Bad Company (1975); Kashmir von Led Zeppelin (1975) und Who Are You von The Who (1978).

Black Dog wird übrigens auch von der Tony Levin Band auf ihrem Livealbum Double Espresso(2002) dargeboten.

(Anmerkung: im Booklet wird der Song You Keep Me Hanging On fälschlich Ira Allen und Buddy Mize zugeordnet. Es handelt sich aber nicht um deren gleichnamigen Countrysong.)

Nun aber zur Musik. Wie klingt es, wenn sich solch hervorragende Musiker diesen Songs annehmen? Ich bin geneigt zu sagen: genau wie man sich das vorstellt.

Es bietet sich ein Vergleich zu den Originalen an. All Along The Watchtower liegt in etwa zwischen den Versionen von Bob Dylan und Jimi Hendrix. Man hört eine akustische Gitarre, aber auch schneidende Elektrogitarrenriffs und ein Solo, das natürlich nicht mit Hendrix‘ Spiel vergleichbar ist. Im Hintergrund fügt sich die Orgel gut in das Gesamtbild ein. Der Song wird etwas schneller gespielt als im Original und es fallen insbesondere die knackigen, variantenreichen Drums auf, die in den anderen beiden Versionen altersgemäß eher muffig klingen. Ein schönes Update des Songs.

Bei Can’t Find My Way Home kommen Paul Carracks Vocals besonders gut zur Geltung, denn ihm liegen ruhigere Stücke mit etwas Blues und Soul einfach besser. Davon abgesehen wird die Version von den Keyboards dominiert, die fast wie ein Orchester den Hintergrund weben, auf dem sich Akustikgitarre (hier mit Akkorden statt wie im Original per Fingerpicking) und Orgel ausleben können, angereichert von etwas das wohl eine funky Gitarre oder Tony Levins Stick ist. A propos Levin: natürlich ist sein Bass zu hören, spielt sich aber fast nie in den Vordergrund, sondern übernimmt den Rhythmus unaufgeregt, warm, aber mit Groove. Alles in allem bleibt in Can’t Find My Way Home die Atmosphäre des Originals erhalten, wenngleich die Spin 1ne 2wo-Version weniger akustisch und weniger hippieesk klingt.

Angel wird auf dieser CD etwas verkitscht, denn Hendrix‘ deutlich dunklere Stimme und der etwas bedrohliche Bass des Originals werden ersetzt durch eine Instrumentierung, die an ein Liebeslied denken lässt (was zum Text passt).

Bei White Roomwürde man sicherlich ohne Kenntnis des Originals sofort ausrufen: cooler Song! Allerdings wird auch hier heftig von den Keyboards Gebrauch gemacht und Levins Bass, der deutlicher im Vordergrund steht, hat einen sehr modernen Sound – wie man ihn von Gabriels So kennt – so dass sich letztlich die bluesig-psychedelische Atmosphäre des Originals nicht entwickeln kann.


Cover
Reason To Believe
ist in der ursprünglichen Version ein ganz entzückender Folksong, etwas schnulzig aber typisch für die Zeit. Die Coverversion auf der vorliegenden CD hingegen macht auch hier ein von Paul Carracks Stimme betontes Liebeslied ohne jegliche Folkanklänge daraus. In dieser Hinsicht orientiert sie sich vielleicht etwas mehr an der Rod Stewart-Version, die aber trotzdem wegen der knarzigen Stimme, Akustikbass, Geige usw. ganz anders ist. Die Fassung von Spin 1ne 2we könnte ohne weiteres auch auf einer Soloplatte von Carrack zu finden sein.

You Keep Me Hanging On wird bei Spin 1ne 2wo von einer tanzbaren Soulnummer zu einem langsam groovenden Rocker (Phil Collins‘ Version ist deutlich näher am Original). Die Instrumente liefern sehr ähnliche Ingredenzien wie bei den Stücken zuvor, bis auf den besonders warmen aber fetten Bass, die deutlicheren Orgelsprenksel und die Streicher im Hintergrund.

