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Song 01: „Panopticom“ 6. Januar 2023
Langersehnt erscheint im Januar 2023 der erste Track des neuen Albums von Peter Gabriel: „Panopticom“ – ja, mit „m“ am Ende. Infos und Hintergründe haben wir hier zusammengetragen.
Bright-Side Mix
Dark-Side Mix
In-Side Mix
Original Band Tracking Session 24/09/2021
Der Titel Panopticom lässt an das deutsche Wort „Panoptikum“ denken – also an ein Kuriositätenkabinett. Tatsächlich steckt im Titel aber noch deutlich mehr.
Ins Englische übersetzt müsste es eigentlich „Panopticon“ heißen. Doch Gabriel schreibt das Wort mit „m“ am Ende: Panopticom. Das com steht bei ihm für „communication“. Denn die Idee, um die es hier geht, ist eine unendlich erweiterbare, allen zugängliche Informations-Zentrale. Gabriel stellt sie sich als Globus vor (vermutlich einen digitalen), in den man hineinzoomen und Informationen zu allen denkbaren Orten und Themen aufrufen kann. Informationen, die weltweit eh schon vorhanden sind, mögen so frei zugänglich und nutzbar werden.
Diese Vision fußt auf realen Vorabeiten, insbesondere von den Organisationen Forensic Architecture, Bellingcat und dem von Gabriel mitgegründeten WITNESS. Die beiden erstgenannten arbeiten an der Sammlung, Modellierung und Untersuchung von öffentlich verfügbarem Material aus Google Earth, Social-Media-Posts oder YouTube-Videos und haben schon an der Überführung von Tätern mitgearbeitet wie etwa denen hinter der Vergiftung des russischen Oppositionsaktivisten Alexej Nawalny. Sie gehören beide zu einer Dachorganisation, die ihren Sitz in Berlin hat.
Assoziativ dazu noch weiter: Ein gewisser Jeremy Bentham entwarf 1791 mit dem „Panopticon“ das Konzept für ein Gefängnis, in dem ein einzelner Wärter Blick auf viele Zellen hat, die kreisförmig um ihn angeordnet sind, und es einem alleine so möglich ist, alles in Kontrolle zu halten. Wenn nun Gabriel aus diesem Panopticon ein Panopticom macht, heißt das, so wörtlich: „der Big Brother wird zur Little Sister (kleinen Schwester)“ und alle außen rum können jetzt beobachten, was die in Macht stehenden tun. Allen zugängliche Informationen über die Welt schaffen Freiheit.
Panopticom ist eine Hymne auf diese Vision. Die kann man naiv finden – oder phantasievoll optimistisch. Der Song in seinem Bright-Side Mix strahlt jedenfalls enorme Positivität aus.
Zu dem Stück wurden zwei Musikvideos veröffentlicht, die beide den Dark-Side Mix illustrieren und im Rahmen von Gabriels #DiffuseTogether Wettbewerb prämiert wurden. Ein paar Hintergründe versammelt haben wir hier zu den Clips von Vnderworld und von Lamson.
Lyrics
Der Text des Liedes ist eigentlich recht klar formuliert – keine überbordenden Wortspiele oder unverständlichen Aussagen. Zu Beginn kommen zwei knappe Beschreibungen, die man als entweder bedrohlich oder Kräfte sammelnd interpretieren kann. Der Idee des Songs folgend führt das aber dann in eine eindeutig positive Stimmung, die als Lobpreisung des „Panopticoms“ daherkommt.
Die Strophen bestehen gewissermaßen nur aus zwei Zeilen Text – wobei es zu Beginn nur eine dieser „Strophen“ gibt, nach dem Refrain dann zwei. Der Refrain selbst ist zweigliedrig: Zunächst vier Mal der Ausruf „Panopticom“ und lebhafte Aufforderungen an den Hörer als Antwort („lass uns herausfinden, was los ist“). Dem folgt ein quasi fortlaufender Text in mehreren Zeilen, zu dem sich der Grundschlag der Musik verdoppelt. Hier wird beschrieben, wie sich die Welt mit dem Panopticom wandelt. Gabriel sagt, der Satz „And we pour the medicine down (wir stürzen die Medizin runter)“ war der erste, der sich für den Song ausformte.
