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Simon Collins – U Catastrophe – CD Rezension

Simon Collins‘ drittes Album erschien nach der großen Genesis Tour 2007 und neben seinem Vater Phil Collins ist auch Steve Hackett als Gastmusiker vertreten. Alles ist ein wenig anders – was genau, erfahrt ihr in dieser Rezension.

Die Karriere von Simon Collins begann vielversprechend. Zwar musste auch Simon mit dem Klischee „Sohn des berühmten Vaters“ leben, jedoch konnte er mit seinem Debütalbum All Of Who You Are einen recht eigenständigen Sound kreieren. Der war nicht immer perfekt und auch sein Gesang noch ausbaufähig, aber das Potenzial war da. Ob es allerdings eine gute Idee war, Vater Phil als Gastsänger auf dem Album zu verstecken, mag jeder selbst entscheiden. Seine Single Pride jedenfalls wurde nicht nur in Deutschland ein kleiner Hit – Simon lebte zu dieser Zeit in Frankfurt. Sein zweites Album Time For Truth war allerdings mehr Rückschritt als Fortschritt. Man spürte förmlich den kreativen Druck, unter dem er stand. Die Songs waren eher durchschnittlich und die Produktion stellenweise unterirdisch. Nur selten kam sein Talent, sein verbesserter Gesang und sein Schlagzeugspiel zum Vorschein.

CoverSein Deutschland-Gastspiel war längst beendet und Simon gönnte sich eine Art Reboot. Er stellte sich nun offener seiner Herkunft – coverte mit Hilfe von Dave Kerzner sogar den Genesis-Hit Keep It Dark und fand seine Kreativität wieder. Das Album U-Catastrophe nahm er in Kanada auf und – das kann man vorweg nehmen – es ist das mit Abstand beste seiner drei Alben. Es ist ironischerweise auch sein nordamerikanisches Debütalbum. Es ist nach wie vor schwer zu beschreiben, welche Art Musik Simon macht, aber das Album enthält sehr gute Songs und diese sind weit besser in Szene gesetzt als auf den Vorgängern. Simon kann auch gute Balladen schreiben – dies scheint er von seinem Vater geerbt zu haben. Und was das Erbe angeht – dieses Mal geht Simon das Thema offensiv an. Mit The Big Bang ist auf dem Album ein erstklassiges Schlagzeugduell zwischen ihm und seinem Vater enthalten. Und auch die Gitarren von Steve Hackett sind zu hören – auf Fast Forward The Future veredelt Steve mit seinem Sound einen eher kalten Song.

Kalt? Ja, U-Catastrophe (2008 erschienen) hat diese Momente. Simon experimentiert nach wie vor viel mit Hall, kalten Sounds und Industrial-Klängen. Er verwebt diese aber geschickt in Soundstrukturen echter Instrumente und er hat Ideen für gute Melodien und Dramaturgie. Produziert wurde das Album von Kevin Churko, der unter anderem auch Ozzy Osbourne produzierte und in der Szene einen guten Namen hat. Die beiden lernten sich im Rahmen der Neuaufnahme von Keep It Dark kennen.

So ist der Titelsong, der gleichzeitig der Opener des Albums ist, nicht unbedingt typisch für das Album. Auffällig ist, dass Simons Gesang bei diesem Song kaum an seinen Vater erinnert. Es passt aber gut in das Konzept des Albums, dass es sehr unruhig beginnt, etwas chaotisch, durchaus auch aggressiv. Das zeichnet auch den nächsten Song, All I’ve Left To Lose aus. bei diesem Song wirkt aber alles schon etwas organischer. Interessant wird es dann bei Powerless – hier ist Simon eine Art Ballade aus der Feder gerutscht. Eine schöne Melodie, es gibt sogar ein Musikvideo. Dieser Song erinnert auch ein wenig an die guten Momente seines Debütalbums.

Es fällt sicher nicht schwer, sich auf einen Song zu freuen, der keiner ist, weil dort primär zwei Schlagzeuger das tun, was sie am besten können – Schlagzeug spielen. Diese beiden heißen auch noch beide Collins und so ist The Big Bang einer dieser ganz großen Momente des Albums. Phil links, Simon rechts – The Big Bang ist einfach nur einwahres Fest!

Die erste Single des Albums war übrigens nicht Powerless, sondern Unconditional. Der lupenreise AOR-Poprocksong schaffte es in den USA bis auf Platz 12 der Adult Contemporary Charts – ein beachtlicher Erfolg, den der Song nicht zu Unrecht eingefahren hat. Die flotte Nummer hat in der Tat das Zeug zum Hit. Hier verzichtet Simon auf ausgefallene Sounds und singt den Song, wie er sein muss – geradeaus.

Es gibt auch Songs, deren Potenzial nicht ausgeschöpft wurde oder die einfach etwas abfallen im Vergleich zu anderen. Eco ist eines dieser Stücke – rein textlich gesehen ist es ein typischer Simon Collins Song, es geht um unsere Umwelt – aber es ist ihm hier kaum gelungen, das ganze in ein interessantes musikalisches Gefüge zu platzieren. Es hört sich eher an, als habe er sein durchaus ehrbares Anliegen in dieses Korsett namens Song gepresst. Etwas luftiger ist The Good Son – relativ unspektakulär, aber gut hörbar.

Seinem Vater sagt man ja nach, gute Balladen geschrieben zu haben, vielleicht aber auch zu viele. Nun hat sich Simon auch mal an so einer Ballade versucht. US ist nicht nur gelungen, sondern die vielleicht beste Melodie des gesamten Albums, die auch gefühlvoll gesungen und stilvoll umgesetzt wurden. Ob dieser Song als Single funktioniert hätte, ist reine Spekulation, nach eigener Aussage ist es aber der persönlichste Song von Simon. Während Simon hier und da Ausrufezeichen setzte, schließt er das Album mit viel Stil ab. Kein geringerer als Steve Hackett veredelt das Finale Fast Forward The Future, dem man durchaus progressive Elemente nachsagen kann. Und so verschwindet das Album langsam gedankenversunken im Soundhimmel.

Fazit

Das Album ist nicht an allen Stellen konsequent, aber es hat sehr gute Momente. Simon scheint seinen Weg gefunden zu habe, auch wenn er natürlich nach wie vor in einer Entwicklungsphase steckt. Neben dem Schlagzeugfeuerwerk The Big Bang und dem Finale Fast Forward The Future wissen vor allem die Ballade US, Conditional und Powerless zu gefallen – weil sie als Popsongs perfekt funktionieren. Daneben gibt es eine Reihe weiterer gelungener Stücke, wie etwa The Good Sonsowie eine Albumdramaturgie, die sehr durchdacht ist und den Hörer so auf eine Reise nimmt. Auf diesem Album kann Simon aufbauen, die Daumen gehen eindeutig nach oben.

Autor: Christian Gerhardts