Black Dog und Kashmir sind schon insofern Ausnahmen, als die Versionen von Carrack & Co. hier ausnahmsweise kürzer sind als die Originale. Die Instrumentierung ist bei beiden sehr ähnlich zu der ursprünglichen Aufnahme. Allerdings fehlt den Drums die Wuchtigkeit im Mix (das Schlagzeugspiel selbst ist hervorragend) und Black Dog wird als Instrumentalversion gespielt. Im Song Kashmir setzt sich Paul Carracks Stimme erwartungsgemäß nicht derart durch wie man das von Robert Plant kennt. Immerhin darf Tony Levin gegen Ende von Black Dog ein bisschen auf dem Stick variieren und bei Kashmir etwas funkiger bassen.

Den prägnanten Bass hört man auch bei On The Road Again. Davon abgesehen wird die schwüle Highway-Atmosphäre des Originals durch eine leicht treibende Monotonie ersetzt, die gerade gegen Ende wieder mit Orgelakzenten ergänzt wird. Durchaus auch passend zum Thema des Songs, aber doch sehr anders.

Bei Feel Like Makin‘ Lovehabe ich den Eindruck, dass Paul Carracks sanfte Stimme nicht gut zum weitgehend originalen Arrangement des Songs passt. Zur Unterstützung der Stimme wurden zwar ordentlich Keyboardteppiche in den Hintergrund gesetzt und die Heftigkeit der Gitarrenriffs wurde entschärft, aber es ist und bleibt ein Hardrocksong. Gegen Ende hören wir noch ein Mundharmonikasolo (oder sind es Keyboards?), das der Originalversion fehlt und den Hardrock zum Schluss noch in Richtung Blues drängt.

Reeling In The Yearsvom ersten Steely Dan Album verliert in seiner neuen Version den 70ies Vibe und wird zu einem ziemlich gewöhnlichen Popsong. Leider ist bei der Instrumentierung auch kein Klavier mehr dabei: an dessen Stelle sind akustischen Gitarren getreten. Das Gitarrensolo von Phil Palmer kann es nicht mit den Solos der Version von 1973 aufnehmen.

PromoBleibt noch Who Are You, dessen Original von allen hier gecoverten Songs wohl am modernsten klingt, indem der typische The Who-Sound mit Synthesizern angereichert wurde. Diese werden bei Spin 1ne 2wos Version im Intro durch Keyboards ersetzt und entfallen im weiteren Verlauf. Dafür bekommt man ein wenig Orgel und recht weit im Vordergrund stehendes Stick-Spiel von Tony Levin. Er ersetzt auf diese Weise auch das Akustikgitarrensolo im Mittelteil des Originals, in der anschließenden Bridge hören wir statt des mehrstimmigen Gesangs (The Who) ein wenig Klavier.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Herren auf höchsten Niveau musizieren und die Songs nur wenig bearbeitet haben. Jeder Titel ist sofort erkennbar, die Aufnahmen sind modern (für 1993) produziert und klingen somit auch ähnlich zu vergleichbaren Stücken vom Ende der 80er oder Anfang der 90er.

Man fragt sich, wen das ansprechen soll. Der Liebhaber der Originale wird sich am Fehlen des 60er- oder 70er-Flairs stören. Die Arrangements sorgen kaum für große Aha-Erlebnisse. Im Vergleich würde ich unbedingt den Genuss der Originale empfehlen und nicht den dieser Coverversionen. Lohnenswert mag die Sache sicherlich für diejenigen sein, die Fans von Paul Carracks Stimme sind.

Als Singles wurden aus diesem Longplayer 1993 Can’t Find My Way Home und All Along The Watchtower ausgekoppelt, jedoch ohne nennenswerten Erfolg.

Danach verschwand das Projekt Spin 1ne 2wo wieder in der Versenkung und ich denke, die meisten haben sich nicht daran gestört. Phil Palmer allerdings sagte 2013 in einem Interview es gebe eine eingeschworene Anhängerschaft und sie würden überlegen eine zweite Platte aufzunehmen!

Bis jetzt ist nichts passiert, aber wer weiß…

Autor: Harald Köhncke (April 2019)


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