Im zweiten Strophenteil kommt der Satz vor „It was in Berlin that all the evidence was found (Es war in Berlin, wo alle Beweise gefunden wurden)“, der sich auf den Sitz der oben erwähnten Organisationen bezieht, die an digitaler Verbrechenbekämpfung arbeiten.
Am Ende des zweiten Refrains wird von der Zeile „Tentacles around you“ das „around you“ mehrfach wiederholt für den Schlussteil.
Alle Lyrics des Albums stehen auf Peter Gabriels Webseite hier.
Kunst
Der Track wird begleitet vom Werk Red Gravity des kanadisch-britischen Künstlers David Spriggs, der Gemälde mit mehreren Schichtebenen anfertigt, die dreidimensionale Wirkung haben. Bei der Gravity-Serie handelt es sich um Acryl auf geschichtetem Plexiglas in einer LED-beleuchteten Plexiglasvitrine.
Das Bild stellt auch das „Cover“-Motiv für die Single dar.
Mehr zum Kunstwerk und dem Künstler dahinter haben wir hier versammelt.
Bright-Side Mix – 6. Januar 2023
Words and Music Peter Gabriel
Produced by Peter Gabriel
Published by Real World Music Ltd. / Sony Music Publishing
Engineered by Oli Jacobs and Katie May
Pre-production engineering by Richard Chappell
Assistant engineering by Faye Dolle
Mixed by Mark ‚Spike‘ Stent
Mastered by Matt Colton at Metropolis
Recorded at Real World Studios, Bath and The Beehive, London
Drums: Manu Katché
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Oli Jacobs, Richard Chappell
Bass: Tony Levin
Electric Guitar: David Rhodes
Acoustic Guitar: Katie May
Synths: Peter Gabriel
Additional Synths: Oli Jacobs
Bells and Haunting Synths: Brian Eno
Backing Vocals: Peter Gabriel, David Rhodes, Ríoghnach Connolly
Lead Vocals: Peter Gabriel
Länge 5:14
[Radio-Edit 4:06 – Bouzouki-Intro und -Zwischenspiel fallen weg, Outro ist verkürzt]
Die erste Veröffentlichung dieses Tracks im Bright-Side Mix ist eine vergleichsweise optimistische Nummer. Es handelt sich tatsächlich um so etwas Absonderliches wie ein Liebeslied auf Gabriels Vision einer globalen Informationsplattform.
Musik
Nach einem Intro, gespielt mit gesampelter Bouzouki, das schlicht klingt, vielleicht sogar unschuldig, startet der eigentliche Song mit rollendem Rhythmus im Midtempo. Ein detailreiches, aber nicht überfrachtetes Arrangement trägt über die Strophe, bis es rasch in den Refrain geht, der zunächst aus dem Ruf „Panopticom“ und quasi einer Antwort besteht, um danach dann, den Grundschlag verdoppelnd, in regelrechtes Jubeln auszubrechen. Nach einer Wiederholung der Bouzouki-Melodie als Zwischenspiel wird zum Strophenteil zurückgekehrt, wobei erst jetzt auffällt, dass über dem doch eine gewisse Schwere liegt. Aber der Jubel setzt wieder ein, kommt in Schlusssteigerung, bis der Song ausschwingt, dabei nicht im Fadeout endet, sondern mit einem livetauglichen, knappen Akkord.
Ein wenig weckt das Stück Assoziationen an andere Gabriel-Tracks – genau fassen lässt sich das nur schwer. Baby Man und Animal Nation möglicherweise, beide ebenfalls in einem mittleren Tempo. Der deutlich erdige und akustische Grundton gemahnt an US, eingestreute elektronische Elemente eher an Up und die Zeit danach.
Dass der Song auf bereits bekannten Snippets beruhen würde, die irgendwann im Vorfeld mal das Studio verlassen hätten, ist nicht aufgefallen.
Besetzung
Musikalisch wird Panopticom von Gabriels langjährigen Bandmitgliedern Tony Levin, David Rhodes und Manu Katché getragen. Der Soundtüftler Brian Eno fügt wirkungsreiche Effekte hinzu (die nie vordergründig stehen) und noch ein paar weitere Mitstreiter haben kleineren Anteil. Ingesamt aber ist die Song-Besetzung deutlich knapper als noch bei manchem Track auf Up oder US.
Produziert wurde das Stück von Gabriel alleine. Der Mix stammt (wie alle „Bright-Side“ Mixe) vom renommierten und im Pop-Geschäft begehrten Mark ‚Spike‘ Stent (Björk, Madonna, Arcade Fire, Bruce Springsteen).
Dark-Side Mix – 21. Januar 2023
Words and Music Peter Gabriel
Produced by Peter Gabriel
Published by Real World Music Ltd. / Sony Music Publishing
Engineered by Oli Jacobs and Katie May
Pre-production engineering by Richard Chappell
Assistant engineering by Faye Dolle
Mixed by Tchad Blake
Mastered by Matt Colton at Metropolis
Recorded at Real World Studios, Bath and The Beehive, London
Drums: Manu Katché
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Oli Jacobs, Richard Chappell
Bass: Tony Levin
Electric Guitar: David Rhodes
Acoustic Guitar: Katie May
Synths: Peter Gabriel
Additional Synths: Oli Jacobs
Bells and Haunting Synths: Brian Eno
Backing Vocals: Peter Gabriel, David Rhodes, Ríoghnach Connolly
Lead Vocals: Peter Gabriel
Länge 5:13
Unerwartet veröffentlich Gabriel zum Januar-Neumond also einen ersten Dark-Side Mix. Der von Panopticom ist tatsächlich ein eigener Mix – nicht ein Remix oder eine Neuproduktion. Die Struktur des Songs und dessen Abfolge bleiben gleich, auch die zur Verfügung stehenden Elemente (ebenfalls die Lyrics). Was wirklich anders ist, sind Lautstärken, Equalizing, Effektunterlegung.
Man erlebt also keine knalligen Veränderungen, die Unterschiede sind feiner. Gabriel bietet uns nebenbei damit auch noch einen Lehrgang in Musikproduktion.
Musik
Der zweite Mix stellt also „nur“ eine Variante des Songs dar, die aber tatsächlich eine andere Wirkung hat. Gleich im Intro wird die gesampelte Bouzouki von klagenden Sounds begleitet (gesampelte Stimme?), was eine gewisse Verlorenheit gibt.
Im Folgenden sind die einzelnen Instrumente deutlich hörbarer, isolierter voneinander. Das Arrangement ist weniger gefüllt mit Atmosphärischem. Die Drums wirken allerdings auch härter, die E-Gitarre grober, der Bass (besonders in der Passage nach dem ersten Refrain) herausgekehrter. Merklich sind auch die unter Strophen und erstem Refrainteil liegenden schwirrenden Töne schneidender im Klang, weniger erdig.
Alles ist kantiger, druckvoller, nicht so geschmeidig wie im Bright-Side Mix und hat weniger von dessen positiven Dramatik – weniger Verbindlichkeit.
Der Dark-Side Mix ist tatsächlich „dunkler“ und nicht mehr ganz so die jubelnde Hymne auf das „Panopticom“.
Besetzung
Das Personal ist laut Credits gleich. Tatsächlich hört man auch, dass hier dieselben Musiker arbeiten. Nur die sphärischen Elemente von Brian Eno sind weniger spürbar.
Alle „Dark-Side“ Mixe werden angefertigt von Tchad Blake (Tom Waits, Tracy Chapman, Pearl Jam, David Rhodes, Peter Gabriel), dessen Stil prägnant wie auch geerdet ist.
In-Side Mix – 28. Januar 2023
Words and Music Peter Gabriel
Produced by Peter Gabriel
Published by Real World Music Ltd. / Sony Music Publishing
Engineered by Oli Jacobs and Katie May
Pre-production engineering by Richard Chappell
Assistant engineering by Faye Dolle
3D Audio Sound Treatments and Dolby Atmos Mix by Hans-Martin Buff
in the Red Room at Real World Studios and Aural Majority Pad, Boofland
Additional Recording Assistance by Dom Shaw
Mastered by Matt Colton at Metropolis
Recorded at Real World Studios, Bath and The Beehive, London
Drums: Manu Katché
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Oli Jacobs, Richard Chappell
Bass: Tony Levin
Electric Guitar: David Rhodes, Stuart McCallum
Acoustic Guitar: Katie May, Stuart McCallum
Synths: Peter Gabriel
Additional Synths: Oli Jacobs
Bells and Haunting Synths: Brian Eno
Backing Vocals: Peter Gabriel, David Rhodes, Ríoghnach Connolly
Lead Vocals: Peter Gabriel
Länge 5:17
Die Veröffentlichung des In-Side Mixes mit Dolby Atmos samt der Ankündigung, dass jeder der kommenden Tracks von i/o einen solchen dritten Mix erhalten wird, dürfte für die allermeisten Fans überraschend gewesen sein. Der In-Side Mix zu Panopticom wurde im Januar zum zunehmenden Halbmond veröffentlicht und ist aktuell ausschließlich über Apple Music und Amazon Music verfügbar.
Die Umsetzung dürfte für einige Fragezeichen gesorgt haben. Jedem Mix mit Dolby Atmos muss offensichtlich ein äquivalenter Stereo-Mix zugeordnet werden, der die Möglichkeit bieten soll, zwischen Dolby Atmos und Stereo hin- und herwechseln zu können. Da aber kein Stereo In-Side Mix existierte, wurde stattdessen der Dark-Side Mix von Panopticom hinterlegt. So weit, so verwirrend.
Musik
Der Höreindruck erinnert an den Bright-Side Mix. Der Sound ist ähnlich luftig und transparent und vor allem Schlagzeug und Bass haben nicht die Wucht, die den Dark-Side Mix auszeichnet. Die 3D-Effekte haben definitiv eine interessante Wirkung, übertrieben ausgereizt wurden sie aber eindeutig nicht.
Im Intro wandern einzelne Hintergrundsounds effektvoll von rechts nach links und auch der Nachhall des Gesangs wechselt im weiteren Verlauf stellenweise die Seiten (z.B. bei den Wörtern „ground“ und „found“ und noch deutlicher bei „skies“ und „lies“) beziehungsweise schwirrt im Mix umher. Auffällig ist, dass das Schlagzeug zu Beginn der zweiten Textzeile „all the phones“) kurz etwas hintergründiger klingt. Der Rhythmus wird dadurch noch einmal zurückgenommen, bevor dann der Übergang zum nächsten Songteil folgt. Im Uptempo-Teil wird das Schlagzeug wieder sehr druckvoll. Auf Zählzeit 3 klingt die Bass-Drum dabei zumindest mit Apple AirPods Pro über Apple Music vereinzelt etwas übersteuert. Auch mit unterschiedlichen EQ-Einstellungen entsteht hier der Eindruck, dass irgendetwas nicht ganz sauber ist.
Ein völlig neues Element ist im Outro enthalten. Während Peter die Textzeile „around you“ wiederholt, ist eine kleine und dezente Melodie zu hören, die vermutlich von einem Synthesizer gespielt wurde und wieder im Stereobild wandert. Hans-Martin Buff hat von zusätzlichen Aufnahmen gesprochen. Insgesamt entsteht aber nicht das Gefühl, dass viel Unbekanntes zu hören ist.
Die Art der Musik und Produktion mit dem Sound Design von Brian Eno rechtfertigt dennoch einen Dolby-Atmos-Mix. Panopticom enthält genug kleine Spielereien, die sich sinnvoll anordnen lassen. Gleichzeitig zeigt die Transparenz des In-Side Mixes aber auch, dass die Musik nicht unnötig überladen wurde, sondern durchgehend nachvollziehbar bleibt.
Besetzung
Hans-Martin Buff ist Deutscher, hat mit Prince, Roachford, Zucchero oder Mousse T. gearbeitet. Über seine Arbeit mit Gabriel sagt er: „Ich darf straffen, ich darf fokussieren, ich darf verschönern, und ich darf die Klänge, die Peters Arrangements ausmachen, aufrauen. Ich darf betonen, verstecken, und ich darf sogar speziell für den immersiven Peter Gabriel aufnehmen, und am Ende wird Peter im Raum sein und entscheiden, was das Beste für seine neuen Songs ist.“ Denn für Peter hätten Stereo- und 3D-Version nicht übereinzustimmen, sie müssten nur beide großartig sein.
Original Band Tracking Session 24/09/2021
1. Februar 2023
Words and Music Peter Gabriel
Produced by Peter Gabriel
Published by Real World Music Ltd. / Sony Music Publishing
Engineered by Oli Jacobs
Pre-production engineering by Richard Chappell
Assistant engineering by Katie May, Faye Dolle, Oli Middleton and Dom Shaw
Recorded at Real World Studios, Bath
Drums: Manu Katché
Rhythm Programming: Peter Gabriel, Oli Jacobs
Bass: Tony Levin
Electric Guitar: David Rhodes
Synths: Peter Gabriel
LV: Peter Gabriel
Länge 5:33
Wie angekündigt, veröffentlicht Gabriel auch noch weitere Aufnahmen eines Tracks. Zu Panopticom ist es die „Original Band Tracking Session“ vom 24.09.2021. Dabei handelt es sich um eine quasi live-Einspielung des Songs im Studio in einer Roh-Fassung.
Sie ist exklusiv den Bandcamp-Abonnenten vorbehalten.
Musik
Diese Version ist zum einen rund 30 Sekunden länger als die bisherigen Mixe, zum anderen ist sie deutlich leerer im Arrangement – die atmosphärischen Fill-Ins sind alle noch nicht vorhanden. Zu hören sind wirklich nur Bass, Schlagzeug, Gitarre, Keyboards.
Die ersten fünf Sekunden füllt ein Drumklick-Intro (eher ein technisches, denn ein musikalisches Mittel) – dann startet der Song mit dem gewohnten Bouzouki-Vorspiel. Auch der weitere Ablauf folgt dann der bekannten Struktur.
Tony Levins Bass steht im leeren Gefüge klarer vorne, zudem ist Gabriel eigentlich durchgehend mit der gesampelten Bouzouki an den Keyboards zu hören, die dadurch tragende Begleitung ist. Die Gitarre von Rhodes bleibt sehr dezent und steht instrumental deutlich nicht im Mittelpunkt. Die Verlängerung der Spieldauer kommt dadurch zustande, dass nach dem ersten Refrain das Bouzouki-Zwischenspiel wiederholt wird. Etwas, das für die finalen Mixe gerafft wurde.
Dass es sich um eine unfertige Rohfassung handelt, zeigt neben der Leere im Arrangement auch die Tatsache, dass der Begleitgesang noch etwas unklar in der Sortierung ist. Die Lyrics allerdings sind schon komplett und unverändert zur finalen Veröffentlichung.
Anhand dieser Version lässt sich vor allem klar ausmachen, wie sehr ein Mix doch die hier noch recht trocken gehaltene Aufnahme verändern kann. Und was in der Endproduktion alles noch hinzugefügt wurde – an Ambient-Fills und melodiösen Elementen (wie etwa die Keyboardriffs zwischen den Strophen-Zeilen). Darin wird sich diese Fassung auch ziemlich sicher von einer Liveumsetzung auf der Tour unterscheiden, denn Gabriel wird auf diese musikalischen Schlüsselmomente bei den Konzerten wohl nicht verzichten.
Besetzung
Das Personal ist nur die Kernband: Katché, Levin, Rhodes sowie Gabriel an den Synthesizern und (mit Oli Jacobs) am Programming.
Klangtechnische Analyse
Beim Bandcamp-Download bekommt man die maximale Qualität bei den optionalen Formaten WAV, AIFF bzw. FLAC. Audio-Datentechnisch sind alle drei Formate Bit-identisch, nur hat das FLAC-Format (wie gewöhnlich) eine verlustfreie Datenkompression auf ca. 63 % (in absoluten Zahlen: 172 MB bei AIFF und WAV, 108 MB bei FLAC). Es handelt sich um lineares PCM mit 24 Bit und 96 kHz (über Sinn und Unsinn dieser „Hi-Res“-Formate an anderer Stelle).
Im Intro des Bright-Side Mixes sieht es dynamisch mit einer durchschnittlichen Lautheit von -15 LUFS noch ganz gut aus, auch bei den Strophen wird es mit -12 LU nur wenig lauter. Mit vollem Drumeinsatz bei ca. 1:46 min ist es jedoch vorbei – der Pegelmesser steht auf Anschlag, was bedeutet, dass die natürlichen Spitzen der Wellen stark limitiert wurden, um maximale Lautheit herauszuholen. Diese Begrenzung ist sehr effektiv, als „Nebenwirkung“ treten dabei jedoch starke nicht-lineare Verzerrungen auf, die einen durchaus erwünschte Sättigungseffekt verursachen: der Klang ist laut, aber durchaus angenehm. Im Analogzeitalter hatte man ähnliches erreicht, indem die Bandaufnahmen extrem übersteuert wurden. Dennoch: Notwendig wäre so etwas heutzutage nicht mehr, denn es gibt genügend Effekt-Plugins, die eine analoge Sättigung perfekt nachahmen, ohne dass die Dynamik darunter leidet. Denn der Nachteil ist, dass von der großen, zur Verfügung stehenden Maximalauflösung nur noch ein kleiner Bruchteil auch tatsächlich genutzt wird.
Die durchschnittliche Lautheit von -11,2 LUFS wäre zu Zeiten des berüchtigten „Loudness Wars“ ein guter Wert gewesen, heutzutage liegen die akzeptablen Werte eher in der Größenordnung von -15 LUFS. Mehr Luft nach oben wäre hier also schön gewesen.
Bei der Betrachtung der Frequenzkurve fällt ein recht gleichmäßiger Abfall zu den hohen Frequenzen von etwa 100 Hz bis 10 kHz auf, mit einer kleinen Mittenbetonung zwischen 500 und 1500 Hz – das ist der Bereich von Peters Stimme – die hier jederzeit gut zu hören ist, dabei jedoch vollständig im Sound eingebettet bleibt. Zwischen 2 kHz und 10 kHz wird der Abfall etwas flacher, hier hätte eine leichte Anhebung bei 4-5 kHz zu etwas mehr Luftigkeit und Transparenz geführt, offenbar wollte der Masterer das aber nicht. So ist der Klang recht bass- und mittenbetont. Kann man so machen, muss man aber nicht. Über 10 kHz geht es steiler abwärts, und bei 22 kHz ist man dann schon bei -80 dB angekommen, so geht es dann auch bis 48 kHz weiter – das ist praktisch flüsterleise, wohlgemerkt, bei ansonsten Vollpegel. Aber hier ist ohnehin nur Rauschen – selbst die Fledermäuse verpassen also nichts.
Interessanterweise klingt der Dark-Side Mix tatsächlich „brighter“ als der Bright-Side Mix. Das liegt an der 3 dB-Anhebung der oberen Mitten und Höhen zwischen 1 und 10 kHz und gleichzeitigen Absenkung der unteren Mitten zwischen 100 und 700 Hz von bis zu 4 dB (in etwa der Frequenzgang, den ich schon beim Bright-Side Mix empfohlen hätte). Bei ansonsten annähernd gleicher Lautheit (der Bright-Side Mix ist nur 0,4 dB lauter) klingt die dunkle Seite also etwas frischer und, ja, heller.
Die Mixe unterscheiden sich jedoch in praktisch allem. Im Dark-Side Mix fällt zuerst der deutlich reduzierte Ambient-Anteil auf. Die Vocals sind klarer und stehen mehr im Vordergrund, ebenso die Drums, die beim Bright-Side Mix eher verwaschen klingen und mit dem Hintergrund verschmelzen. Tchad Blake verzichtet auch weitgehend auf die Keyboard-Flächen und mischt auch die Akustikgitarre weiter in den Hintergrund. So klingt sein Mix ein wenig puristischer und ungeschliffener – ehrlicher könnte man fast sagen.
Links
Gabriels erläuterndes Full Moon Video zu Panopticom:
Song-Hintergrund auf petergabriel.com
Webseite Forensic Architecture
Webseite Bellingcat
Webseite WITNESS
Webseite David Spriggs
Panopticom bei Bandcamp (im Video weitere Infos und Ausschnitte aus Demo-Versionen ab 9:48)
Diskutiert mit über den Song hier im Forum.
Autor: Thomas Schrage
Besprechung In-Side Mix: Martin Peitz
Technische Analyse der Soundfiles: Tom Morgenstern